Geschäft: Verselbständigung der öffentlichen Spitäler

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.22.13
TitelVerselbständigung der öffentlichen Spitäler
ArtKR Motion
ThemaGesundheitspflege, Sozialversicherung, Sozialhilfe
FederführungGesundheitsdepartement
Eröffnung14.6.2022
Abschlusspendent
Letze Änderung25.8.2022
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 14. Juni 2022
AntragAntrag der Regierung vom 23. August 2022
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
14.6.2022Gremium2.6.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
20.9.2022Eintreten88Zustimmung18Ablehnung14
20.9.2022Gutheissung85Zustimmung17Ablehnung18
Statements
DatumTypWortlautSession
20.9.2022Beschluss

Der Kantonsrat heisst die Motion mit 85:17 Stimmen bei 6 Enthaltungen gut.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 88:18 Stimmen bei 2 Enthaltungen auf die Motion ein.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Wortmeldung

Regierungsrat Damann: Auf die Motion ist einzutreten.

Ich glaube, die ganze Diskussion ist darauf zurückzuführen, dass man über Verselbständigung unterschiedlicher Meinung ist. Die Regierung ist, wie Warzinek-Mels gesagt hat, der Meinung, dass eine Verselbständigung geprüft wird. Welche Rechtsform? Die Verselbständigung. Es wird auch immer wieder das Unwort Entpolitisierung gebraucht. Welche Rechtsform bildet das am besten ab? Hier gibt es vorwiegend drei Rechtsformen: Die AG, das ist richtig, aber auch die öffentlich-rechtlich selbständige Anstalt, wie sie es bisher sind. Da müsste man einfach das Gesetz anpassen. Dann gibt es natürlich die Stiftung. Alles ist eine Rechtsform, die man je nachdem, wie man das Gesetz auslegt, schärfer oder weniger scharf machen kann. Wir wollen eigentlich nicht unbedingt die Rechtsform verändern, sondern wir wollen effektiv den Spitälern mehr Freiheit geben, dass sie mit der Konkurrenz wie dem Thurgau und Graubünden einigermassen mithalten können und dass sie sich auch entwickeln können.

Zu Surber-St.Gallen: Der Kantonsrat kann das im Gesetz schreiben, aber entpolitisiert wird ein Spital nie hundertprozentig. Wir sagen auch der Klinik Stephanshorn, was sie machen dürfen und was nicht. Sie müssen einen Leistungsauftrag von uns haben. So oder so, bei jeder Rechtsform braucht es einen Leistungsauftrag. Wir haben auch die Mindestfallzahlen. Mit den Mindestfallzahlen fällt ein Leistungsauftrag weg, sie können also nicht nach oben ausbauen und irgendetwas machen. Das ist ein grosser Streit mit unseren Mitkantonen, die das nicht haben. Wir sind der Meinung, dass ein Faktor der Qualität die Quantität ist. Wenn man etwas nur einmal oder gar nie im Jahr betreibt, dann ist es falsch, wenn die einen Leistungsauftrag erhalten. Die hochspezialisierte Medizin gibt das vor, aber das wird von der Schweiz aus organisiert. Aber in der Ostschweiz sind es unter den Kantonen leider nur der Kanton Appenzell Ausserrhoden und der Kanton St.Gallen, die mit Mindestfallzahlen arbeiten. Ein Spital bekommt von uns keinen Leistungsauftrag mehr, wenn es nicht genügend Fälle hat.

Den Standort kann man natürlich auch in einer Eignerstrategie festlegen. Auch Personal kann man in einer Eignerstrategie festlegen. Es war nie die Meinung, dass der Kanton sich verabschiedet und die Aktien oder was auch immer verkauft, sondern wir sind eigentlich in der Regierung wirklich der Meinung, dass der Kanton weiterhin zu 100 Prozent der Besitzer dieses Spitals oder dieser Spitäler ist.

Zu Noger-Engeler-Häggenschwil: Die Organisationsform können wir machen, wie wir wollen, wir müssen einfach die Gesetze anpassen. Auch eine öffentlich-rechtliche selbständige Anstalt kann sehr grosse Freiheiten haben, das muss keine AG sein. Man kann mit der bestehenden Form weiterfahren, man muss einfach das Gesetz anpassen. In der Motion 42.21.09 haben wir ganz klar den Text geändert. Dort wurde von der SVP-Fraktion die AG gefordert und wir haben gesagt, nein, das ist falsch, wir wollen abklären, welche Rechtsform richtig ist für die Spitäler. Da sind wir jetzt daran, die Regierung respektive mein Departement arbeitet das jetzt aus.

Zur Gutheissung: Für mich ist diese Motion eigentlich nichts wesentlich anderes, als dass die Motion 42.21.09 dadurch noch ein bisschen verstärkt wird und dass man noch mehr will, dass die Verselbständigung kommt. Das werden wir mit der gleichen Vorlage bearbeiten. Wir machen keine neue Vorlage für diese Motion.

Zur AG: Es ist absolut nicht gesagt, dass es eine AG sein wird. Die Rechtsform muss geklärt sein, und die wird noch sauber abgeklärt. Wir haben jetzt den Bericht der Spitalverbunde erhalten, was sie in dieser Rechtsform alles wünschen und was für sie gut wäre. Das werden wir jetzt für eine Vorlage ausarbeiten. Die Regierung hat schon zwei Workshops gehabt mit dem Verwaltungsrat zusammen, und hier sind wir auf dem Weg, was die Richtigkeit ist und was nicht.

Zu den Gewinnen: Die Gewinne werden natürlich selbstverständlich nicht privatisiert, weil es eben nicht eine AG sein wird, die wir verkaufen, sondern es wird weiterhin so sein, dass finanziell wir im Hintergrund zu 100 Prozent verantwortlich sein werden. Aber die Spitäler sollten eine finanzielle Selbständigkeit erreichen, weil das will das Gesetz des Bundes. Der Bund sagt ganz klar, die Spitäler müssen fähig sein zu investieren, müssen fähig sein, alles anzuschaffen und die Löhne zu bezahlen und auch die Vorleistungen zu machen. Der Kanton sollte eigentlich nur noch die gemeinwirtschaftlichen Leistungen finanzieren plus die 55 Prozent der Base Rate. Alles andere sollten die Spitäler selbständig erreichen. Und das geschieht, der Kanton Graubünden kann das und der Kanton Thurgau kann das auch. Wieso sollten wir das nicht können? Aber die haben mehr Freiheit und können mehr machen. Deshalb glaube ich schon, dass es eine gewisse Verselbständigung geben muss und deshalb glaube ich, können Sie mit gutem Gewissen dieser Motion zustimmen. Es wird also nicht morgen im «Blick» oder irgendwo stehen, der Kanton St.Gallen verkaufe seine Spitäler. Das wird auch nicht passieren, weil ich glaube nicht, dass wir einen Käufer für diese Spitäler finden würden. Deshalb danke ich Ihnen, wenn Sie dieser Motion zustimmen.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Wortmeldung

Noger-Engeler-Häggenschwil zu Frei-Rorschacherberg: Sie haben vielleicht nicht ganz genau zugehört. Wir sind nicht gegen einen unternehmerischen Spielraum, aber für eine genaue Prüfung, und wir sind nicht davon überzeugt in der momentanen Argumentation, dass die Änderung der Rechtsform dabei unbedingt zwingend notwendig ist. Es könnte sein, dass die Prüfung das ergibt, aber wir sind für das Abwarten dieser Prüfung.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Wortmeldung

Surber-St.Gallen zu Warzinek-Mels: Er hat eben gesagt, es gehe nicht darum, einen Angriff auf die Grundversorgung zu machen. Das habe ich schon so verstanden, dass Sie auch weiterhin der Meinung sind, dass die Grundversorgung gewährleistet bleiben muss. Das Problem, das wir haben, ist, dass Sie in diesem Motionstext schreiben, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler keine finanziellen Risiken mehr zu tragen haben sollen und es soll die unternehmerische Verantwortung bei den Spitälern liegen. Da haben wir eben einen gewissen Dissens. Es geht selbstverständlich darum, dass die Grundversorgung weiter aufrechterhalten bleibt, das wollen auch Sie, aber wir sind der Meinung, dass wir diese unternehmerische Verantwortung aufgrund dieses Grundauftrags, den wir haben in der Verfassung, der auch anerkannt, richtig und wichtig ist, nicht abschliessend in die Hand der Spitäler übertragen können. Wenn es Schwierigkeiten gibt, wenn es irgendwo ein Versorgungsproblem gibt oder wenn die Spitäler Leistungen nicht mehr erbringen können, weil sie finanziell in Schieflage geraten, dann, so sind wir der Meinung, muss eben der Staat wieder einspringen, und in dieser Situation, so meinen wir, ist es nicht richtig, wenn wir alle Verantwortung aus der Hand geben. Wir wollen weiterhin eine gewisse politische Mitsprache haben. Wie ich ausgeführt habe, sind wir aber bereit, den Spitälern gewisse Freiheiten einzuräumen. Die Frage ist, wie weit diese gehen. Wir sind auch der Meinung, dass das in der aktuellen Rechtsform möglich ist. Wir haben auch nicht grundsätzlich ein Problem damit, dass Spitäler in gewissen Bereichen stärker in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten. Es geht einfach darum, wie man sich dann auf diesem Markt gebärdet, weil das wirklich alles auch Folgen hat für uns als Prämienzahlerinnen und Prämienzahler, und da wollen wir doch eine gewisse Steuerung behalten. Aber wir wollen auch den Spitälern Freiheiten einräumen, und darüber können wir sehr gerne diskutieren.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Wortmeldung

Frei-Rorschacherberg: Nach den Ausführungen der Vorrednerinnen möchte ich auch einige Worte dazu verlieren.

Zu Noger-Engeler-Häggenschwil: Heute Morgen wurde aus Ihren Reihen Liberalismus proklamiert. In diesem Geschäft können Sie nun zeigen, dass Sie wahrlich auch liberal abstimmen können. Wenn Sie wiederum mit der SP den Weg gehen, empfinde ich das nicht so. Surber-St.Gallen wirft dem Rat vor, man wolle sich aus der Verantwortung stehlen. Davon kann in keiner Weise gesprochen werden. Wir möchten die Verantwortung eben nicht direkt abgeben, sondern dazu schauen, dass die Spitäler nun mehr Selbstverantwortung übernehmen können. Gerade Benz-St.Gallen hat in ihrem Votum mit dem richtigen Satz angefangen, indem sie sagte, gegenüber dem Thurgau und Graubünden seien wir im Hintertreffen.

Das haben wir jetzt beobachten können. Ja, im Vergleich zu den anderen Kantonen sind wir wirklich langsamer. Mit mehr Freiheit kann ein Unternehmen agiler operieren. Es geht am Schluss um Qualität, die hochstehend sein muss, und finanzierbar sein muss und dafür gibt es wirklich den einzigen richtigen Weg, nämlich eine Entpolitisierung.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Wortmeldung

Warzinek-Mels: Ich erlaube mir in aller Kürze auf das Votum von Surber-St.Gallen einzugehen, auch aus Respekt vor ihr. Ich fände es nicht richtig, wenn das einfach unbeachtet im Raum stehenbleiben würde. Zunächst einmal vorweg: Die AG ist tatsächlich nur eine von mehreren Formen. Niemand redet von einer AG. Vielleicht wird Regierungsrat Damann dazu noch etwas sagen. Es geht um eine Verselbständigung. Das kann eine Stiftung oder auch eine andere Form sein. Darüber reden wir heute nicht.

Surber-St-Gallen, Sie machen, glaube ich, wirklich einen Fehler. Sie setzen diese Verselbständigung der Spitäler gleich mit einem nicht mehr ausreichend guten öffentlichen Gesundheitswesen, und dieser Gedankenschlag, den Sie machen, ist einfach nicht richtig. Auch mit einer Verselbständigung wie in den umliegenden Kantonen kann das öffentliche Gesundheitswesen erfolgreich und qualitativ hervorragend betrieben werden. Von daher ist dieser Schluss, den Sie vorwegnehmen, so einfach nicht gegeben und nicht richtig.

Gerade wir im Sarganserland profitieren natürlich besonders von einem verselbständigten Unternehmen in Graubünden, das jetzt an einem regionalen Standort einen Spitalstandort weiterbetreibt, der eben in unserem System in St.Gallen geschlossen werden würde. Das ist das beste Beispiel, um zu widerlegen, dass Ihr Kurzschluss so nicht stimmt.

Die Verselbständigung soll nicht dazu dienen, dass der Kanton völlig aus der Verantwortung genommen ist, was das finanzielle Wohlergehen des Unternehmens betrifft, aber die Verselbständigung ist sicherlich derentscheidende und der bestmögliche Anreiz, den wir den Unternehmen geben können, haushälterisch mit Ressourcen umzugehen. Das ist an und für sich nichts Schlechtes und muss überhaupt nicht auf dem Buckel des Personals geschehen. Schauen Sie in die umliegenden Kantone, dort geht es dem Personal ganz sicher nicht schlechter. Vielleicht noch ein letzter Aspekt, den Sie auch erwähnt haben: In gewissen Bereichen im schweizerischen Gesundheitswesen haben wir tatsächlich eine Überversorgung, z.B. in der Radiologie. Wir haben viel zu viele Kernspintomographen und Computertomographen, und damit verdienen sich tatsächlich viele Private eine goldene Nase. Aber Surber-St.Gallen, warum wollen Sie es denn ausgerechnet unseren öffentlichen Spitälern verbieten, in diesem Markt mitzuhalten? Damit gelingt es immerhin, die Gewinne, die erwirtschaftet werden, im Gesundheitswesen zu halten. Diese Gewinne fliessen nicht ab nach Südafrika oder sonst wohin, sondern diese Gewinne stehen den Mitarbeitenden und unseren Patienten und Patientinnen wieder zur Verfügung. Das ist doch nichts Falsches, das ist doch ein sinnvoller und guter Schritt. Ich finde es bedauerlich, dass Sie wie aus einem falschen Reflex heraus diese Motion ablehnen. Ich bin als jemand, dem Patientinnen, Patienten und Mitarbeiter wirklich sehr am Herzen liegen, mit voller Überzeugung der Meinung, dass diese Motion richtig ist.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Wortmeldung

Benz-St.Gallen (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Mit dieser Motion tun wir Grüne uns schwer. Es ist eine komplexe Angelegenheit, bei der es nicht einfach richtig oder falsch gibt. Der Verkauf des Spitals Walenstadt hat jedoch aufgezeigt, dass die öffentlichen St.Galler Spitäler gegenüber einem Spital Chur im Hintertreffen sind. Sie sind weniger flexibel, haben einen kleineren Handlungsspielraum und sie müssen in Fragen des Standortes den ganzen Kantonsrat überzeugen.

Und doch lassen sich die Verhältnisse in Graubünden und Thurgau nicht mit unserem Kanton vergleichen. Der Kanton hat, wie Surber-St.Gallen treffend ausgeführt hat, einen Grundversorgungsauftrag, und dieser führt im Ringkanton zu grösseren Herausforderungen als andernorts.

Dass die Spitäler mehr Unabhängigkeit erhalten, ist wohl grundsätzlich richtig. Wir sind aber skeptisch, dass mit der Verselbständigung die finanziellen Risiken wegfallen. Der Grundversorgungsauftrag bleibt, und wenn eine Gegend nicht mehr abgedeckt wird, weil es unternehmerisch keinen Sinn macht, so wird der Kanton wieder einspringen müssen. In diesem Punkt müsste sehr genau aufgezeigt werden, ob das realistisch ist.

Die Motion spricht von Verselbständigung. Was versteht die Mitte-EVP-Fraktion darunter? Von welchen Organisationsformen sprechen wir? Ich habe jetzt mehrmals gehört, damit sei eine AG gemeint wie im Thurgau. Es könnte auch eine Stiftung sein wie in Graubünden? Aus unserer Sicht müsste genau so tief geprüft werden, ob mehr Unabhängigkeit auch mit der bestehenden Unternehmensform, also einer öffentlich-rechtlichen Organisation, möglich ist. Sicher ist, einem Verkauf an Private werden die Grünen nie zustimmen. Unser Ja zur Motion ist eines mit vielen Fragezeichen.





Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Wortmeldung

Schmid-Buchs (im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Für die SVP-Fraktion ist eine qualitativ hochstehende und bezahlbare Gesundheitsversorgung zentral. Leider wurden in der nicht allzu fernen Vergangenheit die Spitalverbunde des Kantons St.Gallen wiederholt durch Wahlkampfversprechungen oder Partikularinteressen in ihrer Anpassung an die veränderten Bedürfnisse gehemmt. Weder eine langfristige Strategie noch ein wettbewerbsfähiges Geschäftsmodell kann unter diesen ständigen Unsicherheiten erfolgreich aufgebaut und auch umgesetzt werden. Das Resultat dieser jahrelang fehlgeleiteten Politik sehen wir heute in der desolaten finanziellen Verfassung der grossen Mehrheit der St.Galler Spitäler.

Das Anliegen selbständiger und politisch unabhängiger Spitäler ist natürlich nicht neu. So hat sich auch die SVP bereits im April 2021 mit der Motion 42.21.09 «Anpassung Organisationsstruktur Spitalverbunde» erfolgreich für die Loslösung der Spitäler von der Politik eingesetzt. Nach wie vor erachten wir eine Fusion der vier Spitalregionen sowie eine Umwandlung in eine privatwirtschaftliche Rechtsform nach dem Vorbild bspw. der Nachbarkantone Thurgau oder Graubünden als zielführend, und wir begrüssen daher, dass mit dieser Motion der eingeschlagene Kurs einer Verselbständigung der Spitäler bestätigt und auch fortgesetzt wird. Es ist aber selbstverständlich, dass wir einer wenn auch etwas sehr stark angelehnten Motion in diesem Fall zustimmen.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Wortmeldung

Surber-St.Gallen (im Namen der SP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Meine Vorrednerin von der GLP hat bereits einiges ausgeführt zur Situation, in der wir uns befinden. Wir sprechen hier über nichts Geringeres als über die öffentliche Gesundheitsversorgung, die gewährleistet sein muss. Der Kanton trägt die Verantwortung dafür. Es kommt ihm diese Verantwortung auch direkt zu. Wir haben gestern ab und an die Bundesverfassung zitiert in diesem Rat. Ich erlaube mir, heute auch auf die Bundesverfassung zu verweisen. In Art. 117a der Bundesverfassung (SR101; abgekürzt BV) ist definiert, dass der Kanton einen Versorgungsauftrag hat. Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine ausreichende, allen zugängliche medizinische Grundversorgung von hoher Qualität. Sie anerkennen und fördern die Hausarztmedizin als einen wesentlichen Bestandteil dieser Grundversorgung. Der Kanton hat sich dies zum Staatsziel gesetzt. In Art. 15 der Kantonsverfassung (sGS111.1; abgekürzt KV) ist definiert, dass die Bevölkerung zu für sie tragbaren Bedingungen eine ausreichende Gesundheitsversorgung erhält. Nun, es ist klar, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in diesem Kanton ist eine ganz zentrale Aufgabe des Staates, es ist eine Aufgabe des Service public.

Wir können hier nun nicht hingehen und denken, wenn wir die Spitäler verselbständigen, dann lösen wir die finanziellen Probleme dieses Staates, die er mit diesen Spitälern hat, auf einen Schlag. Das könnte man meinen, wenn man die Motion und deren Text liest. Da heisst es nämlich: «Um den künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein, brauchen die Spitäler grössere Unabhängigkeit und unternehmerische Freiheiten. Ansonsten sind die St.Galler Spitäler auf dem Markt benachteiligt.» Und dann kommt es: «Auf der anderen Seite muss verhindert werden, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weiterhin die finanziellen Risiken zu tragen haben. Die unternehmerische Verantwortung muss künftig bei den Spitälern selbst liegen.» Mit diesem Wortlaut der Begründung in der Motion suggerieren Sie, dass wir mit der Verselbständigung der Spitäler die finanzielle Verantwortung abgeben könnten, dass wir dann eben nicht mehr in der Pflicht wären, die Spitäler zu retten, wenn es dann notwendig wäre und diese allfällig ihren wirtschaftlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könnten.

Das ist selbstverständlich nicht der Fall. Wir tragen als Staat, wie ich es zitiert habe, weiterhin die Verantwortung für diese Spitäler. Selbst wenn wir sie verselbständigen, sind wir in der Verantwortung, die medizinische Grundversorgung zu gewährleisten. Da kommt dann eben das ins Spiel, was die Vorrednerin von der GLP, Noger-Engeler-Häggenschwil, ausgeführt hat: Dann würden wir mit dieser Überweisung der Motion mit dem Ansinnen, diese Spitäler zu verselbständigen, einen Zustand herbeiführen, in dem wir zwar einen allfälligen Gewinn schon privatisieren würden, aber Verluste, die müssten wir weiterhin staatlich tragen. Wir sind ganz klar der Meinung, dass das nicht richtig ist. Wenn der Kanton die Verantwortung trägt – es ist auch richtig, dass er diese Verantwortung trägt, denn es geht um die Gesundheitsversorgung aller Menschen in diesem Kanton –, soll er auch bis zu einem gewissen Masse mitbestimmen und dann soll er auch bis zu einem gewissen Masse steuern. Ich weiss nicht, wie Sie das grundsätzlich in der Privatwirtschaft handhaben. Aber ich gehe davon aus, dass diejenigen, die verantwortlich sind, wenn es dann schiefläuft oder wenn es vielleicht eine zusätzliche Unterstützung braucht, auch noch gerne ein bisschen mitreden in einem Betrieb oder einer Unternehmung. Deswegen ist für uns ganz klar, wir wollen diese Spitäler nicht entpolitisieren, wir wollen sie nicht vollständig hier in die Freiheit entlassen und dann sagen: «Nach uns die Sintflut, wenn es dann nicht läuft, seid ihr selbst verantwortlich.» Wir wollen diese Verantwortung weiterhin tragen, wir wollen aber auch bis zu einem gewissen Masse mitbestimmen.

Dies bedeutet für uns nicht, dass wir nicht bereit sind, darüber zu diskutieren, ob man den Spitälern mehr Verantwortung übertragen kann, ob man ihnen nicht mehr Handlungsfreiheit übertragen kann. Dies können wir im Rahmen einer Gesetzesrevision diskutieren. Dazu sind wir selbstverständlich bereit. Es gibt für uns aber gewisse Eckpunkte, wo wir keine Diskussionsbereitschaft haben. Wir sind nicht der Meinung, dass es richtig wäre, wenn wir die Frage, wo im Kanton St.Gallen ein Spitalstandort liegt, aus der Hand geben würden. Wir wissen ganz genau, es sind immer emotionale Debatten, es geht um die Grundversorgung, auch in der Region. Sie alle wissen, bei den Spitälern sieht es nicht überall gut aus. Wir sprechen dann, wenn wir das aus der Hand geben, relativ schnell über die Schliessung weiterer Spitalstandorte. Nur sprechen wir eben nicht mehr mit, sondern es sprechen dann andere darüber und wir können uns aufregen und Leserbriefe schreiben. Auch nicht einverstanden sind wir im Bereich des Personals. Wir wollen, dass das Personal weiterhin öffentlich-rechtlich angestellt bleibt.

Ebenfalls sehen wir nicht, dass die Spitäler dann irgendwie in einer aggressiven Wachstumsstrategie ganz viele Leistungen anbieten, die es schon irgendwo sonst gibt. Dies führt lediglich zu einem Anstieg bei der Prämienbelastung und nicht zu einer besseren Grundversorgung. Das sind unsere drei Eckpunkte, aber im Weiteren sind wir sehr bereit, darüber zu diskutieren. Aber dafür muss man die Rechtsform der Spitäler nicht verändern. Dafür braucht es keine Anpassung gemäss dieser Motion, und deshalb werden wir nicht darauf eintreten.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Wortmeldung

Noger-Engeler-Häggenschwil (im Namen der GLP): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Die Grünliberalen sind nicht von der Notwendigkeit der Motion überzeugt. Die Motion fordert eine Entflechtung von Politik und öffentlichen Spitälern. Im Grundsatz unterstützen die Grünliberalen die Idee, die Wettbewerbsfähigkeit der kantonalen Spitäler zu stärken, da sie im Vergleich zu privaten Anbietern und auch zu Spitälern in angrenzenden Kantonen im Wettbewerb benachteiligt sind.

Aber die kantonalen Spitäler werden von grossen Teilen der Bevölkerung als Service public wahrgenommen. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Unternehmensform am besten diesen Auftrag erfüllt und gleichzeitig den Spitälern den nötigen unternehmerischen Spielraum geben kann. Besteht ansonsten nicht die Gefahr, dass mit der Verselbständigung Gewinne künftig privatisiert und Verluste weiterhin verstaatlicht werden? Vor einem Jahr wurde die Motion 42.21.09 «Anpassung Organisationsstruktur Spitalverbunde» überwiesen, und die Regierung prüft bereits, wie die Spitalverbunde mehr unternehmerischen Spielraum erhalten könnten. Die Grünliberalen möchten diese Prüfung abwarten. Diese könnte auch ergeben, dass Anpassungen im Spitalgesetz genügen würden, um den notwendigen unternehmerischen Handlungsspielraum gewährleisten zu können oder eben auch nicht. Damit könnte eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft vielleicht obsolet werden. Die Grünliberalen setzen sich deshalb dafür ein, dass die Schaffung des nötigen unternehmerischen Spielraums höher gewichtet wird als die Rechtsform. Für uns stellen sich deshalb aber auch noch vier wichtige Fragen, die wir Regierungsrat Damann stellen möchten:

  1. Wird bei der Prüfung der Organisationsstruktur auch geprüft, ob eine Anpassung des Spitalgesetzes den notwendigen unternehmerischen Handlungsspielraum schaffen könnte?
  2. Wie ist der Antrag der Regierung auf Gutheissung dieser Motion zu verstehen? Die Regierung prüft bereits durch die überwiesene Motion 42.21.09, die ich bereits erwähnt habe, die nötigen Gesetzesanpassungen, damit die Spitalverbunde mehr unternehmerischen Spielraum erhalten, also braucht es diesen Auftrag nicht noch einmal. Mit der Gutheissung dieser Motion 42.22.13 aber spricht sich die Regierung vor Abschluss der Prüfung für eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft aus. Sind diesbezüglich bereits Fakten auf dem Tisch, die diese Lösung als einzig gangbare aufzeigen?
  3. Besteht nicht die Gefahr, dass mit der Verselbständigung Gewinne künftig privatisiert und Verluste weiterhin verstaatlicht werden?
  4. Was würde dies für den Joint Medical Master in St.Gallen bedeuten?

Wir haben diese Fragen vorab Regierungsrat Damann schriftlich zugestellt. Das wäre sonst ein bisschen eine Überforderung, so viel auf einmal, aber ich freue mich auf die Beantwortung. Im Moment sind die Grünliberalen aus den genannten Gründen und der uns zugänglichen Fakten gegen ein Eintreten.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Wortmeldung

Warzinek-Mels (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Wir danken der Regierung für die Gutheissung der von uns eingereichten Motion und bitten Sie um Zustimmung. Ich kann mich in meinen Ausführungen kur halten. Ich spreche im Folgenden von «unserem Spitalverbund» im Wissen, dass es derzeit noch mehrere gibt, aber in der Hoffnung, dass wir schon bald nur noch einen haben.

Gerade die Erfahrung der letzten Geschäfte zur Spitalstrategie haben uns gezeigt und zeigen uns auch ganz aktuell, dass unser Gesundheitswesen leidet unter der mühsam und v.a. zu langsamen Zusammenarbeit bzw. Abhängigkeit zwischen dem Spitalunternehmen und der Politik. Ganz, wie es im Motionstext steht: «Fehlende Agilität führt zu Zeitverzögerungen und diese führen zu finanziellen Ausfällen.»

Diese Motion verfolgt mit der Entflechtung von Spitalwesen und Politik im Wesentlichen zwei Ziele: Erstens, der Spitalverbund soll am Markt rasch und mit einer ausreichenden Eigenständigkeit agieren können. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um heutzutage bestehen zu können. Ein konkretes Beispiel, wie es funktionieren könnte, wenn Eigenständigkeit gegeben wäre, sehen wir am Erwerb der Klinik Gut durch das Kantonsspital Graubünden, das eine Stiftung ist mit einem Leistungsauftrag durch den Kanton. Ein solch sinnvoller und für das Unternehmen guter Schritt wie eben der Kauf einer solchen Klinik wäre für unsere Spitalunternehmung gar nicht möglich. Nur mit Eigenständigkeit und der dadurch möglichen Schnelligkeit wird unser Spitalverbund erfolgreicher, und mehr Erfolg kommt unmittelbar den Mitarbeitenden und den Patientinnen und Patienten zugute. Es ist keinesfalls so, dass der wirtschaftliche Erfolg des Spitalverbundes an Investoren ausserhalb des Gesundheitswesens abfliessen würde.

Das zweite Ziel ist, dass sich unser Spitalunternehmen glasklar der Tatsache bewusst werden muss, dass Erfolg und Misserfolg im Wesentlichen in seinen Händen und in seiner Verantwortung liegt. Der Verwaltungsrat der Spitalverbunde wird im Wissen um die Eigenständigkeit so agieren müssen, dass er auch ohne unsere Rettungspakete in erheblicher Höhe – das aktuelle Geschäft, das wir in der vorberatenden Kommission behandeln, umfasst 163 Mio. Franken – bestehen muss, ohne unsere Hilfe. Solange sich der Spitalverbund darauf verlassen kann, das er regelmässig durch eingeschossene Finanzmittel des Kantons gerettet wird, fehlt auch die letzte Motivation, haushälterisch mit den gegebenen Ressourcen umzugehen. Um es kurz auszudrücken: Zur Genesung unseres kränkelnden Spitalwesens gehören einerseits die Möglichkeiten und andererseits das Wissen um Eigenständigkeit mit allen dazugehörenden günstigen und herausfordernden Aspekten. Zuletzt noch eine Bemerkung: Wer nun befürchtet, wir würden den Kanton mit diesem Schritt zu einer Gesundheitswüste machen und die stationäre Gesundheitsversorgung gefährden, den kann man beruhigen. Sehen Sie in die umliegenden Nachbarkantone Schwyz, Thurgau und Graubünden, wo das Spitalwesen weitgehend verselbständigt ist. Dort geht es den Mitarbeitenden genauso gut wie bei uns. Die Patientinnen und Patienten werden genauso hervorragend versorgt. Die Spitäler sind aber wirtschaftlich erfolgreicher. Gehen wir gemeinsam diesen Schritt, er ist überfällig, richtig und wichtig.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Wortmeldung

Lippuner-Grabs (im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Die FDP-Fraktion ist für Gutheissung dieser Motion und ist erfreut, dass die Regierung das ebenso sieht. Es ist wirklich an der Zeit, dass der unternehmerische Spielraum der Spitalverbunde vergrössert wird und es damit unseren Spitälern ermöglicht wird, sich erfolgreich auf dem Markt zu positionieren. Der Nachbarkanton Thurgau macht es erfolgreich vor und es ist höchste Zeit, dass der Kanton St.Gallen nachzieht. Mit der Verselbständigung folgt der Kanton schlicht dem bereits eingeschlagenen Weg. Es ist ein weiterer wichtiger Schritt in die richtige Richtung, wie es dieser Rat schon mit dem Erlass der Vorlage «Weiterentwicklung der Strategie der St.Galler Spitalverbunde» im November 2020 und mit der Gutheissung der Motion 42.21.09 «Anpassung Organisationsstruktur Spitalverbunde» im September 2021 getan hat.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, in den politischen Diskussionen zu unseren Spitälern standen sehr oft Partikularinteressen im Zentrum und die politische Einflussnahme war gross. Die FDP-Fraktion möchte deshalb nochmals festhalten, dass es nun gilt, an der beschlossenen und eingeschlagenen Spitalstrategie festzuhalten und diese konsequent umzusetzen, d.h., konsequent finanziell sanieren, konsequent entpolitisieren und im Sinne der Leistungskonzentration die Kapazitäten wie vorgesehen an den Standorten Grabs und Wil anzupassen. Die FDP-Fraktion ist für Gutheissung und bittet Sie, dieser Motion zuzustimmen.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. September 2022
20.9.2022Wortmeldung

Schöb-Thal, Ratsvizepräsidentin: Die Regierung beantragt Gutheissung.

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