Evaluation des Spitexprojekts abgeschlossen
Im Rahmen der Rekapitalisierung der Spitex St.Gallen AG wurde eine externe Evaluation des Spitexprojekts eingefordert. Der Evaluationsbericht mit Erkenntnissen und Empfehlungen zu fünf Themenfeldern liegt jetzt vor und wurde vom Stadtrat zur Kenntnis genommen. Er erachtet die im Evaluationsbericht geäusserten Empfehlungen als wertvoll für ähnlich gelagerte Grossprojekte. Der Aufbau der neuen Spitexorganisation sei aber von ausserordentlicher Komplexität gewesen.
Die Rekapitalisierung der Spitex St.Gallen AG wurde vom Stadtparlament im Sommer 2022 an Auflagen geknüpft. Unter anderem wurde eine externe Evaluation des Spitexprojekts von dessen Initiierung bis zur Übergabe der neu gegründeten Spitex St.Gallen AG an den Verwaltungsrat eingefordert.
Der Stadtrat hat die Agentur Interface Politikstudien Forschung Beratung aus Luzern mit der externen Evaluation beauftragt. Diese ist nun abgeschlossen. Sie bezieht sich auf die Periode zwischen Sommer 2018, als die externe Projektleitung ihre Arbeit aufnahm, und Ende 2020. Zu jenem Zeitpunkt erfolgte die Übergabe an den Verwaltungsrat der im August 2020 gegründeten Spitex St.Gallen AG, welche am 1. Januar 2021 ihren Betrieb aufnahm.
Nach der Auswertung des Aktenmaterials fanden zehn Einzel- oder Doppelinterviews mit Schlüsselpersonen statt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden in einem ersten Gruppengespräch diskutiert, bewertet und ergänzt. In zwei weiteren Gruppengesprächen wurden Erkenntnisse und Empfehlungen zuhanden des Stadtrats und der Stadtverwaltung formuliert. Neben bereits interviewten Personen nahmen an den Gruppengesprächen auch weitere Projektbeteiligte und Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission (GPK) teil.
Die vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung bot den Schlüsselpersonen und den Verantwortlichen aus Projekt, Verwaltung und Politik Gelegenheit zu einer kritischen Aufarbeitung. Der Bericht führt auch die schwierige politische Vorgeschichte und Ausgangslage des Vorhabens zur Schaffung einer Spitex-Einheitsorganisation für das ganze Stadtgebiet noch einmal vor Augen, ebenso wie die durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie verschärften Rahmenbedingungen.
Im nun vorliegenden 70-seitigen Bericht sind Erkenntnisse und Empfehlungen festgehalten. Die Empfehlungen des Evaluationsteams an den Stadtrat lassen sich in fünf Bereiche gliedern:
- Projektmanagement und Projektcontrolling
- Umgang mit (Interessens-)Konflikten und Widerständen
- Planung und Umsetzung des Partizipationsauftrages auf Stufe Mitarbeitende
- Planung und Umsetzung des Übergabeprozesses auf strategischer und operativer Ebene
- Anwendung der Public-Corporate-Governance-Standards.
Der Stadtrat erachtet den Bericht und die darin geäusserten Empfehlungen als wertvoll für ähnlich gelagerte Grossprojekte. Aufgrund der vertieften Auseinandersetzung mit dem Evaluationsbericht zieht er folgendes Fazit:
- Die Ausgangslage mit drei der vier Spitex-Organisationen, die dem Vorhaben ablehnend gegenüberstanden, wurde unterschätzt, ebenso wie die daraus resultierenden Risiken und Aufwände.
- Public-Corporate-Governance-Prinzipien können in Konkurrenz zum Führungsanspruch der Politik und zu den Erwartungen der Öffentlichkeit an die Politik stehen. Je nach Situation braucht es vorübergehend eine grössere Nähe zum operativen Geschäft.
- Bei der Wahl von Führungspersonen ist – neben externer Expertise – eine interne Beurteilung wichtig. Zudem muss ein gemeinsames Führungsverständnis von Stadt und Führungspersonen entwickelt und implementiert werden.
- Für die Übergabe vom Projekt zum Betrieb ist einerseits eine enge Begleitung – auch wenn dies seitens der neuen Verantwortlichen auf Widerstand stösst – und andererseits die Bereitstellung von ausreichend zeitlichen und finanziellen Ressourcen notwendig.
Ohne eine Gewichtung der Empfehlungen vornehmen zu wollen, hat der Stadtrat im Nachgang zum Spitexprojekt während der ersten Betriebsjahre der Spitex St.Gallen AG bezüglich Public-Corporate-Governance eine Neubeurteilung vorgenommen und aus dieser heraus eine eigenständige, differenzierte Haltung entwickelt, die sich aus den gemachten Erfahrungen speist. Offensichtlicher Ausdruck war die interimistische Übernahme des Verwaltungsratspräsidiums durch Stadträtin Sonja Lüthi und zweier weiterer Sitze im Verwaltungsrat durch zwei Kaderpersonen aus der Stadtverwaltung im Sommer 2023. An entscheidenden Wegpunkten und in krisenhaften Zeiten ist eine grössere Nähe zum operativen Geschäft erforderlich, um den städtischen Interessen Nachdruck zu verleihen und um die übergeordnete Verantwortung wahrzunehmen. Im Gegensatz dazu kann und soll sich die Stadt als Aktionärin unter normalen Umständen auf die statutarisch vorgesehenen Einflussmöglichkeiten und als Leistungsbestellerin auf die Rolle der Auftraggeberin im Leistungsvertrag beschränken.
Die externe Evaluation kommt zum Schluss, dass das Spitexprojekt mit der Gründung einer neuen Organisation und der Zusammenführung der vier bisherigen Betriebe unter diesem Dach ein ausserordentliches städtisches Vorhaben darstellte und dies mit dem Zusammenfallen mit Corona zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt umgesetzt wurde. Ebenso ist ein ähnliches Projekt in dieser Dimension und Komplexität zum heutigen Zeitpunkt nicht in Sicht. Für den Stadtrat sind die in der Evaluation gewonnenen Erkenntnisse daher nur bedingt übertragbar auf andere strategische Projekte der Stadt.