Geschäft: II. Nachtrag zum Strafprozessgesetz (Titel der Botschaft: Auswirkungen der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches und des neuen Jugendstrafgesetzes auf den Kanton St.Gallen) [siehe auch 22.06.06]

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer22.06.05
TitelII. Nachtrag zum Strafprozessgesetz (Titel der Botschaft: Auswirkungen der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches und des neuen Jugendstrafgesetzes auf den Kanton St.Gallen) [siehe auch 22.06.06]
ArtKR Gesetzgebungsgeschäft
ThemaZivilrecht, Strafrecht, Rechtspflege
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung18.1.2006
Abschluss7.6.2006
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
AntragAnträge SVP-Fraktion vom 6. Juni 2006
AntragAntrag SP-Fraktion vom 7. Juni 2006
AllgemeinMedienmitteilung der vorberatenden Kommission vom 24. Mai 2006
AntragAntrag SVP-Fraktion vom 6. Juni 2006
AntragAnträge der Regierung vom 23. Mai 2006
AntragAntrag SP-Fraktion vom 7. Juni 2006
AntragAnträge SP-Fraktion vom 7. Juni 2006
AntragAntrag SP-Fraktion vom 7. Juni 2006
MitgliederlisteAktuelle Mitgliederliste
BotschaftBotschaft und Entwürfe der Regierung vom 28. Februar 2006
AntragAnträge der vorberatenden Kommission vom 22. Mai 2006
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
7.6.2006Eintreten78Zustimmung81Ablehnung21
Statements
DatumTypWortlautSession
7.6.2006Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf den II. Nachtrag ist nicht einzutreten, und auf den III. Nachtrag ist einzutreten.

Zum Eintreten auf den III. Nachtrag: Hier besteht unbestrittenermassen Handlungsbedarf aufgrund wesentlicher Änderungen auf der Ebene des Bundesgesetzgebers. Im Weiteren möchten wir hier bereits antönen, dass uns die immer grösseren Kompetenzen des Einzelrichters und des Untersuchungsrichters mit Unbehagen erfüllen.

Wir halten fest, dass die beiden Vorlagen inhaltlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben und auch von der Regierung als zwei Nachträge behandelt wurden. Dabei wurde auch der Titel der gesamten Vorlage nur auf einen Nachtrag ausgerichtet, nämlich auf den III. Nachtrag. Der Titel der vorliegenden Vorlage lautet: «Auswirkungen der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches und des neuen Jugendstrafgesetzes auf den Kanton St.Gallen».

Den II. Nachtrag betrachten wir als nicht dringlich. Hier haben wir an einer Sitzung am 22. Mai 2006 ein sehr komplexes und umstrittenes Thema behandelt mit vielen Anträgen, die zum Teil sehr knapp entschieden wurden und die meines Erachtens Zeit benötigen, um anständig und ausführlich in den Fraktionen behandelt zu werden. Dies ist aber nicht möglich, wenn im Zeitpunkt der Fraktionssitzungen nur die mündliche Berichterstattung aus der Kommission möglich ist und das Protokoll dann auch erst nach diesen Sitzungen eintraf.

Sie können der Botschaft entnehmen, dass bereits im Juni 2001 eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Strukturen und Prozesse der Staatsanwaltschaft eingesetzt wurde. Dabei geht es hier nicht um die Frage, wieso diese Arbeitsgruppe bereits weniger als ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Strafprozessgesetzes eingesetzt wurde und offensichtlich einzelne Mitglieder dieses Rates darin Einsitz hatten. Vielmehr ist von Interesse, dass diese Arbeitsgruppe bereits am 27. Februar 2002 ihren Bericht zuhanden des Departementes ablieferte. Botschaft und Entwürfe der Regierung datieren vom 28. Februar 2006. Wenn zwischen Ablieferung des Berichts und der Vorlage an das Parlament vier Jahre verstreichen, wäre die Verschiebung des II. Nachtrags auf die nächste Session nicht nur vertretbar, sondern in der Sache zweckmässig und sinnvoll. Ich bitte Sie deshalb, inhaltlich nicht auf diesen II. Nachtrag einzutreten, wie wir das von unserer Partei bereits in der Vernehmlassung zum Ausdruck gebracht hatten und wie wir auch in der vorberatenden Kommission geschlossen gestimmt hatten. Wenn es wirklich einzelne Artikel oder Bestimmungen gibt, die angepasst werden müssen, dann kann das in einer separaten kleinen Revision erfolgen.

Session des Kantonsrates vom 6. und 7. Juni 2006
7.6.2006Wortmeldung

Regierungspräsidentin Keller ist erstaunt, dass wir Nichteintreten beantragen. Wir haben sowohl in der Vernehmlassung von einer Nichtnotwendigkeit dieser Vorlage gesprochen und hatten auch in der vorberatenden Kommission gegen Eintreten votiert. Sie haben jetzt die innere Sicherheit erwähnt. Erzählen Sie mir doch bitte mit einem Satz, was dieses II. Nachtragsgesetz zum Strafprozessgesetz mit der inneren Sicherheit des Kantons St.Gallen zu tun hat. Selbst der Nachtrag zum Polizeigesetz hat mit der inneren Sicherheit direkt nichts zu tun. Einerseits verstehen wir das Bedürfnis oder den Wunsch der Polizei, gewisse Mittel mehr zu haben. Andererseits ist es möglicherweise auch die Vorlage, die dazu beigetragen hat, der Polizeiverhaft, der eben nicht ein solcher sein soll, mit Skepsis zu begegnen. Wir stehen zur inneren Sicherheit. Wir hatten uns für die Aufstockung der Polizei ausgesprochen, und wir sind für eine starke Polizei, aber wir können nicht das Problem der mangelnden Zusammenarbeit zwischen Polizei und Untersuchungsrichter mit diesem Nachtrag lösen. Das ist ein Problem, das auf der personellen und organisatorischen Ebene gelöst werden muss, nicht mit einem Nachtrag, der rechtsstaatlich viele Fragezeichen offen lässt.

Session des Kantonsrates vom 6. und 7. Juni 2006
7.6.2006Wortmeldung

Die Eintretensdiskussion wird zu beiden Nachträgen gesamthaft geführt. Die Abstimmung wird einzeln durchgeführt.

Session des Kantonsrates vom 6. und 7. Juni 2006
7.6.2006Wortmeldung

Präsident der vorberatenden Kommission: Die vorberatende Kommission beschloss in der Gesamtabstimmung nach Art. 60 des Kantonsratsreglementes, dem Kantonsrat Eintreten auf die im Sinne der Kommission bereinigten Vorlagen zu beantragen, und zwar wurde beim II. Nachtrag mit 13:0 Stimmen bei 5 Enthaltungen und 3 Abwesenheiten und beim III. Nachtrag mit 16:0 bei 5 Enthaltungen zugestimmt.

Mit dem II. Nachtrag zum Strafprozessgesetz beantragt die Regierung verschiedene offene Fragen im Strafprozess zu klären, die sich seit Vollzugsbeginn dieses Gesetzes am 1. Juli 2000 gestellt haben. Der umfassend revidierte allgemeine Teil des Schweizerischen Strafgesetzbuches sowie ein neues Jugendstrafgesetz erfordern zudem umfangreiche Anpassungen, welche im III. Nachtrag zum Strafprozessgesetz vorgelegt werden. Die vorberatende Kommission traf sich am 8. und 22. Mai 2006 zur zweitägigen Sitzung. Zu Beginn der ersten Kommissionssitzung würdigten der Präsident der Anklagekammer Dr. Niklaus Oberholzer und der Erste Staatsanwalt Dr. Erwin Beyeler in ihren Kurzreferaten die beiden Nachträge aus ihrer jeweiligen Sicht. Anschliessend standen die Referenten den Kommissionsmitgliedern für Fragen zur Verfügung, bevor sich dann die vorberatende Kommission ohne diese beiden Referenten der Eintretensdiskussion widmete. Im Rahmen ihres Eintretensreferates wies Regierungspräsidentin Keller-Sutter darauf hin, dass die bundesrechtlichen Vorgaben in den entsprechenden Bundesgesetzen für die Kantone verbindlich sind, weshalb der Spielraum für die kantonale Gesetzgebung beschränkt sei. Mit dem II. Nachtrag sollen die innerkantonalen Zuständigkeiten mit Bezug auf die Bundesgesetze über die verdeckte Ermittlung und betreffend die Verwendung von DNA-Profilen geregelt werden. Ausserdem sollen verschiedene Fragen geklärt werden, die sich seit dem Inkrafttreten der total revidierten Strafprozessordnung ergeben haben. Mit dem III. Nachtrag werden die notwendigen Anpassungen aufgrund des revidierten allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuches und wegen des neuen Jugendstrafgesetzes beantragt. In der Eintretensdiskussion zeigte sich, dass das Eintreten auf den II. Nachtrag nicht unbestritten war. In der Kritik standen im Wesentlichen die vorgesehene Stärkung der Stellung des Ersten Staatsanwaltes bezüglich der Leitung der gesamten Staatsanwaltschaft, die Erhöhung der Spruchkompetenzen der Untersuchungsrichter, die Möglichkeit des Verzichts auf eine untersuchungsrichterliche Einvernahme und die Präzisierung der polizeilichen Anhaltung im Rahmen der fahndungspolizeilichen Befugnisse. Zur Begründung der kritischen Haltung dazu wurde ausgeführt, es gebe keine aktuelle Veranlassung oder zwingende Gründe, in diesen Fragen Anpassungen vorzunehmen. In der Folge beschloss die vorberatende Kommission mit 11:9 Stimmen bei 1 Enthaltung Eintreten auf den II. Nachtrag.

Das Eintreten auf den III. Nachtrag war nicht strittig. Die vorberatende Kommission beschloss einstimmig mit 21:0 Stimmen Eintreten. Da der III. Nachtrag zum Strafprozess die Anpassungen aufgrund der Änderungen des materiellen Strafrechts enthält und diese Anpassungen auf den 1. Januar 2007 in Kraft gesetzt werden müssen, widmete sich die vorberatende Kommission in der Spezialdiskussion zuerst dem III. Nachtrag, sodass zumindest dieser III. Nachtrag in der Junisession 2006 in 1. Lesung und in der Septembersession 2006 des Kantonsrates in 2. Lesung beraten werden konnte, falls die Spezialdiskussion zum II. Nachtrag mehr Zeit als vorgesehen in Anspruch nehmen sollte. Am ersten Sitzungstag konnte die Spezialdiskussion zum III. Nachtrag praktisch abgeschlossen werden, und am zweiten Sitzungstag wurde dann aber auch der II. Nachtrag materiell beraten, sodass wir heute beide Nachträge in 1. Lesung und in der Septembersession 2006 in 2. Lesung beraten können, falls auf beide eingetreten wird. In der Spezialdiskussion zu den beiden Nachträgen haben die Vertreter des Justiz- und Polizeidepartementes, Regierungspräsidentin Keller-Sutter, Generalsekretär Dr. Hans-Rudolf Arta sowie Joe Keel, Leiter Straf- und Massnahmenvollzug, ausführlich und kompetent auf alle Fragen Antwort geben können. Von der vorberatenden Kommission beauftragte Formulierungsvorschläge und ergänzende Auskünfte sind jeweils speditiv und aussagekräftig vorgelegt worden.

In der Spezialdiskussion zum II. Nachtrag kam es dann erwartungsgemäss zur eingehenden Auseinandersetzung mit der Stellung des Ersten Staatsanwaltes. Es betrifft dies die Art. 9, 10 und 14 Strafprozessgesetz mit dem Ergebnis, dass die Regierungsvorlage abgeändert bzw. die Einräumung direkter Weisungsbefugnisse abgelehnt wurde. Im Zusammenhang mit der Klärung der Stellung der Verwaltung im Strafverfahren gemäss Art. 50 Strafprozessgesetz wurde die frühzeitige Orientierung der Gemeinden aufgenommen für Bereiche, in denen sie Aufsichtsfunktionen wahrnehmen. Bei der vorgesehenen Möglichkeit des Verzichts auf die untersuchungsrichterliche Einvernahme Art. 75bis wurde das zusätzliche Kriterium des persönlichen Eindrucks aufgenommen, sodass ein Untersuchungsrichter eine persönliche Befragung auch dann durchführen kann, wenn der Angeschuldigte selber verzichtet, der Untersuchungsrichter ihn aber dennoch befragen will. Die Bestimmungen zum Anzeigerecht und zur Anzeigepflicht von Behörden und Beamten Art. 167 wurden engagiert beraten. Streichungsanträge innerhalb der vorberatenden Kommission wurden abgelehnt. Dagegen wurde eine Präzisierung aufgenommen. Das Anzeigerecht von Personen des Gesundheitswesens Art. 167bis wurde etwas eingegrenzt. Bei den Bestimmungen über die Vertretungskosten eines Strafklägers oder Opfers Art. 271 Abs. 2 wurde eine Änderung vorgeschlagen, um die Opfer in besonderen Fällen besserzustellen. Bei der Verlegung von Kosten im Haftentschädigungsverfahren Art. 273 Strafprozessgesetz soll entgegen dem Vorschlag der Regierung die bisherige Praxis der Anklagekammer gesetzlich bestätigt werden.

Diesen beiden letzten Änderungsvorschlägen der vorberatenden Kommission opponiert die Regierung mit ihrem roten Blatt. Weitere Änderungs- oder Streichungsanträge zu Art. 73, 167bis, 159 Strafprozess- sowie Art. 28 Polizeigesetz lehnte die vorberatende Kommission ab. In der Spezialdiskussion zum III. Nachtrag beschloss die vorberatende Kommission, bei Art. 56 Abs. 3 Bst. a die heutige gesetzliche Regelung zu belassen, weil die Angleichung an die neu vorgesehene Grenze des noch möglichen bedingten Strafvollzugs zu einer Verschlechterung des Anspruchs auf amtliche Verteidigung führt. Diesem Kommissionsantrag widersetzt sich die Regierung mit ihrem roten Blatt. Bei den Bestimmungen zum Privatstrafklageverfahren (es betrifft dies die Art. 299 bis Art. 304 Strafprozessgesetz) wurden präzisierende Änderungen in Anlehnung an die frühere Gesetzeslage vorgeschlagen, damit wieder eine bundesrechtskonforme Lösung vorliegt. Andere Änderungsanträge im Verlaufe der Kommissionsberatungen zu Art. 12, 184 und 279 Strafprozessgesetz sowie Art. 132 Baugesetz wurden abgelehnt. Ich komme darauf im Einzelnen in der Spezialdiskussion zu sprechen.

Session des Kantonsrates vom 6. und 7. Juni 2006
7.6.2006Wortmeldung

Locher-St.Gallen ist als Mitglied der Anklagekammer in den Ausstand getreten.

Session des Kantonsrates vom 6. und 7. Juni 2006
7.6.2006Wortmeldung

(im Namen der GRÜ-Fraktion): Da der III. Nachtrag zum Strafprozessgesetz hauptsächlich die Anpassungen aufgrund der Veränderungen des materiellen Strafrechtes auf Bundesebene enthalten, ist unsere Fraktion für Eintreten.

Die hier vorgeschlagenen Änderungen sind teilweise zwingend. Wir unterstützen vor allem die Erhöhung des Arbeitseinsatzes auf 720 Tage. Auch die vorzeitige Verwertung oder allenfalls Vernichtung von beschlagnahmten Waren ist eine sinnvolle Anpassung. Die Bestimmung der Aktenaufbewahrungsfrist im Staatsarchiv erachten wir als richtig. Der Erhöhung der Kompetenz für Einzelrichter und Untersuchungsrichter sowie die Ausweitung des Anzeigerechtes und der Beibehaltung der Anzeigepflicht stehen wir eher skeptisch gegenüber. Wir werden uns zu den verschiedenen Artikeln noch in der Detailberatung melden.

Nun zum II. Nachtrag des Strafprozessgesetzes: Hier greifen wir einige Inhalte wieder heraus, welche schon einmal in diesem Rat und von den vorberatenden Kommissionen diskutiert worden sind. Unsere Fraktion ist der Meinung, dass nicht dieselben Inhalte nach wenigen Jahren seit der letzten Teilrevision des Strafprozessgesetzes wieder diskutiert werden müssen. Wieso soll die Kompetenz des Staatsanwaltes und die Informationspflicht an den Staat und die Gemeinden von Klagen oder Anzeigen erweitert werden? Wenn diese Gemeinwesen die Aufsichtspflicht wahrnehmen, ist das in unserem Sinn. Wir erachten die Konferenz der Staatsanwälte als wichtig für die Rechtsprechung im Kanton St.Gallen. Andere Anträge der Regierung, die wir nicht befürworten, wurden durch die vorberatende Kommission leider bestätigt. Dies sind hauptsächlich der Art. 28 im Polizeigesetz, wonach angehaltene Personen auf den Polizeiposten geführt werden können und dort in Gewahrsam genommen werden dürfen, wenn ihre Identität nicht auf andere Weise feststellbar gemacht werden kann oder Verdachtsgründe gegen sie sprechen. Mit dieser Ausweitung der Kompetenz der Polizei sind wir nicht einverstanden, da die heutige Regelung genügt, beim Untersuchungsrichter die Festnahme zu beantragen. Aus diesen Gründen ist unsere Fraktion für Nichteintreten auf den II. Nachtrag des Strafprozessgesetzes.

Session des Kantonsrates vom 6. und 7. Juni 2006
7.6.2006Wortmeldung

(im Namen der SP-Fraktion): Wir sind für Eintreten auf den III. Nachtrag zum Strafprozessgesetz und für Nichteintreten auf den II. Nachtrag zum Strafprozessgesetz.

Es betrifft Änderungen, die wegen der Anpassung an das neue Bundesrecht nötig sind. Wir stellen jedoch den Antrag, auf den II. Nachtrag nicht einzutreten. Hier will die Regierung Anpassungen vornehmen, die nicht zwingend sind, sondern wie sie sagt, der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung tragen sollen. Es sollen Verbesserungen vorgenommen werden, die aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre seit der Totalrevision angezeigt sind. Wir lehnen die meisten dieser sogenannten Verbesserungen ab. Es sind vielfach Bereiche, die schon bei der letzten Revision ausführlich diskutiert und abgelehnt worden sind, wie z.B. die Stellung des Ersten Staatsanwaltes. Mit dem vor sechs Jahren revidierten Strafprozessgesetz entstand ein ausgewogener Kompromiss, der sich in der Praxis mit wenigen Ausnahmen bewährt hat. Punktuelle Änderungen können diese ausgewogene Lösung stören und weitere Änderungen nötig machen. Dies zeigt sich z.B. bei den beantragten Strafkompetenzerhöhungen für die Untersuchungsrichter, die eine Strafkompetenzerhöhung auch bei den Einzelrichtern nötig macht. Die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft und der Polizei sollen ausgebaut und verstärkt werden, die Rechte der Angeschuldigten jedoch eingeschränkt werden. Dabei werden rechtsstaatliche Prinzipien tangiert. Strafverfahren sind Eingriffe in die Freiheitsrechte der Strafverfolgten. Dafür braucht es klare gesetzliche Grundlagen und eine Überprüfbarkeit der Strafmassnahmen durch unabhängige Gerichte. Hohe Effizienz im Strafverfahren rechtfertigt nicht, rechtsstaatliche Grundsätze zu verletzen. Wir sind gegen den Abbau der Rechte der Angeschuldigten. Wir sind für eine starke unabhängige Justiz.

Session des Kantonsrates vom 6. und 7. Juni 2006
7.6.2006Wortmeldung

(im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

In der Vernehmlassung zu den seinerzeitigen Entwürfen hatte die FDP-Fraktion Bedenken hinsichtlich des Ausmasses der geplanten Stärkung der Stellung des Ersten Staatsanwalts geäussert. Nach geltendem Recht ist es Aufgabe der Konferenz der Staatsanwälte, für eine einheitliche Gesetzesanwendung und die sachgerechte Aufgabenerfüllung durch die Untersuchungs- und Polizeiorgane zu sorgen. Dieser Lösungsansatz ist nach wie vor zweckmässig, um unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze den gestiegenen Ansprüchen in der Kriminalitätsbekämpfung gerecht zu werden. Entsprechend erachten wir die von der Regierung vorgesehene Ausweitung der Kompetenzen des Ersten Staatsanwalts in Richtung eines seinerzeit abgelehnten Generalstaatsanwaltsmodells als zu weit gehend. Überhaupt nicht anfreunden konnten wir uns mit der Korrektur, welche die Regierung in der Überarbeitung der Vorlage aufgrund der Vernehmlassung bezüglich der Wahlkompetenzen der Staatsanwälte vorgenommen hatte. Würde der Erste Staatsanwalt vom Kantonsrat, die übrigen Staatsanwälte von der Regierung gewählt, so hätten wir eine «Zwei-Klassen-Staatsanwaltschaft», was wir ablehnen. Wir sind deshalb zufrieden, dass die vorberatende Kommission hier die nötigen Korrekturen vorgenommen hat. Der nun vorliegenden Fassung der Umschreibung der Aufgaben des Ersten Staatsanwalts können wir deshalb zustimmen. Seine Stärkung in Bezug auf die Durchsetzung der Beschlüsse der Konferenz der Staatsanwälte ist richtig und wichtig.

Die FDP-Fraktion steht aber auch hinter den übrigen Ergebnissen der Arbeit der vorberatenden Kommission zum II. Nachtrag. So befürworten wir die flexiblere Gestaltung der Haftrichterregelung und stimmen der Ausweitung der Informationspflicht der Staatsanwaltschaft auf die Gemeinden zu. Zustimmen werden wir auch der Möglichkeit, dass der Angeschuldigte unter klar umschriebenen Voraussetzungen auf die untersuchungsrichterliche Einvernahme verzichten kann. Wichtig ist für uns weiter, dass künftig beschlagnahmte Gegenstände vorzeitig verwertet oder vernichtet werden können. Ebenfalls erachten wir als richtig, dass grundsätzlich an der Anzeigepflicht von Behörden und Beamten des Staates und der Gemeinde bei schwerwiegenden Straftaten festgehalten wird. Ebenso richtig ist aber, dass unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen von der Anzeigepflicht befreit werden kann, ein Anliegen, das insbesondere im Zusammenhang mit niederschwelligem Beratungsangebot von interdisziplinär zusammengesetzten Kinderschutzgruppen wichtig sein kann. Nicht einverstanden sind wir im Zusammenhang mit dem II. Nachtrag hingegen mit den Änderungen der vorberatenden Kommission im Zusammenhang mit der Kostentragung von Strafklägern sowie bezüglich Ersatz der Anwaltskosten im Entschädigungsverfahren für unberechtigten Freiheitsentzug. In diesen Punkten werden wir dem roten Blatt der Regierung folgen. Was schliesslich den III. Nachtrag zur Strafprozessordnung betrifft, so stellt sich die FDP-Fraktion mit Ausnahme des Antrages zu Art. 56 hinter das gelbe Blatt der vorberatenden Kommission. Den Anpassungen aufgrund von Bundesrecht ist klar zuzustimmen. So stehen wir insbesondere hinter der Ausdehnung der Kompetenzen der Staatsanwaltschaft im Strafbescheidverfahren und der entsprechenden Ausdehnung der Spruchkompetenzen der Einzelrichter in Strafsachen.

Session des Kantonsrates vom 6. und 7. Juni 2006
7.6.2006Wortmeldung

Falls Sie auf den II. Nachtrag Nichteintreten beschliessen sollten, bitte ich Sie, bei diesem Entscheid zu beachten, dass auch im II. Nachtrag bundesrechtliche Erlasse enthalten sind, die in die kantonale Strafprozessordnung zu übernehmen sind. Regierungspräsidentin Keller-Sutter hat bereits darauf hingewiesen. Zum Zweiten weise ich darauf hin, dass die Kommission die Arbeit im Rahmen des gegebenen Zeitplanes, der unter anderem sehr stark vom Bundesgesetzgeber vorgegeben war, durchgeführt hat. Diese Beratungen sind effizient und mit der gebotenen Seriosität durchgeführt worden, und deshalb meine ich, würde eine Verschiebung der Diskussion über den II. Nachtrag diesbezüglich auch qualitativ nichts bringen. Ich weise noch darauf hin, dass die vorberatende Kommission mit 11:9 Stimmen bei 1 Enthaltung auf den II. Nachtrag und mit 21:0 Stimmen auf den III. Nachtrag eingetreten ist.

Session des Kantonsrates vom 6. und 7. Juni 2006
7.6.2006Wortmeldung

(im Namen der CVP-Fraktion): Auf beide Nachträge ist einzutreten.

Die CVP-Fraktion hat sich bereits im Vernehmlassungsverfahren dahin gehend geäussert, dass sie beunruhigt ist darüber, dass die erst vor wenigen Jahren total revidierte Strafprozessordnung bereits wieder geändert werden soll. Wo Anpassungen an das Bundesrecht nötig sind, können wir nicht viel dazu sagen bzw. dazu beitragen. Anders ist es im Rahmen unserer kantonalen Zuständigkeit. Die Frage der Stärkung der Stellung des Ersten Staatsanwalts wurde schon bei der Totalrevision gestellt und ausführlich diskutiert. Damals stand die CVP-Fraktion einer Stärkung ablehnend gegenüber. Indem die Regierung in Abänderung zur Vernehmlassungsvorlage die Wahl des Ersten Staatsanwalts nun durch den Kantonsrat vorgeschlagen hat, stärkte sie seine Unabhängigkeit gegenüber der Regierung. Auch die Ergänzung, dass Weisungen des Ersten Staatsanwaltes schriftlich begründet und in den Akten festgehalten werden müssen, hat den Bedenken der CVP-Fraktion Rechnung getragen. Die CVP-Fraktion sieht sich nicht veranlasst, die Kommissionsanträge zu bekämpfen.

Session des Kantonsrates vom 6. und 7. Juni 2006