Geschäft: Kulturlandzerstörung durch Bachöffnungen: Wird der Ausnahmeartikel im Kanton St.Gallen angewendet?

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KomiteeKantonsrat
Nummer51.23.71
TitelKulturlandzerstörung durch Bachöffnungen: Wird der Ausnahmeartikel im Kanton St.Gallen angewendet?
ArtKR Interpellation
ThemaVerkehr, Bau, Energie, Gewässer
FederführungBau- und Umweltdepartement
Eröffnung20.9.2023
Abschluss29.4.2024
Letze Änderung12.7.2024
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
WortlautWortlaut vom 20. September 2023
AntwortSchriftliche Antwort der Regierung vom 5. Dezember 2023
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
20.9.2023Person8.12.2024
20.9.2023Person8.12.2024
20.9.2023Person6.8.2024
Statements
DatumTypWortlautSession
29.4.2024Wortmeldung

Vogel-Bütschwil-Ganterschwil (im Namen von Vogel-Bütschwil-Ganterschwil / Thoma-Kirchberg / Freund-Eichberg): Die Interpellanten sind mit der Antwort der Regierung nicht zufrieden.

Die eidgenössische Gesetzgebung sieht vor, dass ein in Rohren verlegter Bach geöffnet werden muss. D.h., Röhre raus, Graben auf. Wer also in der Nähe eines Bachs, der in Rohren ist, ein Bauprojekt anstösst, muss damit rechnen, dass der Bach offen gelegt werden muss. Die Bachöffnung wird an die Breite des Gewässerraums angepasst. Ob Wasser oder Wüstenstaub im Bachbett, der Graben ist meistens mindestens 11 Meter breit. Wenn Landwirtschaftsland für Bäche verbaut wird, gehen wertvolle Flächen für die Ernährung verloren. Bester Boden wird also unwiderruflich zerstört, schönste Flächen werden von Bächen weggefressen, ganze «Blätz», wie wir im Toggenburg sagen, zweigeteilt. Für den Bewirtschaftungsmehraufwand erhalten die Bauernfamilien nichts. Mit Bachöffnungen zerstören wir auch das Erbe unserer Grossväter und Grossmütter. Nach Jahrhunderten des Hungers haben sie erst im letzten Jahrhundert den Boden für eine Landwirtschaft bereitgemacht, die eine Schweiz mit Millionen von Einwohnern ernähren kann.

Wir steuern in Richtung 10-Millionen-Schweiz – das kann man gut finden oder nicht. Aber wir gehen jetzt sogar noch hin und öffnen Bäche, in denen gar kein Wasser oder kaum Wasser fliesst. Das schwächt unsere Landwirtschaft und unsere Ernährungssicherheit. Lebensmittel müssen importiert werden, was ökologischer Unsinn ist. Auch für die Steuerzahler bringen die Bachöffnungen gewaltige Ausgaben, einerseits für die Baukosten, andererseits für die Neophytenbekämpfung.

Die Regierung hat die Interpellationsantwort zur vierten Frage bereits überarbeitet. Uns fiel schon vor längerem auf, dass diese Zahlen wahrscheinlich nicht stimmen können. Dafür danken wir der Regierung. Trotzdem sind wir nicht zufrieden. Wir haben gefragt, wie viele landwirtschaftliche Nutzflächen und Fruchtfolgeflächen in der Vergangenheit verloren gingen. Als Antwort erhielten wir, dass nun 90 Hektaren mehr Wasserläufe da sind. Die Frage ist nicht beantwortet. Auch nicht zufrieden sind wir mit der Antwort zur fünften Frage. Wir haben gefragt, wie viele landwirtschaftliche Nutzflächen und/oder Fruchtfolgeflächen in Zukunft verloren gehen. Wir erhielten die Antwort, dass dies wohl 27 Hektaren sind. Auch dies dürfte viel zu wenig sein. Es kommt mehr unter den Bagger.

Es liegt der Verdacht nahe, dass die St.Galler Gemeinden und das kantonale Amt für Wasser und Energie den Ausnahmeartikel gar nicht anwenden wollen. Gemäss Art. 38 Abs. 2 Bst. e können Bäche nämlich wieder eingedohlt werden, heisst, wieder in Röhren verlegt werden. Dieser Artikel wird, so schreibt es auch die Regierung, von Verwaltung, Gemeinden und Gerichten nie angewandt. Wenn eine erhebliche Beeinträchtigung der Landwirtschaft da ist, dann darf ein Bach wieder in Röhren verlegt werden. Ich habe mir die Mühe gemacht, die Parlamentsdebatte aus den 90er-Jahren nachzuvollziehen: Eine erhebliche Beeinträchtigung und damit Grund für eine Wiedereindohlung ist, wenn eine Bachöffnung die schönste Fläche zu Ernährungssicherheit zerstört, das Landwirtschaftsland nicht mehr effizient bearbeitet werden kann oder die Unfallgefahr für Mensch und Tier steigt. Es ist höchste Zeit, dass wir dem Landwirtschaftsland im Kanton St.Gallen endlich mehr Sorge tragen und den Ausnahmeartikel anwenden. Googeln Sie einmal «Kartoffelfläche Kloster St.Gallen», dann sehen Sie ein Bild, wie hier draussen ein Ochse einen Pflug zieht. Früher war man darauf angewiesen, dass jeder Quadratmeter effizient genutzt werden kann. Vielleicht braucht es wieder einmal Hunger, bis wir merken, dass gigantische, kaum wasserführende geöffnete Bachläufe nichts abwerfen.

Session des Kantonsrates vom 29. April bis 2. Mai 2024, Aufräumsession