Geschäft: Innerkantonale Grundlagen für die Fremdunterbringung Minderjähriger

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer40.24.01
TitelInnerkantonale Grundlagen für die Fremdunterbringung Minderjähriger
ArtKR Verwaltungsgeschäft
ThemaGesundheitspflege, Sozialversicherung, Sozialhilfe
FederführungDepartement des Innern
Eröffnung12.1.2024
Abschlusspendent
Letze Änderung25.4.2024
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
BerichtAnhang 2 zum Bericht der Regierung vom 9. Januar 2024
BerichtBericht der Regierung vom 9. Januar 2024
AllgemeinKommissionsbestellung des Präsidiums vom 19. Februar 2024
AntragAntrag der vorberatenden Kommission vom 29. Februar 2024
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
20.2.2024Gremium13.5.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
1.5.2024Antrag der vorberatenden Kommission zu Auftrag95Zustimmung0Ablehnung25
Statements
DatumTypWortlautSession
1.5.2024Beschluss

Der Kantonsrat stimmt dem Antrag der vorberatenden Kommission zu einem Auftrag mit 95:0 Stimmen bei 1 Enthaltung zu.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Schöb-Thal, Ratspräsidentin, stellt Kenntnisnahme des Berichts Innerkantonale Grundlagen für die Fremdunterbringung Minderjähriger fest.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Regierungsrätin Bucher zu Steiner-Kaufmann-Gommiswald: Ich danke Steiner-Kaufmann-Gommiswald für diesen berechtigten Hinweis. Es ist so, dass es auch hier einen gewissen Fehlanreiz gibt. Das ist sicher ein Thema, das wir im Rahmen der Sonderpädagogik bei der Revision des VSG anschauen werden. Es ist auch sichergestellt, dass hier die Schnittstelle zum Departement des Innern geschlossen ist, weil wir da eng zusammenarbeiten.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Abschnitt 11.2 (Standortbelastungen und Zuständigkeitskonflikte). Steiner-Kaufmann-Gommiswald legt ihre Interessen als Schulleiterin in Uznach offen, wo es die Sozialpädagogischen Wohngruppen Speerblick gibt.

Leben Kinder in einer Einrichtung, haben sie dort in der Regel ihren schulrechtlichen Aufenthalt. Zuständig für die Beschulung aller Schülerinnen und Schüler ist die Gemeinde, auf deren Gebiet sie ihren schulrechtlichen Aufenthalt haben. Mit der Anknüpfung an diesen zivilrechtlichen Wohnsitz gibt es für die Standortgemeinden von Wohnheimen für Kinder beim Tragen der Kosten des Schulgeldes also einen Nachteil: Es gibt eine Standortbelastung. Zudem wiegt dies schwer, weil es bei diesen Kindern, die in einer solchen Einrichtung wohnen, zusätzlich Fördermassnahmen im sonderpädagogischen Bereich geben kann. Da gibt es auch eine gewisse Häufung. Die Standortgemeinden haben insofern eine Massierung von solchen Kindern und sitzen auf den Mehrkosten. Das ist eine Herausforderung. Es gibt die Kostenteilung bei den Sonderschulen mit dem Kanton. Für ein Einzelsetting vor Ort gibt es aber keine Hilfe. Die Schulen haben keinen Anreiz, diese Kinder vor Ort zu integrieren, sondern werden eigentlich finanziell gestraft. Das ist bei den aktuell so vollen Sonderschulen problematisch. Gemeinden sollen nicht schlechtergestellt werden als wenn sie die Kinder mit einer Sonderschulverfügung fremdplatzieren. Diese Fragestellung der sonderpädagogischen Kosten ist eine, die im Querschnittsbereich zum Bildungsdepartement liegt und im Rahmen der Totalrevision des Volksschulgesetzes (sGS 213.1; abgekürzt VSG) unbedingt angegangen werden muss. Vielleicht können Sie das noch weiterleiten.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Abschnitt 7.1.3 (Exkurs: Finanzierung der Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender). Sennhauser-Wil: In diesen Fällen gibt es immer Konflikte wegen der Zuständigkeit. Laut dem Departement des Innern gibt es in solchen Fällen noch keine gesetzliche Regelung, wobei die Finanzierung solcher Zuweisungen klar beim Kanton liegen sollte. Wir möchten diese Aussage für die zukünftige Planung unterstützen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Struktur

Spezialdiskussion

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Schöb-Thal, Ratspräsidentin, stellt Eintreten auf den Bericht in einziger Lesung fest.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Regierungsrätin Bucher: Auf den Bericht ist einzutreten.

Ich danke Ihnen für die gute Aufnahme unserer Vorlage und des Berichts – und v.a. möchte ich diesen Dank auch meinen Mitarbeitenden weitergeben, die in dieser komplexen Thematik hervorragende Arbeit geleistet haben. Ihre Rückmeldungen bestätigen, dass es uns gut gelungen ist, die einzelnen Unterbringungsarten und deren Finanzierung zu erklären, die Unterschiede dieser Finanzierungen und Unterbringungsarten aufzuzeigen und auch aufzuzeigen, zu welchen Fehlanreizen diese führen können. Wir haben damit ein wichtiges Ziel, Licht in den «Dschungel» zu bringen, des gutgeheissenen Postulats (43.20.05) erreicht. Gestützt auf die Erkenntnisse sehen wir einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, den wir in den einzelnen Handlungsfeldern des Berichts aufgezeigt haben. Aber ich denke – und das sehen die Regierung und Sie so –, dass Anpassungen in einzelnen Handlungsfeldern nicht sinnvoll sind, sondern um keine neuen Fehlanreize und Unterschiede zu schaffen, braucht es eine Gesamtbetrachtung bzw. ein neues Gesamtsystem. Denn wir wollen keinen neuen Dschungel schaffen, sondern einen schönen Wald oder Schutzwald wachsen lassen, der seine Funktion, den Schutz und die Bewahrung des Kindeswohls, gut wahrnehmen kann.

In diesem Sinn ist auch der Auftrag der vorberatenden Kommission formuliert, den die Regierung in ihrem Bericht eigentlich schon bestellt hat. Aber wir sind mit diesem geänderten Wortlaut selbstverständlich einverstanden. Die anstehende Gesetzgebungsarbeit wird herausfordernd sein, weil viele Bereiche und viele Departemente betroffen sind. Mir persönlich und der Regierung ist es sehr wichtig, dass wir diese Arbeit gemeinsam mit allen Anspruchsgruppen und insbesondere auch mit den Gemeinden, die durch die Finanzierung sehr stark betroffen sind, machen. Dabei werden wir den Dschungel oder den Wald nicht neu erfinden, sondern uns auch darauf abstützen, welche Erfahrungen oder Modelle es bereits in anderen Kantonen gibt.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Sennhauser-Wil (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Auf den Bericht ist einzutreten. Dem Antrag der vorberatenden Kommission ist zuzustimmen.

Die Wahl des Kinder- und Jugendheims Bild in Altstätten als Tagungsort war gut. Mit der Führung durch eine Schülerwohnung wurde uns die reale Lebenssituation der Betroffenen eindrücklich aufgezeigt. Die Erklärungen der Leitenden zu unseren Fragen waren kompetent und zeigten die Bandbreite der Schicksale auf. Die Thematik ist aus menschlicher, organisatorischer und finanzieller Sicht sehr komplex, und für mich als Laien war es ein schwieriges Lesen. Eine Fremdunterbringung von Minderjährigen ausserhalb des Elternhauses kann aus verschiedenen Gründen nötig sein und ist in jedem Fall ein schwerwiegender Vorgang. Neben dem Kindesschutz oder sozialen Gründen gibt es schulisch, strafrechtlich, medizinisch und behinderungsbedingt begründete Platzierungen. Dabei stellt sich unweigerlich die Frage nach der Finanzierung. Je nach Art der Unterbringung und der Örtlichkeit der Einrichtung sind verschiedene Kostenträger verantwortlich. Diese Finanzierung ergibt sich aus verschiedenen gesetzlichen Grundlagen, wobei eine innerkantonale Übersicht fehlt, wer sich wann und in welchem Rahmen an den Kosten zu beteiligen hat. Auch fehlen Regelungen innerhalb der Departemente, was je nach Art der Unterbringung zu unterschiedlichen staatlichen Beiträgen führt. Stossend ist auch, dass die Elternbeiträge bei Fremdplatzierungen teilweise erheblich variieren. Als Folge kann es zu Fehlanreizen bei der Platzierung führen, weil dann zu wenig auf das Kindeswohl, sondern zu stark auf die Finanzierungszuständigkeit geachtet wird.

Bei den Handlungsfeldern begrüssen wir es, dass die Finanzierung der Regelungen aufgezeigt und allfällige gesetzgeberische Korrekturen skizziert werden. Obwohl der Handlungsspielraum durch übergeordnetes Bundesrecht teilweise beschränkt ist, wird dennoch in einigen Bereichen gesetzgeberischer Handlungsbedarf erkannt. Folgende Handlungsfelder, bei denen Schnittstellen verbessert werden könnten und Vereinheitlichungen angezeigt wären, erscheinen uns wichtig:

  • unterschiedliche und ungenügend klare Regelung der Kostenbeteiligung auch im zivilrechtlichen Bereich;
  • wechselnde Zuständigkeiten der Gemeinden führen zu Konflikten;
  • fehlende Regelungen zur Vorfinanzierung, wenn die Kostentragung nicht geklärt ist;
  • unterschiedliche Altersgrenzen je nach Unterbringungsart und daraus entstehende Finanzierungslücken an den Übergängen.

Besonders hervorheben möchte ich ein Handlungsfeld: Der Bericht hält richtigerweise fest, dass Eltern gemeinsam für den Unterhalt des Kindes sorgen und die Kosten – einschliesslich Kindesschutzmassnahmen – gemeinsam zu tragen sind, und zwar je nach Leistungsfähigkeit. Daher wäre zu prüfen, ob die Beiträge in Abhängigkeit der Leistungsfähigkeit gegenüber Pauschalen vorzuziehen sind. Dies ist v.a. bei Eltern mit hohem Einkommen und Vermögen stossend. Eine ganz grundlegende Klärung scheint wichtig, da diese Frage im Vollzug regelmässig Fragen aufwirft.

Weiter weisen wir auf die ebenfalls schwierige Situation des Pflegepersonals hin. Nebst dem Problem fehlender Plätze in den Institutionen sollten auch die Arbeitsplätze attraktiv bleiben, um dem Personalmangel zu entgegnen. Dem Kindeswohl muss grosse Beachtung geschenkt werden und der Übergang ins Erwachsenenalter braucht vermehrt Unterstützung, um Sozialfälle zu vermeiden. Wir empfehlen, bei der Ausarbeitung des Gesetzes bereits bewährte Lösungen anderer Kantone zu berücksichtigen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Lüthi-St.Gallen (im Namen der GLP): Auf den Bericht ist einzutreten. Dem Antrag der vorberatenden Kommission ist zuzustimmen.

Der Bericht fasst die Grundlagen der Fremdunterbringung zusammen und beleuchtet insbesondere die Finanzierungsregelungen in jedem Bereich. Er zeigt auf, dass verschiedene Fehlanreize bestehen, wie unterschiedliche Kostenbeteiligung, wechselnde Zuständigkeiten der Gemeinden und fehlende Regelungen zur Vorfinanzierung von Leistungen. Weiter identifiziert der Bericht gesetzliche Handlungsfelder und bietet somit eine gute Grundlage für umfassende Anpassungen.

Handlungsfeld 11.1.1 Unterschiedliche Kostenbeteiligung der Eltern: Der Bericht erwähnt korrekt und ausdrücklich, dass die Eltern gemeinsam, jeder Elternteil nach seinen Kräften, für den Unterhalt der Kinder sorgen und die Kosten – auch von Kindesschutzmassnahmen – gemeinsam tragen. Deshalb sind aus unserer Sicht grundsätzlich Beiträge in Abhängigkeit der Leistungsfähigkeit gegenüber Pauschalen vorzuziehen. Denn es ist stossend, wenn Personen mit hohem Einkommen bzw. Vermögen nicht nach ihren Kräften für den Unterhalt des Kindes sorgen. Zudem erachten wir eine progressive Belastung – ähnlich wie bei den Steuern – als prüfenswert. Die Klärung der Frage auf Gesetzesstufe, ob die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern bei der Festlegung der Höhe der Beiträge zu berücksichtigen sei oder nicht, begrüssen wir.

Handlungsfeld 11.2.1 Zivilrechtlicher Wohnsitz: Die heutige Regelung gesetzlich zu verankern statt lediglich sinngemäss auf die Interkantonale Vereinbarung für soziale Einrichtungen (sGS 387.21; abgekürzt IVSE) zu verweisen, begrüssen wir, zumal erste Gerichtsentscheide ebenfalls in diese Richtung weisen. Eine Pool-Finanzierung durch die Gemeinden als alternatives Modell erachten wir als prüfenswert. In anderen schulischen Bereichen könnte eine Pool-Lösung ebenfalls Standortbelastungen vermeiden (z.B. Talentförderung). Mit Blick auf den heutigen soziodemografischen Sonderlastenausgleich müssen auch die Rolle bzw. weitere Kostenbeteiligungen des Kantons berücksichtigt werden. Es muss sichergestellt werden, dass durch eine Pool-Lösung keine neuen Fehlanreize geschaffen werden.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Nüesch-Diepoldsau (im Namen der FDP-Fraktion): Auf den Bericht ist einzutreten. Dem Antrag der vorberatenden Kommission ist zuzustimmen.

Die zunehmende Entwicklung der Fremdunterbringung von Minderjährigen ist eine unschöne Entwicklung. Es gibt unterschiedliche Gründe, weshalb Kinder und Jugendliche nicht in ihren eigenen Familien untergebracht werden können und eine Fremdunterbringung nötig ist: psychische Probleme, Strafdelikte, KESB-Massnahmen oder Situationen, in denen die Eltern überfordert sind. Der Bericht hält fest, dass die Anpassungen umfassend sein müssen, damit kein Flickenteppich entsteht, der wieder neue Fehlanreize schafft. Die Regierung ist der Meinung, dass die gesetzlichen Grundlagen für die Finanzierung der Fremdunterbringung von Minderjährigen umfassend überarbeitet werden müssen.

Im Kanton sind 75 Gemeinden, neun KESB-Regionen, zahlreiche Berufsbeistände sowie verschiedenste Institutionen und Pflegefamilien beteiligt. Das System ist sehr komplex und teilweise auch ungerecht, da Zahlungen uneinheitlich erfolgen. Zudem gibt es Engpässe bei der Verfügung von Pflegefamilien und institutionellen Plätzen, v.a. bei kurzfristigen Umplatzierungen. Anstatt nur die Finanzierung zu überprüfen, sollen auch die Aufgabenteilung und die Zuständigkeiten geprüft werden. Es fehlt nicht an den finanziellen Mitteln, sondern an der komplexen Abwicklung. Das System muss vereinfacht und gesamtheitlich angepasst werden.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Losa-Mörschwil (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf den Bericht ist einzutreten. Dem Antrag der vorberatenden Kommission ist zuzustimmen.

Mit Interesse habe ich den Bericht «Innerkantonale Grundlagen für die Fremdunterbringung Minderjähriger» gelesen. Um eine möglichst problemlose Fremdplatzierung von Kindern und Jugendlichen organisieren zu können, sind die Klärung der departementsübergreifenden Regelungen und eine faire, gleichbehandelnde Finanzierung, sei es bei den unterhaltspflichtigen Eltern und/oder den zuständigen Gemeinden, von grosser Bedeutung. Die im Bericht aufgezeigten Problemfelder und den daraus resultierenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf erachten wir als sinnvoll und wird bei einer allfälligen späteren Umsetzung für die betroffenen Gemeinden, aber auch für die Eltern eine spürbare Entlastung bedeuten.

Beim Durchlesen des Berichts und der juristischen Expertise war ich mehrmals dankbar, dass ich nicht für die Festlegung der Finanzierungsbeiträge zuständig bin. Ich denke, ich übertreibe nicht, wenn ich von einem regelrechten Beitragsdschungel spreche, in dem es nur schwer möglich ist, den Überblick zu behalten, insbesondere dann, wenn sich die Situation aus verschiedenen Gründen (Wohnortwechsel der Eltern oder eines Elternteils, Änderung der Sorgepflicht, Trennung der Eltern usw.) verändern kann. Die externe Expertise von Karin Anderer hat gut aufgezeigt, wie komplex die Finanzierungsgrundlagen in den einzelnen Bereichen sind und wo Handlungsbedarf besteht. Wir begrüssen die umfassende Übersicht der innerkantonalen Finanzierungswege, die einen guten Einblick der einzelnen Bereiche, der Schnittstellen und deren Herausforderungen ermöglicht. Die Expertise gibt ein gelungenes Gesamtbild des Ist-Zustands ab und zeigt die möglichen Handlungsfelder sowie den Veränderungsbedarf auf. Die zahlreichen konkreten Handlungsempfehlungen, aber auch Ideen beurteilen wir mehrheitlich als gelungen, sinnvoll und umsetzbar. Als Beispiel möchte ich die vorgeschlagene Möglichkeit nennen, bei der Problematik der unterschiedlichen Kostentragung durch die Gemeinden eine Pool-Lösung zu schaffen. Die Fremdplatzierungen können je nach Fall erhebliche Kosten auslösen, die für kleinere und/oder finanziell schwache Gemeinden eine enorme Belastung bedeuten. Auch andere Vorschläge und Möglichkeiten sind gut nachvollziehbar, praxisnah und versprechen mehr Klarheit und Sicherheit für alle involvierten Parteien. Das ist nicht zuletzt auch eine Voraussetzung für einen umfassenden Kinderschutz.

Die Führung am Kommissionstag durch die Leitung des Kinder- und Jugendheims Bild hat gut aufgezeigt, dass die Unterbringung von Minderjährigen, die meist bereits eine schwierige Geschichte hinter sich haben und/oder sich in einer heiklen Lebenssituation befinden, mehr als nur ein Dach über dem Kopf und gutes Essen ist. Bei einer Fremdunterbringung von Minderjährigen sollte die Wahl des Unterbringungsorts und die Art der Institution immer abhängig von den Bedürfnissen des Kindes oder des Jugendlichen sein. Wird diesem Aspekt zu wenig Rechnung getragen, können erhebliche Folgekosten für die öffentliche Hand, aber auch viel Leid für die betroffenen Personen entstehen.

Der bestehenden Unsicherheit der Beitragshöhe der unterhaltspflichtigen Eltern muss dringend begegnet werden. Oft ist die betroffene Familie bereits mit dem Umstand einer Fremdunterbringung stark belastet. Das sollte durch die finanziellen Auswirkungen und/oder Unsicherheiten nicht noch zusätzlich verstärkt werden. Wie zu Recht im Bericht festgehalten wird, kann dies auch die Kooperationsbereitschaft der Eltern stark beeinflussen, insbesondere dann, wenn die Eltern ihren finanziellen Beitrag nicht nachvollziehen können oder sich gegenüber anderen Eltern ungerecht behandelt fühlen. Ich habe während vieler Jahre solche Familien begleitet und kann Ihnen sagen, dass wir ohne diese Kooperationsbereitschaft und ohne ein gewisses Vertrauen der Eltern gegenüber den Behörden kaum einen positiven Prozess in Gang setzen konnten.

Wir begrüssen deshalb eine Klärung der offenen Fragen auf Gesetzesstufe, damit diese Rechtsunsicherheiten behoben werden können. Auch die diversen heute vorhandenen Fehlanreize im Bereich der Platzierung und Finanzierung werden gut beschrieben und es sind begrüssenswerte Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Wir sind erfreut darüber, dass die Regierung den Handlungsbedarf anerkennt und eine umfassende Revision von sämtlichen relevanten Rechtsgrundlagen an die Hand nehmen will.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Wüst-Oberriet (im Namen der SVP-Fraktion): Auf den Bericht ist einzutreten. Dem Antrag der vorberatenden Kommission ist zuzustimmen.

Wir anerkennen die Komplexität der Ausgestaltung der Fremdunterbringung von minderjährigen Personen. Die Finanzierungsgrundlagen sind nicht einfach zu überblicken. Zudem sind die gesetzlichen Regelungen teilweise stark auslegungsbedürftig. Fremdunterbringungen können in verschiedenen Varianten erfolgen, z.B. die zivilrechtliche Fremdunterbringung in Heim- und Familienpflege, die Unterbringung in Spital oder psychiatrischer Klinik, die strafrechtliche Zuweisung oder die Sonderbeschulung im Internat. Sobald die Fremdunterbringung einer minderjährigen Person im Raum steht, stellt sich unweigerlich die Frage nach deren Finanzierung. Je nach Art der Unterbringung und Örtlichkeit der Einrichtung sind verschiedene Kostenträger hierfür verantwortlich.

Innerkantonal fehlt eine umfassende Übersicht, wer sich wann und in welchem Rahmen an den Kosten einer Fremdunterbringung zu beteiligen hat. Leider gibt es keine bereichs- bzw. departementsübergreifenden Regelungen. Dies führt dazu, dass unterschiedliche staatliche Beiträge ausgerichtet werden. Auch die Beiträge, die von den Eltern der platzierten Minderjährigen für die Fremdunterbringung erbracht werden müssen, variieren je nach Art der Unterbringung, was zu Fehlanreizen bei der Fremdunterbringung führen kann.

Mit der Beantwortung des Postulats 43.20.05 «Innerkantonale Grundlagen für die Fremdunterbringung Minderjähriger klären», das von der SVP-Fraktion einstimmig gutgeheissen wurde, zeigt die Regierung den Ist-Zustand auf, wie die Regelungen bei der Fremdfinanzierung ausgestaltet und in welchen Bereichen gesetzgeberische Korrekturen angezeigt sind. Ebenfalls zeigt der Bericht auf, welche Kostenträger sich in welcher Höhe an den verschiedenen Arten der Fremdunterbringung beteiligen. Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Ist-Situation und zentral für uns ist, dass verschiedene Handlungsempfehlungen aufgeführt sind. Diese zeigen auf, welche Schnittstellen verbessert werden können und wo Vereinheitlichungen angezeigt sind.

Für uns ist es offensichtlich, dass die Finanzierungsgrundlagen in den verschiedenen Bereichen komplex sind. In den einzelnen Bereichen lässt sich unterschiedlicher Handlungsbedarf feststellen. Dadurch, dass die einzelnen Systeme unterschiedlich ausgestaltet sind, entstehen zusätzliche Schnittstellenprobleme. Dies sind unterschiedliche Elternbeiträge je Bereich, unterschiedliche Kostenträger je Bereich, unterschiedliche Altersgrenzen mit der Problematik der «Care-Leaver» und die uneinheitliche Finanzierung des Forensikzuschlags. Wenn diese Probleme angegangen werden sollen, ist eine Gesamtbetrachtung unabdingbar. Nur so kann ein in sich stimmiges System geschaffen werden, ohne neue Schnittstellenprobleme zu schaffen. In dieser Gesamtbetrachtung müssen die Finanzierung, die Aufgabenteilung und die Zuständigkeiten ersichtlich werden. Wichtig für uns ist zu schauen, wie dies andere Kantone bereits heute schon lösen und umsetzen. Wir müssen nicht das Rad neu erfinden bzw. können uns so wichtige und gute Erfahrungen abholen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Maurer-Altstätten (im Namen der SP-Fraktion und im Bereich der Sonderschulung auch als potenziell betroffener Schulratspräsident von Altstätten): Auf den Bericht ist einzutreten. Dem Antrag der vorberatenden Kommission ist zuzustimmen.

Unsere Kinder sind die Zukunft und zu dieser müssen wir Sorge tragen. So weit, so banal, so weit, aber auch so elementar. Kinder brauchen unsere Unterstützung und unseren Schutz. Speziell kümmern müssen wir uns um diejenigen Kinder und Jugendlichen, die auf unsere verstärkte Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Zu diesen Kindern und Jugendlichen gehören diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer ausserhalb der Familie bzw. fremduntergebracht sind.

Zur Fremdunterbringung von Minderjährigen hat die Regierung dem Kantonsrat einen Bericht vorgelegt, für den wir uns bedanken. Der Bericht zeigt auf, welch ein zwar historisch gewachsener, aber vielleicht gerade deswegen kaum zu durchschauender Dschungel an Zuständigkeiten, Verfahren und Finanzierungen bei der Fremdunterbringung herrscht. Je nach Zuweisungsgrund oder verfügender Behörde gelten andere Regelungen. Die verschiedenen Grundlagen für die Fremdunterbringung Minderjähriger bedürfen darum der Überprüfung und Überarbeitung. Dies auch mit dem Fokus auf das Kindeswohl, das gerade in diesem Bereich grosser Aufmerksamkeit bedarf.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Schöb-Thal, Ratspräsidentin: Das Präsidium sieht eine Eintretensdiskussion vor.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession
1.5.2024Wortmeldung

Huber-Oberriet, Präsident der vorberatenden Kommission: Die vorberatende Kommission beantragt, auf den Bericht in einziger Lesung einzutreten.

Die vorberatende Kommission hat den Bericht der Regierung 40.24.01 «Innerkantonale Grundlagen für die Fremdunterbringung Minderjähriger» vom 9. Januar 2024 am 29. Februar 2024 beraten. Sie tagte im Kinder- und Jugendheim Bild in Altstätten. Vor der Beratung konnte unter fachkundiger Führung von Daniel Schelling, Gesamtleiter der Institution, eine Schülerwohngruppe besichtigt werden. Dabei wurden uns die Grundzüge des pädagogischen Konzepts des Kinder- und Jugendheims erklärt.

Anwesend an der Beratung waren nebst der vollzähligen vorberatenden Kommission die Vorsteherin des Departementes des Innern, Regierungsrätin Bucher, Claudius Luterbacher, Leiter des Amtes für Soziales, und Nora Stahr, Stabsleiterin und Amtsleiterin-Stv. Das Protokoll wurde von Aline Tobler, Geschäftsführerin, und Leandra Cozzio, Geschäftsführerin-Stv., von den Parlamentsdiensten geführt. Herzlichen Dank den beiden Damen für die tadellose Organisation der Sitzung und die Protokollführung.

Der Einstieg der Beratung erfolgte durch drei Gastreferate zum Thema «Fremdunterbringung Minderjähriger – aktuelle Herausforderungen» von Carola Müller-Wittmer, Präsidentin KESB Toggenburg, Christoph Ackermann, Präsident des Verbandes St.Galler Volksschulträger, und Heinz Indermaur, Leiter Soziale Dienste St.Gallen und Präsident der St.Gallischen Konferenz der Sozialhilfe (KOS). Nachdem die Fragen der Kommissionsmitglieder durch die Referentin bzw. Referenten beantwortet wurden, konnten diese verabschiedet werden.

Nach den Einführungsreferaten der Vorsteherin des Departementes des Innern, Regierungsrätin Bucher, und des Amtsleiters Claudius Luterbacher wurde über den Bericht in der allgemeinen Diskussion bzw. Spezialdiskussion beraten. Die vielen Themenfelder (strafrechtliche Einweisung, Finanzierung der Sonderbeschulung im Internat, Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik oder in einem Spital, Sonderschulplatzierung, BUB-Unterbringungen, unterschiedliche Kostenbeteiligung der Eltern, unterschiedliche Kostenbeteiligung der Gemeinden, subsidiäre Kostentragung durch die Sozialhilfe, Beiträge bei fehlendem Anspruch auf Unterhalt und unterschiedliche Altersgrenzen) wurden rege diskutiert und zeigten auf, wie komplex das Thema und die Zuständigkeiten sind.

Aufgrund der Diskussionen wurde in die vorberatende Kommission eingebracht, dass nicht nur – wie die Regierung vorschlägt – die Finanzierung zu überarbeiten sei, sondern auch die Zuständigkeiten und die Aufgabenteilung. Nach kurzer Diskussion stimmte die vorberatende Kommission mit 15:0 Stimmen dem Antrag der Regierung mit geändertem Wortlaut zu. Dieser lautet wie folgt: «Die Regierung wird eingeladen, die gesetzlichen Grundlagen für die Finanzierung, Zuständigkeiten und Aufgabenteilung der Fremdunterbringung von Minderjährigen umfassend zu überarbeiten und dem Kantonsrat eine entsprechende Vorlage zu unterbreiten.»

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession