Geschäft: Vision SG 2030: Steuerbelastung senken, Ressourcenkraft stärken!

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.24.04
TitelVision SG 2030: Steuerbelastung senken, Ressourcenkraft stärken!
ArtKR Motion
ThemaFinanzen, Regalien, Unternehmungen, Feuerschutz
FederführungFinanzdepartement
Eröffnung21.2.2024
Abschluss1.5.2024
Letze Änderung17.7.2024
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
WortlautWortlaut vom 21. Februar 2024
AntragAntrag der Regierung vom 23. April 2024
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
21.2.2024Gremium2.6.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
1.5.2024Eintreten78Zustimmung38Ablehnung4
1.5.2024Gutheissung78Zustimmung38Ablehnung4
Statements
DatumTypWortlautSession
1.5.2024Beschluss

Der Kantonsrat heisst die Motion mit 78:38 Stimmen gut.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Struktur

Die Spezialdiskussion wird nicht benützt.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 78:38 Stimmen auf die Motion ein.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Regierungsrat Mächler zu Etterlin-Rorschach: Da Sie nicht das Glück haben, weiterhin im Kantonsrat sein zu dürfen, erlaube ich mir eine kurze Replik. Sie werden es wahrscheinlich schätzen, dass ich Ihr Votum ernst nehme. Ich glaube, Sie waren an diesen runden Tischen dabei. Der springende Punkt bzw. die Krux, warum wir uns nicht gefunden haben, waren die ganz unterschiedlichen Auffassungen von «Mittelstand». Ich kann Ihnen ein schönes Beispiel dazu erzählen, das ich auch am runden Tisch erwähnt habe: Eine ehemalige Regierungsrätin, deren Name ich bewusst nicht nenne, sagte einmal, auch sie sei Mittelstand. Dann habe ich gesagt: Mit dem Einkommen einer Regierungsrätin bzw. eines Regierungsrates von rund 300'000 Franken – das ist öffentlich – gehört man definitiv nicht mehr zum Mittelstand. Ihre Antwort war, dass sie sich aber im Mittelstand fühle. Ich habe gesagt, dass das gerade die Krux sei. Zwischen fühlen und statistisch effektiv zu sein besteht ein Unterschied. Dieser führt dazu, dass in der Schweiz alle «im Mittelstand» sind. Ich sehe es genau gleich, Etterlin-Rorschach: Das wird eine amüsante Diskussion. Vielleicht kann ich Sie als Experte einladen. Dann dürften Sie an dieser spannenden Diskussion doch noch teilnehmen. Ich überlege mir zumindest, ob ich Sie dann einladen will und wir Sie anhören. Sie haben es treffend auf den Punkt gebracht: Das wird eine sehr schwierige Diskussion werden.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Etterlin-Rorschach zu Regierungsrat Mächler: Ich muss jetzt noch etwas loswerden, weil ich es in einem Jahr nur noch über Umwege platzieren könnte. Ich möchte Sie an die ziemlich leidvolle Diskussion über die Definition des Mittelstands erinnern. Wir konnten uns nicht einigen, weil mehrheitlich die absurde Meinung vorherrschte, dass eine alleinstehende Person mit einem Einkommen von Fr. 150'000.– und ein verheiratetes Paar mit einem Einkommen von Fr. 300’000.– noch zum Mittelstand gehören. Sie hätten damit 95 Prozent aller St.Galler Steuerzahlenden zum Mittelstand gerechnet. Daran sind diese Verhandlungen gescheitert. Ich würde mich freuen und danke Ihnen, wenn Sie die Lehren aus diesen Diskussionen mitnehmen. Ich bin überzeugt, wenn es Ihnen gelingt, einen vernünftigen Mittelstand zu definieren, werden wir uns über alle Fraktionen auf diese Diskussion einigen können.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Regierungsrat Mächler: Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Wir haben schon mehrmals über das Thema Steuerentlastung des Mittelstands gesprochen. Wenn ich auf die Zuschauertribüne blicke, sehe ich, dass der ehemalige Finanzdirektor Martin Gehrer unter uns ist. Ich glaube, schon damals hat man immer wieder über den Mittelstand und seine steuerliche Entlastung gesprochen. Ich freue mich sehr, mich dieser Aufgabe – sollte ich Vorsteher des Finanzdepartementes bleiben – nochmals annehmen zu dürfen. Das wird eine höchst spannende Diskussion werden. Denn in der Schweiz fühlt sich jeder im Mittelstand. Ich habe noch nie von jemandem gehört, er sei Oberschicht. Nur schon das Wort Oberschicht hört man wahrscheinlich nicht so gern. Selbst diejenigen, die über knappe Verhältnisse verfügen, wollen sich im Mittelstand sehen.

Faktisch werden Sie nicht darum herumkommen zu definieren, was Mittelstand bedeutet. Wir haben diese Diskussion bereits in dieser Amtsdauer geführt. Ich habe zwei runde Tische dazu gemacht. Was war dabei herausgekommen? Wir haben uns nicht gefunden, was «der Mittelstand» ist. Mit einer neuen Amtsdauer kann auch die Hoffnung verbunden werden, dass wir gescheiter werden und sagen können, was Mittelstand bedeutet. Ich freue mich auf diese Diskussion, mache mir aber nichts vor, denn es wird nicht einfach werden.

Weshalb beantragt die Regierung Nichteintreten? Suter-Rapperswil-Jona hat es treffend formuliert: Weil wir diese Aufträge schon haben. Wir haben im Geschäft 22.23.07 «XXII. Nachtrag zum Steuergesetz (Erhöhung des Fahrkostenabzugs)» ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir im Rahmen des Steuermonitorings, das im dritten Quartal 2024 veröffentlicht wird, eine Lagebeurteilung vornehmen und auf Sie zukommen werden. Ich kann Ihnen versichern: Die Regierung leidet nicht an Demenz. Möglicherweise haben andere etwas Mühe, sich an Aufträge zu erinnern. Wir haben es nicht. Wir führen diesbezüglich jährlich Buch und sagen Ihnen immer, wo es offene Aufträge gibt und wo nicht. Sie müssen keine Angst haben, dass etwas untergeht, denn diese Aufträge sind bei uns deponiert und wir haben diese Hausaufgaben.

Sie können eintreten oder nicht eintreten. Der Unterschied ist marginal, weil wir den Auftrag sowieso haben. Wir werden uns diesbezüglich sicherlich unterhalten müssen, das ist richtig so. Denn ich bin mit Ihnen einverstanden: Der Kanton St.Gallen hat ein Thema im Mittelstand. Aber das Anspruchsvolle wird sein, mit knappen Mitteln und mit Defiziten, die wir haben werden, noch weitere Ausgaben zu machen. Wie Sie das dann finanzpolitisch einordnen wollen, wird eine spannende Aufgabe sein. Auch deshalb habe ich das Gefühl, dass es mir die nächsten vier Jahre – wenn ich Vorsteher des Finanzdepartementes bleiben darf – nicht langweilig wird. Es werden sich ganz entscheidende Fragen stellen. Ob Eintreten oder Nichteintreten, der einzige Unterschied ist, und das ist vielleicht das Positive: Der Kantonsrat der neuen Amtsdauer muss sich keine Gedanken über solche Aufträge mehr machen. Dann sind sie definitiv verankert und doppelt genäht – auch das gehört zur Politik. Sie müssen dann keine Angst haben, dass die Regierung nichts macht. Die Regierung nimmt es relativ locker, zwar nicht in der Sache, denn materiell wird das eine sehr heikle Diskussion. Für mich ist es schmerzlos, ob Sie eintreten oder nicht eintreten. Machen Sie, was für Sie das Beste ist.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Thoma-Andwil (im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Ich werde nicht alles wiederholen, was schon gesagt wurde. Ich möchte nur auf zwei, drei Dinge kurz eingehen. Die FDP definiert dies als Vision und die SVP bekräftigt es. Für uns muss es sogar ein Ziel sein, den Mittelstand zu entlasten. Wir haben in letzter Zeit einige Massnahmen ergriffen: den Steuerfuss gesamthaft gesenkt, die kalte Progression und der Pendlerabzug, der zur Diskussion steht. Das sind alles in sich logische Entlastungen der Bürger. Wo wir aber ein klares Problem haben, und das ist bekannt, ist die Entlastung des Mittelstands. Ich stelle erfreut fest, dass dies auch die Mitte, die sich das auch zu ihrem Ziel gesetzt hat, unterstützt. Wir haben ein klares Problem bei den mittleren und etwas höheren Einkommen. Die sind es nämlich, welche die ganze oder die grosse Last des Staats tragen.

Warum ist es notwendig, diese Motion zu unterstützen, obwohl kolportiert wird, dass es eigentlich nicht notwendig sei? Am Schluss der Antwort der Regierung steht, ich zitiere: «Vor diesem Hintergrund sind weitere Aufträge an die Regierung zur Prüfung von steuerlichen Entlastungen nicht erforderlich.» Wenn ich das lese, spüre ich seitens Regierung einen leichten Unwillen, in nächster Zeit in diesem Bereich tätig zu werden.

Wir sind dezidiert der Meinung, dass nach den globalen Steuersenkungen, die durchaus notwendig waren, und zwar über die ganze Linie, jetzt ganz konkret bei den mittleren und etwas höheren Einkommen gedreht werden muss. Es ist nachgewiesen, dass wir in diesem Bereich auch im Benchmark klar zu hoch sind. Wir unterstützen daher die Motion. Sie ist ein klares Zeichen und ein Auftrag an die Regierung, hier vorwärtszumachen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Cavelti Häller-Jonschwil (im Namen der GLP): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Es ist ein anerkanntes Problem, dass der Mittelstand im Kanton St.Gallen im Vergleich zu den Nachbarkantonen steuerlich mehr belastet wird, wobei unklar ist, was denn «der Mittelstand» tatsächlich ist. Diese Tatsache führte letztlich zu den erteilten Aufträgen anlässlich des Berichts zur Ressourcenstärke und in letzter Konsequenz auch zu den beiden Steuersenkungen von je 5 Prozent. Beides, also Aufträge und Steuersenkung, haben wir damals mitgetragen.

Diese Motion setzt erneut den Fokus auf die Steuerattraktivität unseres Kantons. Die FDP scheint jedoch zu verkennen, dass eine verantwortungsvolle Steuerpolitik nicht nur darauf abzielen sollte, die wirtschaftliche Attraktivität zu steigern, sondern auch die gesellschaftlichen und ökologischen Bedürfnisse der Bevölkerung zu berücksichtigen. Nur eine ausgewogene Steuerpolitik, die alle diese Aspekte einbezieht, trägt letztlich dazu bei, einen lebenswerten und nachhaltigen Standort zu schaffen. Wenn weitere Steuersenkungen gefordert werden, müssen auch Lösungsansätze aufgezeigt werden, wie diese kompensiert werden oder wo eingespart werden soll. Die Erfahrung in anderen Kantonen zeigt, dass Steuersenkungen nicht zwingend zu Steuermehreinnahmen führen, sondern in erster Linie Löcher in den Staatshaushalt reissen. Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten sind weitere Steuersenkungen ohne klare Gegenfinanzierung aus unserer Sicht keine gute Idee.

Die vorliegende Motion grenzt zudem an Aktionismus. So hat der Kantonsrat gestern mit der Überweisung des Postulats 43.24.02 «Arbeit muss sich lohnen – Fehlanreize jetzt korrigieren!» die Überprüfung der finanziellen Belastungen für den Mittelstand in Auftrag gegeben. Die vorliegende Motion ist deshalb eine unnötige Arbeitsbelastung für die Verwaltung.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Suter-Rapperswil-Jona (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Wir werden diese Motion genauso unterstützen, wie wir schon den weitgehend identischen Auftrag unterstützt haben, der im Jahr 2021 im Rahmen des Berichts 40.21.02 «Stärkung der Ressourcenkraft des Kantons St.Gallen» erteilt worden ist. Damals war uns ein schöner Schulterschluss über die Fraktionen hinweg gelungen, und wir konnten ein ziemlich zukunftsweisendes Paket zur Stärkung der Ressourcenkraft unseres Kantons schnüren. Insofern hat die Regierung recht, wenn sie in ihrer Stellungnahme darauf hinweist, dass die vorliegende Motion eigentlich gar nicht nötig ist, weil der hängige Auftrag aus dem Jahr 2021 ohnehin noch erfüllt werden muss. Dies ist für unsere Fraktion aber nicht Grund genug, die Motion abzulehnen. Wir glauben, dass ein Nichteintreten auf die Motion das falsche Signal wäre.

Für uns ist die hohe steuerliche Belastung der mittleren Einkommen in unserem Kanton seit langem ein Ärgernis, das beseitigt werden muss. Zielgerichteter als weitere Steuerfusssenkungen wären für die mittleren Einkommen gezielte tarifarische Massnahmen. Genau dies fordert der hängige Auftrag aus dem Jahr 2021 und auch die vorliegende Motion. Obschon – das muss ich zugeben – die Motion diesbezüglich nicht ganz präzis formuliert ist, wie bereits Fäh-Neckertal darauf hingewiesen hat. Unsere Erwartung ist klar: Es muss bei der Erfüllung des Motionsauftrags ebenso wie beim hängigen Auftrag um Massnahmen gehen, die in erster Linie den mittleren Einkommen zugutekommen.

Dass die Regierung mit dieser Motion an eine ihrer Pendenzen erinnert wird, hat vielleicht auch etwas Gutes. Denn während für die Erfüllung anderer Aufträge aus dem Bericht Stärkung der Ressourcenkraft des Kantons St.Gallen durchaus Geld und Wille da war, blieb die gezielte Entlastung der mittleren Einkommen bisher unerfüllt. Hier muss die Regierung noch liefern. Dabei sind wir uns der finanzpolitischen Herausforderungen, auf die Etterlin-Rorschach zu Recht hingewiesen hat, ebenfalls bewusst. Wir haben deshalb Verständnis, wenn die Regierung auf entspanntere Finanzperspektiven wartet, bis sie die Steuerentlastungsvorlage bringt. Doch hinhalten lassen wir uns nicht. Wenn Geld für Mehrausgaben da ist, ist auch Geld für Steuerentlastungen da.

Ein bisschen lustig – das muss ich doch sagen – ist es schon, dass ausgerechnet die FDP mit dieser Motion verhindern will, dass das Finanzdepartement einen bereits erteilten Auftrag nicht erfüllt oder auf die lange Bank schiebt. Ich werde nun einen bösen Blick von Frei-Rorschacherberg ernten, doch offenbar hat unsere Fraktion mehr Vertrauen in den Vorsteher des Finanzdepartementes als seine eigene Fraktion. Das nächste Mal würde vielleicht ein klärendes Gespräch unter Fraktionskolleginnen und -kollegen mehr nützen, als den ganzen Kantonsrat mit einem Vorstoss zu beschäftigen, der mehr oder weniger einen bereits hängigen Auftrag wiederholt.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Fäh-Neckertal (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Ich bin erstaunt, dass diese Motion jetzt schon beraten wird. Die Publikation erfolgte am 26. April 2024, also sehr kurzfristig. Auch wenn wir uns jetzt in der Aufräumsession befinden, hätte ich mir gewünscht, dass das erst in der Sommersession kommt. Das wäre ein bisschen seriöser gewesen.

Die FDP-Fraktion möchte die Steuerbelastung in denjenigen Einkommensbereichen, die derzeit im Vergleich mit den Nachbarkantonen nicht konkurrenzfähig sind, senken. Aufschlussreich ist dabei der folgende Satz in der Motion, ich zitiere: «Die Gegenüberstellung mit den Nachbarkantonen zeigt zudem auf, dass der Kanton St.Gallen bei den mittleren und hohen Einkommen meistens den letzten Rang belegt.» Die FDP möchte also die Steuern für die mittleren und v.a. auch für die hohen Einkommen senken. Das hat Frei-Rorschacherberg nicht so ausdrücklich erwähnt. Das ist auch daraus ersichtlich, dass sie die Steuertarife in denjenigen Bereichen senken möchte, die einen erhöhten Gesamtsteuerertrag durch eine gesteigerte Ressourcenkraft versprechen. Das sind nicht die tiefen Einkommen. Diese sollen also von der Steuersenkung nicht profitieren. Die FDP erhofft sich dadurch Zuzüge von guten Steuerzahlern.

Es gibt da leider einige Probleme: Wenn die Steuern gesenkt werden, führt das zuerst auf jeden Fall zu Steuerausfällen. Diese dürften massiv ausfallen, sollen doch die Steuern konkurrenzfähig zu den Nachbarkantonen sein. Also sollen die Steuern nicht nur ein bisschen, sondern stark gesenkt werden. Bereits in den letzten Jahren wurden die Steuern massiv gesenkt. Wir haben das vorher schon gehört: Steuerfusssenkungen, Ausgleich der kalten Progression, Senkung der Grundstückgewinnsteuer, Abschaffung der Vorzugsmiete und aktuell die Erhöhung des Pendlerabzugs. Im letzten Jahr hat der Kanton einen Verlust von 200 Mio. Franken erlitten, und auch für dieses Jahr sieht es ähnlich aus. Es ist also kein Potenzial für Steuersenkungen und erst recht nicht in solchem Ausmass vorhanden. Huber-Oberriet hat heute Morgen schon von einem Sparpaket gesprochen. Ich hoffe, es kommt nicht so weit. Aber wenn die Steuern so gesenkt werden, befürchte ich es.

Die Auswirkungen wären gravierend. Es würde zu Sparmassnahmen in der Bildung, im Gesundheitsbereich, in der Sicherheit und auch bei der Unterstützung weniger gut situierter Menschen führen. Fraglich ist zudem, ob mit Zuzügen die Steuerausfälle kompensiert werden können. Zu erwarten ist nämlich, dass die anderen Kantone nachziehen. Tiefere Steuern führen auch immer wieder dazu, dass die Miet- und Kaufpreise von Liegenschaften steigen. Dies wurde uns diese Woche bei der Diskussion um die Formularpflicht bei Neuvermietungen aufgezeigt. Die Tiefsteuerkantone haben die kleinste Leerwohnungsziffer und die höchsten Mieten. Auch davon wären die tiefen Einkommen, die zudem nicht einmal entlastet werden sollen, am stärksten betroffen. Aber auch für den Mittelstand würde durch die höheren Preise der Kauf eines Eigenheims noch schwieriger. Auch dazu gibt es interessante Statistiken in der Presse, wie viele Personen je Kanton überhaupt ein Eigenheim erwerben können.

Die Motion ist eine Blackbox. Wir kennen das Preisschild nicht. Neben dem Kanton wären auch die Gemeinden betroffen, da ausdrücklich der Tarif angepasst werden soll. Viele Gemeinden kämen nicht darum herum, die Steuern zu erhöhen oder einschneidende Sparmassnahmen einzuleiten, was bei vielen gebundenen Ausgaben nicht sehr einfach ist.

Ein weiterer Punkt, den auch die Regierung in ihrer Antwort erwähnt: Es besteht bereits ein Auftrag zur Entlastung des Mittelstands. Vielleicht nicht für die höheren Einkommen, aber meistens kommt das dann sowieso nach. Die FDP möchte jetzt zusätzlich auch noch diese hohen Einkommen entlasten. Diese Motion ist deshalb unnötig und gefährlich für die Finanzen des Kantons. Es besteht im Moment kein Spielraum für so massive Steuersenkungen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Etterlin-Rorschach (im Namen der SP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Als die FDP-Fraktion vor fünf Jahren eine Vision hatte und mit dem zukünftigen Reichtum die ganze Schweiz mit St.Galler Staatsgeldern überschütten wollte, hiess dies auch die Regierung gut. Jetzt, geschätzte 150 Mio. Franken jährliche Steuer- und Staatsoptimierungen später, folgt die grosse Ernüchterung. Selbst die Regierung möchte nicht mehr auf die libertären Ressourcenvisionen der FDP-Fraktion eintreten.

Aus der letztmaligen Vision resultierten respektabel eine gemeinsame ETH-Professur in St.Gallen, 5 Mio. Franken zusätzliche Gelder für die familien- und schulergänzende Familienbetreuung, eine aktive Bodenpolitik sowie die Verdoppelung des Fahrkostenabzugs. Zugegebenermassen hat der Visionsberg denn eher ein Mäuschen geboren, hat sich der Ressourcenindex aus dem Bundesfinanzausgleich von damals 81 Prozent eher verschlechtert. Bitte beachten Sie zudem, dass es die Gemeinden sind, welche die Kinderbetreuung bewerkstelligen und mit mehr als 100 Mio. Franken jährlich ausfinanzieren.

Das Lamento von den hohen Steuern im Vergleich zu den Nachbarkantonen bei den mittleren und hohen Einkommen ist haltlos. Ich erinnere Sie daran, dass wir bei den Gemeindesteuern eine kantonsverfassungswidrige Situation haben, indem die Steuerfüsse immer weiter auseinanderdriften. Steuerdumping-Gemeinden mit Tiefststeuersätzen von gegen 60 Prozent sind nicht nur innerkantonal ein Problem, sondern heizen den interkantonalen Steuerwettbewerb unnötig an. Wir haben in den vergangenen vier Jahren die Steuerlast viermal massiv gesenkt: zweimal den Staatssteuerfuss, einmal die kalte Progression ausgemerzt und einmal den Pendlerabzug verdoppelt. Die Kosten liegen bei weit mehr als 150 Mio. Franken je Jahr.

Die FDP-Fraktion und die Regierung verschweigen in diesem Zusammenhang drei weitere weitreichende finanzpolitische Massnahmen. Es sind dies die Umsetzung des Sparpakets (Haushaltsgleichgewicht 2022plus), die Durchführung von Effizienzanalysen in der Staatsverwaltung mit sehr positiven Ergebnissen – die Staatsverwaltung ist nicht nur gut, sondern effizient organisiert –, und die Überprüfung aller geleisteten Staatsbeiträge auf Effizienz und Steuerbarkeit steht im Sommer an.

Allen Finanzpolitikern und -politikerinnen sowie Experten für die st.gallische Schattenrechnung mit den Nationalbankgewinnen habe ich eine frohe Kunde: Per 1. Quartal 2024 hat die Schweizerische Nationalbank einen Reingewinn von 58,8 Mrd. Franken erzielt. Wenn das prognostiziert so weitergeht, dürfte auch die St.Galler Staatskasse davon massiv profitieren.

Die Regierung verweist zu Recht darauf, dass die erneute Vision der FDP-Fraktion nicht nötig sei. Vermutlich – und das sei den Verantwortlichen der FPD-Fraktion verziehen – haben sie in ihrem visionären Eifer den 68 Seiten umfassenden Bericht 40.21.02 «Stärkung der Ressourcenkraft des Kantons St.Gallen» nicht mehr präzis in Erinnerung. Denn dort ist alles aufgelistet und zu lesen, dass die FDP-Fraktion ihre Vision von einem superreichen Kanton St.Gallen etwas gar einseitig versteht. Neben Steuersenkungen und Steueroptimierungen haben Regierung und Kantonsrat noch weitere Herausforderungen. Es sind im Bericht aufgeführt:

  • neue Strukturen für die dramatisch alternde Gesellschaft;
  • eine nach wie vor negative Bilanz bei den Studienabgängern;
  • ein 8 bis 10 Prozent tieferes Bruttoinlandprodukt je Kopf im schweizerischen Vergleich;
  • einen negativen Credit-Suisse-Qualitätsstandortfaktor.

Das erwähnte Bankinstitut ging zwischenzeitlich leider pleite, musste mit hunderten Milliarden Franken gestützt werden und gibt es mittlerweile nicht mehr. Schliesslich gehören aber auch mehr benötigte Mittel für die Individuelle Prämienverbilligungen und für die desolate finanzielle Situation des Spitalverbunds in der Zukunft ebenso zu den grossen Herausforderungen. In der Zwischenzeit sind zwei weitere finanzpolitische Instrumente in der Diskussion angekommen: «Qualified Refundable Tax Credits» (QRTC) nennt sich das neueste Vehikel. Das sind subventionsähnliche Transferzahlungen an die Grosskonzerne zur Umgehung der von der OECD vorgegebenen Mindeststeuer. Ich bin gespannt auf die Ausführungen des Vorstehers des Finanzdepartementes, wie er mit den schätzungsweise 20 bis 30 Mio. Franken umzugehen gedenkt. Ganz neuerdings geistert von Avenir Suisse die Forderung nach der Ausmerzung der warmen Progression umher. Die FDP hat in verschiedenen anderen Kantonen bereits Visionen dazu eingereicht.

Aus all diesen Gründen bitten wir Sie, auf die Vision bzw. Motion der FDP-Fraktion nicht einzutreten. Bitte halten Sie es mit alt Bundeskanzler Helmut Schmidt selig, der sagte: «Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen.»

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Frei-Rorschacherberg (im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Die FDP hat eine Vision 2030. Eine Vision des Kantons St.Gallen, der im Jahr 2030 ressourcenstark dastehen wird. Denn nur mit starken Ressourcen – also starken Steuerressourcen – haben wir die Möglichkeit, die Bildung zu stärken, Sicherheit zu gewährleisten, finanziellen Herausforderungen im Gesundheitsbereich zu begegnen und unsere sozialen Aufgaben wahrzunehmen. Die Vision eines ressourcenstarken Kantons sind wir bereits im Jahr 2019 mit unserem Postulat 43.19.17 «Vision SG 2030: vom Nehmer- zum Geberkanton» angegangen. Die Regierung referenziert in ihrer Antwort auf den Bericht 40.21.02 «Stärkung der Ressourcenkraft des Kantons St.Gallen» und möchte auf «Stand-by» schalten, denn es sei noch ein Auftrag offen. Ja, wir möchten, dass hier weitere Schritte gemacht werden. Wir können nur bedingt nachvollziehen, warum die Regierung bei dieser Motion Nichteintreten beantragt. Die zweimaligen Steuersenkungen von je 5 Prozent wurden in der Finanzkommission von den bürgerlichen Fraktionen angestossen und von der Regierung erfreulicherweise nicht bekämpft. Bei den anderen bisherigen Schritten war die erste Reaktion jeweils: Das können wir uns nicht leisten. Wir dürfen darauf nicht eintreten. So bei der Kalten-Progression-Anpassung, die auf unsere Initiative zurückging, aber auch beim geforderten Pendlerabzug. Die kantonale Bevölkerung dankt uns, dass wir das alles trotzdem gemacht haben.

Während der Kanton St.Gallen im schweizweiten Vergleich bei den niedrigen und sehr hohen Einkommen gut abschneidet, ist er bei den mittleren Einkommen schlecht positioniert. Bei der Gegenüberstellung mit den Nachbarkantonen belegt der Kanton St.Gallen bei den mittleren und hohen Einkommen meist den letzten Rang, was sich negativ auf die Steuerkraft auswirkt. Es ist nun angezeigt, dass wir die Tarifstruktur für mittlere Einkommen anpassen. Dies ist eine längerfristige Massnahme und kann nicht so schnell wie die Steuerfussanpassung gemacht werden. Wir sind überzeugt, mit dem vorliegenden Vorstoss v.a. die arbeitende Bevölkerung wirksam zu entlasten und den Kanton St.Gallen nachhaltig zu stärken. Das gleiche Ziel verfolgen wir bereits mit dem Postulat 43.24.02 «Arbeit muss sich lohnen – Fehlanreize jetzt korrigieren!».

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Dürr-Gams, Ratsvizepräsidentin: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf die Motion.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession