Werkbeiträge 2024
Die Stadt St.Gallen vergibt im Jahr 2024 acht Werkbeiträge in der Höhe von je CHF 10‘000. Ziel ist es, St.Galler Kulturschaffenden die Entwicklung und Realisierung von interessanten Projekten zu ermöglichen. Insgesamt wurden 47 Bewerbungen für die Auswahl berücksichtigt. 30 stammten aus den Bereichen «Bildende und Angewandte Kunst», zehn aus dem Bereich «Musik», zwei aus dem Bereich «Theater», drei aus dem Bereich «Literatur», und je eine aus den Bereichen «Geschichte und Gedächtnis» und «Interdisziplinär». Vier dieser Eingaben richteten sich an das Angebot des Auslandaufenthalts.
Nicolas Bernklau (Angewandte Kunst)
Nicolas Bernklau ist Grafik- und Type-Designer in St.Gallen. Unter dem Namen Bureau Bernklau gestaltet er Schriften, Logotypes und Gesamtauftritte. Nicolas Bernklau studierte Mediendesign, Typografie und Kommunikationsgrafik in Deutschland und Grossbritannien. Aktuell arbeitet er unter anderem als Dozent für Typografie an der GBS St.Gallen. Den Werkbeitrag erhält Bernklau für die Entwicklung der Schrift Resial. Sie bezieht sich einerseits auf die Funktionalität von Schweizer und Deutschen serifenlosen, schmallaufenden Schriften aus dem frühen 20. Jahrhundert sowie andererseits auf Eigenheiten lateinischer Schriften im japanischen Grafikkontext. Resial blickt zurück auf eine reiche Geschichte historischer Modelle und interpretiert deren Stil zugleich neu. Die Schriftentwicklung ist getragen von Bernklaus Interesse an der Überschneidung zweier Kulturen, die beide teils ähnliche Werte verkörpern: Eine starke Relevanz von Kunst und Kultur, sowie ein Fokus auf Handwerk. Mit einem Werkbeitrag wird die Weiterentwicklung und Vervollständigung der Schrift unterstützt.
Marc Huber (Literatur)
Marc Huber ist in St.Gallen geboren und aufgewachsen und studierte Geschichte und Deutsche Literatur in Zürich und Berlin. Ab 2022 studierte er am Literaturinstitut Hildesheim und zog nach dem Bachelor im Jahr 2023 nach Leipzig für den Masterstudiengang am Deutschen Literaturinstitut. Marc Huber arbeitet an einem Roman über eine Freundesgruppe und den Tod einer der Freunde. Wie genau der junge Mann gestorben ist, bleibt unbekannt, doch darum geht es den vier jungen Erwachsenen nicht. Sie sind sich sicher, die Gesellschaft habe eine Person wie ihn nicht ertragen, weil sie seine Leitplanken und Gesetze nicht verstand. Der Roman setzt sich mit Randbereichen auseinander, mit den Unterschieden zwischen Stadt und Land, mit dem Gegensatz zwischen Staat und Gesellschaft, zwischen Ernst und Spiel. Er taucht ein in die Widersprüche dieser Themen, immer im Kopf eines Ichs, wo die Weltzugänge des zu Tode gekommenen Freundes nachscheinen. Mit einem Werkbeitrag wird das ambitionierte literarische Vorhaben unterstützt.
Fabienne Lussmann (Bildende Kunst)
Fabienne Lussmann lebt und arbeitet in St.Gallen, sie hat ihre Ausbildung 2014 mit dem Bachelor of Arts in Bildender Kunst an der Hochschule Luzern (Design & Kunst) abgeschlossen. Sie stellt regelmässig in der Ostschweiz aus und erhielt 2019 den Förderungspreis der Stadt St.Gallen. Fabienne Lussmanns Bildwelten sind durch den Alltagsraum geprägt. Ihr Fokus richtet sich auf Übergangssituationen zwischen dem Innen und Aussen, vermeintliche Absperrungen, Spiegelungen oder Schattengefüge. Seit circa drei Jahren werden ihre Formate grösser und in den Bildebenen komplexer. Im aktuellen Projekt wird die Künstlerin den Einsatz von eigens entwickelten Schablonen erproben sowie deren Einfluss auf die Flächenverteilung innerhalb des Bildes und auf Farbschichtungen und Texturen untersuchen. Zudem wird die Künstlerin den Fokus verstärkt auf architektonische Elemente setzen und mit einem noch vielschichtigeren Farbauftrag experimentieren. Mit einem Werkbeitrag wird Fabienne Lussmanns Weiterarbeit an ihrer künstlerischen Praxis und ihr Austesten neuer Techniken unterstützt.
André Meier (Musik)
André Meier studierte Trompete, Improvisation und Komposition an der Hochschule der Musik-Akademie Basel sowie Computerunterstützte Komposition an der Zürcher Hochschule der Künste. Er lebt in St.Gallen und widmet sich nebst seiner musikpädagogischen Tätigkeit am Konservatorium Winterthur vorwiegend der Neuen und improvisierten Musik. 2016 hat er einen Werkbeitrag der Stadt St.Gallen erhalten, 2021 einen des Kantons St.Gallen. André Meier spielt in verschiedenen Formationen sowie solistisch und kammermusikalisch. Meier will die neue Werkreihe «Thresholds» realisieren und sich damit musikalisch an Schwellwerte annähern, Kipppunkte und Brüche untersuchen. Charakteristisch für diese Werkreihe ist zum einen eine verstärkt kooperative Arbeitsweise mit den beteiligten Musikerinnen und Musikern, zum anderen die erstmalige Fokussierung auf das eigene Instrument, die Trompete. Mit einem Werkbeitrag wird die Werkreihe «Thresholds» für Trompete, (Live-)Elektronik und verschiedene Instrumente unterstützt.
Lika Nüssli (Angewandte Kunst)
Lika Nüssli lebt in St.Gallen, ist als Künstlerin schweizweit unterwegs und wurde bereits mit nationalen Preisen geehrt. 2014 hat sie einen Werkbeitrag der Stadt St.Gallen erhalten. Lika Nüssli arbeitet an einem neuen Buch mit dem vorläufigen Titel «Ich begehre dich». Die Graphic Novel erzählt über die Sexualität einer Frau in den vergangenen 50 Jahren, aufbauend auf den Erfahrungen der Künstlerin. Entstehen soll ein feministischer Porno, der dem Begehren eine neue Visualität gibt und Tabus in poetische Bilder fasst. Nach dem Buch über die Demenz von Lika Nüsslis Mutter und dem über den Vater als Verdingkind, setzt die Künstlerin jetzt die Linie mit dem Buch über ihre eigene Sexualität fort. Damit arbeitet sie erneut ein gesellschaftlich relevantes Thema anhand persönlicher Erlebnisse auf. Der Werkbeitrag würdigt Likas Nüsslis Arbeit als Sparten-Wanderin und unterstützt die Arbeit zu einem Thema von hoher Relevanz.
Anna Sorokovaya (Bildende Kunst)
Anna Sorokovaya lebt seit Dezember 2022 in der Stadt St.Gallen, nachdem sie im Frühling 2022 gezwungen war, die Ukraine zu verlassen und in der Folge für ein «Artists in Residence»-Programm im Sitterwerk eingeladen wurde. Die ukrainische Künstlerin hat 2008 ihren Master in Kunsttheorie und -geschichte an der Kunst- und Architekturakademie in Kiew erworben. 2023 hat sie den Master in Curating an der Zürcher Hochschule der Künste abgeschlossen und war an vielen internationalen Ausstellungen beteiligt. Sorokovayas fotografisches Werk pendelt zwischen Realismus und Surrealismus. Zwischen 2014 und 2022 hat die Künstlerin in der Ukraine reale Ereignisse und Orte dokumentiert: Untergrundpartys, modernistische architektonische Wahrzeichen und Naturlandschaften. Düstere Stimmung dominiert diese Bilder und zeigt die Wechselwirkung zwischen medialer Reflexion, Gesellschaft und Politik. Das Projekt mit dem Arbeitstitel «Counter-monuments» erkundet die Erfahrung von körperlicher Zerbrechlichkeit und der unbewussten Angst, die mit körperlichen Veränderungen einhergeht. Die Künstlerin plant, diese beiden Untersuchungen zu verknüpfen: Textile Objekte, die mit menschlichen Körpern verflochten sind, und fotografische Arbeiten. Die textilen und fotografischen Arbeiten entfalten sowohl inhaltlich als auch formell eine grosse Kraft. Dieses Vorhaben wird mit einem Werkbeitrag unterstützt.
U5 (Bildende Kunst)
Das Künstlerinnenkollektiv U5 wurde 2007 gegründet und hat das Atelier seit Frühjahr 2024 in St.Gallen. U5 beschäftigt sich mit Eigenschaften kollektiver Handlungs- und Wahrnehmungsweisen und verfolgt aktiv zeitgenössische Forschungsansätze in der Kunst. Die künstlerische Praxis von U5 ist vielfältig in ihren Medien und Materialien. Einzelne Arbeiten wie Objekte oder Bilder werden für Ausstellungen zu raumgreifenden Installationen kombiniert. Bereits im «Heimspiel» 2021 wurden die «Recreation Areas» vorgestellt – Inseln, die einen Ort nachahmen oder andeuten. Die Modelle sind spezifischen Funktionen im Alltag zugeordnet und in vier Kategorien eingeteilt: Routine, Obsession, Vergnügen und Arbeit, und tragen je eines der vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft. Den Werkbeitrag erhält U5, um eine dieser «Recreation Areas» in einen grösseren Massstab zu übersetzen und Gespräche, Gedanken und Diskussionen rund um das Modell in einen Film zu transformieren.
Worries And Other Plants (Musik)
Worries And Other Plants ist eine sechsköpfige Indie Rock Band mit Musikern und Musikerinnen aus dem Rheintal, St.Gallen und Argentinien. Bandgründer Dionys Müller aus Altstätten hat im Herbst 2020 mit einem Solo-Projekt begonnen und nach dem grossen Anklang der ersten EPs mit Freunden und Freundinnen zusammen eine Live-Band aufgebaut. Worries And Other Plants trat unter anderem bereits beim OpenAir St.Gallen, im Schwarzen Engel und im Flon sowie beim Musig uf de Gass auf. Worries And Other Plants steht als lebendiges Kollektiv für kulturelle Vielfalt und kreative Ausdrucksformen. Die Band will einzigartige Erfahrungen ermöglichen und Menschen durch ihre Musik berühren. Geplant sind eine Tournee durch Frankreich, die Fertigstellung eines Albums, die Ausstattung des Bandraumes mit allem Notwendigen und die Optimierung der Instrumente für Live-Shows bis zum Sommer 2024 für eine hochwertige Live-Performance. Für ihre künstlerische Weiterentwicklung zu einem entscheidenden Karrierezeitpunkt erhält die Band einen Werkbeitrag.