Rechnung 2022: Leichtes Defizit und tiefe Investitionen
Im Jahr 2022 präsentiert die Stadt St.Gallen ihre Rechnung erstmals nach dem neuen Rechnungslegungs-Standard RMSG (Rechnungsmodell der St.Galler Gemeinden). In diesem Zusammenhang berichtet die Stadt zusammen mit dem Rechnungsabschluss auch über die erfolgte Bilanzanpassung per 1. Januar 2022. Die Rechnung 2022 der Stadt St.Gallen schliesst mit einem Aufwandüberschuss von CHF -5 Mio. Dieses Gesamtergebnis der Erfolgsrechnung ist CHF 17 Mio. besser als budgetiert. Mit Nettoinvestitionen von CHF 33 Mio. hat die Stadt rund die Hälfte der budgetierten Nettoinvestitionen von CHF 70 Mio. realisiert.
Bei einem betrieblichen Ertrag von CHF 580 Mio. und einem betrieblichen Aufwand von CHF 595.3 Mio. ergibt sich ein negatives Betriebsergebnis in der Höhe von CHF -15.3 Mio. Dank einem stark positiven Finanzergebnis von CHF 46 Mio. schreibt die Stadt ein operatives Ergebnis von CHF 30.8 Mio. Nach Einlagen in Reserven von netto CHF 35.5 Mio. ergibt sich ein leicht negatives Gesamtergebnis von CHF -4.7 Mio.
Erfolgsrechnung mit grossen Differenzen zum Budget
In der Erfolgsrechnung zeigen sich einige signifikante Differenzen zum Budget:
- Der Fiskalertrag ist mit CHF 364.2 Mio. um CHF 33.8 Mio. respektive 10 % höher ausgefallen als budgetiert. Dies ist vor allem auf den unerwartet guten Ertrag bei den juristischen Personen zurückzuführen, aber auch auf hohe Nachsteuern bei den natürlichen Personen und nach wie vor auf ungebremst hohe Grundstückgewinnsteuern.
- Die Abschreibungen fallen mit CHF -45.7 Mio. um CHF -20.0 Mio. höher aus als budgetiert, weil zum Zeitpunkt der Budgetierung der Entscheid noch nicht getroffen war, das Verwaltungsvermögen neu gemäss RMSG zu bewerten.
- Der Personalaufwand ist um CHF 12.1 Mio. tiefer ausgefallen als budgetiert, was auf die Schliessung des Wohnheims für Betagte Riederenholz, auf zahlreiche vakante Stellen aufgrund des Fachkräftemangels und auf Mutationsgewinne zurückzuführen ist.
- Bei den Liegenschaften im Finanzvermögen, welche zum Verkehrswert bewertet werden, konnten im Jahr 2022 Buchgewinne von netto CHF 25.2 Mio. verbucht werden.
- Aus dem Finanzergebnis wurden gemäss dem Reglement zur neu geschaffenen Reserve Werterhalt Finanzvermögen CHF 42.2 Mio. in diese Reserve eingelegt.
Tiefes Investitionsvolumen
Der Investitionsrechnung wurden Ausgaben in Höhe von brutto CHF 47.6 Mio. belastet (Budget: CHF 97.8 Mio.). Die Nettoinvestitionen betragen CHF 33.0 Mio. und sind niedrig – verglichen mit dem Budget (CHF 70.0 Mio.) und verglichen mit dem langjährigen Durchschnittswert. Die Gründe dafür liegen hauptsächlich an Verschiebungen von Investitionsprojekten im Bereich der Hoch- und Tiefbauten und in höheren Investitionseinnahmen im Gewässerschutz als budgetiert. Ebenfalls werden nach neuer Rechnungslegung Anschlussgebühren in der Höhe von CHF 4.0 Mio. passiviert, was so nicht budgetiert wurde.
Dank den hohen Buchgewinnen liegt die Selbstfinanzierung bei CHF 87.4 Mio., was einem Selbstfinanzierungsanteil von 13 % entspricht. In Verbindung mit den tiefen Nettoinvestitionen resultiert ein aussergewöhnlich hoher Selbstfinanzierungsgrad von 265 %.
Hoher Druck auf Stadtfinanzen bleibt erhalten
Trotz dieser Kennzahlen kann für die Finanzen der Stadt St.Gallen weiterhin keine Entwarnung gegeben werden. Einerseits haben die grossen Buchgewinne, welche zu den guten Kennzahlen führten, keinerlei positiven Einfluss auf den Cashflow und auf die Verschuldung. Andererseits verschärft sich durch die tiefen Investitionen im Jahr 2022 der Investitionsstau weiter. Die geplanten Investitionen für die kommenden vier Jahre werden bei weitem nicht selbst finanziert werden können. Dazu kommt noch ein absehbarer Finanzbedarf für die Stadtwerke, um Investitionen für die Energiewende zu tätigen. Dies wird aller Voraussicht nach zu einer weiteren Zunahme der Verschuldung führen. Es ist daher weiterhin grosse Vorsicht geboten und das Massnahmenprogramm fokus25 hat nichts an Aktualität und Berechtigung verloren.
Bilanzanpassung im Rahmen der Umstellung der Rechnungslegung
Mit dem Geschäftsjahr 2022 hat die Stadt St.Gallen als letzte Gemeinde des Kantons auf das neue Rechnungsmodell der St.Galler Gemeinden (RMSG) umgestellt. Dabei wurde per 1. Januar 2022 eine Bilanzanpassung vorgenommen, um die Positionen nach den neuen Regeln zu bewerten. Dies führte zu einer Aufwertung der Aktiven und zur Überführung der Spezialfinanzierungen ins Eigenkapital, was gesamthaft eine substanzielle Erhöhung des Eigenkapitals bedeutet. Per 31. Dezember 2022 weist die Stadt St.Gallen Eigenkapital in der Höhe von CHF 584.3 Mio. aus. Davon sind CHF 405.4 Mio. in Spezialfinanzierungen und speziellen Reserven gebunden, die übrigen CHF 178.9 Mio. sind frei. Mit dieser gesunden Eigenkapitaldecke bleibt der finanzielle Handlungsspielraum der Stadt erhalten.