Geschäft: Formularpflicht hilft gegen missbräuchliche Mietzinserhöhungen

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.23.19
TitelFormularpflicht hilft gegen missbräuchliche Mietzinserhöhungen
ArtKR Motion
ThemaGesundheitspflege, Sozialversicherung, Sozialhilfe
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung27.11.2023
Abschluss30.4.2024
Letze Änderung17.7.2024
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
WortlautWortlaut vom 27. November 2023
AntwortAntrag der Regierung vom 23. Januar 2024
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
27.11.2023Person3.12.2024
27.11.2023Person3.12.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
30.4.2024Eintreten32Zustimmung73Ablehnung15
Statements
DatumTypWortlautSession
30.4.2024Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 73:32 Stimmen bei 3 Enthaltungen nicht auf die Motion ein.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Schwager-St.Gallen zu Dürr-Widnau: Ich möchte Dürr-Widnau berichtigen. Der Kanton Luzern hat die Formularpflicht erst gerade eingeführt. Genf ist eine völlig andere Liga. In Genf sind die Probleme weit höher als in Zürich. Der Kanton Zürich ist auch eine andere Liga als der Kanton St.Gallen. Wir wissen auch, warum in Zug die Mieten so hoch sind. Das sind hausgemachte Situationen. Selbstverständlich bin ich nicht gegen den Wohnungsbau. Ich sage Ihnen aber: Die Transparenz bei den Mietzinsen hat nichts mit dem Bau der Wohnungen zu tun. Der Wohnungsbau wird weder beschleunigt noch verhindert. Sie sorgt für mehr Fairness zwischen Vermieter und Mieterin und Mieter.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Dürr-Widnau zu Schwager-St.Gallen: Sie haben gesagt, die Mieten seien um 25 Prozent gestiegen. Anscheinend haben neun Kantone diese Formularpflicht. Wenn man anschaut, wie dort die Mieten gestiegen sind, dann widersprechen Sie sich, dass genau diese Formularpflicht eben überhaupt nichts nützt. Dort steigen die Mieten genauso stark, wenn nicht sogar mehr. Entscheidend ist, dass wir genügend Angebot haben auf dem Wohnungsmarkt, entsprechende Investitionen tätigen und das nicht verhindern, sondern Anreize schaffen. Denn wenn das Angebot knapp ist, wird das Gut teuer – nebst anderen Faktoren wie Bodenpreis, Zins usw. Mit dieser Formularpflicht streut man den Mieterinnen und Mietern Sand in die Augen. Das wird nicht zu tieferen Mieten führen, sondern es wird dazu führen, dass etwas Bürokratisches aufgebaut wird, was nicht notwendig ist. Wir müssen das Angebot an Wohnraum erhöhen. Aber ich spüre von Ihrer Seite eher Zurückhaltung, wenn es darum geht, zu bauen, zu investieren und Anreize zu schaffen. Dort müsste der Hebel angesetzt werden.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Hauser-Sargans: Auf die Motion ist einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin Hauseigentümer und Vermieter.

Die Diskussion um den administrativen Aufwand ist eine Lachnummer. Den Betrag der Vormiete einzutragen ist nicht schwierig. Es gibt schlicht keinen Aufwand. Es mag sein, dass es Menschen gibt, die des Schreibens tatsächlich so wenig kundig sind, aber selbst für die ist das ein minimaler Aufwand.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Helbling-Rapperswil-Jona zu Locher-St.Gallen: Ich habe gesagt, die Mietkosten seien Wohlstandsvernichter, und nicht die Vermietenden seien Wohlstandsvernichter. Das ist mir wichtig.

Grundsätzlich kommen beim heutigen Stand auch Juristinnen zur Überzeugung, dass bei den Mietzinsen eine Kontrolle nötig wäre. Deshalb verstehe ich nicht, dass sich der Kantonsrat gegen ein bisschen Transparenz in diesem Bereich wehrt. Viele Wählerinnen und Wähler von Ihnen sind Mietende. Ich bitte Sie, auch diese Interessen ernst zu nehmen. Der Wohnungsmarkt ist ein Markt, der die Bevölkerung stark unter Druck setzt. Wenn man an «Airbnb» denkt, an Wohnungen, die zu Businessapartments umgebaut werden oder an Investitionen im Wohnungsmarkt, ist es ganz wichtig, dass auch die Bevölkerung unseres Kantons unterstützt wird.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Schwager-St.Gallen zu Dürr-Widnau: Dürr-Widnau hat die Bürokratie angesprochen, die er befürchtet. Im Durchschnitt ziehen Mieterinnen und Mieter alle zehn Jahre einmal um. Also so viel Bürokratie kann das nicht sein. Wenn Sie sich gegen mehr Transparenz aussprechen, fördert das auch nicht den Wohnungsbau. Abgesehen davon haben neue Wohnungen die Tendenz, dass sie zu teuer sind, insbesondere für Mieterinnen und Mieter mit kleinen Budgets. Das hilft diesem Personenkreis null und nichts. Zum Generalverdacht, den auch Locher-St.Gallen erwähnt hat: Man muss nur eine Statistik lesen können, um zu sehen, dass es ein Verdacht ist. Aber der Verdacht ist erhärtet. Es ist ein Fakt, dass die Mieten hätten sinken müssen, sie aber im Gegenteil um 25 Prozent gestiegen sind. Wir müssen nicht darüber diskutieren, das sind Tatsachen.

Selbst der Bundesrat ist dieser Meinung, ich zitiere aus seiner Antwort: «Der administrative Mehraufwand hält sich dabei in Grenzen. Die Umsetzung des Anliegens kann auch durch Aufnahme der Angaben in den Mietvertrag erfolgen.» Es sollte doch zumutbar sein, dass ein Vermieter oder eine Vermieterin diese kleine Information z.B. auch in einem Wohninserat publiziert. Ich habe eine Packung Chips mitgebracht. Hier steht transparent drauf, wo die Chips herkommen: aus Payerne. Es steht der Ecoscore drauf: A+. Es stehen noch viele andere Sachen drauf: Salz, Fett, gesättigte Fettsäuren usw. Das ist ein kleines Konsumgut, das Sie fast jeden Tag oder einmal je Woche kaufen, in meinem Fall zumindest. Es ist doch nicht zu viel an Transparenz verlangt, bei einem Vertrag, der im Durchschnitt zehn Jahre hält. Es darf doch von einem Vertragspartner erwartet werden, dass er so viel Transparenz offenlegt. Abgesehen davon wäre eine Mietzinserhöhung nur dann unzulässig, wenn sie 10 Prozent über der Vormiete liegt. Satte 10 Prozent, ohne dass die Vermieterschaft auch nur irgendetwas an Mehrwert in so einer neuen Wohnung eingebracht hätte. Deshalb geht die Mietspirale immer weiter nach oben. Hier können Sie einen dämpfenden Einfluss erwirken, indem Sie für Transparenz sorgen beim Vertragsabschluss.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Dürr-Widnau (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Ich war die Hälfte meines bisherigen Lebens Mieter und die andere Hälfte Eigentümer, aber ich habe keine Wohnung und kein Eigentum vermietet. Ich bin Vizepräsident des Hauseigentümerverbands des Kantons St.Gallen.

Es sind folgende Punkte, die für das Nichteintreten sprechen. Helbling-Rapperswil-Jona hat gesagt, man brauche Transparenz und die Formularpflicht. Sie fordert eine Botschaft, um die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen. Ich bitte Sie, die Antwort der Regierung durchzulesen. Die gesetzlichen Grundlagen wären da. Die Regierung kann nach OR bei Wohnungsmangel bereits heute für einen gewissen Teil des Kantonsgebiets oder für das ganze Kantonsgebiet die Verwendung eines Formulars als obligatorisch erklären. D.h., es braucht kein neues Gesetz, und es braucht auch diese Motion nicht. Der Regierung geht es darum: Haben wir einen Wohnungsmangel oder nicht? Dafür gibt es die Leerwohnungsziffer im Kanton St.Gallen. Glücklicherweise ist diese durchwegs höher als im schweizerischen Durchschnitt. Mit dieser Formularpflicht stellt man gewisse Personen oder gewisse Gruppen unter Generalverdacht. Wer meint, mit dieser Formularpflicht würden die Mietpreiserhöhungen reduziert, den muss ich leider enttäuschen. Das ist nicht das richtige Mittel, sondern führt zu mehr Bürokratie. Wenn wir tiefere Mieten wollen, braucht es mehr Angebote im Wohnungsmarkt und Anreize, dass mehr für den Wohnungsbau investiert wird. Entsprechend ist es wichtig, dass bürokratische Sachen nicht aufgebläht werden.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Louis-Nesslau (im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Die Regierung zeigt es in ihrer Antwort auf: Eine Formularpflicht führt zu mehr Bürokratie und erfüllt den beabsichtigten Zweck nicht. Zudem schafft eine Formularpflicht keine zusätzlichen Wohnungen. Die geschaffene Transparenz rechtfertigt in unseren Augen den zusätzlichen administrativen Aufwand nicht. Wir sollten deshalb darauf verzichten.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Kobler-Gossau: Auf die Motion ist einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin Präsident einer Wohnbaugenossenschaft und Vermieter. Trotzdem setze ich mich für die Formularpflicht ein.

Es ist klar: Viele Vermieterinnen und Vermieter verhalten sich korrekt. Aber es gibt eben auch die schwarzen Schafe unter den Vermieterinnen und Vermietern. Für die korrekten Vermieterinnen ist die Formularpflicht auch kein Problem. Locher-St.Gallen, ich nehme das Wort Missbrauch jetzt nochmals in den Mund. Mit dieser Formularpflicht geht es darum, missbräuchliche Mietzinserhöhungen zu verhindern. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist dringend. Dazu ein Beispiel: Kürzlich berichtete mir ein Bekannter, dass er in der Stadtsanktgaller Agglomeration seit längerem eine 2,5-Zimmer-Wohnung suche. Er habe nun endlich eine Wohnung gefunden, meinte er zu mir. Sie sei auch noch bezahlbar. Jedoch befinden sich 50 weitere Interessentinnen und Interessenten auf der Warteliste. Dieses Beispiel zeigt, dass die hohen Mieten und das fehlende Angebot in diesem Land und in diesem Kanton ein Problem sind. Eine aktuelle Immobilienstudie zeigt, dass sich jeder dritte Haushalt keine vergleichbare ausgeschriebene Wohnung leisten könnte. Die Verfügbarkeit und die Bezahlbarkeit von bezahlbarem Wohnraum ist ein echtes Problem. Häufig werden Neuvermietungen dazu genutzt, die Mieten ungerechtfertigt in die Höhe zu treiben. Zwar haben die Mieterinnen und Mieter das Recht, die Höhe der Vormieter zu erfahren, aber wer will sich schon unbeliebt machen mit dieser Frage und v.a. wenn es so viele Interessentinnen und Interessenten für eine Wohnung gibt, wie ich es im vorherigen Fall beschrieben habe.

Die Formularpflicht wird immer mehr zum Standard. Neun Kantone haben dieses Vorgehen inzwischen eingeführt oder teilweise eingeführt. Das Parlament des Kantons Solothurn hat kürzlich als zehnter Kanton einer Formularpflicht ebenfalls zugestimmt. Auch das zeigt die Dringlichkeit dieser Frage im ganzen Land. Mit der Einführung der Formularpflicht ist die Vermieterschaft verpflichtet, Mieterinnen und Mieter bei Wohnungsknappheit den Anfangsmietzins mit einem amtlichen Formular bekannt zu geben. Das ist ein einfaches Mittel, um diese missbräuchlichen Mietzinserhöhungen zu verhindern. Unterstützen Sie diese Motion. Auch der Kanton St.Gallen ist ein Kanton der Mieterinnen und Mieter. Handeln wir endlich und schaffen wir mit der Formularpflicht ein griffiges Instrument, um dem Missbrauch bei Mietzinserhöhungen vorzubeugen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Mattle-Altstätten (im Namen der GLP): Auf die Motion ist einzutreten.

Wir beobachten in den letzten Jahren eine sinkende Leerwohnungsziffer, insbesondere in den grösseren Städten. Die Nachfrage nach Wohnraum ist hoch, während die Wohnbautätigkeit historisch tief ist. Auch ausserhalb der grossen Zentren lässt sich eine zunehmende Nachfrage bei nicht in gleichem Ausmass steigendem Angebot an Wohnraum beobachten. Es ist nach unserem Dafürhalten zwar nicht grundsätzlich Aufgabe des Staats, für ausreichend Wohnraum zu sorgen. Allerdings handelt es sich bei Wohnraum um ein sensibles Gut, da alle Einwohnerinnen und Einwohner eine angemessene und bezahlbare Wohnsituation finden sollten. Wohnraum ist heute ein knappes Gut, besonders in den Städten, jedoch auch zunehmend in den Agglomerationen. Die Wohnungsknappheit trifft nicht mehr nur die sozial Schwachen, sondern zunehmend auch den Mittelstand, für dessen Anliegen sich gemäss Parteiprogrammen und Wahlkampfslogans die überwiegende Mehrheit des Kantonsrates mit grosser Vehemenz einsetzt.

Die Regierung verweist in ihrer Antwort auf die nationalrätliche Motion Flach (23.4237). Deshalb bestehe kein dringender Handlungsbedarf und es gelte zuerst abzuwarten, was der Bund unternehme. Inzwischen wurde die Motion Flach trotz Annahmeempfehlung des Bundesrates vom Nationalrat abgelehnt. Bedauerlicherweise hat unsere Regierung ihre Antwort nicht aktualisiert. Aufgrund der vorliegenden alten Antwort müsste die Regierung nun aber einen dringlichen Handlungsbedarf feststellen und ihre Empfehlung wohl revidieren. Ich gehe davon aus, dass sich die Regierung hierzu noch mündlich äussern wird.

Nachdem das Bundesparlament die Motion Flach abgelehnt hat, unterstützen die Grünliberalen die vorliegende Motion zur Formularpflicht. Letztlich geht es in dieser Frage um die Vereinfachung der Umsetzung von geltendem Recht. Es geht darum, missbräuchliche Mietzinserhöhungen zu verhindern. Die Formularpflicht schafft die hierfür nötige Transparenz nicht nur auf Verlangen, sondern automatisch. Eine nationale Lösung mit der Angabe des vorherigen Mietzinses direkt im Mietvertrag wäre zwar weitaus sinnvoller und schlanker als eine kantonale Formularpflicht gewesen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Locher-St.Gallen (im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin Präsident des Hauseigentümerverbands des Kantons St.Gallen.

Wir haben heute einen richtigen «Missbrauchsnachmittag». Zuerst wurde über den Missbrauch im Zusammenhang mit dem Schutzstatus S gesprochen und jetzt über den Missbrauch im Zusammenhang mit dem Mietrecht. Im Zusammenhang mit dem Mietrecht ist der Missbrauchsvorwurf nicht angebracht. Wenn ich mir die Voten anhöre, habe ich manchmal den Eindruck, dass die Vermieter unter dem Generalverdacht der Abzocke stehen. Sie wurden heute sogar als Wohlstandsvernichter bezeichnet. Das alles ist sehr einseitig und gilt es richtigzustellen.

Es geht darum, dass jemand, der eine Wohnung mietet, zu Recht einen Anspruch darauf haben kann zu wissen, was der Vormieter Miete bezahlt hat. Das muss nicht automatisch bedeuten, dass der Mietzins der gleiche ist. Dieses Recht ist bereits heute in Art. 256a OR statuiert. Es kann verlangt werden, und es ist kein Problem, wenn man diese Auskunft verlangt. Es ist eine gesetzliche Möglichkeit. Ein Problem ist aber, wenn man ein Mietverhältnis eingeht und nachträglich den Mietzins anficht. Das ist ein Verstoss gegen Treu und Glauben.

Die eidgenössischen Räte haben nicht ohne Grund mehrfach, u.a. im Herbst 2023, die von den Mieterverbänden geforderte Einführung der Formularpflicht abgelehnt – und zwar deutlich. Dabei soll es ein Bewenden haben. In der Diskussion im eidgenössischen Parlament wurde darauf hingewiesen, dass es Sache der einzelnen Kantone sei, diese Formularpflicht einzuführen. Wenn sie aufgrund des Leerwohnungsbestands der Auffassung sind, soll das gemacht werden. Es gibt durchaus Kantone, die von diesem Recht Gebrauch gemacht haben. Man will es jetzt auch im Kanton St.Gallen und in jedem anderen Kanton einführen, indem man das indirekt von unten her statuieren will. Wenn Sie die Leerwohnungsziffer bzw. die letzten bekannten Statistiken anschauen, dann haben wir im Kanton einen Leerwohnungsbestand von 1,42 Prozent. Die Kantone, welche die Formularpflicht eingeführt haben, sind ganz anders unterwegs, z.B. hat Genf 0,42 Prozent, Luzern 0,96 Prozent und Zug 0,42 Prozent. Wir haben in keiner Art und Weise zu wenig Wohnungen auf dem Markt. Wenn wir sie an gewissen Orten haben, ist das weniger ein Problem der Vermieter, sondern teilweise das Problem, dass man schlicht nicht bauen kann. Im Kanton St.Gallen besteht dieses Problem nicht und deshalb besteht auch keinerlei Veranlassung, jetzt mit einer Formularpflicht ein zusätzliches überflüssiges Instrument einzuführen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Schwager-St.Gallen (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin Geschäftsleiter des Mieterinnen- und Mieterverbands Ostschweiz.

Ich möchte es nicht versäumen, Surber-St.Gallen zur Wahl in die Regierung zu gratulieren. Wir freuen uns sehr darüber, dass sie Einsitz in die Regierung nehmen wird. Ich gehe davon aus, dass sie das einzige Mitglied der Regierung sein wird, das die Situation der Mieterinnen und Mieter aus eigener Erfahrung kennt. Das freut mich besonders. Die Mehrheit der Bevölkerung gehört den Mieterinnen und Mietern an – es sind schweizweit 60 Prozent. Das dürfte im Kanton St.Gallen sehr ähnlich sein. Andererseits vermute ich aber, dass die Dichte der Mieterinnen und Mieter im Kantonsrat deutlich unter 30 Prozent liegt.

Wir hatten gestern bei der Diskussion im Geschäft 37.23.02 «Kantonsratsbeschluss über die Auslagerung des Betriebs des Steinbruchs Starkenbach in eine Aktiengesellschaft» ein kleines Gefecht, dass nicht alle Interessenbindungen offengelegt wurden. Ich würde vorschlagen, dass bei den Voten zu diesem Thema kurz erwähnt wird, ob man Mieterin, Mieter, Hausbesitzerin, Hausbesitzer oder insbesondere Vermieter ist. Das wäre der Transparenz in dieser Diskussion sehr zuträglich. Als Kantonsrat haben wir die Aufgabe, für möglichst viele Menschen in unserem Kanton gute Lösungen zu finden.

Meine Vorrednerin hat es bereits gesagt: Es geht um Transparenz in der Gestaltung von Mietverträgen. Regierungen, auch bei uns im Kanton, sind häufig aufgeschlossener gegenüber guten Lösungen. Das haben wir vorhin im Geschäft 41.24.02 «Missbrauchsbekämpfung durch die Aufhebung des Status S für Asylsuchende aus der Ukraine» gehört. Bei der Diskussion um die Formularpflicht ist die St.Galler Regierung leider weniger fortschrittlich als der Bundesrat. Dieser hat bereits zweimal einen Antrag auf Bundesebene zur Einführung der Formularpflicht begrüsst, erstmals im Jahr 2015, das zweite Mal am 29. November 2023. Leider wurde die Formularpflicht beim Bund abgelehnt.

Der Wohnungsmarkt ist kein normaler Markt. Sie können nicht einfach auf den Konsum von Wohnraum verzichten. Der Referenzzinssatz in der Schweiz wurde im Sommer 2008 eingeführt. Er lag damals bei 3,5 Prozent. Er sank bis im März 2020 schrittweise auf 1,25 Prozent. Aufgrund der gesunkenen Referenzzinse hätten sich die Mieten um rund 20 Prozent reduzieren müssen. Das ist aber nicht passiert. Die Mieten sind seit Einführung des Referenzzinssatzes um sage und schreibe 25 Prozent gestiegen. Allein im letzten Jahr kam es so zu unerhörten 11 Mrd. Franken, die von der Mieterschaft zur Vermieterschaft transferiert wurden. Diese überhöhten Renditen auf Seite der Vermieterschaft kosten die durchschnittliche Mieterin und den durchschnittlichen Mieter bzw. jede Wohnung je Monat Fr. 370.–. Dieses Geld fehlt für andere Konsumausgaben. Es fehlt insbesondere den Menschen mit knappen Budgets. Dieses Geld fliesst auch teilweise in Form von Sozialleistungen vom Staat an die Betroffenen, die mit ihrem Lohn Probleme haben.

Die Regierung stützt sich in ihrer Antwort auf verschiedene Expertinnen und Experten, die für einen funktionierenden Wohnungsmarkt eine Leerwohnungsziffer von 1,15 bis 1,3 Prozent reklamieren. Leben und Wohnen ist aber nicht in der Theorie, sondern in der Praxis entscheidend. Die Realität hat mit der Expertenmeinung häufig nicht viel zu tun. In unserer Rechtsberatung beim Mieterinnen- und Mieterverband haben wir im letzten Jahr mehr als dreimal mehr Beratungen zum Thema der Höhe der Miete durchgeführt. Gemäss einer Studie von Caritas St.Gallen-Appenzell sind über 15 Prozent der Bevölkerung armutsbetroffen. Das sind 80'000 Menschen in unserem Kanton. Die Zukunftsperspektiven sind aufgrund weiter steigender Mieten und auch der Krankenkassenprämien schlecht. Zudem wird in den nächsten Monaten und Jahren weiter am Mietrecht herumgeschraubt. Es wird Verschlechterungen für den Schutz der Mieterinnen und Mieter geben.

Die Regierung weist in ihrer Antwort auf die Auskunftspflicht nach Art. 256a Abs. 2 des Obligationenrechts (SR 220; abgekürzt OR) hin. Ich kann Ihnen sagen: Dieser Artikel hat in der Praxis keine Bedeutung. Mieterinnen und Mieter wollen nicht mit der Vermieterschaft streiten, wenn sie gerade irgendwo in eine Wohnung eingezogen sind. Mieterinnen und Mieter wissen häufig gar nicht, was der Vormieter oder die Vormieterin für die gleiche Wohnung früher bezahlt hat. Wenn Sie die Formularpflicht beurteilen, müssen Sie das aus der Sicht der Menschen mit tiefen Einkommen machen. Die Mieten sind in den letzten knapp 20 Jahren um 25 Prozent gestiegen, und diese Entwicklung wird sich weiter verschärfen. Das ist keine Theorie, das ist unsere Erfahrung in unserem Beratungsalltag. Ich bitte Sie darum, stimmen Sie dieser Transparenz zu. Es wird keine Wohnung deswegen vernichtet. Es gibt aber auch keine neuen, das ist auch klar. Aber wenn Sie Sozialleistungen einsparen wollen, haben Sie hier einen kleinen Hebel mit der Förderung der Transparenz im Mietverhältnis zwischen Mieterinnen und Mietern und der Vermieterschaft.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Helbling-Rapperswil-Jona (im Namen der SP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin Mitglied des Mieterinnen- und Mieterverbands Ostschweiz.

Die St.Galler und St.Gallerinnen sind ein Volk von Mietenden. Vermutlich trifft das nicht unbedingt auf die Mehrheit in diesem Saal zu, aber ausserhalb dieses Saals ist das im Kanton Realität. Die Formularpflicht ist ein Versuch, Transparenz bei den Mietzinsen herzustellen, nicht mehr und nicht weniger. Die ablehnende Haltung der Regierung nehmen wir zur Kenntnis. Es scheint uns, dass die Regierung nicht ganz verstanden hat, worum es uns in dieser Motion geht. Es geht nicht darum, wie viele Mietangebote im Kanton nach Ortschaft vorhanden sind oder ob die Leerwohnungsziffer in den einzelnen Regionen noch tragbar ist oder nicht. Nein, wir fordern mit der Formularpflicht eine geeignete Massnahme, die Mieterinnen und Mieter vor missbräuchlichen Mietzinserhöhungen schützt. Mit der Formularpflicht wird das Vertrauen zwischen Vermietenden und Mieterinnen gestärkt. Dank der Formularpflicht ist die Höhe der Miete für alle Beteiligten nachvollziehbar. Gerechtfertigte Mietzinserhöhungen sind dabei immer noch möglich.

Mit der Ablehnung dieser Motion sagt die Regierung faktisch, dass es genug Wohnungen auf dem Markt hat und es ihr keine Rolle spielt, ob der Mietzins dabei missbräuchlich ist oder nicht. Das können wir nicht gutheissen. So lange haben wir in der vorgängigen Motion versucht, Missbrauch zu bekämpfen. Selbstverständlich wird diese Massnahme nicht mehr Wohnungen hervorzaubern. Sie wird aber auch keine vernichten. Wir sind uns im Kantonsrat doch einig, dass wir den Mittelstand entlasten wollen. Dann müssen wir eben dort ansetzen, wo die grössten Fixkosten für den Mittelstand in unserem Kanton entstehen, und das ist bei den Mieten. Mietkosten sind einer der grössten Wohlstandsvernichter in der Schweizer Bevölkerung. Die Angebotsmieten sind in den letzten 20 Jahren deutlich stärker gestiegen als die Löhne. In der Antwort der Regierung wird der Sachverhalt so dargestellt, wie wenn Mietende im Vorteil wären, weil sie innert 30 Tagen den Mietzins anfechten können. Wer auf der Suche nach einer Wohnung ist und endlich eine gefunden hat, möchte eine Wohnung zum Leben und ein gutes Verhältnis zum Vermietenden. Niemand möchte sich nach der Schlüsselübergabe beim nächsten Termin schon wieder bei der Schlichtungsstelle treffen.

Die Formularpflicht ist ein gutes Instrument, das dem Missbrauch vorbeugt und in verschiedenen Kantonen, z.B. Luzern und neu auch Solothurn, eingeführt wurde. Mit der Formularpflicht lässt sich der bürokratische Aufwand in Grenzen halten. Darüber wollen wir heute abstimmen. Im Sinn der Transparenz und im Sinn gegen Missbrauch ist diese Motion gutzuheissen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Dürr-Gams, Ratsvizepräsidentin: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf die Motion.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession