Werkbeiträge 2022
Die Stadt St.Gallen vergibt im Jahr 2022 acht Werkbeiträge in der Höhe von je CHF 10‘000. Ziel ist es, St.Galler Kulturschaffenden die Entwicklung und Realisierung von interessanten Projekten zu ermöglichen. Insgesamt wurden 25 Bewerbungen beurteilt. Davon stammen 19 aus den Bereichen Bildende und Angewandte Kunst, vier aus dem Bereich Musik, eine aus dem Bereich Tanz und eine aus dem Bereich Literatur.
GAFFA (Angewandte Kunst)
Das St.Galler Kollektiv GAFFA, bestehend aus Dario Forlin, Wanja Harb, Linus Lutz und Lucian Kunz, veröffentlicht im Eigenverlag seit September 2016 ein monatliches Magazin. Als Fanzine konzipiert, entstand es aus der Idee, eine visuelle Plattform ohne Grenzen und fixe Gestaltungsansprüche zu schaffen. Die thematisch motivierten Ausgaben unterwandern das gewohnte, alltägliche Repertoire an Zeichen, Ikonen, Sujets und Wort-Bild-Zusammenhängen und finden inzwischen überregional Beachtung. Die Produktion des Magazins wird durch die Abonnentinnen und Abonnenten finanziert. Das Kollektiv hat bereits 2019 einen Werkbeitrag erhalten, der in der Ausstellung im Architekturforum 2020 sichtbar wurde. Der diesjährige Werkbeitrag unterstützt das Kollektiv darin, die Arbeit aus dem Fanzine auf andere Arten umsetzen und auf andere Medien wie dreidimensionale Objekte oder digitale Bild- und Filmwelten zu übertragen.
Andrea Martina Graf
Andrea Martina Graf arbeitet als freie Autorin und Lyrikerin in St.Gallen. Sie erforscht die Randzonen von Sprache, wo Sprache zwar noch Sprache, aber auch bereits Musik oder Geräusch ist. Mit Wörtern und Wortbausteinen erzählt sie verbunden durch Klänge, Geräusche und Rhythmen. Die Hörtexte liegen schriftlich als Sprachpartituren vor. Ab den späten 1990er-Jahren erarbeitete sie gemeinsam mit der Cellistin Brigitte Meyer Wortmusik und Hörtexte. 2010 erschien eine Sprechoper in der Verlagsgenossenschaft St.Gallen (VGS). Vor 21 Jahren begann Andrea Martina Graf mit Brigitta Gehrig, Pianistin, Musik- und Stimmpädagogin, im Bereich Musik-Text-Experiment zusammenzuarbeiten. Die zunächst nur wenige Jahre währende Kooperation wurde anlässlich des Neustart-Festivals 2021 mit aktuellen Texten wieder aufgenommen. Der Werkbeitrag ermöglicht es Andrea Martina Graf, das gemeinsame Repertoire mit Brigitta Gehrig weiterzuentwickeln und weitere Hörtexte zu vollenden.
Andy Guhl
Andy Guhl lebt und arbeitet in St.Gallen. Während dreissig Jahren arbeitete er zusammen mit Norbert Möslang im Duo «Voice Crack». Seit der Auflösung des Duos 2002 entwickeln beide die gemeinsame Basis unterschiedlich weiter. Andy Guhl ist heute im Bereich der audiovisuellen interaktiven Kunst tätig. Er erforscht das Innen- und Eigenleben elektronischer Geräte und deren Potential für audiovisuellen Live-Performances und Installationen. Mit dem Werkbeitrag wird Guhls Projekt «Collaborative Mining» unterstützt: In seinem Werkraum lädt Andy Guhl zu sechs Video-Sessions ein. Eingeladene Forscher, Künstlerinnen und Techniknutzer und -nutzerinnen werden ihre individuellen Geschichten und Assoziationen mit den vorhandenen Objekten und Materialien verbinden, werden deren Funktionen und Spuren erforschen und verändern. Dieser gemeinsame, kollaborative Prozess wird in Bild und Ton erfasst und online veröffentlicht.
House of Pain (Jasmin Hauck, Cecilia Wretemark)
House of Pain – Physical Dance Theatre wurde im Jahr 2015 gegründet. Die Tänzerinnen und Choreografinnen Jasmin Hauck und Cecilia Wretemark bilden den festen Kern dieses deutsch-schwedischen Teams und besitzen eine langjährige Berufserfahrung an Theatern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Duo interessiert das Grenzgebiet zwischen Tanz und Theater, es ist immer wieder auf der Suche nach neuen Wegen und Formen des Ausdrucks. Die Formation setzt sich im aktuellen künstlerischen Forschungsprozess gemeinsam mit anderen Tänzerinnen und Tänzern nicht mit einem konkreten Thema auseinander, sondern mit dem Weg zu einem Stück: Welche Arbeitsinstrumente können von den Mitwirkenden eingebracht und gemeinsam genutzt werden? Welche Verbindungen zu anderen Kunstgattungen sind möglich? Wie verläuft die Recherche? Wie kann aus einem offenen Arbeitsprozess ein Stück entstehen? Dieses innovative Vorhaben wird mit einem Werkbeitrag unterstützt.
Michael Neff
Der Musiker Michael Neff spielt seit seiner Jugendzeit Trompete und entdeckte den Jazz an der Jazzschule St.Gallen. Seit dem Jahr 2000 leitet er seine eigene Band, die Michael Neff Group. Aktuell arbeitet er am Projekt «Ballads & more...». Dabei trifft ein klassisches Streichquartett mit Musikern und Musikerinnen aus dem Sinfonieorchester St.Gallen auf vier freischaffende Jazzmusiker aus der Region Ostschweiz. Bei dieser Begegnung entsteht eine Musik, die scheinbare Gegensätze vereint. Der Werkbeitrag unterstützt Michael Neff vor dem Hintergrund seines langjährigen Wirkens in der regionalen Jazzszene, mit nationaler Ausstrahlung. Die Förderung ermöglicht ihm einen Freiraum, um sich auf die kompositorische und kollaborative Arbeit an den Grenzen und Übergängen des Jazz und der klassischen Musik zu konzentrieren.
Marlies Pekarek
Marlies Pekarek ist in St.Gallen seit vielen Jahren als Bildende Künstlerin tätig. Sie studierte an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich und an der Southern Cross University im australischen Lismore. Während der vergangenen Jahre widmete Marlies Pekarek ihr vielfältiges Schaffen religiösen und historischen Gestalten ebenso wie modernen Helden und Heldinnen. Meist arbeitet sie über mehrere Jahre an verschiedenen Projekten, bei denen die Arbeitsthemen ineinander vernetzt sind. Politische und soziale Strukturen sowie Brauchtum und Rituale verschiedener Völker lässt sie dauerhaft in ihr künstlerisches Schaffen einfliessen. In den letzten 15 Jahren arbeitete die Künstlerin an Skulpturen aus verschiedenen Materialien wie Porzellan, Bronze und Silikon. Hier knüpft sie weiterhin an und probiert auf dieser Basis Neues aus: Im Stile des «Sampling» werden bisherige Arbeiten weiterentwickelt. Der Werkbeitrag ermöglicht es der Künstlerin, diese künstlerischen Forschungen zu verfolgen.
Lukas Schneeberger
Lukas Schneeberger lebt und arbeitet seit 2004 in St.Gallen. Seit einigen Jahren ist er mit seiner künstlerischen Arbeit vermehrt an Ausstellungen vertreten wie beispielsweise im Schloss Dottenwil, in der Galerie Paul Hafner oder im Projektraum der visarte ost (AUTO ex Nextex). Mit seinem aktuellen künstlerischen Projekt widmet er sich Fundstücken aus dem öffentlichen Raum: Durch Ergänzung, Korrektur, Vandalismus und Wiederaufbau entstehen im öffentlichen Raum immer wieder Collagen und Bilder, die als gewolltes oder ungewolltes kollektives Schaffen der Gesellschaft gesehen werden können. Schneeberger sammelt diese Zeugnisse und entwickelt daraus neue, eigene Arbeiten. Der Künstler eignet sich das Material und die Gesten dieser sozioökologischen Nischen an: Das dokumentarisch zusammengetragene Material wird vorsondiert, erkundet und weiterbearbeitet. Der Werkbeitrag ermöglicht die Erforschung und künstlerische Transformation dieser gesellschaftlichen Bildsprache.
Herbert Weber
Herbert Weber hat an der Fachklasse Fotografie der Hochschule der Künste in Zürich studiert (2000 bis 2005). Seit mehr als zehn Jahren untersucht er das Medium Fotografie, indem er die Bildfläche einer Bühne gleichsetzt und als solche bespielt. Mit seiner Projekteingabe beabsichtigt Herbert Weber eine künstlerische Forschung zum Glitch-Phänomen. Glitch bedeutet eine Panne oder Störung, die vom Gehen durch Wände bis zu falschen Darstellungen reicht. Das Phänomen ist vor allem in der Welt der Computerspiele bekannt: Diese visuellen Ereignisse zeugen von unsauberer Programmierung und fehlerhaften Strukturen, die hinter der Oberfläche, dem Bildschirm, dem Vorgegebenen existieren. Hebert Weber will das Phänomen künstlerisch transformieren und den Bogen von Glitch zu alternativen Fakten bis zur Wahrheitssuche führen. Diese doppelbödige Forschungsidee, die auch einen politischen Bezug hat, wird mit einem Werkbeitrag unterstützt.