Geschäft: Abbau von Sprachbarrieren vor dem Schuleintritt (in Postulat 43.21.06 umgewandelt)

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.21.02
TitelAbbau von Sprachbarrieren vor dem Schuleintritt (in Postulat 43.21.06 umgewandelt)
ArtKR Motion
ThemaErziehung, Bildung, Kultur
FederführungDepartement des Innern
Eröffnung15.2.2021
Abschlusspendent
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 15. Februar 2021
AntragAntrag der Regierung vom 27. April 2021
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
9.6.2021Person30.10.2024
15.2.2021Person30.10.2024
15.2.2021Person6.8.2024
15.2.2021Person30.10.2024
15.2.2021Person30.10.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
8.6.2021Gutheissung mit geändertem Wortlaut gemäss Antrag der Regierung105Zustimmung4Ablehnung11
Statements
DatumTypWortlautSession
8.6.2021Beschluss

Der Kantonsrat heisst das Postulat mit geändertem Wortlaut gemäss Antrag der Regierung mit 105:4 Stimmen gut.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Struktur

Die Spezialdiskussion wird nicht benützt.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Jäger-Vilters-Wangs, Ratsvizepräsident: stellt Eintreten auf das Postulat fest.

Eintreten auf das Postulat wird nicht bestritten.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Beschluss

Der Kantonsrat stimmt der Umwandlung der Motion in ein Postulat stillschweigend zu.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Regierungsrätin Bucher: Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Vielen Dank für diese wohlwollenden Voten und für die vielen Hinweisen, die ich erhalten habe, und auch dafür, dass Sie, so wie ich gehört habe, alle die Umwandlung in das Postulat und die Gutheissung des Postulates unterstützen.

«Chancengerechtigkeit sicherstellen», das ist eines der fünf strategischen Ziele der neuen Schwerpunktplanung der Regierung und frühe Förderung bzw. die gezielten Förderung von Kindern vor dem Eintritt in die Volksschule, leistet unbestrittenermassen einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit. Ein verstärktes Engagement in diesem Bereich ist richtig und wichtig. Es ist eine Investition, die sich lohnt – sie ist nachhaltig. Die Regierung ist der Ansicht, dass es nicht nur um sprachliche Kompetenzen geht, wenn man sich um Frühförderung Gedanken macht, sondern es geht auch um soziale Kompetenzen, das haben viele Vorrednerinnen und Vorredner bereits korrekt ausgeführt. Massnahmen zur Förderung von Kindern in den ersten Lebensjahren müssen immer auch die Familien der Kinder berücksichtigen und mit einbeziehen. Wir wollen also einen ganzheitlichen Blick, eine ganzheitliche, frühe Förderung betreiben. Das selektive Obligatorium, wie es die Motionärin und die Motionäre vorgeschlagen ist aus Sicht der Regierung nur ein mögliches Instrument um dem Ziel der bestmöglichen frühen Förderung der Kinder und damit der Verbesserung der Chancengerechtigkeit einen Schritt näher zu kommen.

Der Kanton Basel-Stadt kennt dieses Modell ja bereits, andere Kantone und Städte auch. Aber erste Auswertungen aus Basel zeigen, dass bezüglich Wirksamkeit dieses selektiven Obligatoriums durchaus noch gewisse Fragezeichen bestehen. Deshalb will die Regierung auch weitere mögliche Instrumente prüfen, wie bspw. die Schaffung finanzieller Anreize oder zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote, die zum selben Ziel führen sollen. Zudem haben wir bei all diesen Massnahmen mit Eingriffen in die elterlichen Rechte zu tun, für die es eine gesetzliche Grundlage braucht und auch die Grundrechte sind zu wahren.

Deshalb schlägt Ihnen die Regierung diese Umwandlung in ein Postulat vor. Wir wollen eine breite Auslegeordnung machen, prüfen welche Best Practices es auch in anderen Kantonen gibt, geeignete Massnahmen prüfen und dabei immer auch den Blick auf die gesamte Familie einnehmen. Zusätzlich gilt es natürlich auch die rechtlichen Fragen zu klären und insbesondere auch Varianten und Auswirkungen auf die Finanzierung aufzuzeigen.

Zum Zeitplan: Ich habe Ihren Wunsch nach einer zeitnahen Vorlage dieses Postulatsberichtes gehört. Es ist auch im Interesse der Regierung, allerdings ist es so, dass diese Arbeiten umfassend sind und sicher auch ein bisschen Zeit beanspruchen werden. Was aber sicher wichtig ist, dass die Ergebnisse der Beratungen dieses Postulates bereits im Rahmen der Umsetzung der Strategie «Frühe Förderung 2021 bis 2026» integriert werden können.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Frick-Buchs (im Namen der FDP-Fraktion): Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Der FDP-Fraktion ist es bewusst und wichtig, dass dank der gezielten frühen Förderung vor dem Eintritt in die Volksschule die Chancengleichheit für die Kinder stark ansteigt. Bei dieser frühen Förderung soll es aber nebst der Förderung der Sprachen unbedingt auch um Förderung der sozialen Kompetenzen gehen. Dass es eine Form der Verpflichtung geben soll, scheint uns mindestens prüfenswert. Wie beurteilt werden soll, welche Kinder einen solchen Bedarf haben, erachtet die FDP-Fraktion als eine anspruchsvolle Aufgabe. Dass das Erreichen dieser Kinder einer engen Zusammenarbeit mit Organisationen, die die Kinder von Geburt an begleiten bedingt, sehen wir als wichtigen Erfolgsfaktor. Für ein wirklich gutes Gelingen dieser frühen und gezielten Förderung braucht es denn unbedingt den Einbezug der Eltern. Diese sollen auch in diesem Bereich in ihre Verantwortung und Pflicht genommen wird.

Die FDP-Fraktion wünscht sich auch eine Klärung der Kostenübernahmen und der Zuständigkeiten dieser Fördermassnahmen.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Sarbach-Wil (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Die Wichtigkeit von Sprachen und sozialer Integration als Schlüsselkompetenzen sind, wie wir hier mehrfach gehört haben, unumstritten. Hier werden die entscheidenden Weichen für einen erfolgreichen Bildungsweg, und dann letztendlich nicht selten für die gesamte Biografie eines Menschen, gestellt. Als Mitunterzeichner und im Namen der GRÜNE-Fraktion unterstütze ich die beantragte Umwandlung der Motion in ein Postulat, wie es die Regierung vorschlägt. Ebenso begrüssen wir die damit verbundene umfassendere Herangehensweise auch unter Einbezug der Förderung von sozialen Kompetenzen und Sprachförderung im Allgemeinen, aber auch bezogen auf Deutsch.

Es wurde auch schon mehrfach erwähnt, der Streitpunkt ist ja ein bisschen, das selektive Obligatorium. Dazu ein Beispiel aus der Stadt Wil: Es hat sich gezeigt, dass der freiwillige Besuch der Spielgruppe in Quartieren mit hohem Anteil an fremdsprachiger Bevölkerung signifikant tiefer ist, als in anderen Stadtteilen. Die Stadt hat hierzu grosse Bemühungen unternommen, z.B. versucht man die Leute aktiv dazu zu bewegen, ihre Kinder in die Spielgruppe zu schicken und, sofern ein sprachliches Defizit vorherrscht, werden die Kosten für die Spielgruppe auch vollständig von der Gemeinde übernommen. Dieses aktive und vorbildliche Vorgehen mit klaren finanziellen Anreizen hat leider seine Grenzen, damit gerade auch diese in der Tendenz eher bildungsfernen Familien ihren Kindern trotzdem einen Spielgruppebesuchen möglichen können, oder diese überhaupt dorthin schicken und auch von anderen Angeboten bezüglich Förderung von Sprache und sozialen Kompetenzen Gebrauch machen, soll im Rahmen der Ausarbeitung von möglichen Ansätzen von Anfang an auch die Möglichkeit von selektiven Obligatorien in Betracht gezogen werden.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Hauser-Sargans (im Namen der SP-Fraktion): Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Wir sind erfreut über den Antrag der Regierung, weil der Antrag ein stückweit über das hinaus geht, was die Motion gefordert hatte. Die Motion wünscht eine gesetzliche Grundlagen für folgende Defizite:

  • mangelhaft deutschsprachliche Förderung in den ersten vier Lebensjahren durch die Familie;
  • fehlende gesetzliche Grundlage für eine Förderpflicht ist für diese Risikogruppe vor dem 4. Geburtstag

Die Regierung anerkennt die Notwendigkeit der frühen Förderung deutscher Sprache. Sie geht dabei über die Forderung der Motionäre hinaus, stellt fest, dass in diesen früheren Jahren nicht nur die Förderung der deutschen Sprache, sondern auch der Sprache ganz generell, also auch der eigenen Muttersprache und zudem auch der sozialen Kompetenzen relevant sei, damit diese Kinder nachhaltig bessere Chancen in der späteren schulischen und beruflichen Entwicklung haben. Dies zeigt, dass die Regierung das Thema grundlegend an die Hand nehmen möchte, was höchst erfreulich ist, denn oft sind es gerade soziale Fähigkeiten, an denen Schul- und Berufskarrieren scheitern: Regeln einhalten, sich manchmal auch zugunsten von anderen zurückzunehmen, in passenden Momenten Initiative zeigen und sich selber durch die soziale Welt steuern können. Diese Präzisierung der Regierung ist zu unterstützen.

Die Regierung präzisiert weiter, dass ein selektives Obligatorium, also ein Obligatorium für nur einen Teil der Altersgruppe, wobei diese Selektion die besonders gefährdeten Kindern betrifft, unter anderem sowohl rechtlich als auch aufgrund einer zu unklaren wissenschaftlichen Evidenz kritisch zu sehen sein – das ist korrekt. Befunde zum schon länger existierenden Basler Modell zeigen, dass es wohl auch an der Intensität der Förderung mangelt. Es braucht eine höhere Intensität als diejenige des bislang bekannten Modells. Das kann übrigens auch in Richtung einer erhöhten Verpflichtung der Eltern gehen. Nur wenn es gelingt, Eltern vermehrt zum täglichen Gelingen sprachlicher Interaktionen mit ihren Kindern zu bringen, werden derartige Massnahmen nachhaltig. Ob finanzielle Anreize das elterliche Engagement wirklich erhöhen, ist kritisch zu sehen, denn in der Praxis ist es so, dass derzeit die meisten bei uns schon existierenden Angebote ohnehin schon sehr günstig sind und der Forschung auch bekannt ist, dass bei Gratisangeboten zuweilen auch die Wertschätzung den Angebot gegenüber verloren geht. Aber hier ist davon auszugehen, dass bei Umwandlung in ein Postulat, die bei uns im Kanton existierenden Angebote auch diesbezüglich gewissermassen bildungsökonomisch analysiert werden.

Eine weitere Einschränkung macht die Regierung zur rechtlichen Haltbarkeit eines solchen Obligatoriums. Dies zum einen absolut zu Recht wegen des Eingriffs in ein eigentlich familiäre Aufgaben. Hart formuliert kann man sagen, dass Eltern nicht dafür belangt werden können hart formuliert kann man sagen, Eltern können nicht dafür belangt werden, ihre Kinder sprachlich, naturwissenschaftlich, sportlich, künstlerisch oder mathematisch gewaltig zu unterfordern. Wollen wir jedoch verhindern, dass Kinder deshalb schon ab der ersten Klasse unter Druck geraten, dass sie später grosse Probleme beim Erlernen eines Berufs oder beim Finden einer Lehrstelle haben oder gar auf die schiefe Bahn geraten und kriminell werden – diese Zusammenhänge zum vorschulischen Verhalten sind gut belegt –, dann müssen wir dort handeln, wo der Hebel am Stärksten ist. Dieser stärkste Hebel ist dort, wo die Kinder sehr klein sind, deshalb ist es ausserordentlich wichtig, Rechtsgrundlagen zu schaffen, welche einen solchen nachhaltigen Hebel ermöglichen und nicht mit Juristinnen und Juristen nach Gründen zu suchen, warum so etwas nicht möglich sein soll. Das Thema ist nämlich überhaupt nicht banal. In vielen Gemeinden lösen das auch in unserem Kanton meist Schul- und Gemeindebehörden gemeinsam. Ich weiss nicht, ob ich dieses Wort sagen darf, weil es vielleicht gegen die Political Correctness verstösst, aber ich riskiere es, denn der Begriff, den ich absolut positiv meine, was ich vorausschicken möchte, erstaunlich genau sagt, was gemeint ist, denn diese Behörden lösen das mit einer gewissen «Bauernschlauheit», also irgendwie an der Grenze der Legalität, jedoch sehr legitim. Viele Gemeinden bieten jetzt schon Sprachförderkurse für Kinder vor dem vierten Geburtstag an, wissen aber genau, dass sie die Familie nicht verpflichten können, so dass diejenigen, die es am meisten bräuchten, am ehesten nicht kommen. Damit aber möglichst viele dieser Kinder in der Regel zusammen mit einem Elternteil, meist den Müttern, trotzdem kommen, teilt ihnen eine offizielle Person am Telefon oder sogar an der Haustüre persönlich mit, dass ihr Kind zusammen mit Vater oder Mutter diesen Kurs besuchen sollte. Weil diese Eltern naturgemäss schlecht Deutsch können und eher obrigkeitshörig sind, meinen sie, dass sie kommen müssten, was dazu führt, dass in den meisten Gemeinden fast alle Kinder, die es nötig haben, auch in diese Kurse kommen, meist mit ihren Müttern. Es handelt sich um einen Erfolg der Grauzone oder eben der Bauernschlauheit. Wir wissen, dass wir sie eigentlich nicht verpflichten dürfen. Dieser Erfolg darf auf keinen Fall gefährdet werden, sondern die Gruppe, die dieses Postulat dann bearbeitet, soll aus diesen Erfahrungen der Gemeinden auch lernen und die Möglichkeiten für die Kinder verbessern und deshalb durchaus auch auf ein selektives Obligatorium hinarbeiten.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Steiner-Kaufmann-Gommiswald (im Namen der CVP-EVP-Fraktion): Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Der vorliegende Vorstoss greift einen ganz zentralen Aspekt der Bildung auf, sich nämlich als Gesellschaft frühzeitig mit kindlicher Entwicklung auseinanderzusetzen. Dabei pickt sie aber lediglich einen Aspekt auf, nämlich diesen der Sprachen. Es wird ein bisschen aussen vor gelassen, dass wir im Kindergarten ganz viele Kinder empfangen, die auch einen grossen Förderbedarf im motorischen Bewegungsbereich im Sozialen haben, wie auch in Ernähungsthemen oder Bildschirm- und Schlafenszeiten, die ein Thema sein können.

Die Volksschule fängt dies aktuell mit teuren Begleitmassnahmen auf: Therapien, Klassenassistenzen usw., wir haben dazu Beispiele von Wasserfallen-Goldach gehört. Mit einer guten und ganzheitlichen frühen Förderung liessen sich viele von diesen Begleitmassnahmen ersparen. Die CVP-EVP-Fraktion wird sich deshalb im Rahmen der Strategie «Frühe Förderung» das Geschäft 40.21.01 «Auswertung der Strategie ‹Frühe Förderung› 2015 bis 2020 sowie Strategie ‹Frühe Förderung› 2021 bis 2026, das in der kommenden Session in den Rat kommt, für eine ganzheitliche, frühe Förderung auch auf Gemeindeebene einsetzen.

Im Bereich der Sprache verschliessen wir uns der Strategie eines selektiven Obligatoriums nicht. Aber in diesen Kantonen, wo dies bereits existiert, stand zur Einführung des selektiven Obligatoriums die ganzheitliche frühen Förderung auf an einem etwas anderen Punkt, als es hier im Kanton St.Gallen der Fall ist. Daran arbeitet der Kanton St.Gallen aktuell und das ist auch sehr erfreulich.

Vor diesem Hintergrund macht eine Umwandlung in ein Postulat der vorliegenden Motion Sinn. Komplexe Zusammenhänge können im Detail und unter einem ganzheitlichen Blick betrachtet und angeschaut werden.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Noger-Engeler-Häggenschwil (im Namen der Grünliberalen): Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Ich spreche im Namen der Grünliberalen und auch in meinem Namen als Mitunterzeichnerin der Motion. Die Argumente der Regierung sind gut überlegt und betten sich in die Strategie «Frühe Förderung» des Kantons ein. Es ist korrekt, dass nicht nur Deutschkenntnisse sondern Sprachkenntnisse im Allgemeinen betrachtet werden müssen. Der kindliche Spracherwerb ist ein beeindruckender Prozess. Die meisten Kinder benötigen etwa zweieinhalb bis drei Jahre, um sich eine Erstsprache, wir nennen das zumeist auch Muttersprache in den Grundzügen zu erschliessen und sich bereits einen beträchtlichen Wortschatz anzueignen. Mehrsprachigkeit aufzuwachsen ist heutzutage kein gesellschaftlicher Ausnahmezustand, es ist vielmehr immer öfter die Regel und eröffnet im Idealfall den Kindern grossartige Bildungschancen. Einen guten Erwerb der Erstsprache, und dieser muss zwingend in der frühen Kindheit geschehen, ist dabei sehr wichtig. Es ist beobachtbar, dass immer öfter Kinder im Kindergartenalter eine schwache erste Sprache, nach eigenen Aussagen der Eltern, aufweisen. Meist wird dann von Seiten der Eltern berichtet, dass ihr Kind besser Deutsch spreche, sie aber die Fähigkeit auch nicht wirklich einschätzen können, wenn sie selbst nicht Deutsch sprechen. Diese Sprachentwicklung in zwei Sprachen nennt sich doppelte Halbsprachigkeit und ist für die Bildungschancen Kinder fatal. Auch mit jahrelanger Förderung in Logopädie und Sprache können diese Defizite oft nur bruchstückhaft aufgeholt werden und haben Auswirkungen in allen Leistungsbereichen der Schule. Aus genau diesen Gründen ist es wichtig, Eltern und Betreuungspersonen früh auf die Wichtigkeit des Spracherwerbs in Erst- und Zweitsprache zu sensibilisieren und zu begleiten. Der Kanton St.Gallen hat hier mit dem Projekten SPRIMA und SPRIKIDS über die Pädagogische Hochschule St.Gallen im Kindergarten überregional schon viel wertvolle Arbeit geleistet.

Die Regierung weitet den Auftrag auch auf die sozialen Kompetenzen aus. Ich kenne viele Kindergartenlehrpersonen, die dies sehr begrüssen. Natürlich ist auch die Kindergarten und später die Schule Übungsraum gerade für soziales Miteinander, aber der Kompetenzerwerb für ein gelingendes Zusammenspiel beginnt auch bereits früher. Die Grünliberalen stehen deshalb hinter dem Entscheid der Regierung, die Motion in ein Postulat umzuwandeln und den Fokus auf die sprachliche und soziale Kompetenzentwicklung zu legen. Wir erachten es aber als zielführend, ähnlich wie mein Vorredner, dass im Sinne eines frühen Bildungschancenausgleichs ein Obligatorium geprüft werden muss. Eine höhere Verbindlichkeit wurde auch bereits breit abgestützt in der Vernehmlassung zur Strategie «Frühe Förderung 2021 bis 2026» gefordert. Je früher Kinder spielerisch in Kontakt mit der Sprache unseres Bildungssystems Deutsch kommen, umso grösser die Wahrscheinlichkeit, dass sie zum Zeitpunkt des Schriftspracherwerbs, der Kulturtechniken Lesen und Schreiben bereits über Grundkenntnisse verfügen.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Wasserfallen-Goldach (im Namen eine Mehrheit der SVP-Fraktion): Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Ich spreche hier einerseits als Erstunterzeichner, andererseits aber auch im Namen eines Grossteils der SVP-Fraktion. Gerne möchte ich zuerst auf die Beweggründe und Überlegungen eingehen, welche mich und die Mitunterzeichnenden zu dieser Motion veranlassten, bevor ich dann auch gerne etwas zum Umwandlungsantrag der Regierung sage.

«Sprache ist der Schlüssel zur Welt», diese Weisheit verbreitete der Schriftsteller Wilhelm von Humboldt bereits im 19. Jahrhundert und sie hat es heute Bestand. Sprache verbindet Menschen und erlaubt es ihnen, sich untereinander auszutauschen und das Zusammenleben zu gestalten. An dieser Stelle könnte man auch noch ein Zitat von Ludwig Wittgenstein, einem österreichischen Philosophen anfügen: «Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.» Sprache kann nämlich auch etwas ausgrenzendes haben. Wer sich nicht verständlich machen kann, wird nicht einbezogen und in die Gesellschaft integriert. Auch Kinder mit mangelnden Sprachkenntnisse geraten in den Teufelskreis der Entmutigung und die Abwärtsspirale kann oft nur mit teuren und längst nicht immer wirksamen sonderpädagogischen Massnahmen aufgefangen werden.

Wahrscheinlich sind wir uns alle einig, Sprache spielt eine Schlüsselrolle in der sozialen Integration und für einen erfolgreichen Bildungsweg. Investitionen im Bereich der vorschulischen Förderung erhöhen aber nicht einfach die Chancengerechtigkeit der Kinder beim Start in der Volksschule, sie zahlen sich mittel- und längerfristig auch ökonomisch aus. Fakt ist, dass in Kindergärten eine zunehmende Anzahl Kinder umhertummelt, die mit ungenügenden Deutschkenntnissen und mangelnden sozialen Kompetenzen unterwegs ist. Schätzungen zufolge darf man davon ausgehen, dass im Kanton St.Gallen 25 Prozent der Kinder im Vorschulalter in diese Kategorie fallen. In städtischen Gebieten ist dieser Anteil nochmals deutlich höher. Dieser grobe Missstand stellt eine Belastung für die betroffenen Kinder dar. Sie können sich weder mit den Gleichaltrigen noch mit den Kindergartenlehrpersonen anständig unterhalten. Aber auch für das System der Volksschule ist dieser Umstand äusserst belastend. So werden für diese Kinder enorme Ressourcen benötigt, die bei deutschsprachigen Kindern dann fehlen. Um die Kindergartenlehrpersonen zu entlasten, kommen Logopädinnen bzw. Logopäden und andere teure Förderlehrpersonen zum Einsatz. In diesem Ausmass, in dieser Intensität und mit diesen Kostenfolgen, wie das heutzutage leider nur allzu häufig der Fall ist, wären solche Therapie- und Fördererangebote gar nicht nötig, wenn die Sprachkompetenz von fremdsprachigen Kindern bei der Einschulung angegangen bzw. vor der Einschulung angegangen würde. Und genau an diesem Punkt setzt unsere fraktionsübergreifende Motion an. Kinder, die 18 Monate vor Kindergarteneintritt kaum oder gar keine Deutschkenntnisse haben, sollen verpflichtet werden können, die deutsche Sprache zu erlernen. Zu diesem Zweck sollen die Gemeinden die rechtliche Grundlage erhalten, Kinder mit ausgewiesenen Sprachdefiziten im Jahr vor dem Kindergarteneintritt an mindestens zwei halben Tagen je Woche in eine deutschsprachig geführte familienexterne Einrichtung zu schicken. Dazu gehören niederschwellige und verhältnismässig sehr kostengünstige Angebote in Spielgruppen, Kitas und Tagesfamilien. Auch der Kanton St.Gallen hat die Bedeutung die aktuell äusserst unbefriedigend Situation erkannt und arbeitet mit seiner Strategie «Frühe Förderung» seit im Jahr 2015 zusammen mit den Gemeinden und Fachleuten aus der Praxis daran, dass alle Kinder und ihre Familien Zugang zu Angeboten der frühen Förderung erhalten. Allerdings verfügen die Gemeinden im Kanton St.Gallen über keine rechtlichen Grundlagen, Kinder zum Besuch eines Angebots verpflichten zu können. Kinder, bei denen ein ausgewiesener sprachlicher Förderbedarf besteht.

Vereinfacht gesagt kann man hierzu festhalten: Es gibt in unserem Kanton zwar eine Vielzahl an eine freiwilligen Angebote und Fördermöglichkeiten, es existiert aber keine rechtliche Möglichkeit bei mangelnden Deutschkenntnissen die notwendigen Integrationsbemühungen auch konsequent einzufordern. Gerade diejenigen aber, welche solche Angebote am Nötigsten hätten, machen auf freiwilliger Basis kaum Gebrauch davon. Das Credo müsste in diesem Zusammenhang definitiv lauten: «Integration nicht nur fördern, sondern auch konsequent einfordern.» Diese Massnahme ist auch als selektives Obligatorium bekannt und wir bspw. im Kanton Basel-Stadt im Kanton Luzern und auch in einzelnen Städten bereits praktiziert, je nach Ausgestaltung mal erfolgreicher, mal etwas weniger erfolgreich. Unser Nachbarkanton Thurgau prüft aktuell ebenfalls ein solches Obligatorium. Diese Modelle bräuchten wir nicht eins zu eins zu kopieren, sie könnten aber sicherlich als Inspiration dienen. Kinder mit ungenügenden Deutschkenntnissen sollen gezielt erkannt und gefördert werden. Das Ziel muss sein, das Schulsystem merklich zu entlasten und die Chancen von Kindern mit Deutsch als Zweit- oder Drittsprache zu erhöhen.

Die Regierung beantragt nun Gutheissung des Vorstosses und Umwandlung in ein Postulat. Auch aus Sicht der Motionäre scheint dieser Regierungsantrag einleuchtend, weshalb wir diesen Schritt auch unterstützen. Konkrete Umsetzungsvarianten, Finanzierungsmöglichkeiten und der Einbezug der Eltern sollen in diesem Bericht aufgezeigt werden. Damit entstehen eine saubere Auslegeordnung und eine Entscheidungsbasis für weiterführende Schritte in die richtige Richtung.

Viele Fakten liegen bereits griffbereit in der Schublade, wir erwarten also eine zeitnahe Auslegeordnung, bei welcher dem selektiven Obligatorium ein entsprechend hohes Gewicht beigemessen wird.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Jäger-Vilters-Wangs, Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Umwandlung in ein Postulat und Gutheissung mit geändertem Wortlaut.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021