Geschäft: Thursanierung Wattwil: Jetzt eine redimensionierte Alternativvariante prüfen

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer51.23.86
TitelThursanierung Wattwil: Jetzt eine redimensionierte Alternativvariante prüfen
ArtKR Interpellation
ThemaVerkehr, Bau, Energie, Gewässer
FederführungBau- und Umweltdepartement
Eröffnung27.11.2023
Abschlusspendent
Letze Änderung7.6.2024
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
WortlautWortlaut vom 27. November 2023
AntwortAntwort der Regierung vom 4. Juni 2024
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
27.11.2023Gremium2.6.2024
27.11.2023Gremium2.6.2024
27.11.2023Gremium2.6.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
18.9.2024Ordnungsantrag SVP-Fraktion / FDP-Fraktion / Die Mitte-EVP-Fraktion auf Diskussion72Zustimmung32Ablehnung16
Statements
DatumTypWortlautSession
18.9.2024Wortmeldung

Regierungspräsidentin Hartmann: Die Thur in Wattwil ist seit der Revision des Wasserbaugesetzes (sGS 734.1; abgekürzt WBG) im Jahr 2010 ein Kantonsgewässer. Somit liegt die Zuständigkeit und die Verantwortung beim Kanton. Ich denke, dass die Gemeinde Wattwil darüber mehr als froh ist. Mit der Übernahme der Thur hat der Kanton im Projektabschnitt ein marodes Werk übernehmen müssen, das am Ende seiner Lebensdauer angelangt ist. Es besteht ein dringender Sanierungsbedarf. Wir wissen, dass Wasserbauprojekte extrem anspruchsvolle Projekte sind. Die Ansprüche der verschiedensten Stakeholder sind mehr als gegensätzlich. Wir haben die Rückmeldungen aus der Mitwirkung und die Rückmeldung der Gemeinde sorgfältig geprüft. Es ist aber auch Usanz, dass bei solchen Themen die negativen Rückmeldungen immer viel häufiger sind und meistens auch noch «Copy and Paste». Wir haben schon unter meinen Vorgängern unzählige Varianten geprüft. Uns jetzt den Vorwurf zu machen, das hätten wir nicht getan, ist falsch.

Wieso muss die Thur ausgebaut werden: Wie gesagt, wir haben eine erste Thurkorrektion, die 100 Jahre zurückliegt und in einem schlechten Zustand ist. Bei einem 100-jährlichen Hochwasser drohen Ausuferungen, die im Zentrum von Wattwil grosse Schäden anrichten könnten. Es besteht Handlungsbedarf, das Bauwerk zu sanieren und den Hochwasserschutz zu verbessern. Wir haben in der Antwort auf die Interpellation den darin geforderten vollständigen Erhalt der Allee geprüft. Aber die Thur fliesst so und die Alleebäume stehen seit 100 Jahren so. Wie will man eine Aufweitung machen, ohne mindestens einen Teil der Alleebäume zu entfernen? Ich denke, das weiss sogar ein Primarschüler und eine Primarschülerin. Aber manchmal geht auch das vergessen.

Wir haben die Alternativvariante innerhalb eines Siedlungsgebiets auf der Länge von rund 2,4 Kilometern geprüft, die dann beidseitig eine drei Meter hohe Mauer erfordern würde. Diese Variante hätte folgende Auswirkungen: Ausserhalb der Alleebäume muss der Damm wegen des höheren Hochwasserspiegels um zusätzlich rund 40 Zentimeter angehoben werden. Höhere Dämme führen im Überlauffall zu grösseren Überflutungsflächen. Der Landbedarf ist auch bei dieser Variante nicht viel geringer. Es könnten rund 70 Zentimeter Uferstreifen eingespart werden. Wichtig ist auch, dass die Quervernetzung durch diese Variante im Siedlungsbereich auf längerer Strecke vollständig unterbrochen wird, wodurch die ökologische Situation des Gewässers massiv verschlechtert werden würde. Es ist tatsächlich so, dass die Variante mit beidseitigen Mauern nach dem aktuellen eidgenössischen Gewässerschutzgesetz (SR 814.20; GSchG) nicht bewilligungsfähig wäre.

Die ebenfalls aufgeworfene Alternativvariante Mauergerinne hat grosse Nachteile in den Bereichen Hochwasserschutz, Ökologie, Naherholungsflächen und Landschaftsbild. Wir haben aber selbstverständlich geprüft, wie doch einige Alleebäume erhalten werden könnten, dies auch aufgrund der zahlreichen Rückmeldungen in der Mitwirkung. Wir haben rund 450 Bäume hinsichtlich Grösse, Standort und Vitalität von Expertinnen untersuchen lassen und ein Baumschutzkonzept erstellt. Rund zwei Drittel der Bäume können durch lokale Projektanpassungen am heutigen Standort erhalten bleiben oder verpflanzt werden. Rund ein Drittel muss aber durch Jungbäume ersetzt werden. Unabhängig von der Thursanierung müssten aus Gesundheits- oder Sicherheitsgründen rund acht bis zehn Bäume sowieso gefällt werden. Die Mehrkosten für diesen Auftrag betragen rund 1,3 Mio. Franken. Es kommen aber noch Erschwernisse beim Bau dazu. Diese Kosten konnten wir bis anhin noch nicht beziffern. Die Mitwirkung hat gezeigt, dass die emotionale Bindung der Wattwilerinnen und Wattwiler an die Alleebäume sehr stark ist, was ich auch gut verstehe. Es ist eine wunderschöne Allee. Ich bin dort sechs Jahre ins Seminar gegangen. Aber mit dem geplanten Erhalt von zwei Dritteln der Bäume denken wir, diesem Anliegen mehr als Rechnung getragen zu haben.

Und was haben wir auch noch getan, um möglichst wenig Kulturland zu verlieren? Um den Verbrauch von Kulturland durch das Projekt zu beurteilen, haben wir ein Kulturlandgutachten in Auftrag gegeben. Die Kernkompetenz des Begutachters war die Schnittstelle zwischen Landwirtschaft, Ökologie und Ökonomie. Das Sanierungsprojekt wird gemäss diesem Gutachten als verhältnismässig beurteilt und berücksichtigt die Interessen von Sicherheit, Umwelt und Landwirtschaft in ausgewogener Weise. Anpassungsvorschläge aus dem Kulturlandgutachten werden in die weitere Projektausarbeitung aufgenommen. Es gibt einen Landwirtschaftsbetrieb, der sehr stark betroffen ist. Wir haben bereits mehrere Gespräche geführt, um die künftige Einkommenssituation zu klären. Wir sind daran, Lösungen zu suchen und zu finden. Zudem ist vorgesehen, dass Pflegeaufträge an den Thurböschungen wie bis anhin an lokale landwirtschaftliche Betriebe vergeben werden. Wir haben es jetzt gesehen: 1'000 Kilometer östlich von uns, im Burgenland, wo die Renaturierung sehr weit fortgeschritten ist, musste im Gegensatz zu Niederösterreich kein Katastrophenfall ausgerufen werden.

Ja, die Kosten entsprechen dem Stand von 2018. Wir mussten und wollten aber ganz viele Projektergänzungen machen. Die Kostenwirksamkeit wird im Frühling 2025 vorliegen und dann auch kommuniziert werden. Sie sehen, wir sind auf die wichtigsten Begehren eingetreten, haben Lösungen gesucht und vielfach auch gefunden. Denn das Projekt muss und soll auch finanziell nachhaltig sein. Die Kosten-Nutzen-Analyse muss positiv sein, sonst wird der Bund das Projekt nicht genehmigen. Der Kanton hatte einen klaren Auftrag. Wir möchten die Wattwilerinnen und Wattwiler sowie die Infrastruktur in Wattwil vor Hochwasser schützen. Das tun wir, und das haben wir auch bis anhin getan. Ich hoffe, dass Sie uns auf diesem Weg unterstützen.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession
18.9.2024Wortmeldung

Raths-Rorschach: Ich lege meine Interessen offen: Ich war 20 Jahre lang Gemeindepräsident von Thal und war in die Sanierung von drei oder vier Bächen involviert.

Wenn Sie die Aufgaben richtig erfüllen möchten, damit Sie in den Genuss von Subventionen seitens Bund und Kanton kommen, dann müssen Sie wirklich grosse Arbeit leisten. Da spreche ich aus Erfahrung. Der Kanton hat in dieser Sache immer sehr gute Arbeit geleistet. Dahinten sitzt ein Profi. Wir haben jahrelang mit ihm zusammengearbeitet. Wichtig ist, dass Bäche saniert werden. Sie müssen saniert werden. Und an die grossen Profis in den Gemeinden, die alle Fachmänner sind: Es geht nicht nur um das Hochwasser, es geht auch um Murgänge. Seien Sie auf der Hut und machen Sie etwas Gutes daraus.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession
18.9.2024Wortmeldung

Cozzio-Uzwil: Ich danke Monstein-St.Gallen und Bosshard-St.Gallen für ihre Äusserungen, denn sie haben das Problem erkannt. Wattwil hatte schlicht und einfach Glück, dass diese Regenfälle rund 1'000 Kilometer weiter östlich waren und nicht bei uns. Denn wo sind die Probleme? Sie sind dort, wo der Fluss zu wenig Platz hat, wo er eingeengt wird. Gibt man dem Fluss weniger Platz, müssen die Dämme höher werden. Das ist eine Tatsache. Die Wassermenge kommt. Und irgendwann kommt sie auch in Wattwil. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Ein Ansatz zur Problemlösung wäre, dass der Fluss wieder aus den kantonalen Gewässern hinausgenommen und in ein kommunales Gewässer klassiert wird. Dann können die Wattwiler das Problem so lösen, wie sie es möchten.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession
18.9.2024Wortmeldung

Monstein-St.Gallen (im Namen der SP-GRÜNE-GLP-Fraktion): Ich spreche als Nichttoggenburger. Aber mein Grossvater war jahrelang Gemeindepräsident von Wattwil, übrigens für die FDP.

Es ist von zentraler Bedeutung, dass wir bei einem wichtigen Thema wie dem Hochwasserschutz auf unsere Expertinnen und Experten hören. Nach unserer Meinung antworten die Experten gemäss Antwort der Regierung in dieser Frage ausführlich und absolut verständlich. Sie schreiben z.B., dass die Gefahrenkarte Ausuferungen ab einem 100-jährlichen Hochwasserereignis zeigt, die im Zentrum von Wattwil zu grossen Schäden führen könnten. Alle, die in den vergangenen Monaten, Wochen und Tagen die News mitverfolgt haben, wissen, wie häufig Jahrhunderthochwasser in diesem Jahrhundert auf einmal vorkommen. Jeder, der den Klimawandel nicht leugnet, weiss, dass dies erst die Vorboten der bevorstehenden Krise sind, ob wir das hören mögen oder nicht.

Für uns ist klar: In erster Linie muss es mit der Thursanierung vorwärtsgehen. Eine politische Blockade muss zwingend verhindert werden, denn die Bevölkerung des Toggenburgs und die Bevölkerung von Wattwil verdienen Schutz. Der entscheidende Punkt ist aber die Gesetzeskonformität. Mitwirkungsverfahren sind wertvoll und wichtig, aber sie sind kein Wunschkonzert. In dieser Frage sind die übergeordneten Interessen: Hochwasserschutz, Gewässerschutz, Trinkwasserversorgung und Fruchtfolgeflächen. Die Regierung schreibt klipp und klar: «Die Alternativvariante Mauergerinne zeigt grosse Nachteile in den Bereichen Hochwasserschutz, Kosten, Ökologie, Naherholung und Landschaftsbild, und sie ist aus gewässerschutzrechtlicher Sicht nicht bewilligungsfähig.»

Bei diesem Thema sollten wir nicht sparen, Tschirky-Gaiserwald. Nur schon die potenziellen Schäden an Eigentum und Leben rechtfertigen Kosten in dieser Höhe. Im Wallis wurde es aus ähnlichen Gründen jahrelang verpasst, den Hochwasserschutz und die Renaturierung der Rhone anzugehen. Die Folgen dieser Verschleppung kennen wir: verheerende Überschwemmungen und Millionenschäden für die Bevölkerung und Wirtschaft. Diesen gleichen Fehler sollten wir unbedingt vermeiden. Die Sanierung der Thur wäre sicherlich kein Gift für den Hochwasserschutz, Vogel-Bütschwil-Ganterschwil, aber Hochwasser ist ebenfalls existenzbedrohend für Bauernfamilien. Zusätzliche Variantenprüfungen braucht es aus unserer Sicht nicht. Für uns ist die Antwort der Regierung zufriedenstellend.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession
18.9.2024Wortmeldung

Gschwend-Altstätten: Ich bin dankbar und erfreut, aber auch ein bisschen erstaunt über die Äusserungen der Sprecher der SVP und FDP. Sie haben die Wichtigkeit des Schutzes der begleitenden Vegetation entlang der Dämme in den Mittelpunkt gestellt – den Schutz der Bäume. Sie haben sehr gut ausgeführt, wie wichtig diese Bäume sind. Mit dieser Freude möchte ich eine Erwartung und eine Einladung aussprechen, denn es wird noch viele andere Projekte geben, wo es um den Schutz von bestehenden Bäumen entlang der Strassen und innerhalb der Siedlungen geht. Setzen Sie sich dann mit dem gleichen Engagement ein, dass überall neue Bäume gepflanzt und gut unterhalten werden. Denn die aktuelle Diskussion und die aktuellen Entwicklungen mit der Erwärmung machen das notwendig. Ich sehe, dass wir miteinander auf einem guten Weg sind. Zu den inhaltlichen Anliegen kann ich mich nicht äussern, weil ich über das Projekt, das ich an sich gut finde, viel zu wenig weiss.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession
18.9.2024Wortmeldung

Nüesch-Diepoldsau legt seine Interessen als Präsident des St.Galler Bauernverbands offen.

Der Hochwasserschutz wird auch von uns nicht infrage gestellt. Dass jedoch bei jedem Hochwasserschutzprojekt beste Kulturlandflächen geopfert werden müssen, geht nicht. Auch die Interpellation und die Mitwirkung zum Thurprojekt haben das deutlich aufgezeigt. Weshalb werden nicht Varianten geprüft mit weniger Landverschleiss, mit steileren Böschungen, weniger grossen Aufweitungen oder sogar nur mit temporärer Landnutzung, bei einem Hochwasserfall mit einem sogenannten temporären Rückhalteraum? Die aktuell grossen Hochwasserschutzprojekte in der Ostschweiz Rhesi, Thur3 im Thurgau oder eben hier an der Thur im Toggenburg zeigen immer die gleichen Planungsgrundsätze: Nebst dem Hochwasserschutz werden vorwiegend ökologische Aspekte gefordert, die immer zulasten von bestem Kulturland gehen. Bereits umgesetzte Projekte zeigen, dass die Unterhaltskosten massiv steigen. Bei den extrem breiten Gewässern werden nebst den immensen Baukosten die massiv steigenden Unterhaltskosten nie in die Kostenabwägung mit einbezogen. Wäre der Unterhalt in den letzten Jahren stetig wahrgenommen worden, wäre heute die Sicherheit bezüglich Hochwasserschutz deutlich besser. Wie soll denn der Unterhalt zukünftig gewährleistet sein, wenn er die letzten 20 Jahre vernachlässigt wurde?

Ich bitte die Regierungg bei diesem und auch bei zukünftigen Hochwasserschutzprojekten weitere Varianten, die weniger Kulturland benutzen, in Erwägung zu ziehen, damit nicht immer bestes Kulturland geopfert werden muss. Weiter erwarte ich, dass beim Thursanierungsprojekt ein redimensioniertes Projekt vorgelegt wird.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession
18.9.2024Wortmeldung

Vogel-Bütschwil-Ganterschwil: Ich spreche als Toggenburger. SVP, FDP und Mitte haben sich zusammengerauft und der Regierung mit ihrer Interpellation die Hand ausgestreckt: Sie soll eine Thursanierung innerhalb der heutigen Alleebäume prüfen, ja, am liebsten vorschlagen. Doch wir wurden enttäuscht. Die Regierung erschuf wohl mit Kalkül eine noch schlechtere Variante, um ihre Variante in gutem Licht darstellen zu können. Dabei stösst die Thursanierung Wattwil im Toggenburg auf massiven Widerstand. 150 von 165 Teilnehmenden der Mitwirkungen äusserten sich mehrheitlich negativ. Ob es daran lag, dass man als Bürger in 48 Tagen 2'000 Seiten Dokumente studieren musste? Ich weiss es nicht.

Seither gab es zwar eine Überarbeitung, doch die Thursanierung Wattwil hinkt nach wie vor gewaltig. Leider hat man den Hochwasserschutz – das eigentliche Ziel der Übung – aus den Augen verloren. Ein paar Fakten dazu: 80'000 m2 Land gehen verloren, davon 57'000 m2 wertvollstes Landwirtschaftsland, davon wiederum 2,5 Hektaren Fruchtfolgeflächen für die Ernährung der Schweiz in Krisenzeiten. Kosten von 112 Mio. Franken, die wir zu stemmen haben. Fast 100 Grundeigentümer, die Boden abgeben müssen. 150 Alleebäume kommen für immer weg, 150 weitere werden riskant und teuer verpflanzt, und weitere 150 können hoffentlich stehen bleiben. Beidseitig der Thur kommen drei bis vier Meter breite Wege hin, damit sie von Lastwagen befahren werden können.

Seltsam an der Thursanierung ist, dass es genügt, wenn die Thur im Zentrum von Wattwil für den Hochwasserschutz von 20 auf 30 Meter verbreitert wird. Bei der Postbrücke in Wattwil ist ohnehin nicht mehr möglich. Dort ist die Brücke sogar noch wichtiger als der Hochwasserschutz. Talaufwärts Richtung Ebnat-Kappel und talabwärts Richtung Lichtensteig verliert dann die Thursanierung jedes Mass. Die Breite des Flusses wird von 50 auf neu 94 Meter und die Sohlenbreite von 23 Meter auf neu 70 Meter erhöht. Innerhalb des Dorfs nimmt man zu Recht Rücksicht auf Industrie, Gewerbe und Häuser. Ausserhalb des Dorfs kauft man für einen Spottpreis Landwirtschaftsland und behandelt es dann ohne Respekt. Unsere Ernährungsgrundlage wird zerstört und abgebaggert, damit es nachher tote und heisse Kiesbänke gibt.

Dieser Kies führt mich zum nächsten Stichwort: die Verbreiterung der Thur. Die Revitalisierung ist sogar Gift für den Hochwasserschutz. Beim Walensee gaben wir für die Aufweitung des Linthkanals auf Glarner Boden St.Galler Steuergelder aus. Was passierte? Der Fluss verlangsamte sich und verlandete innert acht Jahren. Der Mensch musste eingreifen. 28'000 m3 Kies – also 2'400 Lastwagenladungen – mussten entnommen werden. Die Kosten betragen acht Jahre nach der Verbreiterung der Linth fast 400'000 Franken. Nun zahlen wir alle acht Jahre 400'000 Franken, um die Linth auszubaggern. Dasselbe droht in Wattwil. Anderes Beispiel: Die Suhre im Kanton Luzern wurde revitalisiert. Auch dort wurde Kies dringelassen. Was passierte? Der Sempachersee floss nicht mehr richtig ab. In den letzten Tagen musste die Luzerner Kantonsregierung notfallmässig die Revitalisierung zerstören, damit der See nicht überläuft. Sie sehen: Die Revitalisierung und die Thurverbreiterung schiessen in der Landwirtschaftszone über das Ziel hinaus.

Die Thur ist im ganzen Toggenburg ein Wildbach. Nur dort in Wattwil ist sie kanalisiert. Das ist aus unserer Sicht auch tragbar, sofern der Hochwasserschutz gewährleistet ist. Kommen Sie einmal nach Lichtensteig in die Äulischlucht – Müller-Lichtensteig kann es bestätigen – oder nach Bütschwil zum Ganggelisteg. Es geht gar nicht mehr um den Hochwasserschutz ausserhalb des Dorfs. Im Faktenblatt stand nichts mehr. Es geht nur noch um die Ökologie. Und diese ist auch das neue Zentrum des Faktenblatts. So liest man es. Eine Bauernfamilie ist von der Thursanierung dermassen in ihrer Existenz bedroht, dass sie nur noch leben, aber nicht mehr investieren kann. Dann kommt der Satz im Faktenblatt, der mich am meisten stört: Es sei ja nicht so schlimm. Die Bauernfamilien können weiterhin die Thurporte mähen – mit all den Büschen und dem Hundekot. Das sei schliesslich ein guter Erwerbsersatz.

Das Bau- und Umweltdepartement kommuniziert in dieser Sache nicht ganz fair. Stets werden diese Faktenblätter präsentiert. Und stets eine Woche vor der Öffentlichkeit werden sie den Medien präsentiert. Alle Medienvertreter werden nach Wattwil eingeladen, wobei sie dann unwidersprochen über die Meinung der Regierung berichten. Eine Woche später werden die Bürger eingeladen. Die Bürger sind also die Nummer zwei und die Medien sind die Nummer eins. Sie können es sich vorstellen: Die Medien berichten über die Aspekte der Thursanierung, welche die Regierung gern hätte, und die Bürger können dann mit Leserbriefen hintendran im kleinen Toggenburg ihre Kritik üben.

Jetzt ist es Zeit, sich wieder auf den Hochwasserschutz zu konzentrieren. In Abständen von wenigen Tagen gibt es im «Toggenburger» Leserbriefe gegen die Thursanierung Wattwil. Das sind keine guten Vorzeichen. Wenn schon die Toggenburger Bevölkerung gegen die Thursanierung ist, wie will die Regierung dann eine Millionenabstimmung im ganzen Kanton gewinnen? Wir wissen es nicht.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession
18.9.2024Wortmeldung

Tschirky-Gaiserwald (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Die Interpellantin ist mit der Antwort der Regierung teilweise zufrieden.

Auch die Mitte-EVP-Fraktion steht klar hinter der Thursanierung und ist bereit, entsprechende Kosten dafür aufzuwenden bzw. dafür – wahrscheinlich durch die St.Galler Bürgerschaft – genehmigen zu lassen. Die Thematik steht ja insbesondere vor dem Hintergrund der neusten Hochwasserentwicklung im östlichen Europa wieder im Blickfeld. Wenn man sich aber die Antworten auf die gestellten Fragen zu Gemüte führt, stellt man fest, dass einige Sachen ein etwas mulmiges Gefühl auslösen. Wenn den sehr zahlreichen negativen Rückmeldungen im Mitwirkungsverfahren mit der Bemerkung begegnet wird, erfahrungsgemäss würden sich im Mitwirkungsverfahren eher Bürgerinnen und Bürger melden, die den Projekten kritisch gegenüberstünden, so erachte ich diese Kommunikation doch als eher unglücklich. Auch mit Blick auf die Tatsache, dass die Ausgewogenheit des Projekts im Vordergrund zu stehen hat.

Die zentrale Frage der von den drei bürgerlichen Fraktionen eingereichten Interpellation ist, ob die Regierung bereit ist, eine redimensionierte Alternativvariante, die den Sicherheitsaspekten ebenfalls genügt, zu prüfen. Die Antwort darauf fällt ein bisschen schmalbrüstig aus und zielt v.a. darauf ab, das bisherige Projekt mit allen Mitteln zu verteidigen. Eines der Hauptprobleme ist die finanzielle Dimension des Projekts. Auch vor diesem Hintergrund wurde eine deutliche Reduktion des Projekts gefordert. Denn es ist zu befürchten, dass das ambitionierte Vorhaben an den immens hohen Kosten scheitern könnte. Gemäss dem aktuellen Kostenstand werden diese auf 110 Mio. Franken geschätzt, wobei das Wort «aktuell» eigentlich nicht zutrifft. Denn die Schätzungen basieren noch auf den Preisen aus dem Jahr 2018. Was seither mit den Baupreisen passiert ist, wissen wir alle. Ohne eine ernsthafte Redimensionierung dürften die Gesamtkosten letztlich irgendwo bei 130 bis 140 Mio. Franken oder noch mehr zu liegen kommen. Das ist sehr viel Geld für die Sanierung eines gut vier Kilometer langen Flussabschnitts. Finanziert werden soll das Ganze – abgesehen von den Bundesbeiträgen – von der Gemeinde Wattwil und im Wesentlichen vom Kanton. Da die Kostenexplosion absehbar ist, wenn keine echten Einsparungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden, droht das ganze Projekt an der Urne zu scheitern. Das wäre nicht nur ein finanzielles Fiasko, sondern würde auch dem Gedanken des Hochwasserschutzes nicht gerecht werden.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession
18.9.2024Wortmeldung

Bosshard-St.Gallen: Wir wären dankbar gewesen, wenn wir eine kurze Information erhalten hätten, dass eine Diskussion beantragt wird. Dann hätten wir uns auch so gut vorbereiten können wie die beiden Vorredner. Aber ich bin jetzt mal so spontan und reagiere auf diese Voten und auf die Antwort der Regierung.

Es ist unbestritten, dass der Hochwasserschutz angesichts des Klimawandels einen hohen Stellenwert haben muss. Auch wenn Sie jetzt auf Google nach «Hochwasser» suchen und auf «News» klicken, kommen enorm viele Berichte über aktuelle Hochwasserproblematiken in ganz Europa. In Deutschland steigt die Elbe, Jahrhunderthochwasser usw. Wir haben einen sehr grossen Handlungsbedarf.

An der Thur wurde vor 100 Jahren der Schutz gebaut. Er ist in die Jahre gekommen und es muss gehandelt werden. Wenn an einem Fluss Bautätigkeiten erfolgen, muss überprüft werden, dass man diesen ökologisch und dem Hochwasserschutz gerecht wird. Wenn ich die Antwort der Regierung lese, habe ich das Gefühl, dass es ein sehr gut aufgegleistes Projekt ist. Im Mitwirkungsverfahren sind die positiven und die negativen Rückmeldungen in etwa ausgeglichen. Es ist also nicht nur Kritik vorhanden. Auch bezüglich der Alleebäume wurde erwähnt, dass ein Baumschutzkonzept vorliegt. Das ist ein vorbildliches Vorgehen. Selbstverständlich ist es hier eine Interessenabwägung. Ich habe auch keine Freude, wenn viele Bäume gefällt werden müssen. Aber in dieser Angelegenheit müssen wir uns fragen, was uns wichtiger ist. Da hat der Hochwasserschutz und die Förderung der Biodiversität und der Ökologie von Gewässerläufen einen hohen Stellenwert. Daher ist es klar, dass auch mal ein Baum in diesem Sinn geopfert werden muss. Aber die Interpellantinnen haben betont, dass es ihnen nicht nur um diese Bäume gehe. Selbstverständlich ist es unschön, wenn Landwirtschaftsland geopfert werden muss. Es gibt aber auch andere Gründe, weshalb sich der Siedlungsraum ausdehnt. Ich wäre der Landwirtschaft dankbar, wenn sie sich auch dort einsetzte. Aber hier müssen wir einfach sagen, dass es eine klare Interessenabwägung ist, die aus meiner Beurteilung sehr sorgfältig und ausgewogen gemacht wurde. Daher kann ich der Regierung oder dem Kanton für die Arbeit und die gute Aufgleisung des Projekts einen Dank aussprechen. Auch wenn Kritik angebracht wird, hoffe ich, dass dieses Projekt so ökologisch und so ausgewogen wie möglich ausgeführt wird.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession
18.9.2024Wortmeldung

Schuler-Mosnang (im Namen der FDP-Fraktion): Die Interpellantin ist mit der Antwort der Regierung teilweise zufrieden.

Die FDP-Fraktion steht hinter dem Hochwasserschutz und stellt die Notwendigkeit der Thursanierung nicht in Frage. Das Projekt wollen wir denn auch nicht verhindern, sondern befürworten eine zeitnahe, mehrheitsfähige Lösung. Vor diesem Hintergrund ist uns auch bewusst, dass das Kulturland keinen absoluten Schutz geniesst und gewisse Einschränkungen hinzunehmen sind, um den bundesrechtlichen Vorgaben zu entsprechen. Dennoch ist gerade die Antwort darauf, ob die Regierung bereit sei, eine weitere Variante unter Berücksichtigung der wichtigsten Rückmeldungen aus dem Mitwirkungsverfahren auszuarbeiten, eher dürftig ausgefallen. Der Vorzugsvariante der Regierung, die weitreichende Revitalisierungsmassnahmen vorsieht und der das Bundesamt für Umwelt bereits eine ungenügende Wirtschaftlichkeit zugebilligt hat, stellt die Regierung einzig die Variante «Mauergerinne» mit beidseitigen drei Meter hohen Ufermauern im gesamten Siedlungsgebiet von Wattwil gegenüber. Die Planer dürften es wohl vorhergesehen haben, kommt die Regierung doch zum Schluss, dass die Bewilligungsfähigkeit dieser Variante nicht gegeben sei. Das scheint nicht ganz ungelegen zu kommen, konnte man so gleich auf eine Kostenermittlung der Variante verzichten.

Die Regierung bringt damit zum Ausdruck, dass es trotz Kritik von fachlicher Seite, aus dem Kantonsrat und aus der Region auf dem ganzen Projektperimeter – immerhin eine Länge von fünf Kilometern – nur eine Variante geben kann, nämlich die bestehende. Die Prüfung der Variante «Mauergerinne» verkommt damit gewissermassen zur Makulatur. Darauf deutet nicht zuletzt die Tatsache hin, dass die Alternativvariante nur einen Abschnitt von etwas mehr als zwei Kilometern abdeckt und einzig auf den Erhalt der Allee fokussiert. Eine verpasste Chance, insbesondere für all jene, die eine Thursanierung nicht grundsätzlich ablehnen und deren Notwendigkeit erkennen.

Dieses Vorgehen ist deshalb nicht nachvollziehbar, als in den vergangenen Jahren von der Regierung selbst zahlreiche Varianten ausgearbeitet wurden, die jetzt in der Interpellationsantwort nicht einmal Erwähnung finden. Die Antwort lässt weiter ausser Acht, dass der Erhalt der Alleebäume nicht das Hauptanliegen der Interpellanten war, sondern die minimale Beanspruchung von fremdem Grundeigentum und der verhältnismässige Einsatz von Steuergeldern zumindest ebenso im Fokus standen. Gerade Letzterer sollte bei einem Projekt von 110 Mio. Franken einen hohen Stellenwert haben.

Wir stehen hinter dem Hochwasserschutz und auch im Grundsatz hinter der Thursanierung. Wir haben aber Zweifel, dass die Prüfung der Variante «Mauergerinne», die wohl das bestehende Projekt in gutem Licht dastehen lassen sollte, das Vertrauen in die Thursanierung und das bestehende Projekt stärkt.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession
18.9.2024Wortmeldung

Schmid-Buchs (im Namen der SVP-Fraktion): Die Interpellantin ist mit der Antwort der Regierung nicht zufrieden.

Zur Erinnerung: Bei der Thursanierung Wattwil will der Kanton entlang der Thur rund 150 Alleebäume fällen. 150 weitere Alleebäume sollen teuer verpflanzt werden. Die Thursanierung führt in Wattwil zur Einschränkung und Beanspruchung von Grundeigentum von über 100 Privateigentümern und zur Zerstörung von 5,7 Hektaren Landwirtschaftsland. Dazu gehören 2,5 Hektaren Fruchtfolgeflächen – die schönsten und ebenen Böden im hügeligen Toggenburg, wie man mir sagte. Kosten soll die Thursanierung Wattwil rund 112 Mio. Franken. Im letzten Herbst forderten die drei Fraktionen SVP, FDP und Mitte die Regierung nochmals auf, eine Alternativvariante zur damals geplanten Thursanierung zu prüfen. Hintergrund ist, dass die Thursanierung Wattwil im Toggenburg sehr umstritten ist. Der Widerstand durch Leserbriefe, Bürgerkomitees und Kantonsräte ist enorm. Das Unverständnis ist gross, und die Bevölkerung fühlt sich nicht verstanden. Die Mitwirkungsantworten für die Thursanierung fielen im Juni 2023 vernichtend aus. Von 165 Mitwirkenden waren 150 gegen die Thursanierung Wattwil.

Die Antwort der Regierung vom 4. Juni 2024 auf die überfraktionelle Interpellation ist für die SVP-Fraktion nicht nachvollziehbar. Die geprüfte Alternativvariante ist schlicht keine ernsthafte Option. Die geprüfte Alternativvariante ging davon aus, dass für die Interpellanten v.a. nur die Bäume von Relevanz sind. Es ist wohl kaum wahrscheinlich, dass die drei bürgerlichen Fraktionen nur der Bäume wegen interveniert haben. Den Interpellantinnen ging es v.a. auch um den Schutz des privaten Grundeigentums, um den Schutz des Landwirtschaftslands und um einen massvollen Einsatz der St.Galler Steuergelder.

Die SVP-Fraktion vermutet, dass dahinter ein gewisses Kalkül stecken könnte. Vielleicht möchte die Regierung mit einer noch schlechteren Variante ihre bisherige Idee stützen und in ein etwas besseres Licht rücken. Beispiele: bis zu einem Meter höhere Dämme bzw. Wege entlang der Thur oder drei Meter hohe Mauern auf 2,4 Kilometer Flusslauf durch das Dorf Wattwil. Das ist mit Sicherheit nicht das, was die drei Fraktionen wollten. Die Regierung redete in der Alternativvariante sogar noch eine Verbesserung der Landbeanspruchung von 2'800 m2 im Dorf Wattwil schlecht, was doch ungewöhnlich ist. Das sind immerhin 70 Zentimeter je Grundstück an der Thur zugunsten der Hauseigentümer.

Und zu guter Letzt: Die Fraktionen verlangten für die ganze Thursanierung Wattwil eine Alternativvariante. Beim Schutz des Landwirtschaftslands ausserhalb des Dorfs hat sich die Regierung aber nicht um eine Überprüfung bemüht. Das ist sehr enttäuschend und zeugt von wenig Respekt gegenüber der Landwirtschaft und einem fehlenden Blick für die wesentlichen Aspekte bzw. Anliegen. Zudem ist fragwürdig, dass die Kosten der Alternativvariante nicht genannt wurden.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession
18.9.2024Beschluss

Der Kantonsrat stimmt dem Ordnungsantrag der SVP-Fraktion / FDP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion auf Diskussion mit 72:32 Stimmen bei 1 Enthaltung zu.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession
18.9.2024Wortmeldung

Schmid-Buchs beantragt im Namen der SVP-Fraktion / FDP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion Diskussion.

Aufgrund der Brisanz des Themas und aufgrund der Antwort gibt es definitiv Diskussionsbedarf.

Session des Kantonsrates vom 16. bis 18. September 2024, Herbstsession