Geschäft: Entlöhnung pflegender Angehöriger – Goldesel für private Spitex-Firmen auf Kosten der Allgemeinheit?

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer51.24.03
TitelEntlöhnung pflegender Angehöriger – Goldesel für private Spitex-Firmen auf Kosten der Allgemeinheit?
ArtKR Interpellation
ThemaGesundheitspflege, Sozialversicherung, Sozialhilfe
FederführungGesundheitsdepartement
Eröffnung19.2.2024
Abschluss30.4.2024
Letze Änderung17.7.2024
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
WortlautWortlaut vom 19. Februar 2024
AntwortSchriftliche Antwort der Regierung vom 19. März 2024
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
19.2.2024Person5.8.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
20.2.2024Dringlicherklärung37Zustimmung65Ablehnung18
Statements
DatumTypWortlautSession
30.4.2024Wortmeldung

Losa-Mörschwil ist mit der Antwort der Regierung nicht zufrieden.

In Ihrer Antwort ist für mich nur ein einziger Satz entscheidend. Sie schreiben, ich zitiere: «Die Entwicklung, dass die Anstellung von pflegenden Angehörigen zu einem kommerziellen Geschäftsmodell wird, muss sowohl aus finanzpolitischer als auch aus pflegequalitativer Perspektive im Auge behalten werden.» Geschätzte Regierung, es wird nicht zu einem kommerziellen Geschäft kommen, sondern es ist bereits eines. Eines, das die privaten Unternehmen wie Pilze im Herbst aus dem Boden schiessen lässt. «Im Auge behalten» bedeutet: Ich schaue dem Geschehen zu, bin also Zuschauer, und als Zuschauer unternehme ich grundsätzlich nichts. Dieses Im-Auge-Behalten dauert nicht erst seit gestern. Schliesslich liegt der Bundesgerichtsentscheid bereits mehrere Jahre zurück. Aber eben, die Zuschauer schauen zu.

In den letzten Jahren wurden im Kanton viele neue private Spitex-Unternehmen gegründet. Die Kantone haben zwar die Aufsichtspflicht, verfügen aber praktisch über keine Daten oder Zahlen zu den Strukturen und Abrechnungsweisen der Spitex-Unternehmen. Selbst die Krankenkassen tappen im Dunkeln, weil sie auf den ihnen eingereichten Spitex-Abrechnungen nicht ausfindig machen können, wer die obligatorische krankenpflichtige Spitex-Arbeit letztlich verrichtet hat, also ob diese von einer qualifizierten Pflegefachperson oder einer privaten Pflegenden verrichtet wurde. Überprüfbar ist das nur mittels Einforderung des Pflegeverlaufsberichts. Aufgrund der Masse an Spitex-Leistungen ist das den Krankenkassen kaum möglich. Hinzu kommt, dass die Gründung einer Spitex-Organisation für pflegende Angehörige nur an eine einzige qualifizierte Pflegefachperson geknüpft ist, die danach unzählige pflegende Angehörige überwachen darf bzw. deren Arbeitsqualität verantwortet. In der Praxis ist das rein aus Kapazitätsgründen schon in der Umsetzung unrealistisch. Eine solch tiefe Einstiegshürde heizt das Geschäftsmodell Angehörigenpflege zusätzlich an. Unser Nachbarkanton Thurgau war offensichtlich wachsamer unterwegs und hat gehandelt, mit dem Resultat, dass nur wenige Privatunternehmen Fuss gefasst haben. Auch der Kanton Zug blieb nicht Zuschauer und hat durch Massnahmen die lukrativen Gewinne der Unternehmen reduziert.

Geschätzte Regierung, es kann doch nicht sein, dass Sie weitere Jahre zuschauen, wie private Unternehmen mit deutlich tieferen Vollkosten die Differenz als überhöhten Gewinn auf Kosten der Allgemeinheit einstreichen. Da müssen Sie als Gesetzgeber tätig werden. Ich bitte Sie deshalb: Verlassen Sie den Zuschauersektor, kommen Sie auf die Bühne der Handelnden und schaffen Sie endlich Rahmenbedingungen, bei denen weder die pflegenden Angehörigen noch die Krankenkassen und die Prämienbezahler über den Tisch gezogen werden.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
20.2.2024Beschluss

Der Kantonsrat erklärt die Interpellation mit 65:37 Stimmen bei 1 Enthaltung nicht dringlich.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Wortmeldung

Losa-Mörschwil (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Dem Antrag auf Dringlicherklärung ist zuzustimmen.

Ich danke der Regierung für die Rückmeldung, bedaure allerdings den Entscheid, dass sie die Dringlichkeit bestreitet. Mit Konsternation habe ich erfahren, dass im Bereich Entschädigung der Angehörigenpflege ein krasser Missstand besteht, der so schnell wie möglich angegangen werden muss. Es kann nicht sein, dass private Firmen über eine längere Zeit oder noch schlimmer während Jahren exorbitante Gewinne erzielen mit Personen, die ihre Angehörigen pflegen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtes, dass Menschen, die ihre Angehörigen pflegen, für die Grundpflege entschädigt werden sollen, ist sehr erfreulich. Traurig dagegen ist die Tatsache, dass gewiefte Geschäftsleute diesen Entscheid massiv missbrauchen. Sie haben ein Schlupfloch entdeckt und nutzen damit nicht nur die pflegenden Angehörigen aus, sondern auch unsere Krankenkassen und Gemeinden. Diesem Missstand müssen wir dringend und rasch einen Riegel schieben.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Wortmeldung

Dürr-Gams, Ratsvizepräsidentin: Die Regierung bestreitet die Dringlichkeit.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession