Geschäft: Offenlegung der Interessenbindungen von Richtern und Staatsanwälten

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.16.01
TitelOffenlegung der Interessenbindungen von Richtern und Staatsanwälten
ArtKR Motion
ThemaZivilrecht, Strafrecht, Rechtspflege
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung3.3.2016
Abschluss11.6.2018
Letze Änderung28.8.2024
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
AntragAntrag der Regierung vom 22. März 2016
Wortlaut vom 3. März 2016
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Person21.11.2024
1.8.2019Person27.6.2024
1.8.2019Person21.11.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
26.4.2016Gutheissung63Zustimmung42Ablehnung15
26.4.2016Eintreten63Zustimmung39Ablehnug18
Statements
DatumTypWortlautSession
26.4.2016Beschluss

Der Kantonsrat heisst die Motion mit 63:42 Stimmen bei 1 Enthaltung gut.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. April 2016, Aufräumsession des Kantonsrates
26.4.2016Wortmeldung

Schöbi-Altstätten: Ich bin mit Surber-St.Gallen nicht häufig einig, diesmal bin ich es aber und rede in der Sache.

Wie es die Regierung bereits gesagt hat, dürften wahrscheinlich diese Nebenschauplätze um den Ausstand zunehmen. Wenn wir auf diese Vorlage eingehen, dann sollten wir auch konsequent sein. Dann wären auch sämtliche Mitarbeiter und involvierten Personen der Staatsverwaltung, welche an der verwaltungsinternen Rechtspflege teilnehmen, betroffen und man müsste sie in eine solche Regelung einbeziehen. Auch dort wird Recht gesprochen, auch dort werden Entscheidungen vorbereitet, die wohl dann die Departementsvorsteherin oder der Departementsvorsteher verantwortet und unterzeichnet und materiell aus der Verwaltung kommen. Das wäre bei der Ausarbeitung zu bedenken.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. April 2016, Aufräumsession des Kantonsrates
26.4.2016Struktur

Spezialdiskussion

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. April 2016, Aufräumsession des Kantonsrates
26.4.2016Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 63:39 Stimmen bei 2 Enthaltungen auf die Motion ein.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. April 2016, Aufräumsession des Kantonsrates
26.4.2016Wortmeldung

Güntzel-St.Gallen: Zur Sache selbst muss ich nichts mehr sagen. Der Standpunkt der SVP-Fraktion ist bekannt. Ich habe aber eine Frage an Regierungsrat Fässler: Ich habe in Ihren Ausführungen von unnötigen Streitigkeiten gehört. Gab es diese auch schon, als Sie Anwalt waren?

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. April 2016, Aufräumsession des Kantonsrates
26.4.2016Wortmeldung

Regierungsrat Fässler: Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Suter-Rapperswil-Jona hat ausgeführt, dass der Antrag der Regierung kein vehementes Nichteintreten sei. Dem kann ich mich ohne Schwierigkeiten anschliessen. Aber es ist weiterhin ein Nichteintreten. Ich verweise auf einen anderen Vorstoss, der in dieser Session eingereicht wurde: 42.16.05 «Einführung eines Regulierungscontrollings». Daran sind jene Fraktionen beteiligt, die sich jetzt für Regulierung in einem Bereich aussprechen, aber sich gegen andere Regulierungen wehren und der Regierung den Auftrag erteilen wollen, jedes einzelne Gesetz einmal pro Amtsdauer auf dessen Notwendigkeit, Wirksamkeit und seine wirtschaftlichen Folgen zu überprüfen. Diese Aufgabe haben wir in Bezug auf die beantragte Offenlegung der Interessenbindungen von Richtern und Staatsanwälten bereits vorgenommen. Wir sind der Meinung, dass diese Regulierung in erster Linie nicht notwendig ist. Ich war 25 Jahre lang Anwalt und musste in dieser Zeit kein einziges Ausstandsbegehren stellen. Dies, weil ich wusste und es sich in der Praxis auch bestätigte, dass die Richterinnen und Richter in diesem sensiblen Bereich das nötige Feingefühl haben, um zu wissen, wann sie in den Ausstand gehen müssen und wann nicht. Ich habe auch keine Kenntnis davon, dass die Rechtspflegekommission irgendwann einmal geortet hätte, dass in diesem Bereich erhebliche Schwierigkeiten bestehen und laufend ausstandsverpflichtete Richterinnen und Richter tätig seien.

Wenn Sie Ihrem Grundsatz treu bleiben wollen, auf Regulierungen zu verzichten, die nicht notwendig sind, dann wenden Sie das doch bitte nicht nur auf die Privatwirtschaft, sondern auch auf die kantonale Verwaltung an. Der Aufwand ist nicht beträchtlich. Man wird irgendein Tool einkaufen müssen, die Richterinnen und Richter werden nach Vorgaben, die wir noch zu bestimmen haben, ihre Interessen offenlegen müssen. Was da alles offengelegt werden muss, das wissen wir noch nicht. Was geschehen soll, wenn irgendetwas vergessen geht: Wird dann das ganze Urteil nichtig? Ich weiss es nicht. Aber dann ergibt sich ein weiteres Feld für meiner Meinung nach unnötige Streitereien. Wir sollten diese Bestimmung schlicht nicht brauchen, wir haben in diesem Bereich keine Schwierigkeiten. Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, ist es eben auch in diesem Bereich notwendig, kein Gesetz zu machen. Ich befürchte, dass dieses Gesetz trotzdem Auswirkungen haben wird. Es gibt leider Zeitgenossen, die in aussichtslosen Verfahren versuchen, einen missliebigen Entscheid über irgendwelche Ausstandsgründe, die man konstruieren kann, letztendlich noch zu Fall zu bringen. Es gibt querulatorisch veranlagte Leute, die werden, wenn sie streiten, zuerst einmal diese Liste hervornehmen. Wenn sie dann sehen, dass der Richter Mitglied beim Touring Club Schweiz (TCS) ist und es sich um ein Strassenverkehrsdelikt handelt, dann werden sie nichts machen. Aber wenn sie sehen, dass eine Mitgliedschaft beim Verkehrsclub Schweiz (VCS) besteht, werden sie einmal ein Ausstandsbegehren stellen. Mit dem können sie bis zum Bundesgericht herumturnen. Wenn er das nicht weiss, dann macht er diesen Unsinn nicht. Ich befürchte negative Auswirkungen mit dieser Gesetzgebung für das Funktionieren unserer Justiz. Einen zusätzlichen Nutzen vermag ich nicht zu erkennen. Eine kleine Präzisierung: Die Regierung hält in ihrer Antwort fest, dass das Verwaltungsgericht die Offenlegungspflicht ablehnt. Das trifft nicht ganz zu: Das Verwaltungsgericht teilt die Bedenken der Regierung, ist aber nicht grundsätzlich gegen eine Offenlegung.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. April 2016, Aufräumsession des Kantonsrates
26.4.2016Wortmeldung

Louis-Nesslau (im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Die Motion bezweckt die Offenlegung von Interessenbindungen der Mitglieder der Gerichte sowie der Staatsanwaltschaft. Dazu soll ein elektronisches Register im Internet dienen. Andere Kantone kennen ein solches System bzw. Register. Im Kanton Zürich wird etwa vor Gericht ein einzelnes elektronisches Dokument veröffentlicht, das für jeden zugänglich ist. Der administrative Aufwand dazu ist in meinen Augen zu vernachlässigen. In der Justiz ist allgemein die Hürde, ab welcher eine Interessenbindung überhaupt relevant ist, tiefer als beim Parlament. Suter-Rapperswil-Jona hat das bereits ausgeführt. Bereits der Anschein von Befangenheit muss in der Justiz vermieden werden. Der Status quo wirkt deshalb beinahe systemwidrig. Die Interessenbindungen beim Parlament sind aktuell für die Öffentlichkeit transparenter, als es bei den Gerichten der Fall ist. Das kann mit dieser Motion geändert werden.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. April 2016, Aufräumsession des Kantonsrates
26.4.2016Wortmeldung

Surber-St.Gallen (im Namen der SP-GRÜ-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Wir gehen nicht davon aus, dass wir im Kanton St.Gallen eine Ausstandsproblematik haben, welche nun neue Regelungen brauchen würde. Uns erscheint die Formulierung in der Motion sehr weitgehend. Wenn etwa gefordert wird, es müsse auch die Parteizugehörigkeit offengelegt werden, so suggeriert das, dass aus einer Parteizugehörigkeit dann ein Ausstandsgrund abgeleitet werden könne. Dies fand aber nicht statt, gerade bspw. die Gerichte sind nach Parteiproporz zusammengesetzt, und es ist auch das Recht jedes einzelnen Staatsanwaltes, einer Partei anzugehören, und dies soll nicht den Anschein einer Befangenheit erwecken. Man kann davon ausgehen, dass Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in der Lage sind, das Recht sachlich anzuwenden. Wir sind der Meinung, dass diese Forderung nach Offenlegung sehr weit geht und dass sie sehr viele Fälle von Ausstandsbegehren nach sich ziehen wird, weil man aus jeder Funktion oder Zugehörigkeit noch einen Ausstandsgrund ableiten möchte, der dann vermutlich in der Sache gar nicht gegeben ist. Aber es würde sich anbieten, dies geltend zu machen.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. April 2016, Aufräumsession des Kantonsrates
26.4.2016Wortmeldung

Suter-Rapperswil-Jona (im Namen von Ritter-Sonderegger-Altstätten / Louis-Nesslau und in eigenem Namen): Auf die Motion ist einzutreten.

Ich bitte Sie, im Namen der grossen Zahl an Mitunterzeichnenden und im Namen der CVP-EVP-Fraktion, auf die Motion einzutreten und sie gutzuheissen. Dies entspricht zwar nicht dem Antrag der Regierung, doch wer die Stellungnahme der Regierung genau liest, merkt rasch, dass der Antrag der Regierung kein vehementes Nichteintreten ist. Offenbar möchte die Regierung in dieser Frage, welche die Justiz betrifft, nicht selber vorangehen, sondern die Entscheidung lieber dem Kantonsrat überlassen. Vielleicht ist dies aus Sicht der Exekutive auch gar nicht so falsch. Es ist an der Legislative, dem Parlament, die Regeln zu setzen. Nun könnte man vielleicht vermuten, dass die Forderung nach Offenlegung der Interessenbindungen bei den Gerichten auf wenig Gegenliebe stösst. Bemerkenswerterweise ist dies nicht der Fall. Ich rechne es dem Kantonsgericht hoch an, dass es sich in dieser Frage offen und «up to date» zeigt. Transparenz ist nämlich zunehmend ein Gebot der Stunde. Das Kantonsgericht hat die Zeichen der Zeit erkannt und von sich aus seinen Willen bekundet, bei der Offenlegung der Interessenbindungen seiner Mitglieder mitzumachen. Umso mehr erstaunt die Zurückhaltung von Staatsanwaltschaft und Verwaltungsgericht. Gerade bei diesen Organen ist das Sichtbarmachen möglicher Interessenkonflikte besonders wichtig, denn beim Verwaltungsgericht sind zahlreiche Richter nur im Nebenamt tätig, und die Staatsanwaltschaft ist im Vergleich zu den Gerichten nicht etwa weniger bedeutend – im Gegenteil: Ein Grossteil der Strafurteile wird heute abschliessend von der Staatsanwaltschaft entschieden. Hier lobe ich mir die proaktive Haltung des Kantonsgerichts.

Die Offenlegung der Interessenbindungen sollte heute eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Andere Kantone kennen diese Pflicht bereits seit Längerem. Die Regelungen dort haben sich bewährt, und es ist klar, dass diese dazu beitragen, mögliche Befangenheiten auch von aussen zu erkennen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unparteilichkeit der Justiz zu stärken. Dieses Vertrauen ist heute hoch, doch es ist nicht einfach gegeben, sondern muss immer wieder neu gewonnen werden. Nicht zuletzt mit diesem Schritt zu mehr Offenheit, der beweist, dass man als Gericht die Transparenz nicht scheut. Wenn die Regierung schreibt, es gebe in der Praxis keine Transparenzprobleme, dann ist das etwas vorschnell. Da es im Kanton St.Gallen keine Offenlegungspflicht gibt, sind solche Aussagen mehr eine wohlwollende Behauptung als ein bestätigtes Faktum. Eine Möglichkeit, diese Behauptung zu überprüfen, gibt es ohne Offenlegung ohnehin nicht. Klar ist auch, dass eine Umsetzung der Offenlegungspflicht administrativ eine kleine Sache ist. So haben wir alle hier im Saal kürzlich ein einfaches Formular erhalten, um unsere Interessenbindungen anzugeben. Abrufbar sind unsere Interessenbindungen dann im Ratsinformationssystem. Das erledigt der Standesweibel problemlos und gewohnt zuverlässig im Rahmen seiner vielfältigen Tätigkeiten. Bei den Gerichten und der Staatsanwaltschaft ist es noch einfacher, denn die Interessenbindungen müssen bereits heute irgendwie erfasst werden. Neu, nach Umsetzung der Motion, werden sie auch noch auf eine Website gestellt. Das Bürokratieargument verfängt also nicht.

Wir verlangen heute Transparenz von uns Kantonsräten und auch – man erinnere sich an die Public-Corporate-Governance-Vorlage – von den Führungskräften der Staatsverwaltung. Jeder von uns, der in einem Angestelltenverhältnis arbeitet, muss ganz selbstverständlich seine Nebenbeschäftigungen angeben. Letzte Woche haben die Universität St.Gallen und andere Hochschulen alle Mandate ihrer Professorenschaft veröffentlicht. Wenn wir nun ausgerechnet bei der Justiz, dem Sinnbild von Unparteilichkeit, auf die Offenlegung der Interessenbindungen verzichten, dann versteht das in der Bevölkerung niemand.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. April 2016, Aufräumsession des Kantonsrates
26.4.2016Wortmeldung

Göldi-Gommiswald, Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf die Motion.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. April 2016, Aufräumsession des Kantonsrates