Coronakrise: Jugendliche treffen die Massnahmen besonders hart
Die Mobile Jugendarbeit der Stadt St.Gallen hat im November Jugendliche, die sich im öffentlichen Raum in der Innenstadt aufhielten, über ihr Freizeitverhalten und ihr Befinden in der aktuellen Situation befragt. Im Wissen, dass die Anpassungsleistung im Jugendalter hoch ist, meistert ein Grossteil der befragten Jugendlichen die Situation sehr gut. Es bleibt der Wunsch nach mehr Verständnis durch Erwachsene für ihre Bedürfnisse.
Kürzlich kursierte auf Facebook die Message: «Du merkst, dass du alt bist, wenn dich die Massnahmen des Bundes nicht gross einschränken.» Die Nachricht bezieht sich auf das eingestellte Nachtleben. Jugendliche trifft dies besonders hart. Sich mit Freunden treffen, neue Leute kennenlernen, sich verlieben und feiern hat wohl in keinem Lebensalter eine höhere Priorität. Ein natürlicher Ablöseprozess vom Elternhaus soll stattfinden. Doch wie gehen Jugendliche damit um, wenn dies auf einmal eingeschränkt und verunmöglicht wird? Diese Bedürfnisse sind weder egoistisch noch ignorant, sie gehören zum natürlichen Prozess in der Pubertät.
Die Mitarbeitenden der Mobilen Jugendarbeit sind regelmässig am Freitag und Samstag im öffentlichen Raum der Innenstadt präsent und dabei im Gespräch mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Trotz eisiger Kälte hielten sich an den vergangenen Wochenenden viele Jugendliche draussen auf. Die Jugendlichen sind im Schnitt 17 Jahre alt. Auffällig ist, dass es einen Grossteil von umliegenden Gemeinden ins Zentrum nach St.Gallen zieht. Gemäss Aussagen von Jugendlichen ist dies darauf zurückzuführen, dass in ihrer Gemeinde nicht mehr viel los sei. Gerade deshalb versammeln sich am Marktplatz, teils grosse Mengen von Jugendlichen. Dort läuft etwas, sie lernen neue Leute kennen, können sich mit Freunden treffen und so ihre Bedürfnisse befriedigen. Die Umfrage der Mobilen Jugendarbeit zeigt aber auch, dass sich ihr Freizeitverhalten verändert hat. Rund drei Viertel gaben an, dass sie sich seit Corona vermehrt draussen aufhalten. Aktivitäten mit der Familie sind bei zwei Drittel der Jugendlichen weniger geworden. Wenig überraschend hat der Social-Media-Konsum bei sechzig Prozent der Befragten zugenommen, aber auch Kreatives, Sport und Aktivitäten in der Natur legten zu. Dies zeigt sich auch bei Erwachsenen.
Im öffentlichen Raum erleben die Jugendlichen eine erhöhte Präsenz von privaten Sicherheitsdiensten und Polizei. Dies führt für Jugendliche zur vermehrten Kontrolle und möglicherweise zu einem Verlust von Freiraum. Viele Jugendliche äusserten den Wunsch, dass Erwachsene mehr Rücksicht auf ihre Bedürfnisse nehmen sollten. Viele zeigten sich genervt über die negative Berichterstattung und waren dankbar, dass sich die Mitarbeitenden der Mobilen Jugendarbeit für ihre Situation interessieren und direkt bei den Betroffenen nachfragen. Ein Wunsch, den sie an alle Erwachsenen richten.
Aufgrund der aktuellen Situation wird die Mobile Jugendarbeit die Saison verlängern und nicht wie geplant in die Winterpause gehen. Gerade in der jetzigen Zeit ist ein Austausch über unterschiedliche Sichtweisen und Bedürfnisse wichtig, einerseits mit Vernetzungspartnern wie der Stadtpolizei, andererseits im Direktkontakt mit Jugendlichen. Dies bestätigt sich auch in der Jugendbeiz talhof und im Jugendkulturraum flon. Jugendliche schätzen den Austausch und sind enorm dankbar, dass ihnen Treffpunkte und Angebote der Stadt erhalten bleiben. Die Schutzkonzepte stossen auf Verständnis und erfahren grosse Akzeptanz.