Geschäft: Grundlagen der Familienpolitik im Kanton St.Gallen
Komitee | Kantonsrat |
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Nummer | 40.23.05 |
Titel | Grundlagen der Familienpolitik im Kanton St.Gallen |
Art | KR Bericht |
Thema | Gesundheitspflege, Sozialversicherung, Sozialhilfe |
Federführung | Departement des Innern |
Eröffnung | 26.10.2023 |
Abschluss | pendent |
Letze Änderung | 20.2.2024 |
vertraulich | Nein |
öffentlich | Ja |
dringend | Nein |
Publiziert | Typ | Titel | Datei |
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30.10.2023 | Bericht | Anhang 4 zum Bericht der Regierung vom 24. Oktober 2023 | |
30.10.2023 | Bericht | Bericht der Regierung vom 24. Oktober 2023 | |
28.11.2023 | Allgemein | Kommissionsbestellung des Präsidiums vom 27. November 2023 | |
20.2.2024 | Antrag | Antrag SP-Fraktion / GRÜNE-Fraktion zu Auftrag Ziff. 2 vom 19. Februar 2024 | |
20.2.2024 | Antrag | Antrag SVP-Fraktion / Die Mitte-EVP-Fraktion zu Auftrag Ziff. 1 vom 19. Februar 2024 |
Datum | Akteur | Titel | Letze Änderung |
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28.11.2023 | Gremium | Beteiligung - 40.23.05 voKo Grundlagen der Familienpolitik im Kanton St.Gallen | 21.3.2024 |
Datum | Titel | Resultat | öffentlich | ||||
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Ja | Bedeutung | Nein | Bedeutung | Absent / Enthaltung | |||
20.2.2024 | Antrag SP-Fraktion / GRÜNE-Fraktion zu Ziff. 2 der Aufträge | 27 | Zustimmung | 83 | Ablehnung | 10 | |
20.2.2024 | Antrag SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion zu Ziff. 1 der Aufträge | 68 | Zustimmung | 47 | Ablehnung | 5 |
Datum | Typ | Wortlaut | Session |
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20.2.2024 | Beschluss | Der Kantonsrat lehnt den Antrag der SP-Fraktion / GRÜNE-Fraktion zu Ziff. 2 der Aufträge mit 83:27 Stimmen ab. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Kobler-Gossau: Dem Antrag der SP-Fraktion / GRÜNE-Fraktion ist zuzustimmen. Viele Argumente für die Familien-EL wurden heute Nachmittag schon geäussert. Ich will diese nicht wiederholen, möchte jedoch auf einen Aspekt eingehen: Den Aspekt der Eigenverantwortung. Von bürgerlicher Seite heisst es immer wieder, die Eigenverantwortung zählt. Auch heute fiel schon einige Male das Wort «Eigenverantwortung». Doch die Grenzen der Eigenverantwortung sind erreicht, wenn sogar zwei oder drei Jobs einer Familie nicht reichen, um über die Runden zu kommen. Familien, denen es trotz Arbeit der Eltern zum Leben nicht reicht, darf es in einem fortschrittlichen Kanton St.Gallen meines Erachtens nicht geben. Darum braucht es punktuelle Familien-EL. Mit der Einführung von Familien-EL wird der alltägliche Stress reduziert, die Familien werden vom grossen Druck entlastet. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Wüst-Oberriet (im Namen der SVP-Fraktion): Der Antrag der SP-Fraktion / GRÜNE-Fraktion ist abzulehnen. Die SVP-Fraktion ist gegen die Familien-EL. Wir finden, das ist das falsche Instrument und geht uns ganz klar zu weit. Wir müssen schauen, dass die Eltern vermehrt wieder in die Arbeitswelt integriert werden können. Der Kanton hat gerade im Bereich der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung und Vereinbarkeit in den letzten Jahren viel verbessert. Waren es 2016 noch 8’500 Kinder, welche die Betreuungsangebote nutzten, waren es 2021 schon 11’400. Wir haben eine Steigerung von 35 bis 45 Prozent. Für die SVP-Fraktion ist ganz klar, wir müssen den Hebel anders ansetzen und nicht bei der Familien-EL. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Suter-Rapperswil-Jona (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Der Antrag der SP-Fraktion / GRÜNE-Fraktion ist abzulehnen. Die Mitte-EVP-Fraktion hat ihre Haltung zum Thema Familien-EL bereits klargestellt. Wir setzen bei der Armutsbekämpfung auf eine Optimierung der bestehenden Instrumente. Einige Verbesserungsmöglichkeiten wurden im Rahmen der Kommission diskutiert und auch heute in dieser Debatte erwähnt. Darauf gilt es aufzubauen. Wir lehnen aber die Einführung neuer Instrumente wie die Einführung einer kantonale Familien-EL ab. Wir folgen damit der Haltung der Regierung, die sie im Bericht darlegt, aber auch heute ausgeführt hat. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Pool-Uznach (im Namen der FDP-Fraktion): Der Antrag der SP-Fraktion / GRÜNE-Fraktion ist abzulehnen. Die Regierung hält in ihrem Bericht fest, dass eine Familien-EL nicht angezeigt ist. Dieser Haltung schliesst sich die FDP-Fraktion an. In den letzten Jahren hat der Rat im Zusammenhang mit anderen Geschäften – z.B. Ressourcenstärke, Steuergesetz, familien- und schulergänzende Kinderbetreuung usw. – diverse familienfreundliche Unterstützungen und Entlastungen beschlossen: Steuerliche Entlastung durch Erhöhung des Kinderabzugs von 7’200 auf 10’200 Franken pro Kind pro Jahr; Steuerliche Entlastung bei der Drittbetreuung von Kindern – Kinderbetreuungskosten können bis zu 25’000 Jahr Franken pro Jahr und Kind abgezogen werden; Beiträge zur familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung haben wir auf 10 Mio. Franken erhöht; Ein erhöhtes Angebot der schulergänzenden Kinderbetreuung, welches im Herbst 2024 umgesetzt sein sollte. Die FDP-Fraktion ist klar der Meinung, dass Familien unterstützt werden müssen, wenn sie aus eigenen möglichen Ressourcen für die finanziellen Aufwände des Alltags nicht aufkommen können. Der Bericht zeigt im Anhang auf 15 Seiten auf, wie vielseitig und anzahlmässig hoch die unterstützenden Angebote für Familien sind. Des Weiteren sind auch finanzielle Gefässe wie die finanzielle Sozialhilfe vorhanden. Der Bericht wurde im Oktober 2019 kurz vor der Coronapandemie in Auftrag gegeben. In der Annahme, dass die Datenerhebung aktuell ist, fällt diese Datenerhebung in die Zeit der Coronapandemie. Die Wirtschaft zeigt heute, dass sich die Situation nach den sicher erschwerten finanziellen Lagen während der Coronapandemie wieder am erholen ist. Weiteres Argument: Arbeit muss sich lohnen. Eine in Aussicht gestellte Familien-EL scheint uns beim heutigen Fach- und Arbeitskräftemangel kein geeignetes Instrument zu sein, diesem Mangel entgegenzuwirken. Die FDP-Fraktion lehnt die Einführung einer Familien-EL ab. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Losa-Mörschwil (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Dem Antrag der SP-Fraktion / GRÜNE-Fraktion ist zuzustimmen. Das Thema EL für Familien in prekären finanziellen Situationen ist nicht neu. Bereits 2007/2009 und 2021 – um nur die Wichtigsten zu nennen – gab es Vorstösse und Bemühungen, um der Familienarmut in unserem Kanton sinnvoll und effizient begegnen zu können. Heute im 2024 ist es wieder auf dem Tisch. In all diesen vergangenen Jahren blieben zahlreiche Familien mit ihren Kindern in der Sozialhilfe hängen und haben die Armut vermutlich bereits weitervererbt – mittlerweile wissen wir, dass dies oft der Fall ist. Aber es sind nicht nur einzelne Kantonsrätinnen und Kantonsräte, die immer wieder auf die Vorteile einer Familien-EL hinweisen. Auch verschiedene Fachverbände oder Fachorganisationen würden seit langem ein solches Instrument begrüssen, um Familienarmut gezielt zu vermeiden. Der Bericht «Grundlagen der Familienpolitik im Kanton St.Gallen» ist ein guter Bericht und zeigt u.a. auch auf, dass die Regierung ein ehrliches Interesse hat, ein familienfreundlicher Kanton zu sein. Ebenfalls begrüssenswert ist das Vorhaben, eine Strategie mit Massnahmen auszuarbeiten. Dass aber erneut das in verschiedenen anderen Kantonen eingesetzte und bewährte Instrument der EL für Familien in Armut nicht berücksichtigt werden will, ist unverständlich. Blenden wir zurück: Im 2021 habe ich zusammen mit Schulthess-Grabs die Motion 42.21.15 «Senkung der Kinderarmut durch Einführung von Familienergänzungsleistungen» eingereicht, die eine EL für Familien in Armut forderte. Wir haben damals aufgrund der wohlwollenden und einsichtigen Antwort der Regierung und der darin erhaltenen Aussicht, dass unserem Anliegen im ausstehenden Familienbericht Beachtung geschenkt wird, die Motion zurückgezogen. Drei Jahre später sind wir diesbezüglich keinen Schritt weiter – im Gegenteil. Mit der Ausarbeitung der Strategie mit einem Massnahmenpaket wird erneut die EL nicht in Betracht gezogen. Das enttäuscht mich. Von vielen Familien, die bereits im 2007 von einer EL hätten profitieren können, sind die Kinder mittlerweile volljährig. Ob und wie sie den Weg ins Leben gefunden haben, wissen wir nicht. Aber ihre Kinder hatten vermutlich einen steinigen Weg und haben evtl. sogar bereits die Armut ihrer Eltern übernommen. Zu den Elternbeiträgen: Diese können ein gutes Instrument sein, aber es geht um etwas anderes. Die Elternbeiträge sind zeitlich sehr beschränkt. Sie können mich korrigieren, ich bin nicht mehr hundertprozentig sicher, aber ich denke, die Elternbeiträge setzen voraus, dass ein Elternteil die Kinder betreut. Es geht also nicht um dasselbe Instrument wie bei der Familien-EL. Diese beiden Formen müssen wir wirklich trennen. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Hauser-Sargans beantragt im Namen der SP-Fraktion / GRÜNE-Fraktion, Ziff. 2 der Aufträge wie folgt zu formulieren: «Die Regierung wird eingeladen, dem Kantonsrat im Rahmen der in Aussicht gestellten Familienstrategie einen Gesetzesentwurf für die Einführung von Familienergänzungsleistungen vorzulegen und dabei die folgenden Eckpunkte zu beachten: a) Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden als Verbundaufgabe, wie von der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) empfohlen; b) Transferleistungen wie Individuelle Prämienverbilligung, Renten und Pensionen (Familienergänzungsleistungen als nachgelagertes bzw. ergänzendes Modell); c) Aufhebung der durch die Einführung der Familienergänzungsleistungen nicht mehr benötigten Instrumente wie Elternschaftsbeiträge.» Bislang beziehen Familien unterhalb des Ergänzungsleistungsexistenzminimums entweder wirtschaftliche Sozialhilfe oder sie beziehen sie aus Angst vor negativen Auswirkungen wie Schulden, Abstufung, Aufenthaltsrecht, Stigmatisierung nicht, was in der Regel grosse Nachteile für die Kinder nach sich zieht. Eine Familien-EL würde einerseits das Einkommen eines Haushalts bis zum Ergänzungsleistungsexistenzminimum ergänzen, andererseits mit Anreizen wie dem Einkommensfreibetrag dafür sorgen, dass Eltern einer Erwerbsarbeit nachgehen können. Im Gegensatz zur wirtschaftlichen Sozialhilfe ist diese Familien-EL nicht rückerstattungspflichtig, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass diese Haushalte aus der Finanzmisere herauskommen. Die Einführung einer solchen Ergänzungsleistung würde zu mehr Chancengerechtigkeit auf verschiedenen Ebenen wie Wohnen, Gesundheit, Integration, Bildung und Arbeitsmarkt führen. In unserem Kanton gehört der beträchtliche Teil von rund 10 Prozent der Haushalte mit Kindern zu den armutsbetroffenen. Bei Personen ohne Kinder ist dieses Risiko dreimal tiefer. In unserem Kanton Kinder zu haben, ist also ein Armutsbeschleuniger. Das ist eigentlich ein Skandal, aber über diesen herrscht mehrheitlich lautes Schweigen. Es handelt sich dabei v.a. um Familien mit einem alleinerziehenden Elternteil und um Familien mit vielen Kindern. So tragen Einelternhaushalte mit 17,1 Prozent ein sechsfach höheres Sozialhilferisiko als Personen ohne Kinder. Insgesamt also jede 10. Familie ist bei uns armutsbetroffen. Für sie ist es ein Problem, wenn plötzlich eine grosse Zahnarztrechnung ins Haus flattert, wenn zwei Kinder im gleichen Monat in ein Skilager wollen oder teilweise sogar wenn ein Kind gegen Ende Monat an eine Geburtstagsparty eines «Gspänli» eingeladen ist und dafür noch ein kleines Geschenk kaufen möchte. Familien sind die Zelle unserer Gesellschaft, das haben wir schon oft gehört. Sie haben einen besonderen Schutz verdient. Kinder zu haben sollte kein Armutsrisiko sein und auch kein Luxus. Armut schadet insbesondere auch dem Generationenvertrag, aber durch die ausbleibende Erwerbstätigkeit von Müttern und Vätern fehlen uns auch wichtige Fachkräfte. In kinder- und familienfreundlicheren Ländern haben Frauen auch mehr Kinder. So beträgt die Anzahl in der Schweiz 1,51 Kinder je Frau, in Dänemark jedoch 1,72, also ein Kind mehr auf sieben Frauen. Eine bessere Verteilung der Jahrgänge wäre auch für uns wichtig. Dies würde den Generationenvertrag stärken. Eine Familien-EL würde v.a. Müttern helfen, weil diese dann einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen könnten. So könnten sie ihr eigenes Armutsrisiko und das ihrer Kinder senken. Es wäre ein ernsthafter Anreiz, zumindest gefühlt aus eigener Kraft aus einer schwierigen Situation herauszukommen. Diese Eltern wären dann auch gute Vorbilder für ihre Kinder, indem sie ihnen vorleben, dass es sich lohnt, sich anzustrengen, weil es einem nachher aus eigener Kraft besser geht. Jeder Monat, in dem eine Frau nicht arbeitet, erhöht sich ihr Armutsrisiko – das haben bereits viele Studien bestätigt. Verschiedene Fachverbände schlagen die Familien-EL als wirksame Massnahme zur Vermeidung von Familienarmut vor, interessanterweise sogar der Verband St.Galler Gemeindepräsidien (VSGP), wobei dort allerdings nicht so klar ist, ob es eine Mehrheit oder nur eine starke Minderheit ist. Dass verschiedene Kantone das schon erfolgreich eingeführt haben, hat Sarbach-Wil ausgeführt. Leider wurde der langfristige «return on investment» bislang nicht untersucht. Es geht hier darum, welche Ausgaben langfristig vermieden und welche Einnahmen langfristig generiert werden können. Langfristige Kosten sind Kosten für Therapien, welche die Schule zu bezahlen hat, Behandlung von Krankheiten, Kosten für sonderpädagogische Massnahmen, für sozialpädagogische Massnahmen, für Sonderschulen bis hin zu Gefängniskosten. Langfristige Einnahmen sind v.a. höhere Steuererträge aufgrund besserer Ausbildungen und v.a. regelmässiger Erwerbsarbeit. Vergleichbar nachhaltige Massnahmen wie z.B. ein spezifisches Förderprogramm für Vorschulkinder weisen über mehrere Jahrzehnte gesehen gerade aus langfristiger Perspektive beträchtliche positive Ergebnisse auf. Langfristig also ein – Sie werden es kaum glauben – Einnahmenüberschuss. Die Familien-EL wäre deshalb ein guter Deal. Zuletzt noch dies: Eine Familien-EL würde v.a. denjenigen helfen, die es wirklich brauchen. Dieser Satz «die es wirklich brauchen» ist gerade in den heutigen Tagen der wohl meistgehörte Satz von bürgerlichen Politikerinnen und Politikern der ganzen Schweiz im Zusammenhang mit der Armuts- und Kaufkraftproblematik im Alter: Keine Giesskanne, heisst es dort, sondern denen helfen, die es wirklich brauchen. Genau das wäre der Effekt einer Familien-EL: Keine Giesskanne, sondern Hilfe für die, die es wirklich brauchen. Wir laden unsere Kolleginnen und Kollegen auf bürgerlicher Seite herzlich dazu ein, nun zu zeigen, dass sie sowas nicht nur sagen und schreiben, sondern auch so meinen. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Beschluss | Der Kantonsrat stimmt dem Antrag der SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion zu Ziff. 1 der Aufträge mit 68:47 Stimmen zu. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Frei-Rorschacherberg: Nach aufmerksamem Zuhören ist mir immer noch nicht ganz klar, welche Probleme gelöst werden sollen. Warum braucht es eine staatliche Strategie? Mit welchen Ansätzen möchte man welche Probleme beheben? In meinen Verständnis findet die Familie ohne Staat statt. Eine Familie braucht nicht eine staatliche Strategie. Wir müssen für die schwachen und leistungsärmeren Personen Ansätze haben. Wir haben die 122 verschiedene Ansätze im Bericht lesen können und wir haben zudem noch EL und Sozialhilfe. Ich verstehe wirklich nicht, was der Staat in der Familie zu suchen hat. Der Staat soll sich aus der Familie heraushalten und den Leistungsschwachen helfen. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Wüst-Oberriet: Dem Antrag der SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion ist zuzustimmen. Wie ist die Ausgangslage? Wir haben einen Bericht vor uns, denn die Regierung ausgearbeitet hat, ohne dass wir etwas dazu beigetragen hätten. Der Bericht ist in vielerlei Hinsicht gut, er zeigt vieles auf, aber er zeigt auch vieles nicht auf. Der Bericht zeigt lose Handlungsfelder auf, der Bericht zeigt Gefässe, aber er zeigt nicht auf, wie die Gefässe genutzt werden oder wie die Gefässe miteinander verlinkt sind. Daher verstehe ich den Widerstand des Parlaments gegenüber unserem Antrag nicht. Nebst der FDP-Fraktion sind alle der Meinung, dass es eine Familienstrategie braucht. Was spricht nun dagegen, dass wir der Regierung ein paar Punkte oder Aufgaben mit auf die Reise geben, damit wir eine zielgerichtete Familienstrategie erhalten? Verlieren können wir nichts, wir können nur dazu gewinnen. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Sarbach-Wil (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Der Antrag der SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion ist abzulehnen. Dem Antrag der SP-Fraktion / GRRÜNE-Fraktion ist zuzustimmen. Ich spreche zu beiden Anträgen, da das eine mit dem anderen zu tun hat. Auf den ersten Blick ist die Einführung von Familien-EL v.a. eines: sehr sehr kostspielig. Das ist auch der genannte Grund, wieso die Regierung deren Einführung kategorisch ausschliesst. Allerdings gibt es bereits Kantone, welche Familien-EL ausrichten und gute Erfahrungen damit gemacht haben. Auch verschiedene Fachverbände empfehlen eine Familien-EL als wirksame Massnahme zur Vermeidung und Verhinderung von Familienarmut. Wir wissen, dass Armut weitervererbt wird. Aus verschiedenen Gründen beziehen auch die nächsten Generationen sehr häufig Sozialhilfe. Oberstes Ziel bei der Bekämpfung von Familienarmut muss es also sein, um wirklich jeden Preis zu verhindern, dass armutsbetroffene Familien in der Sozialhilfe landen. Im Gegensatz zu den vorgeschlagenen Giesskannenmassnahmen wie «allgemeine Steuersenkungen» oder «höhere Kinderabzüge» ist die Hilfe bei diesem Instrument zielgerichtet und setzt genau dort an, wo Hilfe benötigt wird. Unserer Meinung nach sind Familien-EL das Instrument, bei welchem je eingesetztem Franken am meisten Wirkung erzielt werden kann. Ganz im Gegensatz zur Einbahnstrasse Sozialhilfe konnte sich im Kanton Waadt über ein Drittel der betroffenen Haushalte selbstständig wieder aus dem System der Familien-EL ablösen. Auch führte die Einführung der Familien-EL im Kanton Waadt zu mehr Chancengerechtigkeit auf verschiedenen Ebenen wie Wohnen, Gesundheit, Integration, Bildung und Arbeitsmarkt. So sind z.B. die Gesundheitskosten nachweislich gesunken, signifikant mehr Kinder von Bezugsfamilien haben erfolgreich eine Berufsausbildung abgeschlossen und die Arbeitssituation der Eltern hat sich grundsätzlich verbessert. Kurz, Familien-EL setzen genau dort an, wo eben angesetzt werden muss. Und unter dem Strich helfen sie nicht nur ganz gezielt armutsbetroffenen Familien, sondern sorgen letztlich auch nachhaltig für tiefere Kosten und für weniger Bürokratie im Sozialbereich. Zum Antrag der SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion: Wie bereits von Hasler-Balgach ausgeführt wurde, entspricht dieser Auftrag im Grunde dem, was sich die Regierung im Rahmen der noch zu erarbeitenden Strategie sowieso vorgenommen hat, allerdings eben nicht ergebnisoffen, sondern einschliesslich des kategorischen Ausschlusses des Instruments Familien-EL. Das wollen wir nicht. Ich wiederhole mich: Wir wollen armutsgefährdete Familien dabei unterstützen, dass sie nicht in die Sozialhilfe abrutschen und primär eigenes Einkommen erwirtschaften können und eigenverantwortlich bleiben anstatt Sozialhilfeschulden anhäufen. Dazu reicht das bestehende Instrumentarium aus unserer Sicht nicht aus. Auch die Elternschaftsbeiträge reichen nicht aus. Die kann man sechs Monate, in Ausnahmefällen bis ein Jahr beziehen. Die lösen das Problem schlicht und einfach nicht. Wenn wir eine nachhaltige Lösung möchten, dann müssen punktuell Familien-EL ausgerichtet werden können. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Pool-Uznach (im Namen der FDP-Fraktion): Der Antrag der SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion ist abzulehnen. Wie die SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion in ihrem Auftrag kundgeben, ist auch die FDP-Fraktion erstaunt darüber, dass in einem Grundlagenbericht zur Familienpolitik im Kanton St.Gallen der Fokus so einseitig gesetzt ist. Genau deshalb stellen wir uns die Frage: Wo und was ist die Basis für Familien? Familienmodelle sind alles andere als einheitlich. Sie sind zunehmend individuell. So individuell sie sind, so werden sie auch gelebt. So soll es sein und so soll es bleiben. Ein Bericht über Grundlagen der Familienpolitik mit der Absicht, eine Familienstrategie festzusetzen, wurde seitens Parlament nie in Auftrag gegeben. Braucht es eine vom Kanton gegebene Familienstrategie oder – vielleicht etwas provokativ gefragt – dürfen wir uns anmassen, über alle Familien im Kanton eine Strategie zu verfassen. Die FDP-Fraktion ist der Ansicht, dass Familienmodelle und die Gestaltung des Familienlebens im Alltag sehr persönlich sind, beginnend beim Entscheid: Möchten wir eine Familie gründen oder möchten wir unsere Partnerschaft, aus welchen Gründen auch immer, kinderlos planen? Familien sind durch ihre soziale Vernetzung sehr wichtig und für die Gesellschaft von grosser Bedeutung. Das geschieht auf freiwilliger Basis und trägt sich selbst – mit gutem Erfolg. Es braucht kein staatliches Eingreifen. Brauchen Familien oder einzelne Familienmitglieder Unterstützung, dann bietet ein beachtliches, vielseitiges und in der Anzahl 122 zählendes Angebote seitens Kanton und Gemeinden Hilfeleistung. Aus Sicht der FDP-Fraktion brauchen die Familien keine übergeordnete politische Familienstrategie. Es braucht auch keinen erweiterten Grundlagenbericht. Die Familien sollen persönlich und individuell bleiben, wie sie es jetzt pflegen. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Hasler-Balgach (im Namen der SP-Fraktion): Der Antrag der SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion ist abzulehnen. Der Antrag ist ganz einfach gesagt unnötig. Alle aufgelisteten Punkte sind bereits Teil des Berichts und werden in der noch kommenden Strategie zur Familienpolitik sowieso berücksichtigt. Die im Auftrag enthaltenen Ziffern sind quasi deckungsgleich mit den Ausführungen im Bericht zu bisherigen Instrumenten und Lücken insgesamt und besonders den Abschnitten 7 und 9. Zu Punkt a): Prioritäres Ziel soll die Erhöhung des selbst erwirtschafteten Einkommens sein. Bei den 15 Prozent der Armutsbetroffenen handelt es sich aber mehrheitlich um Alleinerziehende, die aufgrund mangelnder Kinderbetreuungsmöglichkeiten gar keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können. Statt den Mittelstand steuerlich zu entlasten, wäre es für die Wirtschaft, den Fachkräftemangel und die Kaufkraft besser, von Armut betroffenen Personen Erwerbstätigkeit zu ermöglichen mit entsprechenden Betreuungsstrukturen. Zudem ist das Steuersystem im Kanton St.Gallen im Vergleich zu anderen Kantonen für Familien bereits sehr förderlich ausgestaltet mit einer bereits tiefen Steuerbelastung und hohen Kinderabzügen. Auch diese Ausführungen finden Sie im Bericht. Zu Punkt b): Es steht explizit im Bericht, dass das Instrument der Elternschaftsbeiträge im Rahmen der Erarbeitung der Strategie weiterentwickelt wird. Wichtig: Ein expliziter Verzicht auf die Einführung von Familien-EL heisst zudem, dass alle anderen bisherigen Instrumente und v.a. die Rückzahlungspflicht der Sozialhilfe verbessert werden müssen. Dies wird die Gemeinden nicht nur mehr Geld kosten, sondern auch viel Zeit und Aufwand und erhöht den Koordinationsbedarf zwischen Kanton und Gemeinden erheblich. Zudem wurde eine Auszahlung von Elternschaftsbeiträgen im Jahr 2021 bei rund 1,4 Prozent der Geburten ausgelöst. Die Zahl der Armutsbetroffenen mit Kindern ist aber weitaus grösser und die Elternschaftsbeiträge setzen voraus, dass sich eine Person vollumfänglich der Kinderbetreuung widmet. Durch diese Vorgabe werden armutsgefährdete Familien benachteiligt, bei denen sich kein Elternteil vollumfänglich der Betreuungsaufgabe widmen kann, z.B. bei Vollzeit working-poor-Familien oder Familien mit einem Elternteil in Ausbildung. Auch hier liegt der Ball dann wieder bei den Gemeinden, die einen grossen Mehraufwand haben werden. Zu Punkt c) und d) muss ich nichts sagen, denn genau dies ist das Fazit des Berichts, über den wir heute reden. Das ist in den Abschnitten 7 und 9 zu finden und der Antrag deshalb unnötig. Zu Punkt e) lässt sich sagen, dass alle bisherigen Instrumente eben genau nicht Unterstützung und Eigenverantwortung in Einklang bringen. Ich denke, es ist allen klar hier im Saal, dass der Ausbau bisheriger Instrumente die Gemeinden belastet. Punkt f) ist am überflüssigsten, denn niemand will hier niemandem umgehen – das ist einfach absurd. Unabhängig davon, wie es heute ausgeht, rate ich Ihnen, den Bericht genau zu lesen, denn dort steht das alles bereit. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Noger-Engeler-Häggenschwil (im Namen der GLP): Dem Antrag der SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion ist zuzustimmen. Zum Bst. b des Auftrags: Es wird hier explizit ausgeschlossen, dass Familien-EL überhaupt geprüft oder eingeführt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt finden wir es richtig, die bestehenden Instrumente zu stärken bzw. zu prüfen oder anzupassen, aber vielleicht wird es irgendwann nötig sein, wenn alle diese Massnahmen nicht mehr zeitgemäss sind oder nicht genügend Unterstützung bieten, dass man dann Familien-EL wieder in Betracht zieht. Dem sind wir nicht verschlossen. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Suter-Rapperswil-Jona beantragt im Namen der SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion, Ziff. 1 der Aufträge wie folgt zu formulieren: «Die Regierung wird eingeladen, dem Kantonsrat im Rahmen der in Aussicht gestellten Familienstrategie Massnahmen vorzulegen, die insbesondere auch die Bedürfnisse der mittelständischen Familien berücksichtigen. Dabei sind die folgenden Eckpunkte zu beachten: a) Prioritäres Ziel ist die Erhöhung des verfügbaren, selbst er-wirtschafteten Einkommens von Familien. Insbesondere ist dazu eine Erhöhung der Kinderabzüge nach Art. 48 Abs. 1 Bst. a des Steuergesetzes (sGS 811.1) zu prüfen. b) Für armutsbetroffene Familien soll der (Wieder-)Einstieg in die Erwerbstätigkeit bzw. die Erhöhung der Erwerbstätigkeit im Zentrum der Anstrengungen stehen. Dafür sollen bestehende Instrumente, z.B. Elternschaftsbeiträge, betreffend Wirkung analysiert und wo nötig verbessert werden. Auf die Einführung neuer Instrumente, z.B. kantonale Familienergänzungsleistungen, ist zu verzichten. c) Bestehende Angebote sind betreffend heutiger Nutzung und Anwendung zu analysieren. Wichtig sind dabei die Erkenntnisse, weshalb einzelne Angebote durch die Anspruchspersonen nicht oder zu wenig genutzt werden. Basierend auf den Erkenntnissen sind Massnahmen vorzuschlagen, um die Bekanntheit der bestehenden Angebote zu verbessern und deren Nutzung und Anwendung zu optimieren. d) Betreffend Aufsicht und Abwicklung sind Effizienzverbesserungen umzusetzen. Angebote und Fachstellen sollen stärker vernetzt oder zusammengelegt werden. e) Unterstützung und Eigenverantwortung sind im Gleichgewicht zu halten. Dabei ist sicherzustellen, dass die Gemein-den über den nötigen Spielraum verfügen, um auf freiwilliger Basis geeignete Anreizsysteme zu schaffen. f) Die Zuständigkeiten der Gemeinden und die Gemeindeautonomie sind zu beachten.» Wie bereits im Eintretensvotum ausgeführt, halten wir den soeben zur Kenntnis genommenen Bericht nicht für eine geeignete bzw. nicht für eine ausreichende Grundlage für die von der Regierung in Aussicht gestellte Familienstrategie. Mit dem vorliegenden Antrag möchten wir deshalb ein paar Leitlinien für die Familienstrategie vorgeben. Wenn ich von «wir» spreche, meine ich die SPV-Fraktion und die Mitte-EVP-Fraktion. Wenn ich vorhin richtig zugehört habe, hat auch die GLP gesagt, dass sie offen sei, den Antrag zu unterstützten. Es freut mich natürlich ganz besonders, dass auch die Regierung Offenheit signalisiert hat. Für armutsbetroffene Familien soll der Einstieg oder der Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit bzw. die Erhöhung der Erwerbstätigkeit im Zentrum der Anstrengungen stehen. Dafür sollen bestehende Instrumente wie z.B. die Elternschaftsbeiträge betreffend Wirkung analysiert und wo nötig verbessert werden. Auf die Einführung neuer Instrumente, also auch auf kantonale Familien-EL, ist zu verzichten. Ganz wichtig sind uns jedoch Massnahmen, welche die Anliegen und Bedürfnisse der mittelständischen Familien berücksichtigen. Zu diesem Zweck soll u.a. eine Erhöhung der steuerlichen Kinderabzüge geprüft werden. Wir sind aber auch offen für weitere Massnahmen, die den mittelständischen Familien zugutekommen. Bei den Leistungen und Angeboten zugunsten von Familien sehen wir zudem Potenzial für Effizienzsteigerungen und für Massnahmen, um für eine bessere Nutzung der bestehenden Leistungen und Angebote zu sorgen. Hier erwarten wir im Rahmen der Familienstrategie konkrete Vorschläge von der Regierung. Bei allen Massnahmen, die vorgeschlagen werden, ist zu beachten, dass Unterstützung und Eigenverantwortung im Gleichgewicht gehalten werden, d.h. wir wollen fair sein gegenüber jenen, die es nicht aus eigener Kraft schaffen, wir wollen aber auch jene belohnen, die selbst die Verantwortung übernehmen können und nicht der Öffentlichkeit zur Last fallen wollen. Was wir nicht wollen, ist, dass der Kanton in die Zuständigkeiten der Gemeinden eingreift. Auch das ist im Auftrag ausdrücklich so festgehalten. Und wir wollen, dass sichergestellt wird, dass die Gemeinden im Bereich der Förderung und der Armutsbekämpfung über den nötigen Spielraum verfügen, um geeignete Anreizsysteme zu schaffen. Ich danke Ihnen, wenn Sie dem Auftrag zustimmen und auf diese Weise den Weg weisen, in welche Richtung die angekündigte Familienstrategie gehen soll. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Struktur | Aufträge | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Regierungsrätin Bucher zu Etterlin-Rorschach: Wir haben in der vorberatenden Kommission ansatzweise darüber diskutiert und uns über Statistiken gebeugt und festgestellt, dass es dazu noch mehr statistisches Material und auch mehr Kompetenzen braucht, um dieses Material korrekt interpretieren zu können. Wir werden uns sicher an die bestehenden Überlegungen anlehnen. Es wurden bereits Aufträge zur steuerlichen Entlastung des Mittelstands eingereicht. Wir starten also nicht bei null und können uns an die bestehenden Überlegungen anhängen und dort ansetzen. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Abschnitt 9 (Fazit). Etterlin-Rorschach: Im kommenden Antrag der SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion wird vom Mittelstand gesprochen. Ich habe den ganzen Bericht durchsucht nach einer möglichen Definition. Ich erinnere daran, die Finanzkommission hat sich vor zwei Jahren an dieser Frage so ziemlich die Finger verbrannt. Wir konnten uns nicht ansatzweise einigen, was der Mittelstand im Kanton St.Gallen ist und wie er definiert sein soll. Ich stelle darum die Frage in den Raum: Bestanden im Rahmen dieser Berichterstattung Vorstellungen wie hinsichtlich Familienpolitik der Mittelstand sinnvoll definiert sein könnte? | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Struktur | Spezialdiskussion | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Schöb-Thal, Ratspräsidentin stellt Eintreten auf den Bericht fest. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Regierungsrätin Bucher: Ich danke Ihnen sehr für diese differenzierten Rückmeldungen zum Familienbericht. Ich glaube, wir können alle erfreut und auch stolz feststellen, dass wir ein Familienkanton sind und dass es in unserem Kanton gute Rahmenbedingungen für Familien gibt. Wir sind offen und wir fördern alle Familienmodelle. Wir haben verschiedene bestehende wirkungsvolle Instrumente und Angebote im Bereich Familienpolitik. Wir haben z.B. ein Steuersystem, das für Familien förderlich ist und wir konnten für Familien auch immer wieder Verbesserungen erreichen, gerade kürzlich mit einer Erhöhung der Förderung für die Beiträge an die familienergänzende Kinderbetreuung. Nichtsdestotrotz haben wir auch Punkte, in denen man feststellen muss, dass es nicht allen Familien gleich gut geht. Deshalb haben wir in diesem Bericht den Fokus auf diejenigen Familien gelegt, die mit kleinem Einkommen und wenig Geld auskommen müssen, an der Armutsgrenze leben oder einem Armutsrisiko ausgesetzt sind. Wir sehen das insbesondere auch bei den Einelternfamilien, also bei den Alleinerziehenden, die sich in den tiefsten Einkommensklassen bewegen und oft von Armut betroffen sind. Wir wissen, dass das keine gute Ausgangslage ist, wenn Familien von Armut betroffen sind, weil wir wissen, dass Armut leider vererbbar ist und dass sich Armut in einer Familie auch auswirkt auf die Bildungschancen und damit auch auf die späteren Erwerbschancen der Kinder. Deshalb braucht es besondere Anstrengungen, damit die Kinder von armutsbetroffenen Familien aus dieser Situation rauskommen und sich aus dieser Armutsspirale befreien können. Bei der Beurteilung, was es dafür braucht, haben wir überhaupt keine Differenz. Ich habe von mehreren Fraktionen gehört, dass es das Ziel sein muss, die Erwerbstätigkeit zu erhöhen. Das ist ganz klar der Weg aus der Armut für diese Familien. Dazu braucht es verschiedene Anstrengungen, insbesondere auch im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die dann auch Aus- und Weiterbildungen der Eltern ermöglicht. Deshalb haben wir uns in diesem Bereich auch besonders viele Gedanken gemacht. Wir kommen folglich zum Schluss, dass man die bestehenden Anstrengungen weiterführen muss, insbesondere im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dass wir eine gute Ausgangslage haben und keine neuen Instrumente brauchen, sondern dass wir die bestehenden Instrumente weiterentwickeln müssen, sodass die Erwerbstätigkeit als Weg aus der Armut weiter gesteigert werden kann. Wir haben nun die Chance im Rahmen der Erarbeitung einer Familienstrategie unter Einbezug der Gemeinden und weiterer Anspruchsgruppen die Weiterentwicklung der bestehenden Instrumente anzugehen. Wir können in dieser Familienstrategie noch einmal deutlicher die Bedürfnisse aller Familien, nicht nur der Armutsbetroffenen, sondern insbesondere auch der mittelständischen Familien, aufzeigen. Wir können auch aufzeigen, welche Angebote wie genutzt werden und wo die Bedürfnisse liegen. Wir werden auch die Massnahmen aus den Handlungsfeldern, die in diesem Bericht naturgemäss etwas lose aufgezählt sind, konkretisieren und so aufzeigen, mit welchen konkreten Massnahmen wir die Armutsrisiken für Familien minimieren können und auch die Bedürfnisse der mittelständischen Familiengut abdecken können. Diesen breiten Fokus auf mittelständische Familien habe ich wirklich mitgenommen. Ich habe von vielen Fraktionen gehört, dass dies klar der Fokus der Erarbeitung einer solchen Familienstrategie sein muss. Ich kann schon vorwegnehmen, dass wir uns bezüglich der Aufträge der SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion offen zeigen. Wir sind der Meinung, das ist durchaus im Bereich dessen, was wir uns für die Familienstrategie vorstellen können. Wir bitten Sie, den Auftrag der SP-Fraktion / GRÜNE-Fraktion abzulehnen, weil wir bei den bestehenden Instrumenten bleiben wollen. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Hälg-Gossau: Als Mitglied der vorberatenden Kommission erlaube ich mir, meine Überlegungen zu diesem Geschäft ergänzend zum Votum von Wüst-Oberriet vorzubringen. Ein Mehrfamilienprojekt zu lancieren, sprich eine Familie zu gründen, benötigt finanzielle Mittel. Diesbezüglich sind wir uns hier im Saal sicherlich alle einig. Die hohen Kosten werden heute auch vermehrt von jungen Leuten als Grund genannt, auf eine Familiengründung zu verzichten. Der vorliegende Grundlagenbericht zur Familienpolitik im Kanton St.Gallenr behandelt zu einem grossen Teil direkt und in den übrigen Bereichen jeweils indirekt die finanziellen Mittel von Familien. Darin werden insbesondere die finanziellen Situationen von Familien, konkret von Armut Betroffenen oder Gefährdeten, thematisiert. Auch hier ist verständlich, dass bei einer solchen Ausgangslage eine Erziehung von Kindern mit zusätzlichen und sehr schwierigen Herausforderungen gemeistert werden muss. Ich störe mich aber daran, dass im Bericht die Milieutheorie erwähnt wird, welche besagt das soziale Armut vererbbar ist. Ich möchte damit nicht verneinen, dass der Einstieg ins Leben in einem von Armut betroffenen Umfeld erschwerend sein wird und auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, ebenfalls in Armut zu leben. Gemäss Sozialwissenschaft spricht man vom sozioökonomischen Status, welcher die Bündelung von diversen Merkmalen menschlicher Lebensumstände bezeichnet. U.a. sind dies Merkmale wie z.B. Bildung, Beruf, Einkommen, Wohnort, Eigentumsverhältnisse sowie aber auch gesellschaftliche und kulturelle Praxen wie Tätigkeiten in Vereinen und Besuche von Museum und Theater. Diese sozialwissenschaftliche Theorie darf aber meines Erachtens nicht als einfache Begründung hinhalten. Genau aus diesem Grund erachte ich es als elementar, dass der Einsatz von finanziellen Mitteln zielgerichtet – d.h. bei den Kindern – erfolgt und nicht bereits auf der Ebene der Eltern versandet. Zudem sehe ich es als ausserordentlich wichtig an, dass nicht nur direkte finanzielle Mittelflüsse erfolgen, sondern die schulische Bildung und das gesellschaftliche Umfeld der Kinder gefördert und unterstützt werden. Hier haben wir alle in diversen möglichen Funktionen wie z.B. als Lehrer, als Trainer, als Vorstandsmitglied eines Vereins oder als Lehrmeister Möglichkeiten, uns einzubringen und zur gesellschaftlichen Integration solcher Kinder beizutragen. Eigene Kinder zu haben ist heute noch eines der wenigen Dinge, welche der Mensch in unserer Zivilisation ohne jegliche Prüfung beanspruchen darf. Man darf es somit unter diesen Umständen als menschliches Grundrecht betiteln. Interessant wird es aber, wenn es nicht die eigenen Kinder sind. Aus meinem familiären Umfeld habe ich Kenntnis, dass eine Adoption mit grossem administrativem Aufwand, Vorprüfungen und über Jahre hinweg wiederholenden Nachkontrollen verbunden ist. Somit könnte man sich auch die Frage nach der Fähigkeit des Elternseins stellen. Ich bin mir aber sehr wohl bewusst, dass Eltern sein nicht geprüft und auch seitens des Staates nicht gefordert werden kann. Nichtsdestotrotz wage ich zu sagen, dass auch dieser Umstand unsere Gesellschaft massgeblich beeinflusst und hohe staatliche Ressourcen beansprucht. Ich denke da an ergänzende schulische Unterstützung, Fremdplatzierungen, Suchterkrankungen bei Jugendlichen und Jugendkriminalität. Auch hierzu sollten in der auszuarbeitenden übergeordneten Familienstrategie Massnahmen und Lösungen evaluiert werden. Wie schon genannt, werden viele Instrumente und Angebote nicht voll ausgeschöpft, d.h. viele bereitgestellte finanzielle Mittel werden gar nicht abgerufen. Gemäss Bericht sind die Gründe hierfür aber nicht abschliessend geklärt. Hier sollten mittels eines aufschlussreichen Monitorings weitere Erkenntnisse ermittelt werden. Dass die Regierung zum Schluss kommt, dass aktuell kein weiteres Instrument einzuführen sei, ist m.E. unter Anbetracht der bestehenden umfangreichen und nicht ausgeschöpften Angebotspalette mehr als begrüssenswert. Fraglich ist nur, ob dieser Regierungsratsentscheid lediglich infolge der fehlenden Mittel so ausgefallen ist. Die in Abschnitt 7 (Bestehende Instrumente und Lücken) genannten Ausführungen sowie das in Abschnitt 9 erwähnte Fazit aufgeschlüsselt auf die einzelnen Handlungsfelder erfassen meiner Beurteilung nach die Problemstellungen richtig. Es handelt sich aber um eine Flughöhe eines Grundlagenpapiers, d.h., es fehlen fundierte Zahlen und Fakten und vertieftere Abklärungen und Analysen, welche zur Findung von Lösungen notwendig sind. Aufgrund der Ausführungen von Wüst-Oberriet und meinen Äusserungen beurteile ich es als zwingend, dass zuhanden der Regierung für die Erstellung der übergeordneten Familienstrategie ergänzende und klare Vorgaben seitens Kantonsrates erfolgen und diese im Strategiepapier auch berücksichtigt werden. Ich bitte Sie, dem Antrag der SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion zuzustimmen und den Antrag der SP-GRÜ-Fraktion abzulehnen. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Steiner-Kaufmann-Gommiswald (als Parteipräsidentin der Mitte Kanton St.Gallen): Wir erlitten bezüglich Vernehmlassung dasselbe Schicksal wie die VSGP. Wie schon im Rahmen der vorberatenden Kommission angemerkt, möchte ich auch in diesem Kreis darauf hinweisen, dass sich die Regierung eine äusserst kreative und freie Interpretation unserer Vernehmlassungsantwort bezüglich der Familien-EL zu Nutze gemacht hat. Den Satz aus unserer Vernehmlassungsantwort «Sollte das Thema Familien-EL weiterverfolgt werden, steht für Die Mitte klar fest, dass gemäss aktueller finanzpolitischer Einbettung der Kanton für eine solche zu verpflichten wäre.» wird in der Botschaft so interpretiert, als dass wir zum klaren Kreis der unterstützenden Parteien gehören würden. Wir sind uns bewusst, dass dem Departement des Innern auch die Kultur und somit auch die Kunst angehören. Dennoch bitten wir das entsprechende Departement auf solche Kunststücke zu verzichten, die Vernehmlassungsteilnehmenden richtig zu zitieren – dies als Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Schliesslich gibt es in der Politik keine künstlerischen Freiheiten. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Sarbach-Wil (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf den Bericht ist einzutreten. Der Bericht ist ausführlich und äusserst informativ. Auch wir möchten die Vielzahl an aufgeführten, bereits bestehenden Angeboten direkt vom Kanton oder in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen würdigen. Es läuft bereits einiges und das finden wir sehr gut. Auch ist erfreulich zu sehen, dass wichtige Herausforderungen erkannt werden und dass der Kanton St.Gallen sich für moderne, offene und vielseitige Familienmodelle engagiert. Aus unserer Sicht wurden die Stärken und Ressourcen, aber auch die Schwierigkeiten und Probleme wie fehlende oder lückenhafte Angebote im Bericht richtig erkannt. Etwas weniger klar ist der Bericht im Bereich verbindlicher Massnahmen. So wird sehr oft von «kann» oder «könnte» gesprochen, was auf uns nicht den Eindruck eines entschlossenen Handelns erweckt. Insbesondere im Bereich Familienarmut sind wir enttäuscht, fehlen doch gerade hier die dringend nötigen Massnahmen und der klare Wille zu einer Verbesserung für armutsgefährdete oder bereits armutsbetroffene Familien. Eine klare Meinung hingegen hat die Regierung zur Einführung von Familien-EL. Diese werden grundsätzlich und in der vorberatenden Kommission auch recht vehement kategorisch ausgeschlossen und das obwohl der Bericht klar aufzeigt, dass wir bezüglich armutsgefährdeten Familien vor einer enormen Herausforderung stehen. Die Situation wird in der aktuellen Situation mit den vielen Kostensteigerungen garantiert nicht besser. Hier hat unsere Fraktion ganz klar eine andere Meinung. Dieses Thema werden wir nachher im Rahmen des Antrags der beiden Fraktionen SP und Grüne diskutieren. Im Gegensatz dazu ist es sehr erfreulich, dass der Kanton St.Gallen im schweizweiten Vergleich eine der höchsten Kinderabzüge hat, was gerade Familien aus dem Mittelstand wirksam entlastet und definitiv als Standortvorteil bezeichnet werden kann. Auf diese Vorreiterrolle darf und soll weiter geachtet werden. Alles in allem begrüsst die GRÜNE-Fraktion das skizzierte Vorgehen, eine kantonale Familienstrategie zu erarbeiten, sehr. Diese soll, um die Vorlage zu zitieren, eine departementsübergreifende Massnahmenplanung im Sinn einer ganzheitlichen familienpolitischen Strategie, die alle Familienphasen berücksichtigt, sein. Diese Strategie wird gemäss Aussage der Regierung dann auch konkrete, geeignete Massnahmen zu den einzelnen Handlungsfeldern benennen, insbesondere auch zur Familienarmut. Wir sind gespannt, wie diese Strategie aussehen wird. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Hasler-Balgach (im Namen der SP-Delegation): Auf den Bericht ist einzutreten. Zum ersten Mal halten wir einen familienpolitischen Bericht in den Händen – es ist quasi historisch. Er zeigt auf, in welchen Verhältnissen sich Familien bewegen und wo wir hinsichtlich des politischen Handlungsbedarfs stehen. Dieser ausführliche, sinnvoll strukturierte und vielsagende Bericht weitet das Thema Jugend und Kinderpolitik aus auf deren primäres Bezugssystem, nämlich die Familie. Die Aufteilung der Themenbereiche und das Aufzeigen bisheriger Instrumente zeigt für alle verständlich auf, was es zu tun gibt. Gleichzeitig kommt gut zum Ausdruck, wie viel Gemeinden und Kanton bis jetzt bereits geleistet haben, um totale Armut zu verhindern und die Chancen von Kindern und Jugendlichen nicht nur von ihrer Herkunftsfamilie abhängig zu machen. Es zeigt aber auch auf, dass die vielen bestehenden Instrumente der sozialen Sicherheit zwar punktuell ihre Wirkung haben und das Nötigste tun, aber gesamtgesellschaftlich dennoch nicht wirksam genug sind, um Armut zu verhindern. D.h., dass die Instrumente – Sozialhilfe, die Elternschaftsbeiträge, Kinderzulagen, Alimentenbevorschussung, Inkassohilfe und Individuelle Prämienverbilligung (IPV) – die finanzielle Sicherheit von Familien immer noch nicht hinreichend abdecken können. Das System der sozialen Sicherung deckt dabei v.a. Risiken bestimmter Bevölkerungsgruppen zu wenig ab, namentlich die der atypischen Arbeitsverhältnisse und Einelternfamilien, was oft Hand in Hand geht. Trotz dieser Massnahmen leben also immer noch über 50 Prozent der St.Galler Bevölkerung in Armut oder sind armutsgefährdet, darunter mehrheitlich Alleinerziehende und ihre Kinder. Es kann doch nicht sein, dass in einem wohlhabenden Kanton wie dem unsrigen so viele Kinder in Armut leben? Als Familienpartei möchte ich dies nicht vertreten. Auch die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit in der Schweiz und v.a. auch in unserem Kanton sind in erheblichem Masse unzureichend, wie auch dieser Bericht wieder aufzeigt. Das haben auch viele Vorstösse von Mitte bis links gezeigt, das hat das neue Gesetz zur schulergänzenden Kinderbetreuung gezeigt, die Erhöhung des Kredits zur Entlastung der Elternbeiträge, die INFRAS-Erhebungen aus mehreren Jahren und auch die Eidgenössische Kommission für Familienfragen (EKFF) hat dazu deutliche Worte. Diese Kommission, wie die SP auch, hebt immer wieder hervor, wie diese zwei wichtigen Themenbereiche, also die finanziellen Verhältnisse von Familien und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, systematisch zusammenhängen. Der Bericht zeigt weiter auf: Fehlende Unterstützung von Familien und eine nicht ausreichende Vereinbarkeit von Beruf und Familie führt zu schwerwiegenden Folgen für die ganze Gesellschaft und deren Volkswirtschaft. Diese Folgen sind der vorübergehende oder definitive Rückzug der Mütter aus dem Erwerbsleben, der Verlust wertvoller Fachkompetenz, Fortbestand der Chancenungleichheit zwischen Frau und Mann, hoher Anteil an Personen mit weniger Kindern als gewünscht, zu tiefe Geburtenrate und ein nicht garantierter Generationenerhalt sowie Armut nach Trennung und im Rentenalter. Parallel dazu herrscht in der Wirtschaft ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Die Erfahrungen in den OECD-Ländern haben gezeigt, dass nebst einem angemessenen Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung die Elternzeit wertvolle und konkrete Lösungsansätze für diese Problemstellungen liefern könnte. Doch leider sind wir hier noch nicht so weit. Im Vorfeld zur heutigen Beratung wurde oftmals das Argument genannt, dass die Entlastung des Mittelstands nicht hinreichend mitgedacht ist im Bericht. Auch wir finden, dass die volkswirtschaftliche Perspektive insgesamt zu wenig heraussticht. Doch wer den Bericht genau liest und auch die Fusszeilen angeschaut hat, muss zugeben, dass diese Perspektive im Bericht sehr wohl integriert ist. Wie sich die finanziellen und sozialen Herausforderungen und Sorgen von Familien zeigen, ist nämlich mehrfach aufgezeigt – man muss halt auch das Kleingedruckte lesen. Es ist wie beim Bericht zur Biodiversitätsstrategie – dort werden auch nicht die Bedingungen aller Pflanzengattungen erläutert, sondern es geht dabei um den Schutz von gefährdeten Pflanzen. Es ist nicht die Aufgabe der Departemente, uns alles in der Welt zu erklären, sondern darauf zu fokussieren, wo der politische Handlungsbedarf ist. Leider entstand in der vorberatenden Kommission der Eindruck, dass der Fokus auf Familien zu wenig breit sei und die Familienarmut deswegen von einigen Parteien zu wenig eingeordnet werden konnte. Ich hole dies kurz nach: Die volkswirtschaftliche Bedeutung der unbezahlten Haus-, Familien- und Freiwilligenarbeit bezogen auf die gesamte Bruttowertschöpfung der Schweiz – bezahlte und unbezahlte Arbeit mit eingerechnet – lässt sich auf gut 41 Prozent einschätzen. Familien können aber ihren Beitrag zu dieser Bruttowertschöpfung nur ausspielen, wenn sie durch sozialpolitische Strukturen und professionelle Angebote unterstützt werden, etwa durch familienergänzende Formen der Kleinkinderbetreuung oder finanzieller Unterstützung in wirtschaftlich schwierigen Familienverhältnissen. Frauen und zunehmend auch Männer können Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit nur bewältigen, wenn familienergänzende Unterstützungsformen vorhanden sind. Arbeitslosigkeit oder finanzielle Probleme nach einer Scheidung führen nur dann nicht zu einer langfristigen Verarmung, wenn entsprechende sozialpolitische Absicherungsformen bestehen und nur wenn sozial und bildungspolitische Strukturen mithelfen, dass sich Prekariat und Armut von Eltern nicht auf die Kindergeneration auswirken, lassen sich langfristige Armutsprobleme verhindern. In modernen Leistungsgesellschaften sind emotionale, erzieherische und haushaltsbezogene familiäre Leistungen nur im Rahmen einer umfassenden Sozialpolitik sicherzustellen. Es ist nun die Aufgabe von uns Politikerinnen und Politikern, eine solche Sozialpolitik zu erbringen, die v.a. die Verletzlichsten schützt, damit deren fehlende soziale Sicherheit nicht das Gesamtsystem belastet, denn den meisten Familien geht es – Gott sei dank nicht so wie bei der Biodiversität – grossmehrheitlich gut in unserem Kanton. Deshalb ist die SP-Fraktion nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Bericht zur Ansicht gekommen, dass der Handlungsbedarf gross genug ist und die Zeit reif ist, Familien-EL einzuführen, denn die Optimierung bestehender Instrumente hilft zwar, löst aber das Problem nicht. Für uns ist es zwingend nötig, dass Alleinerziehende, darunter v.a. Mütter, einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen können, damit sie ihr eigenes Armutsrisiko und das ihrer Kinder senken können, denn jeder Monat, in dem eine Frau nicht arbeitet, erhöht ihr Armutsrisiko. Familien-EL bringen genau bei dieser Zielgruppe einen «return on investment». Zudem, alle von Armut Betroffenen haben keine Kaufkraft und können ihren Teil zur Volkswirtschaft nicht leisten und belasten diese sogar. Statt also die bestehenden Mechanismen der sozialen Sicherung auszubauen, sollten sie befähigt werden, erwerbstätig zu sein und dies in Kaufkraft umzuwandeln statt Schulden zu tilgen, wie dies bei der Sozialhilfe der Fall ist. Werden keine zielgerichteten Massnahmen eingeführt, muss davon ausgegangen werden, dass immer mehr Menschen auch aus der unteren Mittelschicht Gefahr laufen, in die Armut abzurutschen oder sich zu Verschulden. Die SP-Fraktion ist deshalb der Ansicht, dass wir die Gelegenheit heute nutzen sollten, um konkrete Massnahmen zu schaffen, dass in unserem Kanton kein Kind in Armut leben muss und dass wir dafür sorgen, dass wir unsere eigenen Fachkräfte, nämlich die Eltern aus allen Schichten, für unsere Wirtschaft einsetzen können. Wir als Familienpartei machen uns für alle Familien stark. In einem wohlhabenden Kanton wie dem unsrigen sollte kein Kind arm sein und ich möchte nicht die politische Verantwortung dafür tragen, dass so viele Kinder weiterhin in Armut leben. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Noger-Engeler-Häggenschwil (im Namen der GLP): Auf den Bericht ist einzutreten. Wir nehmen erfreut zur Kenntnis, dass die Familienpolitik auch in unserem Kanton konkret angegangen und der Bedarf einer Familienstrategie erkannt und anerkannt wird. Die Anliegen der Familienpolitik haben Schnittstellen mit allen Departementen. Eine gute Koordinierung von Anliegen und Interessen kann deshalb durch eine Strategie vereinfacht werden. Die für die Vision gewählten Leitsätze sind für uns sinnvoll und wichtig. Insgesamt zeigt der Bericht die bestehenden Leistungen und Unterstützungsmassnahmen für Familien im Kanton sowie die Zuständigkeiten und Schnittstellen auf. Im Bericht werden konkrete Handlungsfelder skizziert. Diese sind uns aber noch zu wenig konkret. Uns fehlt der Mut – der Kanton könnte sinnvolle, konkrete Massnahmen passend zu den Handlungsfeldern vorschlagen. Im Fokus des Berichtes steht die Familienarmut. Der Idee der Familien-EL, wie sie im Bericht und Anhang vorgestellt werden und in einigen Kantonen bestehen, stehen wir interessiert aber noch nicht wirklich überzeugt gegenüber. Wir unterstützen die angestrebten Ziele, armutsbetroffene oder -gefährdete Familien finanziell zu entlasten, die Chancengleichheit der Kinder zu erhöhen und gleichzeitig die Erwerbstätigkeit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Wir sind aber klar der Ansicht, dass die Einführung eines neuen Ausgleichsinstrumentes sehr kritisch geprüft werden müsste. Die Regierung will anstelle der angedachten Familien-EL aus finanziellen Gründen bevorzugt bestehende Instrumente stärken, so z.B. die Elternschaftsbeiträge. Im Grundsatz sind wir zum momentanen Zeitpunkt mit diesem Vorgehen einverstanden. Diese Beiträge jedoch sind in der bestehenden Form aus unserer Sicht nicht mehr zeitgemäss. Es geht nicht an, dass ein staatliches Instrument nur einer Art Familienorganisation – ein Elternteil ist für den Erwerb zuständig, ein Elternteil für die Familienarbeit – finanziell unter die Arme greift. Wie sich eine Familie organisiert, ist Angelegenheit dieser Familie. Die Betreuung der Kinder kann vielfältig gelöst werden. Dass ein Elternteil insbesondere in der Kleinkindzeit zu Hause bleibt, ist weit verbreitet. Es ist aber gleichfalls zu unterstützen, wenn beide Elternteile erwerbstätig bleiben und gegebenenfalls ihren Beschäftigungsgrad anpassen. Gründe dazu sind der bestehende Fachkräftemangel, aber auch die finanzielle Absicherung beider Elternteile – jetzt und für die Pension. Zudem haben wir immer mehr Einelternfamilien, auch diese sind zu unterstützen, da diese im höchsten Masse armutsgefährdet oder -betroffen sind. Wir begrüssen somit den von der Regierung geplanten Ausbau und die Anpassung dieser in die Jahre gekommenen Elternschaftsbeiträge. Ein für uns fehlender Punkt in der Auslegeordnung ist eine mögliche Entlastung der Familien z.B. durch die Steuerbefreiung der Kinderzulagen. Im Bericht selbst vermissen wir eine Analyse der Situation der Familien des Mittelstands. Der Bericht ist schwerpunktmässig auf die armutsbetroffenen Familien fokussiert, aber auch Familien des Mittelstands haben zusehends Mühe mit einer Teilhabe an sozialen oder kulturellen Angeboten für die Kinder oder die gesamte Familie. Für eine künftige Familienstrategie in unserem Kanton wünschen wir uns hier einen breiteren Blick. Unser Kanton soll insgesamt Rahmenbedingungen und Grundlagen schaffen, die Familien und insbesondere Kindern Entfaltungsmöglichen bieten und eine gesunde Entwicklung unterstützen. Der dazu vorliegenden Antrag der Mitte-EVP-Fraktion werden wir aus diesen Gründen unterstützen. Die Förderung der Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit beider Elternteile ist ein grünliberales Grundanliegen. Die aufgezeigten Handlungsfelder sind sinnvoll – wir warten auf konkrete Massnahmen. Diesbezüglich machen wir noch einen Querverweis zu der Erhöhung der Beiträge an die familienergänzende Betreuung, welche von Rat und Volk beschlossen wurde. Aus unserer Sicht war dies ein wichtiger Schritt. Es gilt nun den Verteilschlüssel anzupassen, damit alle Eltern im Kanton gleichermassen von diesen Geldern profitieren können. Zudem erachten wir es als essenziell, dass die Gelder weiterhin für das familien- wie auch in das schulergänzende Betreuungsangebot zur Verfügung stehen. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Huber-Oberriet (als Präsident der VSGP): Auf den Bericht ist einzutreten. Festzuhalten ist, dass der vorliegende Bericht ohne Zutun und Mitwirkung der VSGP erfolgt ist, obwohl viele dieser Themen in der Gemeindekompetenzen liegen. In unserer Vernehmlassung haben wir einmal mehr darauf hingewiesen, dass es angezeigt wäre, zuerst verschiedene Aufgabenteilungsfragen zu stellen und zu klären, bevor von der kantonalen Ebene Empfehlungen abgegeben werden – leider einmal mehr ohne Erfolg. Es kann festgehalten werden, dass die Aufgaben im Bereich Familienpolitik in den Gemeinden grundsätzlich heute schon gut wahrgenommen werden. Im Bereich der Familienarmut gibt es unbestritten noch Verbesserungspotenzial. Der ganze Bericht stellt aber v.a. Verbesserungen und Forderungen aus Sicht der Familien dar. Aspekte, welche vergessen gingen, sind Eigenverantwortung und die Anforderung der Gesellschaft an die Familien. Unserer Meinung nach ist es immer ein Geben und ein Nehmen. In Abschnitt 8 (Vernehmlassungsverfahren) wurde die Vernehmlassungsantwort der VSGP falsch wiedergegeben. In der Vernehmlassung der VSGP wurde nämlich festgehalten, dass sich in Sachen Familien-EL die meisten Gemeinden eher zurückhaltend geäussert haben, da es politisch unrealistisch sei. Eine Familien-EL kann schwierig eingeführt werden, ohne dabei entweder Veränderungen auf der Sozialhilfeseite des Kantons einzufordern oder dass die Gemeinden anteilmässig EL-Kosten übernehmen müssten. Für die VSGP ist jedoch klar, dass der Grundsatz «EL ist Sache des Kantons und die Pflegefinanzierung ist Sache der Gemeinden» festgehalten werden muss und nicht angetastet werden darf. In Abschnitt 9 (Fazit) werden diverse Handlungsfelder aufgezeigt, in welchen die Regierung ihre Familienstrategie abbildet und konkretisiert. Sollte es dazukommen, müsste vorgängig unmissverständlich die Frage der präzisen Aufgabenteilung geklärt werden. Je nach Zuständigkeit müsste dann auf dieser Ebene die Angebotsdefinition vorgenommen werden, ganz nach dem Motto: «wer zahlt, befiehlt». | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Suter-Rapperswil-Jona (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Auf den Bericht ist einzutreten. Attraktive Rahmenbedingungen für Familien sind seit vielen Jahren ein Kernanliegen unserer Fraktion und ein absoluter Schwerpunkt unseres Wirkens hier im Rat. Mit einiger Genugtuung dürfen wir an dieser Stelle auch feststellen, dass viele unserer Forderungen bereits umgesetzt sind und unser Kanton nicht zuletzt deshalb bereits ein guter Standort für Familien ist mit einer fairen Ehepaarbesteuerung, mit angemessenen Abzügen für Krankenkassenprämien und Kinderbetreuung, mit Unterstützungsgeldern für Kitas, Tagesfamilien und schulergänzende Angebote sowie mit zahlreichen bildungspolitischen, sozialpolitischen, gesundheitspolitischen und finanzpolitischen Massnahmen bis hin zu den Bemessungsgrundlagen des innerkantonalen Finanzausgleichs. Die Mitte-EVP-Fraktion begrüsst es daher grundsätzlich sehr, dass sich die Regierung dem Thema Familien annimmt und es mit einem Grundlagenbericht weit oben auf die Agenda des Kantons setzt, denn es gibt immer noch viel zu tun in der Familienpolitik – sei es betreffend Vereinbarkeit von Beruf und Familie, im Bereich der Frühen Förderung oder bei der allzu hohen steuerlichen Belastung insbesondere von mittelständischen Familien in unserem Kanton. Wir nehmen deshalb den Ball, den uns die Regierung mit ihrem Bericht zuspielt, sehr gerne auf. Leider jedoch wird der vorliegende Bericht, der gemäss Titel ein Grundlagenbericht für die kantonale Familienpolitik sein will, seinem Anspruch nicht gerecht. Denn der Bericht macht schon in der Zusammenfassung klar, dass sein ausdrücklicher Fokus auf dem Thema Familienarmut liegt. Das ist ein viel zu enger Fokus, denn er lässt die Mehrheit der St.Galler Familien schlicht ausser Acht und er widerspricht damit auch dem ausdrücklichen Willen des Kantonsrates, gab es doch verschiedene Vorstösse hier im Rat, welche die Regierung zu Armutsberichten und Ähnlichem verpflichten wollten. Doch sie wurden alle abgelehnt oder mangels Erfolgsaussichten zurückgezogen. Mit dieser Kritik am zu engen Fokus des Berichts wollen wir keineswegs sagen, dass das Thema Familienarmut keinen Platz hat in einem Grundlagenbericht zur Familienpolitik. Ganz im Gegenteil: Familienarmut ist auch in unserem Kanton ein ernstzunehmendes Problem und die Mitte-EVP-Fraktion ist auch bereit, die nötige Unterstützung zu leisten. Der allzu enge Fokus des Berichts hat aber zur Folge, dass alle anderen Themen im Bereich Familienpolitik nur oberflächlich oder gar nicht behandelt werden – und das in einem Bericht, der ein Grundlagenbericht sein will. Betreffend Familienarmut teilen wir die Auffassung der Regierung, dass die bereits bestehenden Instrumente optimiert werden müssen, dass es aber keine neuen Instrumente braucht, auch keine kantonalen Familien-EL. Etwas speziell finden wir in diesen Zusammenhang, dass die Regierung im Bericht einerseits klipp und klar sagt, dass sie kantonale Familien-EL ablehnt, wir anderseits über 60 Seiten hinweg Modelle vorgestellt bekommen, auf welche Weise Familien-EL eingeführt werden könnten. Fast macht es den Anschein, als hätte die Regierung oder vielleicht eher das zuständige Departement mit dem vorliegenden Bericht bloss einen Rahmen gesucht, um das Thema Familien-EL zu lancieren – und dies, obschon weder die Regierung noch der Kantonsrat noch die massgeblichen Vernehmlassungsteilnehmenden die Einführung von kantonalen Familien-EL als sinnvoll erachten. Wir halten dieses Vorgehen weder für hilfreich noch einer guten Debatte förderlich und bitten die Regierung deshalb, solche Manöver zukünftig zu unterlassen. Inhaltlich teilen wir die Stossrichtung der Regierung, sprich: keine neuen Instrumente und auch keine Familien-EL. Vielmehr sind die zahlreichen Instrumente, z.B. die Elternbeiträge oder die Anreizmechanismen bei der Sozialhilfe, sauber auf ihre Wirkung hin zu analysieren und wo nötig zu optimieren. Dabei muss der Einstieg bzw. der Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit oder die Erhöhung der Erwerbstätigkeit im Zentrum der Anstrengungen zur Bekämpfung von Familienarmut stehen. Darüber hinaus muss es gelingen, dass Unterstützung und Eigenverantwortung im Gleichgewicht gehalten werden. Zu diesem Zweck muss sichergestellt sein, dass insbesondere die Gemeinden über den nötigen Spielraum verfügen, um geeignete Anreizsysteme schaffen und anwenden zu können. Es ist unserer Fraktion deshalb ein ganz zentrales Anliegen, dass die Gemeinden von nun an eng in die Analyse und Lösungsfindung eingebunden werden, denn die meisten Instrumente zur Armutsbekämpfung liegen in der Verantwortung der Gemeinden. Doch wie kommen wir vom vorliegenden Bericht zu einer Familienstrategie mit Massnahmen, die nicht nur armutsbetroffene oder armutsgefährdete Familien betreffen, sondern die Anliegen und Bedürfnisse aller Familien und unter ihnen insbesondere auch die mittelständischen Familien adressieren? Hier haben wir uns viel überlegt: ein Nichteintreten auf den Bericht als Protestnote, dass wir von einem Grundlagenbericht mehr erwarten, eine Rückweisung des Berichts mit dem Auftrag, einen ergänzten Bericht vorzulegen, der alle Familien im Kanton gleich wichtig nimmt, oder konkrete Aufträge für die angekündigte Familienstrategie, um den weiteren Weg zu weisen und auch um zu verhindern, dass sich die Familienstrategie nur auf den vorliegenden Bericht abstützt. In Absprache mit der SVP-Fraktion haben wir uns für den Weg über einen Auftrag nach Art. 95 des Geschäftsreglements (sGS 131.11; abgekürzt GeschKR) entschieden. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Pool-Uznach (im Namen der FDP-Fraktion): Auf den Bericht ist einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin Mutter zweier erwachsener Kinder. Die Regierung hat dem Departement des Innern diesen Bericht im Oktober 2019 in Auftrag gegeben. Die Regierung sieht diesen Bericht als Basis für eine Familienstrategie im Kanton St.Gallen. Als Partei, die mit den Werten Freiheit, Gemeinsinn und Fortschritt politisiert, steht die FDP-Fraktion für starke Familien im Kanton St.Gallen als tragende Säule unserer Gesellschaft ein. Familien, in welcher Form auch immer, sind nicht nur ein Ort der Geborgenheit und emotionalen Unterstützung, sondern auch entscheidend für den Zusammenhalt und die Solidarität innerhalb der Gemeinschaft und der Gesellschaft. Familien übernehmen eine Vielzahl von sozialen Aufgaben, darunter die Pflege von Angehörigen, die Erziehung von Kindern und die Integration von Mitgliedern in die Gesellschaft. Das ist gelebter, funktionierender Gemeinsinn, der bislang sehr gut ohne zigseitenlangen Bericht aus der Politik zurecht gekommen ist und dies wohl auch in Zukunft wird. Die Familie ist grundsätzlich privat und bedarf keiner übergeordneten staatlichen Strategie. Das Parlament gab dem Departement des Innern nie einen Auftrag, einen solchen Bericht zu verfassen. Für die FDP-Fraktion ist es nicht nachvollziehbar, weshalb der Bericht «Grundlagen zur Familienpolitik im Kanton St.Gallen» den Fokus so einseitig stellt. Aus diesem Bericht wird jedoch insbesondere deutlich, wie viele Unterstützungsangebote es bereits mit Familienbezug auf kommunaler und kantonaler Ebene gibt und wie breit diese ausgestaltet sind. Die 15-seitige Übersicht über durch den Kanton geförderte familienunterstützende Angebote nach Familienphasen und Themenfeldern und der Anhang 3 verdeutlichen dies. Von Entwicklung und Erziehung über Bildung, Gesundheit, Integration und Teilhabe bis hin zu Krisen und Konflikten reichen die vielfältigen Angebote. Daraus wird deutlich, dass insbesondere die Gemeinden, aber auch der Kanton bereits heute zahlreiche Angebots- und Unterstützungsleistungen erbringen – sei es für Familien mit tieferen Einkommensklassen, aber auch ganz generell. Mit den Elternschaftsbeiträgen und den familienfreundlichen Entscheidungen im Rat verfügt unser Kanton zudem über Instrumente, um der finanziellen Situation von Familien gerecht zu werden. Das darf weder ignoriert noch klein geredet werden. So hat der Rat in den letzten sechs Jahren folgende familienfreundliche Entscheide beschlossen: Steuerliche Entlastung durch Erhöhung des Kinderabzugs von 7’200 auf 10’200 Franken pro Kind pro Jahr – man rechne bei vier Kindern; Steuerliche Entlastung bei der Drittbetreuung von Kindern – Kinderbetreuungskosten können bis zu 25’000 Jahr Franken pro Jahr und Kind abgezogen werden; Beiträge zur familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung haben wir auf 10 Mio. Franken erhöht; Ein erhöhtes Angebot der schulergänzenden Kinderbetreuung, welches im Herbst 2024 umgesetzt sein sollte. Für die FDP-Fraktion ist klar, Familien oder Personen, welche mit eigenem möglichen Aufwand ihre Alltagskosten nicht zu decken vermögen, müssen unterstützt werden. Ein weiterer Papiertiger in Form einer übergeordneten Familienstrategie oder weiterführender Aufträge ist jedoch nicht zielführend, denn echte Familienpolitik findet weder in diesem ehrwürdigen Ratssaal mit Politikerinnen und Politikern noch auf der Tastatur oder auf dem Bildschirm in einem Verwaltungsbüro statt. Echte Familienpolitik geschieht zu Hause am Familientisch, in der Küche oder allgemein im Alltag im Familienrahmen. Wir müssen diese Verwaltung nicht mit einem weiteren Papiertiger beschäftigen. Wenn Sie etwas für Familien in unserem Kanton machen wollen, dann machen Sie das konkret. Unterstützen Sie die Einführung einer Individualbesteuerung, unterstützen Sie weiterhin eine verbesserte Vereinbarkeit von Familien und Beruf wie zuletzt beim Ausbau der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung. Setzen Sie sich für eine starke Volksschule ein, die Totalrevision des Volksschulgesetzes steht uns noch bevor. Aber verzichten Sie darauf, den vorliegenden, nicht bestellten Bericht noch weiter aufzublähen und von oben herab das Tun und Lassen unsere Familien mit einer kantonalen Strategie diktieren zu wollen. Grundangebote und Unterstützungsangebote gibt es auf allen Ebenen, wie der Bericht der Regierung anschaulich aufzeigt, reichlich. Eine weitere Politisierung unserer Familien von oben herab braucht es nicht. Die FDP-Fraktion verzichtet auf weiterführende Aufträge oder Anträge. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Wüst-Oberriet (im Namen der SVP-Fraktion): Auf den Bericht ist einzutreten. Erstaunt hat uns, dass die Regierung ohne Auftrag des Parlaments so aktiv wurde und diesen Bericht samt Studie, die sie bei Ecoplan in Auftrag gab, erarbeitete. Damit wollen wir nicht sagen, dass das Thema an und für sich nicht wichtig sei. Den Bericht jedoch sehen wir als einseitig an, da hauptsächlich die Rede von Familienarmut ist. Uns fehlt im Bericht der ganze Bereich des Mittelstands. Konkrete und vollumfängliche Lösungsvorschläge sind nicht aufgeführt. Es sind einige auf finanzielle Unterstützung ausgerichtete Ansätze vorhanden. Leider fehlen konkrete Massnahmen, lediglich lose Handlungsfelder wurden beschrieben. Dies wundert aber die SVP-Fraktion nicht, da Daten zum Mittelstand sowie konkrete Fakten und Zahlen fehlen. Jedoch zeigt der Bericht auf, dass bereits heute schon viele Gefässe vorhanden sind, um Familien zu unterstützen. Wir fragen uns nur: Wie werden diese Gefässe genutzt? Leider fehlen dazu im Bericht Angaben. Weiter fragen wir uns, ob diese Gefässe aufeinander abgestimmt sind. Für die SVP-Fraktion ist wichtig, dass die Unterstützung beim Kind ankommt und und nicht beim Weinkeller der Eltern. So kann und darf es nicht das Ziel sein, dass Familienunterstützung nur über das Geld ausgerichtet wird. Es gibt ganz viele andere Möglichkeiten, wie Familien unterstützt werden können, z.B. mit Gutscheinen, Vergünstigungen bei Mitgliedschaften, Lehrfach «Haushaltsbudget» in der Oberstufe, Bildungsstand der Kinder erhöhen, Erkennungssystem Armut in der Schule fördern. Eine Möglichkeit wäre sicher auch, die Gemeinden und Schulen näher einzubinden. Diese wissen und erkennen viel früher, wer in Armutsverhältnissen lebt oder gefährdet ist. Daneben gibt es auch Drittanbieter wie Caritas. Diese haben im Kanton St.Gallen 356 Angebote aufgeschaltet wie Verbilligungen in Kinos, Zirkus, Ferienorte usw. Auch hier kann man sich fragen, wie diese Angebote genützt werden bzw. ob die betroffenen Familien diese Angebote kennen. Geld und Leistungen müssen zielgerichteter ausgegeben werden, nicht nach Giesskannenprinzip. Daher brauchen wir mehr Grundlagen und ein richtiges Monitoring. Damit dies von der Regierung zielgerichtet ausgearbeitet werden kann, stellen wir mit der Mitte-EVP-Fraktion einen Auftrag an die Regierung und weisen den vorliegenden Bericht dennoch nicht zurück. Ob die Regierung die Aufträge in einer Botschaft zur Familienstrategie beantwortet oder in einem zusätzlichen Monitoring oder Bericht lassen wir offen. 2022 wurde die Firma Ecoplan zur Ausarbeitung von zwei möglichen Ergänzungsleistungsmodellen für den Kanton St.Gallen beauftragt. Die beiden Modelle liegen dem Bericht bei. Die SVP-Fraktion stellt sich ganz klar gegen eine Einführung von Familien-EL. Erschreckend für die SVP-Fraktion ist die Haltung bzw. das Vorgehen der Regierung. Wir fragen uns, wieso die Regierung die Variante B überhaupt in diesen Bericht aufnahm und nicht selbst intervenierte. Variante B hat zur Anforderung, dass das jüngste Kind unter 16 Jahren sein muss und die Zweielternfamilien 60 Prozent Mindesterwerbstätigkeit vorweisen müssen. Wieso liegt die Mindesterwerbstätigkeit nur bei 60 Prozent für eine Zweielternfamilie? Die SVP-Fraktion ist klar der Meinung, dass für eine Zweielternfamilie eine Mindesterwerbstätigkeit von 100 Prozent vorausgesetzt werden sollte. Die SVP-Fraktion ist klar gegen eine Familien-EL und für Eintreten und unterstützt den Auftrag der SVP-Fraktion / Mitte-EVP-Fraktion. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |
20.2.2024 | Wortmeldung | Alder Frey-Gossau, Präsidentin der vorberatenden Kommission: Die vorberatende Kommission beantragt, auf den Bericht in einziger Lesung einzutreten. Die vorberatende Kommission hat den Bericht 40.23.05 «Grundlagen der Familienpolitik im Kanton St.Gallen» am 19. Januar 2024 beraten. Als Ersatzmitglied wurde Jäger-Vilters-Wangs anstelle von Keller-Gätzi-Wittenbach in die Kommission gewählt. Neben der vollzählig anwesenden Kommission haben als Vertretung des Departement des Innern Regierungsrätin Laura Bucher, Generalsekretär Davide Scruzzi, Leiter Amt für Soziales Claudius Luterbacher und die Leiterin Abteilung Familie und Sozialhilfe Adela Civic an der Sitzung teilgenommen. Die Geschäfts- und Protokollführung wurde von den Parlamentsdiensten durch Simona Risi und ihre Stellvertreterin Livia Osterwalder wahrgenommen. Der Bericht zeigt die Situation von Familien im Kanton in vier grossen Themenbereichen auf, wobei im Bericht ein Schwerpunkt auf das Thema «Familienarmut» gelegt wurde. Im Bericht wurden die bestehenden kantonalen Leistungen und Unterstützungsmassnahmen für Familien sowie Zuständigkeiten und Schnittstellen beschrieben. Darauf basierend wurden strukturelle Schwachpunkte beleuchtet und Entwicklungspotenzial identifiziert. Abschliessend wurden Handlungsfelder skizziert. Handlungsbedarf wird in verschiedenen Bereichen erkannt. Während es im Kanton bereits heute gute Ansätze in Teilbereichen der Familienpolitik gebe, fehle übergeordnet eine Familienstrategie sowie ein Monitoring in diesem Themenbereich. Der Kanton verfügt mit den Elternschaftsbeiträgen und einem familienfreundlichen Steuersystem über Instrumente, um der finanziellen Situation von Familien gerecht zu werden. Der Bericht skizziert weitere Möglichkeiten, wie die finanzielle Situation von armutsbetroffenen oder armutsgefährdeten Familien gezielt verbessert werden könnte. Mit dem Kinderbetreuungsgesetz, Sensibilisierungskampagnen im Bereich Gleichstellung und verschiedenen Programmen, Förderkrediten und Leistungsvereinbarungen setzte der Kanton in den letzten Jahren gezielte Akzente im Bereich der Familienförderung. Auch in diesen Themen wird aber Handlungsbedarf erkannt, um den spezifischen Anliegen von Familien noch besser gerecht zu werden. Im Zentrum soll aber die Weiterentwicklung bestehender Systeme stehen. Die Einführung eines neuen Instruments wie z.B. der Familienergänzungsleistungen (Familien-EL) wird im Bericht aufgrund finanzpolitischer Überlegungen abgelehnt. Kritisch gewürdigt wurde von einer Mehrheit der Kommission, dass der Bericht zu einseitig auf die Familienarmut fokussiere und auf finanzielle Unterstützungsmassnahmen ausgerichtet sei. Die Kommission hätte vermehrte Ausführungen zur Lage der Familien des Mittelstandes und der oberen Einkommensschicht begrüsst, um eine Übersicht über die Bedürfnisse aller Familien im Kanton zu erhalten. Von einer noch auszuarbeitenden Strategie wird von der vorberatenden Kommission erwartet, dass sie konkrete Massnahmen zu den Handlungsfeldern definiert, wobei die Weiterentwicklung von bestehenden Instrumenten im Fokus stehen soll. Überdies wird die finanzielle Entlastung von Familien, insbesondere von Mittelstandsfamilien, gewünscht. Eine Minderheit der Kommission sprach sich für die Einführung einer Familien-EL aus, insbesondere, da die bestehenden Instrumente als zu wenig wirksam eingestuft werden. Von diesen Mitgliedern wurde die Einführung einer Familien-EL als geeignet erachtet, um die Situation von armutsgefährdeten oder bereits von Armut betroffener Familien zu verbessern. Die Regierung plant in einem nächsten Schritt unter Einbezug der Gemeinden und anderer Interessengruppen und unter Berücksichtigung der Anregungen der vorberatenden Kommission, eine Familienstrategie zu erarbeiten. Die vorberatende Kommission hat zwar mögliche Ansätze diskutiert, hat dann aber darauf verzichtet, Anträge zu stellen oder Aufträge an die Regierung zu formulieren. Sie beantragt dem Kantonsrat einstimmig, auf den Bericht einzutreten. | Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession |