Geschäft: Missbrauchsbekämpfung durch die Aufhebung des Status S für Asylsuchende aus der Ukraine

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer41.24.02
TitelMissbrauchsbekämpfung durch die Aufhebung des Status S für Asylsuchende aus der Ukraine
ArtKR Standesbegehren
ThemaLandesverteidigung, Sicherheit und Ordnung
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung21.2.2024
Abschlusspendent
Letze Änderung3.4.2024
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
WortlautWortlaut vom 21. Februar 2024
AntragAntrag der Regierung vom 26. März 2024
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
21.2.2024Gremium2.6.2024
21.2.2024Gremium2.6.2024
21.2.2024Gremium2.6.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
30.4.2024Gutheissung73Zustimmung37Ablehnung10
30.4.2024Eintreten73Zustimmung37Ablehnung10
Statements
DatumTypWortlautSession
30.4.2024Beschluss

Der Kantonsrat heisst das Standesbegehren mit 73:37 Stimmen bei 1 Enthaltung gut.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Struktur

Die Spezialdiskussion wird nicht benützt.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 73:37 Stimmen bei 2 Enthaltungen auf das Standesbegehren ein.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Thoma-Andwil zu Regierungsrat Mächler: Sie haben mir eine Frage gestellt, deshalb erlaube ich mir, das Wort nach Ihnen zu ergreifen. Selbstverständlich ist die Aufhebung des Schutzstatus S eine erste Lösung. Sie haben die 60'000 angesprochen, die dann auf einmal in das normale Asylverfahren kommen, den Schwarzen Peter an die Wand gemalt und gesagt, das gäbe ein riesiges Theater. Nein, die 60'000 sind bereits da. Die bleiben, ob sie den Schutzstatus S erhalten oder ob sie im Asylverfahren sind. Was wir verhindern können, ist die einfache Einreise in die Schweiz, bei der man sagen kann: Ich komme aus der Ukraine, möchte hier bleiben, kann ein bisschen herumreisen und machen, was ich will. Dass der Schutzstatus S für unser System ein Problem ist, hat sich gezeigt. Ich habe vorhin gesagt, dass es mir nicht darum geht, schutzbedürftige Leute wegzuschicken. Mir geht es darum, dass nicht Tür und Tor offen ist für eine andere Version, wie man in die Schweiz kommen kann. Wenn jemand Schutz braucht, soll er ein Asylgesuch stellen. Es geht darum, dass die Zukunft geregelt wird. Der Schutzstatus S wird im nächsten Frühling wieder diskutiert und den gilt es jetzt aufzuheben. Ja, Regierungsrat Mächler, diese Leute, die schon hier sind, werden ein Gesuch stellen. Aber ich wiederhole mich: Ob sie nun ein Gesuch stellen oder ob sie dableiben mit Schutzstatus S, ist für die Menge nicht entscheidend. Aber wir müssen jetzt für die Zukunft planen: Wie gehen wir in der Schweiz in Zukunft damit um, wenn jemand um Schutz ersucht? Ich meine, wir müssen wieder in einen geregelten Zustand gehen. Am Anfang war das sehr ungeregelt, wofür ich Verständnis hatte. Es war eine Ausnahmesituation, man musste sehr schnell helfen. Die europäischen Länder haben gemeinsam mit der Schweiz eine Möglichkeit geschaffen, dass Flüchtende sofort Schutz finden. Aber jetzt müssen wir wieder einen geregelten Weg finden. Es ist ein vernünftiger Weg, wieder wie in den vergangenen Jahren jedes Gesuch sauber abzuklären. Auch bereits gutgeheissene Gesuche müssen wir wieder prüfen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Regierungsrat Mächler: Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Auch die Regierung ist der Ansicht, dass man den Missbrauch, der auch im Bereich des Status S stattfindet, bekämpfen muss. Das muss auch zur Glaubwürdigkeit des ganzen Schutzstatus S erfolgen, denn wenn da Missbrauch besteht, hat die Bevölkerung zu Recht den Eindruck, dass hier etwas schiefläuft. Missbrauch müssen nur wenige machen und diese Missbrauchsfälle werden dann immer medial bzw. auch politisch aufgegriffen. Es tun alle gut daran, ob links oder rechts, den Missbrauch einzudämmen und zu bekämpfen. Ich glaube, da haben wir einen Konsens. Deshalb habe ich Anfang Januar ein Schreiben an Bundesrat Jans gemacht. Mit begründeten Fällen, die das Migrationsamt kennt oder uns teilweise die Gemeinden zugestellt haben, haben wir interveniert und gesagt: Hier muss etwas gemacht werden und wir erwarten, dass der Bund Druck ausübt. Ich habe in der Zwischenzeit eine Antwort erhalten. Darin wird dargelegt, dass man daran sei, die Probleme zu beheben, und dass auch der Bund der Ansicht sei, dass es so in diesen Missbrauchsfällen nicht weitergehen könne. Zu diesem ersten Teil sind wir alle einverstanden.

Jetzt müssen Sie aber Ihren Wortlaut bzw. Ihre Forderung weiterlesen. Da hat es einen wesentlichen zweiten Teil drin, nämlich die Forderung, dass dieser Schutzstatus S aufzuheben sei. Das tönt vorerst verlockend. Schutzstatus S aufheben, Problem gelöst. Meine Damen und Herren, was glauben Sie denn, was passiert, wenn wir diesen Schutzstatus S aufheben? Huber-Oberriet, denken Sie, diese rund 66’000 Leute sind dann einfach weg? Wahrscheinlich nicht, die sind noch alle hier. Was machen die? Was würden Sie machen? Innerhalb von 24, 48 oder vielleicht 72 Stunden werden alle diese 66'000 im Verfahren drin sein. Das würden Sie persönlich auch machen. Ich habe Verständnis dafür. Also 66’000 Leute stellen innerhalb von wenigen Tagen ein Asylgesuch. Huber-Oberriet, Sie können schon sagen, das ist ein Bundesproblem. Aber machen Sie uns doch nichts vor, was das heisst. Wir haben gar nichts damit gelöst. Wir haben damit nur eines: Eine massive Belastung für das Schweizer Asylwesen, die wir gar nicht lösen können. Wir haben schon mit 30'000 Gesuchen je Jahr eine sehr grosse Herausforderung. Jetzt wollen Sie noch 66'000 draufgeben. Ich kann Ihnen sagen, was passiert: Das System kollabiert. Ich sage es Ihnen, es gibt Leute, die haben ein Interesse daran, dass das System kollabiert. Sind wir doch ehrlich. Dann gibt es wiederum viele gutgemeinte Ratschläge und Forderungen. Aber ist das eine Politik, für die Sie hinstehen wollen, wo sogar gewisse Vertreter zum Bund gehen wollen und das als eine gute Idee verkaufen? Ich bin gottenfroh, dass Sie gehen müssen und nicht die Regierung, denn das ist wirklich nicht die Lösung. Ich bin mit Ihnen einverstanden, dass der Missbrauch bekämpft und der Druck erhöht werden muss. Weshalb habe ich dieses Schreiben gemacht? Aber bitte, am Schluss braucht es eine Lösung, die umsetzbar ist. Und die Aufhebung dieses Schutzstatus ist nicht die Lösung. Das ist der Grund, weshalb die Regierung für Nichteintreten ist.

Ich würde mir wünschen, Sie überlegten sich nochmals, ob das wirklich das Gelbe vom Ei ist. Ich habe zumindest aus Ihren Voten interpretiert, dass es eigentlich gar nicht um die angedachte Lösung geht, sondern darum, politisch Druck auszuüben. Sie müssen einschätzen, ob diese Lösung besser ist als das, was Ständerat Würth und Nationalrat Paganini bereits in Bundesbern deponiert haben. Die St.Galler Regierung ist übrigens auch der Ansicht, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Ich bin etwas überrascht, dass der Bundesrat Nichteintreten beantragt. Das hätte ich schon politisch nicht gemacht, weil es nämlich diesen Missbrauch gibt. Das ist aus meiner Sicht nicht geschickt. Aber die Forderung von Ständerat Würth und Nationalrat Paganini, diesen Missbrauch zu bekämpfen, ist richtig. Nicht aber die Aufhebung des Schutzstatus S. Die Regierung ist vernünftig. Sie bekämpft den Missbrauch, aber sie sucht nach Lösungen. Das Standesbegehren ist keine Lösung.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Thoma-Andwil: Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Ich war vor einigen Tagen mit diesem Problem in der Presse. Ich habe jetzt ein wenig zugehört, was Politiker sagen, die nicht an der Front sind und tolle Ideen haben, wie es gelöst werden könnte. Eigentlich ist es ganz einfach, meine Kollegen haben das schon gesagt. Wir haben ein Problem auf den Gemeinden. Fakt ist, dass voraussichtlich gegen Herbst sehr viele Leute mehr kommen. Wir müssen unbedingt verhindern, dass Leute, die keinen Anspruch haben, in die Gemeinden kommen. Es ist tatsächlich so: Die Gemeinden erhalten eine Information, dass ihr zwei, drei Leute zugeteilt werden. Die kommen dann in zwei, drei Wochen auf die Gemeinde. Da wird nicht gefragt, ob sie Räume oder Wohnungen haben. Alle Gemeinden – auch meine Gemeinde Andwil – machen gerne alles für die Flüchtlinge, z.B. Kurse und Integration. Das ist überhaupt keine Frage. Ich kenne keine Gemeinde, welche die Flüchtlinge nicht gut unterbringt und unterstützt. Fakt ist aber auch: Wir haben keinen Platz mehr. Losa-Mörschwil sagt, es gebe tolle Ideen mit Containern usw. Das sind einfache Ideen, die nicht so schnell umzusetzen sind. Soll ich im Dorf irgendwo einen Container hinstellen? Dazu braucht es ein Baugesuch. Der Container muss gebaut werden und kostet 1 Mio. Franken. So einfach ist das nicht. Aber das Problem sind nicht die Kosten. Diese sind extrem hoch, aber wir tragen sie. Das Problem ist, dass wir mit der Flut nicht mehr umgehen können, und dass Leute, die unser System ausnutzen, bei uns keinen Platz haben. Das ist ein erstes Zeichen, das wir setzen müssen. Ich bitte Sie, das Standesbegehren zu unterstützen, damit wir eine gute Lösung erhalten und – das ist das Wichtigste – damit die echten Flüchtlinge, die Schutz benötigen und denen wir den Schutz gerne gewähren, auch Platz haben.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Huber-Oberriet zu Losa-Mörschwil: Es ist ganz einfach als Politikerin solche Vorschläge zu machen. Hören Sie doch einmal dem Volk zu, wie sensibel es auf solche Probleme reagiert.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Losa-Mörschwil zu Huber-Oberriet: Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Ich hatte nicht vor, etwas zu sagen, aber Huber-Oberriet hat mich herausgefordert. Er hat gesagt, man soll Druck auf den Bund ausüben. In den letzten Jahren kamen sehr gute Vorschläge vom Bund zur Sprache. Die Kolleginnen und Kollegen von Huber-Oberriet haben diese wunderbaren Vorschläge jedoch torpediert und verunmöglicht. Ich nenne z.B. die Containerlösungen usw. Lehnen Sie dieses Standesbegehren ab und bitten Sie Ihre Kollegen und Kolleginnen in den nationalen Räten, gute Vorschläge zu unterstützen. Das wäre sinnvoll.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Raths-Rorschach zu Mattle-Altstätten: Auf das Standesbegehren ist einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin Stadtpräsident von Rorschach.

Altstätten hat ein Bundesasylzentrum. In den Städten sieht es etwas anders aus. Wir haben kein Bundesasylzentrum in Rorschach. Es muss dringend etwas passieren.

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30.4.2024Wortmeldung

Hauser-Sargans: Es wurde mehrfach erwähnt, dass das Problem, dass Flüchtlinge mit dem Schutzstatus S mehrfach in die Ukraine ausreisen und dann wieder einreisen, nicht gelöst sei. Tatsache ist aber, dass das schon heute gut gelöst werden kann. Das SEM widerruft schon heute den Schutzstatus, wenn sich schutzbedürftige Personen wiederholt oder längere Zeit, d.h. mehr als 15 Tage, im Heimatland oder im Herkunftsstaat aufgehalten haben. Selbstverständlich muss es geprüft werden, aber es muss auch dort angemeldet werden. Deshalb ist es mir wichtig, dass der Kantonsrat weiss, dass zumindest für das Problem der Aus- und Wiedereinreise beim Schutzstatus S bereits eine Lösung vorliegt.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Mattle-Altstätten zu Tschirky-Gaiserwald: Sie haben sich die Antwort eigentlich schon selber gegeben. Wir haben im Moment die Situation, dass das SEM nicht einmal mehr beim Schutzstatus S nachkommt, die Anträge abzuarbeiten. Was Sie jetzt fordern, ist, den Prozess zu erschweren und zu verlangsamen. Es wird nur noch länger dauern. D.h., diese Antragsteller werden bis zur Abarbeitung ihres Gesuchs auf die Kantone und Gemeinden verteilt. Vielleicht wird dann nach ein paar Monaten festgestellt, dass diesen Anträgen nicht stattgegeben werden muss. Dann werden sie vielleicht zurückgeschickt. Aber bis dahin haben wir diese Leute bei uns. Wir sehen den Missbrauch und sind auch der Meinung, dass dieser zu bekämpfen sei. Wenn die Regierung des Kantons St.Gallen allein zu wenig Kraft hat, müssen sich die Kantonsregierungen und auch die Kantonsvertreterinnen und -vertreter in den nationalen Räten zusammenschalten. Das geht erstens deutlich schneller, und zweitens können wir damit auch Lösungen finden, die genau das Problem lösen, das wir haben. Deshalb sind wir gegen dieses Standesbegehren. Wir wollen kein Schattenboxen. Wir wollen Lösungen und sind überzeugt, dass es bessere Wege gibt.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Huber-Oberriet: Auf das Standesbegehren ist einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin Präsident des Verbands St.Galler Gemeindepräsidien (VSGP) und Gemeindepräsident von Oberriet.

Sie müssen sich nur eine Frage stellen: Ist eine Person oder eine Familie mit Leib und Leben gefährdet, wenn sie 14 Tage ins Heimatland in die Ferien fahren kann? Ich glaube nicht. Die Sozialämter und deren Mitarbeitende laufen am Anschlag. Sie werden strapaziert durch Asylsuchende aus der Ukraine. Die Wohnungsnot ist enorm. Dies betrifft nicht nur die Wohnungen für die Sozialsuchenden, sondern auch für die Schweizer Sozialfälle. Günstige Wohnungen sind auf dem Markt nicht mehr erhältlich. Unterstützen Sie dieses Standesbegehren, treten Sie ein und überweisen Sie es an den Bund, damit dort der Druck endlich ankommt.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Schwager-St.Gallen (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Selbstverständlich ist auch unsere Fraktion gegen Missbräuche, egal wo, wann und von wem. Das ist völlig unbestritten. Wir wehren uns allerdings gegen einen Generalverdacht einzelner Bevölkerungsgruppen.

Die Bekämpfung von Missbräuchen und Gesetzesverstössen ist eine Aufgabe unseres Rechtsstaats. Es ist Aufgabe der Justiz, solche Verstösse zu ahnden. Es ist Aufgabe der Legislative, Gesetzesanpassungen vorzunehmen, wenn sich Probleme auftun. Es ist auch Aufgabe unseres Staats, die notwendigen Ressourcen bereitzustellen, um Missbräuche zu bekämpfen, insbesondere auch in der Betreuung von Flüchtlingen. Die Abschaffung des Schutzstatus S wäre etwa gleichbedeutend, wie wenn man Autobahnzufahrten sperren würde, um Geschwindigkeitsüberschreitungen zu verhindern. Das wäre eine hundertprozentige, saubere Lösung, damit es zu keinen Geschwindigkeitsüberschreitungen mehr kommt. Der Schutzstatus S ist Bundesgesetz. Tschirky-Gaiserwald, ich wundere mich ein bisschen, warum Sie nicht mit dem eigenen Ständerat Würth und dem eigenen Nationalrat Paganini, die diese Motion eingereicht haben, das Gespräch gesucht haben. Diese zwei nationalen Parlamentarier vertreten nicht die Meinung, dass der Schutzstatus S abgeschafft werden soll, weder für die Ukraine noch grundsätzlich. Meines Wissens ist ein Ende des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine nicht absehbar. Es kann noch viel schlimmer werden als es schon ist. Es gibt keinen Grund, den Schutzstatus S abzuschaffen.

Die Regierung hat sich in ihrem Antrag ebenfalls klar gegen die Aufhebung des Schutzstatus S ausgesprochen, weil es mehr Probleme schaffen und keine Probleme lösen würde. Die Regierung denkt also wie Ständerat Würth und Nationalrat Paganini über die eigene Nasenlänge hinaus und überlegt sich, wie das Gesetz angepasst werden könnte. Sie will keine Abschaffung. Ich habe den Eindruck, dass die de facto «Grossfraktion» aus Mitte-Rechts unter Führung der SVP wie gewohnt das politische Perpetuum mobile betreibt: Probleme nicht lösen, sondern weiter verschärfen. Wir haben echte Probleme zu lösen, Tschirky-Gaiserwald, z.B. die Gefährdung des Trinkwassers in Sachen «Amcor». Aber diesbezüglich passiert nichts.

Ich möchte das Problem der Flüchtlinge aus der Ukraine innerhalb von ganz Europa noch mit einigen Zahlen einordnen: Gemäss Antwort der Regierung haben wir im Kanton 4'000 Flüchtlinge. Bei einer halben Million Menschen Bevölkerung entspricht das einem Anteil von 0,8 Prozent. In ganz Europa sind es 6 Millionen geflüchteter Menschen aus der Ukraine. Nicht mitgezählt sind die Binnenflüchtlinge innerhalb der Ukraine. Reisen bildet, nicht nur nach Russland. Ich habe sehr enge Kontakte in den Osten von Tschechien und bin Mitbegründer eines schweizerisch-tschechischen Hilfswerks. Im Bezirk Vsetín (Bevölkerungszahl 140'000), wo wir tätig sind, sind ebenfalls 4'000 Flüchtlinge untergebracht. Das entspricht rund 3 Prozent. In der Stadt Valašské Meziříčí (Bevölkerungszahl 20'000), wo unser Hilfswerk seine Basis hat, sind rund 1'000 Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht. In den letzten zwei, drei Wochen sind weitere dazugekommen, nicht zuletzt wegen des aktuell verschärften Angriffskriegs von Russland. Das entspricht 5 Prozent der Bevölkerung. Das ist doppelt so viel wie in der Hauptstadt Prag.

Ich hatte Gelegenheit, mit einigen dieser Menschen zu sprechen. Ich war im Dezember 2023 dort und kann Ihnen sagen, dass es keine einfachen Geschichten sind, die man hört: Traumata von Kindern aufgrund von Luftangriffen oder Menschen, die ihr Haus verloren haben. Ich habe mit einer älteren Frau gesprochen. Sie ist Diabetikerin und musste ihr Land verlassen, weil sie schlicht und einfach keine Medikamente mehr erhalten hat. Sie ist allein mit zwei Taschen gereist. Darum eine Bitte: Sehen Sie das grosse Bild, und sind wir dankbar, dass wir bis jetzt so viel Glück hatten, und hoffen wir darauf, dass wir nicht bald mit einer doppelten oder dreifachen Zahl von Flüchtlingen in der Schweiz auskommen müssen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Tschirky-Gaiserwald (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Als Auslöser der Einfachen Anfrage 61.24.06 «Wird das Asylwesen systematisch missbraucht: Schutzstatus S – quo vadis?» ist es mir ein Anliegen, dass dieses Thema endlich in Bundesbern ankommt.

Mattle-Altstätten, ja, es ist richtig, dass Massnahmen dringlich sind. Aber ich glaube, die Massnahmen und der Druck müssen hoch gehalten werden, damit die Botschaft beim Bund ankommt. Die St.Galler Regierung hat auf Basis der Einfachen Anfrage reagiert und eine Depesche an den Bund gesandt, damit der Bundesrat endlich die Dringlichkeit des Problems anerkennt. Was ist passiert? Der neue Bundesrat hat gewisse Massnahmen ergriffen, die reichen aber nicht aus. Das Problem ist, dass beim Bund zu wenig Kräfte vorhanden sind, und der Stau an Asylgesuchen, auch beim Schutzstatus S, wächst und wächst. Vor diesem Hintergrund ist es angebracht, dass der Schutzstatus bezüglich der Ukraine – und hier geht es ausschliesslich um den Schutzstatus für die Ukraine und nicht um die Abschaffung des generellen Schutzstatus S – vorangetrieben wird.

Wenn Schmid-Buchs und Locher-St.Gallen davon sprechen, dass der Schutzstatus S zu schützen sei, so kann ich dem nur beipflichten. Ich pflichte Ihnen insofern auch bei, dass das Problem bei den Gemeinden, die diese Schutzstatuswilligen zu betreuen haben, nach wie vor sehr hoch und sehr latent ist. Die einzelnen Schutzbedürftigen werden den Gemeinden zugewiesen. Diese haben Unterkünfte und insbesondere Sprachkurse für diese Personengruppe zu beschaffen. Sie können sich vorstellen, dass wenn diese Personengruppen zweimal oder dreimal wegreisen und wieder einreisen, es für die Gemeinden äusserst mühsam ist, diese Leute zu betreuen, ihnen einen geregelten Arbeitstag oder Tagesablauf zu gewährleisten und sie sprachlich auf ein Niveau zu bringen, das es ihnen erlaubt, auf dem Arbeitsmarkt tätig zu sein.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Hauser-Sargans (im Namen der SP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

In den Grenzkantonen wie St.Gallen und Graubünden scheint das Problem mit einem grossen Anteil Roma tatsächlich grösser zu sein als in anderen Kantonen. Gemäss der Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) sei dies in den letzten Monaten verstärkt der Fall. Der Bund ist deshalb daran, die Papiere der Schutzsuchenden und deren Ausweise sorgfältiger zu kontrollieren. Das SEM teilt auf Anfrage von «Watson» mit, dass bei Anträgen auf die Erteilung des Status S nicht nur die Identität der Antragstellenden geprüft wird, sondern auch, ob diese ihren Lebensmittelpunkt vor dem Kriegsausbruch in der Ukraine hatten. Die tun also einiges. Könne die Person dies nicht zumindest glaubhaft machen, lehnt das SEM das Gesuch ab. Bestünden in einem konkreten Fall Hinweise, dass die Voraussetzungen für die Schutzgewährung nicht erfüllt seien, nimmt das SEM weitere Abklärungen vor und verlangt u.a. zusätzliche Beweismittel. Die Problematik der gekauften Papiere ist dem SEM bekannt. Es hat z.B. Kenntnis davon, dass in der Ukraine Identitätspapiere teilweise illegal hergestellt und verkauft wurden. Zurzeit kann das SEM aber nicht sagen, ob und wie viele Personen tatsächlich mit solchen Dokumenten in die Schweiz eingereist sind und den Status S beantragt haben. Auch das SEM braucht etwas Zeit, um gegen derartige Missstände spezifische Massnahmen ergreifen zu können. Mit einem gewissen Missbrauch ist gerade bei neuen Regelungen immer zu rechnen. Bei den Corona-Hilfen für das Gewerbe war das nicht anders. Die Abwehr von Missbrauch sollte nicht in der Abschaffung des Instruments bestehen, wie das die bürgerlichen Fraktionen in ihrem Standesbegehren fordern, sondern in der Verbesserung des Instruments. Auch ein beschleunigtes Asylverfahren mit Antragspflicht – ebenfalls gefordert im Standesbegehren – hätte zu viele Nachteile.

Ich möchte noch einige Aspekte aus der bundesrätlichen Antwort von letzter Woche zur Motion von Ständerat Würth ausführen, welche die Ablehnung dieser Motion empfiehlt. «Es muss grundsätzlich möglich sein, ein Schutzgesuch mehr als einmal einzureichen.» Das erscheint uns sehr wichtig. «So könnte jemand etwa in seine Heimat zurückkehren und dann nach einer erneuten russischen Offensive doch wieder fliehen müssen. Dies zu verunmöglichen, würde dem Grundgedanken des Schutzstatus S zuwiderlaufen.» Die SP-Fraktion teilt diese Haltung. «Zudem würde der Ausschluss dieser Möglichkeit [erneut in die Schweiz einzureisen] dazu führen, dass die betroffenen Personen ein Asylgesuch einreichen könnten, was das Asylsystem zusätzlich belasten würde.» Insgesamt geht aus unserer Sicht deshalb der Bundesrat zu Recht davon aus, dass gegen Missbräuche beim Schutzstatus S bereits heute konsequent vorgegangen wird, weshalb er das Anliegen der Motion bereits als erfüllt betrachtet. Dies bezieht sich insbesondere auf die Dauer des Aufenthalts in der Ukraine nach einer Heimreise und einer wiederholten Einreise in die Schweiz, auf das Problem des wiederholten Bezugs von Rückkehrhilfen sowie auf missbräuchlich ausgestellte ukrainische Pässe. Dieses konsequente Vorgehen gegen Missbräuche zeigt sich auch in den Antworten des SEM. Wir unterstützen sowohl die bundesrätliche Position als auch die Haltung der Regierung, Letzteres insofern, dass wir auf das Standesbegehren nicht eintreten werden und dies auch dem Kantonsrat empfehlen. Hauptgrund für die Ablehnung ist die Tatsache, dass bereits heute ausreichend gegen die monierten Missstände vorgegangen wird. Niemand kann zaubern, denn das SEM ist schon längere Zeit daran, wirksam gegen neu entstandene Missbräuche vorzugehen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Mattle-Altstätten (im Namen der GLP): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Wir können die Begründung des Standesbegehrens nachvollziehen. Mit dem Schutzstatus S soll der ukrainischen Bevölkerung für die Dauer des Kriegszustands rasch und unbürokratisch vorübergehend Schutz gewährt werden. Auf eine individuelle Prüfung der Asylgründe kann dabei aus verfahrensökonomischen Gründen verzichtet werden. Sollte dieser Schutzstatus widerrechtlich ausgenutzt werden, ist dies zu bekämpfen. Jedoch nicht der Schutzstatus, vielmehr das widerrechtliche Ausnutzen desselben ist zu bekämpfen. Oder schaffen wir als nächstes die Autos ab, weil von diesen regelmässig die Geschwindigkeitsbeschränkungen überschritten werden? Auch wir unterstützen die Bekämpfung des Missbrauchs des Schutzstatus S. Dass hierzu jedoch die Aufhebung des Schutzstatus S und der Ersatz durch ein beschleunigtes Verfahren der richtige Weg ist, bezweifeln wir. Denken Sie allein an die Mehraufwände, die für alle bereits heute in der Schweiz lebenden Personen mit Schutzstatus S anfallen würden. Statt das Verfahren zu ändern, sollten wir die heutige Umsetzung optimieren. Wir wollen keinen Papiertiger, vielmehr rasche Verbesserungen. Wir sehen den Handlungsbedarf. Eine Anpassung des Asylstatus dürfte den Missbrauch kaum verhindern. Es braucht andere griffigere Massnahmen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Locher-St.Gallen (im Namen der FDP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Es ist schwierig, wenn in einer solchen zum Teil menschlich heiklen Situation, in der sich viele Ukrainer befinden, eine härtere Gangart gefordert wird. Wir alle sind nach wie vor über den brutalen Überfallkrieg entsetzt und möchten Gutes tun. Aber es ist eine Tatsache, dass der von der Schweiz grosszügig gewährte Schutz zum Teil missbraucht wird oder missbraucht werden kann. Es ist etwas blauäugig, wenn man sich der Situation bzw. der Tatsache, dass dieser Schutzstatus teilweise missbraucht wird, verschliesst. Es gibt tatsächlich Missbrauchsfälle. Diese werden in der Bevölkerung mit zunehmendem Missmut wahrgenommen. Deshalb müssen wir auch aus Sicht der FDP ein Zeichen setzen. Es geht um ein Zeichen, dass Missbrauch in diesem Land nicht geduldet wird. Es ist auch ein Schutz derjenigen, die wirklich des Schutzes bedürfen.

Es ist schade, dass der Bundesrat den Vorstoss unseres St.Galler Ständerates Würth, der genau diese Thematik zum Gegenstand hatte, einfach so weggewischt hat. Ich zitiere aus der Stellungnahme des Bundesrates vom 24. April 2024, dass der Bundesrat diese Missbräuche nicht sieht bzw. dass er heute konsequent gegen Missbräuche vorgehe und deshalb das Anliegen dieser Motion bereits als erfüllt angesehen werde. Das ist blauäugig. Der Bundesrat schreibt in seiner Motionsantwort zudem, dass wenn das Staatssekretariat für Migration (SEM) von Missbräuchen des Schutzstatus Kenntnis erhalte, es konsequent einschreiten werde. Meine Damen und Herren, das SEM erhält nicht von allen Missbräuchen Kenntnis. Nicht jeder vorhandene und die Bevölkerung ärgernde Missbrauch wird dem SEM gemeldet. Das ist eine Tatsache. Wir sind es zum Schutz derjenigen, die Schutz verdienen, schuldig, dass wir konsequent gegen Missbräuche sind. In diese Richtung geht diese Motion. Ich bitte Sie, ihr zuzustimmen und die Anträge der Regierung abzulehnen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Schmid-Buchs (im Namen der SVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Wie Medienberichte zeigen, machen Roma mittlerweile 50 Prozent aller Personen mit Schutzstatus S aus, die seit November 2023 dem Kanton St.Gallen zugewiesen wurden. Viele sprechen weder Ukrainisch noch Russisch und haben nicht dauerhaft in der Ukraine gelebt. Es soll zudem mehrere Fälle geben, bei denen Roma-Familien mehrfach ein- und ausgereist sind, teilweise auch mit Rückkehrhilfe. Kombiniert mit auffälligen Merkmalen bei den Identitätsdokumenten erhärtet sich der Verdacht, dass der grosszügige Schutzstatus S durch eine steigende Zahl an Roma ausgenutzt wird.

Die Gemeinden werden erdrückt durch die Last von Asylbewerbern. Besonders der Schutzstatus S ist leider anfällig für Missbräuche, wie z.B. die Kontroverse um die angeblich aus der Ukraine stammenden Roma zeigt. Alles, was ein Asylbewerber heute für die Gewährung des Schutzstatus S benötigt, ist ein ukrainisches Ausweisdokument und eine glaubwürdige Geschichte, dass er dauerhaft in der Ukraine gelebt hat. Als wäre es nicht schon genug, dass immer mehr Asylbewerber diese Geschichte nicht auf Ukrainisch und auch nicht auf Russisch erzählen können, müssen wir mittlerweile als Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass echte ukrainische Ausweisdokumente auf dem Schwarzmarkt erworben werden können.

Die Regierung möchte den Schutzstatus S beibehalten, u.a. mit der Begründung, dass dieser rückkehrorientiert sei. Fakt ist aber, dass am Ende zu viele bleiben und v.a. auch diejenigen, die wohl in einem ordentlichen Verfahren kein Asyl erhalten hätten. In einem beschleunigten ordentlichen Asylverfahren könnten die dringend notwendigen zusätzlichen Abklärungen getroffen werden. Wir sind es der Glaubwürdigkeit unseres Asylsystems schuldig. Schutz, wem Schutz gebührt, und eine klare Absage an alle, die unsere Grosszügigkeit in der Schweiz ausnutzen wollen. Wir sind es allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich an die Regeln halten und für ihr Geld hart arbeiten, schuldig. Senden wir eine klare Aufforderung nach Bern. Den Schutzstatus S für Asylsuchende aus der Ukraine gilt es rasch aufzuheben und durch ein beschleunigtes Verfahren der bestehenden Asylgesetzgebung zu ersetzen. Wir danken Ihnen, wenn Sie auf das Standesbegehren eintreten und es gutheissen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
30.4.2024Wortmeldung

Dürr-Gams, Ratsvizepräsidentin: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf das Standesbegehren.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession