Geschäft: Totalrevision des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRP)
Komitee | Kantonsrat |
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Nummer | 42.23.21 |
Titel | Totalrevision des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRP) |
Art | KR Motion |
Thema | Zivilrecht, Strafrecht, Rechtspflege |
Federführung | Sicherheits- und Justizdepartement |
Eröffnung | 27.11.2023 |
Abschluss | 30.4.2024 |
Letze Änderung | 17.7.2024 |
vertraulich | Nein |
öffentlich | Ja |
dringend | Nein |
Datum | Akteur | Titel | Letze Änderung |
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27.11.2023 | Person | Erstunterzeichner/-in - Louis-Nesslau | 21.11.2024 |
27.11.2023 | Person | Erstunterzeichner/-in - Surber-St.Gallen | 22.8.2024 |
27.11.2023 | Person | Erstunterzeichner/-in - Schöbi-Altstätten | 21.11.2024 |
27.11.2023 | Person | Erstunterzeichner/-in - Locher-St.Gallen | 6.8.2024 |
Datum | Titel | Resultat | öffentlich | ||||
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Ja | Bedeutung | Nein | Bedeutung | Absent / Enthaltung | |||
30.4.2024 | Gutheissung | 92 | Zustimmung | 0 | Ablehnung | 28 |
Datum | Typ | Wortlaut | Session |
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30.4.2024 | Beschluss | Der Kantonsrat heisst die Motion mit 92:0 Stimmen gut. | Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession |
30.4.2024 | Struktur | Die Spezialdiskussion wird nicht benützt. | Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession |
30.4.2024 | Wortmeldung | Dürr-Gams, Ratsvizepräsidentin, stellt Eintreten auf die Motion fest. | Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession |
30.4.2024 | Wortmeldung | Surber-St.Gallen (im Namen der SP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten. Ich habe mir vorgenommen, nicht mehr inhaltlich zu sprechen an dieser Session. Als Mitunterzeichnerin der Motion kann ich Ihnen aber mitteilen, dass die SP-Fraktion diese Motion ebenfalls unterstützt. | Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession |
30.4.2024 | Wortmeldung | Mattle-Altstätten (im Namen der GLP): Auf die Motion ist einzutreten. Die Motionärinnen und Motion äre sind sich mit der Regierung einig, dass das VRP totalrevidiert werden soll. Wir werden uns nicht dagegen aussprechen. Im Gegenteil, wir unterstützen das sehr. Aus einer weniger juristischen und vielmehr praktischen Warte sehen wir den dringenden Bedarf, das VRP an neue Entwicklungen anzupassen, so, wie es auch die Regierung ausführt. Gerade in den Bereichen Digitalisierung und elektronische Kommunikation besteht dringender Handlungsbedarf. Das von der Regierung vorgeschlagene Vorgehen erachten wir als sinnvoll. | Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession |
30.4.2024 | Wortmeldung | Schöbi-Altstätten (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten. Ich werde nicht meine Vorredner wiederholen. Das VRP ist alt und die Welt hat sich weiterentwickelt. Das VRP ist reformbedürftig. | Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession |
30.4.2024 | Wortmeldung | Louis-Nesslau (im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten. Wir haben es gehört, das VRP ist rund 60 Jahre alt. Das Gesetz ist schwer leserlich und damit schwer verständlich geworden. Nur schon deshalb ist es Zeit für eine Gesamtrevision. Die weiteren relevanten Argumente haben Sie von Locher-St.Gallen gehört. Ich fasse zusammen: aus Stillstand wieder Fortschritt machen. Im Sinn einer zeitgemässen und verständlichen Gesetzgebung zur Verwaltungsrechtspflege heissen wir die Motion gut. | Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession |
30.4.2024 | Wortmeldung | Locher-St.Gallen: Auf die Motion ist einzutreten. Im Gegensatz zu verschiedenen Vorstössen, die sich mehr mit der Tagesaktualität befassen, haben wir es hier mit einer sehr gewichtigen Motion zu tun, die, wenn sie angenommen wird, die Rechtspflege und die Rechtsfortbildung in diesem Kanton wesentlich beeinflussen wird. «Stillstand und Fortentwicklung» heisst das Buch, das der St.Gallische Juristenverein im Jahr 1965 aus Anlass der schweizerischen Jahrestagung im Kanton St.Gallen herausgegeben hat. Ich habe es hier, es steht seit 45 Jahren in meiner Bibliothek. In diesem Werk befassen sich zwei herausragende Juristen, die nicht mehr unter uns sind, mit dem Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (sGS 951.1; abgekürzt VRP), die im Jahr 1965 beschlossen wurde. Es sind dies der spätere Regierungsrat Gottfried Hoby, Vorsteher des damaligen Sanitätsdepartementes, und Prof. Ivo Hangartner, einer der herausragenden Staatsrechtler. Sie hatten die Situation des Stillstands in der Rechtspflege im Jahr 1964 analysiert. Wir hatten damals keine Überprüfung regierungsrätlicher Entscheide durch ein unabhängiges Gericht. Die erstmalige umfassende Überprüfung von regierungsrätlichen Entscheiden wurde dann zusammen mit der Totalrevision des VRP eingeführt. Man hat den Stillstand überwunden und eine Entwicklung angestossen, die über einige Jahre sehr wichtig und sehr bedeutend geworden ist. Wie das aber bei älteren Gesetzen der Fall ist, hat sich mit der Zeit wieder Stillstand eingestellt. Die heutige Situation ist mit jener von 1965 nicht vergleichbar. Das VRP wurde insgesamt neunmal revidiert, und die Situation in der Verwaltungsrechtspflege hat sich völlig geändert. Ich möchte Sie nicht mit juristischen Themen langweilen, aber Sie müssen sehen: Im damaligen System entschieden sieben Regierungsräte über Entscheide in der Verwaltungsrechtspflege. Es herrschte das 14-Augen-Prinzip. Das wurde mit Revisionen sukzessive eingedampft. Ich war damals auch im Kantonsrat. Insbesondere in den 2010er- und 2015/2016er-Jahren hat man die Rechtsmittelinstanz Regierung zunehmend eingedampft. Heute existiert sie nicht mehr. Heute entscheiden die einzelnen Departemente oder die Departementsvorsteher. Diese Entscheide können an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden. Das ist das heutige System der verwaltungsinternen Rechtspflege, das immer wieder zu grosser Kritik Anlass gegeben hat. Die Rechtspflegekommission hat diese Situation mehrfach analysiert, einmal 2015/2016. Sie hat festgestellt, dass die Situation heute so ist, dass diejenigen, die entscheiden, nämlich die einzelnen Regierungsräte, diese Entscheide kaum mehr vorbereiten, sondern den fertigen Entscheid auf den Tisch bekommen, und diejenigen, welche die Entscheide vorbereiten, nicht entscheiden. Ich muss Ihnen nicht sagen, dass das unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zumindest problematisch ist. Die Welt hat sich aber auch sonst gewandelt. Die Bundesgesetzgebung ist wesentlich dichter geworden. Es sind viele neue Erlasse seit dem Jahr 1965 in Kraft getreten, die damals noch nicht vorhanden waren. Es herrscht heute ein Dickicht an unterschiedlichen Instanzenzügen, mit dem sogar die Juristen Mühe haben herauszufinden, an welche Instanz bzw. mit welcher Argumentation man wie gegen Entscheide, die man anfechten möchte, angehen muss. Es sind zum Teil Instanzenzüge an der Linie von politischen Opportunitäten entstanden. Wir beklagen uns über schleppende Verfahren. Es ist auch zunehmend der Wunsch entstanden, Verfahren zu beschleunigen, ohne dass man deswegen den Rechtsschutz in irgendeiner Form zu stark beschränkt. Es ist auch, wie es aus dem überparteilichen Motionswortlaut hervorgeht, der Wunsch nach mehr Mündlichkeit entstanden. Heute sind die Verfahren, insbesondere vor den Verwaltungsbehörden bzw. in den Departementen, eigentlich nicht mehr mündlich. Wenn man von einem Augenschein absieht, den in der Regel der instruierende Jurist des Departementes macht, aber ganz sicher nicht der Regierungsrat oder die Regierungsrätin, die das dann zu entscheiden hat. Der stellvertretende Präsident des Verwaltungsgerichtes, Arthur Brunner, auch neuer Ersatzbundesrichter, hat kürzlich in einem sehr beachtlichen Referat vor Juristen auf den Aspekt der Mündlichkeit hingewiesen. Mündlichkeit zur Wahrung des rechtlichen Gehörs, aber auch zur Steigerung der Urteilsakzeptanz. Vom Wert der Mündlichkeit und vom Instrument der Mündlichkeit wird heute praktisch kein Gebrauch mehr gemacht, wenn man von den mündlichen Äusserungen von einem Augenschein des instruierenden Sachbearbeiters absieht. Mündlichkeit erhöht die Urteilsqualität und hilft manchmal demjenigen, der entscheiden muss, vielleicht auch zu sehen, dass gewisse Aspekte, die sich aus den Akten nicht erschliessen, durchaus wesentlich sein können. Das sind zwei, drei Schlagworte, die Louis-Nesslau, Surber-St.Gallen, Schöbi-Altstätten und ich in den Motionswortlaut aufgenommen haben. Ich möchte nicht auf die einzelnen Punkte weiter eingehen. Aber jede und jeder von uns, die in irgendeinem Verfahren der Verwaltungsrechtspflege einmal drin waren oder in ein solches Verfahren hineinkommen könnten, sind darauf angewiesen, dass die Entscheide rasch, sorgfältig und mit der nötigen Wahrung und Beachtung des rechtlichen Gehörs gefällt werden. Das möchten wir anstossen. Das wird eine grosse Aufgabe für den neuen Vorsteher oder die neue Vorsteherin des Sicherheits- und Justizdepartementes, der oder die diese Gesetzesarbeiten zuhanden der Regierung und des Kantonsrates vorbereiten muss. Ich möchte das zusammenfassen: Es geht darum, wie im Jahr 1965, aus Stillstand wieder Fortschritt zu machen, damit wir wieder über ein Gesetz verfügen, das in den nächsten 30 bis 40 Jahren Bestand hat und den Rechtsuchenden im Kanton eine klare, gute und gut lesbare Grundlage bildet und zu einem möglichst gerechten Entscheid führt. Meine Schlussbemerkung ist die Frage nach der Methode. Sie wissen, dass dies meine letzte Session ist. Ich befasste mich im Kantonsrat mehrfach mit grossen und grösseren Gesamtrevisionen. Bei einzelnen hatte ich das Privileg, die Kommission präsidieren zu dürfen. Ich erinnere an das Planungs- und Baugesetz, an das Polizeigesetz, das wir in einer weiteren Fassung gestern beraten haben, an das Feuerschutzgesetz, an das Energiegesetz usw. Vor Ihnen steht die Revision des Volksschulgesetzes. Wieso erwähne ich das? Als Jurist muss ich Folgendes sagen, und ich bin mir bewusst, dass ich jetzt den ganzen Zorn der st.gallischen Verwaltung auf meinen Rücken lade: Das Schlimmste, was man tun kann, ist, dass man diejenigen, die das Gesetz heute schon anwenden oder anwenden müssen, mit der Vorbereitung einer solch schwierigen Aufgabe betraut. Ich bin klar der Meinung, dass wenn die Regierung an dieses Geschäft geht, sie zwar die Fachkenntnis, die Erfahrungen und das wichtige Wissen der Verwaltung mitnehmen sollte. Aber sie sollte den Mut haben, wie das damals 1964 oder 1965 auch geschehen ist, die Arbeit an diesem Gesetz jemand Aussenstehendem anzuvertrauen. Prof. Ivo Hangartner hat in meinem erwähnten Buch einen sehr lesenswerten Artikel über rechtsstaatliche Gesetzestechnik verfasst. Aus dieser Festschrift des St.Gallischen Juristenvereins von 1965 zitiere ich eine Stelle auf S. 115, die m.E. für die Totalrevision wegleitend sein muss: «Die Praxis zeigt, dass die Gesetzgebung auf die Fachkenntnisse und Erfahrungen jener angewiesen ist, welche die Gesetze anwenden (Verwaltung usw.). Die unmittelbar betroffenen Verwaltungs- und Gerichtsinstanzen dürfen aber aus gesetzestechnischen so gut wie aus staatspolitischen Gründen nicht das faktische Gesetzgebungsmonopol haben, sondern sie müssen eben von aussen angestossen werden.» Ich glaube, wenn wir alle ein gutes Gesetz wollen, müssen wir genau diesen Grundsatz von Prof. Ivo Hangartner, der im Jahr 1965 niedergelegt wurde, beachten: nämlich ein Gesetz nach aussen geben, einem Experten oder einer Expertengruppe, und dann kann man das politisch diskutieren. Aber wir sollten es nicht so machen, wie in den nicht so guten Beispielen, die ich zitiert habe. Ich hoffe, dass der Kantonsrat dieser Motion von uns vier parteiübergreifenden Motionären – es ist nicht eine politische Frage, sondern eine staatsrechtliche und eine staatspolitische Notwendigkeit – zustimmt und dann die Regierung die nötige Feinheit besitzt, eine kluge und gute Verfahrensordnung für die nächsten 30 bis 40 Jahre in Auftrag zu geben. | Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession |
30.4.2024 | Wortmeldung | Dürr-Gams, Ratsvizepräsidentin: Die Regierung beantragt Gutheissung der Motion. | Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession |