Geschäft: Diagnostik, Frühförderung und schulische Angebote müssen für autistische Kinder verbessert und erweitert werden

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.23.14
TitelDiagnostik, Frühförderung und schulische Angebote müssen für autistische Kinder verbessert und erweitert werden
ArtKR Motion
ThemaErziehung, Bildung, Kultur
FederführungBildungsdepartement
Eröffnung20.9.2023
Abschluss20.2.2024
Letze Änderung17.7.2024
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
WortlautWortlaut vom 20. September 2023
AntwortAntrag der Regierung vom 23. Januar 2024
WortlautGeänderter Wortlaut vom 20. Februar 2024
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
20.9.2023Gremium2.6.2024
20.9.2023Gremium2.6.2024
20.9.2023Gremium2.6.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
20.2.2024Gutheissung mit geändertem Wortlaut gemäss Antrag der Regierung107Zustimmung4Ablehnung9
20.2.2024Wortlaut12Die Mitte-EVP-Fraktion / SP-Fraktion / GRÜNE-Fraktion99Antrag der Regierung9
Statements
DatumTypWortlautSession
20.2.2024Beschluss

Der Kantonsrat heisst die Motion mit geändertem Wortlaut gemäss Antrag der Regierung mit 107:4 Stimmen gut.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Beschluss

Der Kantonsrat zieht den Antrag der Regierung dem Wortlaut der Motion mit 99:12 Stimmen vor.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Struktur

Spezialdiskussion

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Wortmeldung

Dürr-Gams, Ratsvizepräsidentin, stellt Eintreten auf die Motion fest.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Wortmeldung

Regierungspräsident Kölliker: Es wurde schon ganz viel gesagt und es ist alles zutreffend und soweit richtig. Der Handlungsbedarf ist ausgewiesen, da sind wir uns absolut einig. Es geht nun darum, wie der Fahrplan genau aussehen soll. Die Regierung schlägt Ihnen vor, dass wir das im Zusammenhang mit der Totalrevision des Volksschulgesetzes fundiert und sauber anschauen. Das ist der Sache geschuldet, hier sind wir uns einig.

Wir diskutieren dieses Thema interkantonal seit zwei oder drei Jahren. Wir kamen nicht wirklich vorwärts, weil der Handlungsbedarf längst nicht so klar war. Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) hat nun den dringlichen Handlungsbedarf erkannt und im vergangenen Jahr die Aktivitäten massiv verstärkt. Interkantonal sind wir jetzt massiv dran, herauszufinden, wo es welche welche Abklärungen und wo allenfalls sogar interkantonale Zusammenarbeit braucht. Wir haben Ihnen in der Begründung zum Antrag ausgeführt, welche Abklärungen in den verschiedenen Bereichen der Sonderpädagogik nötig sind. Deshalb der Vorschlag, dass wir das mit der Totalrevision des Volksschulgesetzes koordinieren.

Ich möchte nochmals in Erinnerung rufen, dass die Regierung eine Clusterung und eine Etappierung der Totalrevision des Volksschulgesetzes wollte – genau aufgrund solcher Sachen, weil gewisses dringlicher ist und vielleicht priorisiert und vorgezogen werden sollte. Die Evaluation der Sonderpädagogik findet nicht dieses Jahr statt. Die Auswertung liegt jetzt vor und dieses Jahr wird daran gearbeitet, die Massnahmen in der Sonderpädagogik zusammen mit den Sonderschulen aufzugleisen. Beschleunigen können Sie jetzt also nichts mehr, weil wir bereits daran sind und bereit sind, das zu machen.

Als abtretender Bildungschef gebe ich Ihnen nochmals mit, was ich bereits im Zusammenhang mit der Totalrevision Volksschulgesetz gesagt habe: Schliessen Sie nicht aus, dass Sie vielleicht gewisse Geschäfte vorziehen müssen. Dieses könnte ein solches sein, wenn die Totalrevision des Volksschulgesetzes länger dauert. Wir haben einen sehr engen Zeitplan. Wir müssen diese Schritte jetzt machen, es liegt alles vor, die Grundlagen sind auf dem Tisch. Wir machen das und werden entsprechend darüber Bericht erstatten und allenfalls sehen, ob wir etwas vorziehen müssen. Es spielt aber alles zusammen. Man kann es nicht jetzt isoliert rausnehmen und vorziehen.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Wortmeldung

Jäger-Vilters-Wangs (im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten. Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin Primarlehrer und habe über 20 Jahre Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Kindern mit ASS an unserer integrativen Schule.

Meine Vorrednerin und meine Vorredner haben bereits ausgeführt, dass die Problematik ASS bekannt ist. Man muss sie wirklich aufnehmen und ganz genau anschauen. In meiner Erfahrung als langjähriger Primarlehrer hatte ich einige Kinder mit einer ASS-Diagnose in der integrativen Schulform bei mir Unterricht. Wie Noger-Engeler-Häggenschwil gesagt hat, gibt es ein riesengrosses Spektrum. Baumgartner-Flawil sprach von den schwerwiegenden Fällen, die von der öffentlichen Schule nicht mehr tragbar sind, aber es gibt natürlich auch die anderen, für die eine Betreuung in der Schule möglich ist. Oft fordern dort auch die Eltern, dass die Kinder so lange wie möglich in der Regelklasse belassen werden. Das ist richtig und wichtig. Wenn es möglich ist und wir die Rahmenbedingungen in der öffentlichen Schule so machen können, dann sollten wir das auch machen und diese Schülerinnen und Schüler bei uns in der Regelklasse beschulen. Natürlich gibt es Fälle, die ihren Rückzugsort und die individuelle Betreuung brauchen. Denen muss man ein anderes Setting bieten können.

Die FDP-Fraktion wird dem Antrag der Regierung zustimmen. Dies ganz einfach aus dem Grund, da es noch keinen zwingenden Aufbau eines Kompetenzzentrums, sondern zuerst einmal eine Überprüfung braucht. Es braucht eine fundierte Überprüfung in Rücksprache mit den Gemeinden, den Schulgemeinden und den Schulen: Wie ist der Bedarf? Ist der Bedarf für ein eigenes Kompetenzzentrum überhaupt ausgewiesen? Wenn das ausgewiesen ist, sind wir der Meinung, müssen wir handeln. Das können wir dann in die Totalrevision des Volksschulgesetzes einbauen.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Wortmeldung

Noger-Engeler-Häggenschwil (im Namen der GLP): Auf die Motion ist einzutreten. Der Antrag der Regierung ist abzulehnen.

Ich kenne die integrative Beschulung von Kindern mit ASS aus meinem Berufsalltag. Die Antwort der Regierung nimmt zwar ebenfalls auf, wie wichtig eine angemessene Unterstützung aller Betroffenen – Kinder, Eltern und Schulen – sei, betont aber auch, dass bereits Angebote im Kanton vorhanden seien. Spricht man mit Betroffenen im Kanton ist klar ersichtlich, dass diese unterschwelligen Angebote nicht ausreichen. Immer mehr Schulträger, Lehrpersonen und Eltern stossen an ihre Grenzen und finden für die betroffenen Kinder in unserem Kanton kein passendes Beschulungssetting oder angemessene Beratung. An einer von mir besuchten Weiterbildungstagung zum Thema «Kinder mit ASS» hat eine Betroffene gesagt: Wenn Sie ein Kind mit ASS kennen, dann kennen Sie EIN Kind mit ASS. Jede Ausprägung ist höchst individuell. Daraus ergeben sich auch höchst individuelle und hochanspruchsvolle Herausforderungen, was die Betreuung und Beschulung dieser Kinder anbelangt.

Eine Problematik, die viele dieser Kinder teilen, ist, dass sie mit der Reizflut in einem vollen Schulzimmer nicht umgehen können. Diese Kinder brauchen Rückzugsorte und reizarme Umgebungen. Dabei kann man sie nicht alleine lassen, sie brauchen Begleitung und Unterstützung. Dies kann man – mit viel Aufwand – personell und räumlich teilweise integrativ lösen. Durch die Umstellung der Rahmenbedingungen wie Stundenplan, Schulalltag und Tagesablauf kann viel Integration möglich werden und gelingen.

Aber es gibt auch Kinder, denen die Volksschule zu viel ist – zu viele soziale Kontakte, zu viel Spannung, Reize und Ungewisses. Die Kinder erleben dabei viel Stress. Der Schulalltag überfordert und löst hohen Leidensdruck aus. Dabei reagieren Einzelne mit Aggressionen gegen aussen oder gegen sich selbst oder kapseln sich ganz ab. Dies sind dann wieder hoch herausfordernde Situationen für Lehrpersonen und nicht zuletzt für die Mitschüler und Mitschülerinnen. Da braucht es jetzt Lösungen. Diese Kinder und ihre berechtigten Bedürfnisse sind jetzt da.

Die Bildungsgruppe dieses Rates war vor gut einem Jahr in die Stiftung Kronbühl in Wittenbach eingeladen. Die anwesenden Ratsmitglieder haben eindrücklich gesehen, wie ein einzelnes ASS Kind, welches nirgends mehr beschult werden konnte, in einem Einzelsetting mit viel personellem und finanziellen Aufwand vor Selbstverletzung bewahrt wird – von Beschulung kann kaum gesprochen werden. Die Familie zerbrach an der Aufgabe, der Staat hat sie jahrelang alleine gelassen. Es ist falsch, dass der Kanton die Schaffung eines Kompetenzzentrums und die rechtlichen Grundlagen am langwierigen Prozess der Totalrevision festmachen will. Selbstverständlich gehört auch dieser Teilaspekt in die Totalrevision und muss gesetzlich geregelt werden, aber die Kinder fallen jetzt durch die Maschen, die Eltern werden jetzt allein gelassen und die Lehrpersonen und Klassen stehen jetzt unter Druck.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Wortmeldung

Gschwend-Altstätten (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten. Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Meine drei Vorredner haben ausführlich ausgeführt, warum ein angemessenes Angebot an Abklärungsmöglichkeiten sowie Förderung und Unterstützung notwendig sind. Wir schliessen uns dem an.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Wortmeldung

Baumgartner-Flawil (im Namen der SP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Als ehemaliger Institutionsleiter einer Sonderschule war ich über 20 Jahre Vorstandsmitglied des kantonalen schulpsychologischen Diensts und Präsident des Berufsverbands.

Ich greife auf Erfahrungen aus meinem beruflichen Alltag wie auch aus der Bildungspolitik zurück. Es freut mich sehr, dass die Regierung dem Kantonsrat Gutheissung beantragt. Auf der Ebene der Gesetzgebung macht es durchaus Sinn, die umfassende und komplexe Thematik von ASS in die Gesamtrevision des Volksschulgesetzes einzubinden. Sie alle wissen, dass bis zum Erlass einer Totalrevision mit einer Zeitspanne von drei bis vier Jahren zu rechnen ist. Diese Problematik ist akut und viele Beteiligte stossen heute an die Grenzen der Belastbarkeit. Ich denke v.a. an die Erziehungsberechtigten, die Lehrpersonen, die Klassen, das Schulsystem und somit das ganze Umfeld des betroffenen Kindes. V.a. aber steht das Kind im Zentrum mit seinem inneren Leiden. Es fühlt sich von allen verlassen, fühlt sich alleine auf der Welt, von niemandem verstanden und von niemandem ernstgenommen. Nach meinem heilpädagogischen Verständnis ist es bildungspolitisch und menschlich fast nicht zulässig, die Zeit bis zur Inkraftsetzung des neuen Volksschulgesetzes abzuwarten und erst aufgrund der Artikel im Gesetz die notwendigen Schritte zu veranlassen. Die Wortwahl «notwendig» habe ich absichtlich gewählt, denn es geht hier um «Not zu wenden». Jedes Kind in unserem Kanton hat das Anrecht auf eine angemessene Bildung und Beschulung. Viele Institutionen beschäftigen sich heute mit dem Phänomen und der Thematik Autismus. Ich versuche, sie aufzuzählen: der schulpsychologische Dienst des Kantons und der Stadt St.Gallen, der kinder- und jugendpsychiatrische Dienst (KJPD), der heilpädagogische Dienst, das Kinderspital, die Beratungsstellen Autismus Ostschweiz und Autismus Schweiz und viele private Abklärungs- und und Diagnosezentren. Nicht vergessen möchte ich Beratung und Unterstützung (B&U) aus dem Sonderpädagogik-Konzept (SOK), welches seit 2015 in Kraft ist. 2023 hat man mit der Evaluation begonnen, leider drei Jahre zu spät. Die Evolution des SOK war auf 2019 terminiert.

Wenn ich mich im Internet über ASS orientieren möchte, kommt mir spontan dieses Sprichwort in den Sinn: «Ich sehe vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.» Es ist m.E. richtig, dass der Kanton in der Fragestellung den Lead übernehmen muss, v.a. wenn es sich um Schülerinnen und Schüler aus der Volksschule handelt. Die Aktualität von ASS wurde mir persönlich von vielen Organisationen bestätigt. Wenn ich die Antwort der Regierung über die Gutheissung mit geändertem Wortlaut lese, bin ich damit einverstanden. Wichtig ist die pädagogische Förderung wie auch die Unterstützung im nachobligatorischen Bereich. In dieser Formulierung ist der geänderte Wortlaut der Regierung präziser und besser.

Zum letzten Satz des geänderten Wortlauts: Die Regierung möchte den Aufbau eines kantonalen Kompetenzzentrums nur prüfen und nicht zwingend umsetzen. Im Wortlaut der Motion werden die Schritte zur Verbesserung aufgezeigt und kurz erläutert. Nochmals in ein paar Stichworten: Verbesserung bei der Abklärung und Beratung, verbessertes Angebot für Betroffene, Optimierung und Erweiterung des schulischen Angebots, engmaschige Begleitung in der beruflichen Integration. In der Schweiz gibt es genügend erfolgreiche Umsetzungsbeispiele. Seit 2019 liegt der Bericht «Autismus-Spektrum-Störungen. Massnahmen für die Verbesserung der Diagnostik, Behandlung und Begleitung von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen in der Schweiz» des Bundesrates zu einem Postulatsauftrag des nationalen Parlaments (Postulat Hêche 12.3672 «Autismus und andere schwere Entwicklungsstörungen. Übersicht, Bilanz und Aussicht») aus dem Jahr 2012 vor. In diesem Bericht werden die Zielsetzungen, die prioritären Handlungsschwerpunkte, Empfehlungen und weitere Handlungsbereiche aufgezeigt. Ich zitiere: «Der Bundesrat lädt alle betroffenen Akteure und dabei insbesondere die Kantone ein, anhand des vorliegenden Berichts und der darin enthaltenen Massnahmen Überlegung zur konkreten Umsetzung der in Ihrer Kompetenz liegenden Massnahmen voranzutreiben und wird seinerseits im Rahmen seiner Kompetenzen und Aufgaben dazu beitragen, die Situation von Menschen mit ASS kontinuierlich zu verbessern. [...] Entsprechend möchte er alle Akteure ermuntern, bei der Umsetzung eine aktive Rolle zu übernehmen. [...] Es ist das Ziel des Bundesrates, dass diese wichtigen Behandlungen zielgerechter durchgeführt werden können, ohne dass die betroffenen Zentren oder die Eltern mit komplexen Finanzierungsfragen konfrontiert werden. [...] Zudem möchte der Bundesrat die Kantone ermuntern, eine Auslegeordnung betreffend der bestehenden Strukturen vorzunehmen.».

Dieser Bericht wurde vor fünf Jahren geschrieben. In unserem Kanton hat sich die Situation um ASS nicht entspannt, sondern die akute Notsituation zeigt sich täglich in den Familien und in den Schulzimmern. Die Geschichte wiederholt sich. Um 1960 haben sich verschiedene Elternorganisationen formiert und im Kanton Vereine gegründet mit dem Ziel, dass ihre Kinder mit Beeinträchtigungen eine ihnen angepasste Bildung erfahren können. Das war die Geburtsstunde der heilpädagogischen Schule im Kanton St.Gallen. Das war und ist der Erfolg von engagierten Eltern. In Botschaft und Entwurf der Regierung zum XIV. Nachtrag zum Volksschutzgesetz aus dem Jahre 2013 ist diese Historie genau aufgezeichnet und abgebildet. Auch heute sind es wiederum Eltern, die nach Lösungen für ihre Kinder suchen, damit ihnen eine adäquate Bildung zugestanden werden kann. Die Eltern von Kindern mit ASS stehen heute fast am gleichen Punkt wie die Eltern in den Sechzigerjahren, als es um Schülerinnen und Schüler mit Entwicklungsverzögerungen ging. Auch heute steht hinter jedem Beispiel ein Einzelschicksal. Es kann doch nicht sein, dass Eltern nur wegen der Autismus-Spektrum-Störung ihres Kindes die Beschulung selber in die Hand nehmen müssen und – jetzt bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit –, das Schulgeld wegen fehlender Anerkennung selber bezahlen müssen. Wenn Klassenassistenzen für ihr Kind mit ASS angestellt werden müssen – ein 1:1 Betreuung –, gehen diese Kosten zulasten der Eltern. Das ist im Jahr 2024 wie vor 60 Jahren bei der Sonderschulung.

Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Warum kann das zuständige Departement nicht einen Schulversuch oder eine Pilotschule lancieren – natürlich eng verknüpft und definiert begleitet –, damit wenigstens der verantwortliche Schulträger die vorgegebenen Geldbeträge von 40’000 Franken pro Kind und Schuljahr an die Schule bezahlen kann, damit die Eltern wenigstens von dieser finanziellen Belastung entlastet werden können?

Sicherlich ist der erste Schritt, dass Sie diese Motion gutheissen und überweisen, wie es die Regierung vorsieht. Aber bei diesem Schritt kann es nicht bleiben. Die Zeit bis zur Inkraftsetzung des Volksschulgesetzes sollte genutzt werden. Ich mache eine kurze Überlegung zur Zeitachse: Drei bis vier Jahre für die Inkraftsetzung der gesetzlichen Grundlagen, dann eins bis zwei Jahre für die Ausarbeitung der notwendigen Konzepte und Rahmenbedingungen. Somit ist ein Schüler oder eine Schülerin, bei dem oder der heute ASS diagnostiziert wird nicht mehr schulpflichtig und kommt nicht mehr in den Genuss der Umsetzungen. Die Problematik ist heute aktuell und so müsste auch heute von den verantwortlichen Stellen gehandelt werden. Vielleicht kann uns Regierungspräsident Kölliker bei der Stellungnahme der Regierung noch genauere Auskunft geben, wie in Bezug auf ASS die Zeitspanne pragmatisch und aktiv genutzt werden kann. Ich könnte mir gut vorstellen: Einrichten und Unterstützen von Schulversuchen, Schaffung von Pilotschulen, Anerkennung der Fachstelle Autismus Ostschweiz mit einem entsprechenden Leistungsauftrag und Umsetzung der im Bericht des Bundesrates erwähnten Handlungsschwerpunkte im Kanton St.Gallen. Wie ich diesen Bericht verstanden habe, liegt der Lead beim Kanton.

Sie können heute vieles Bewirken für die Kinder und Jugendlichen mit ASS und sie danken es Ihnen – seien Sie mutig.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Wortmeldung

Warzinek-Mels: Auf die Motion ist einzutreten. Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

«[Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) betreffen rund] ein Prozent der Bevölkerung. Gezeichnet ist ASS durch eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, seelische Behinderung, Probleme bei der Planung von Handlungen, der Kontrolle vorschneller Impulse sowie durch Auswirkungen auf die Kommunikation und soziale Interaktion. [...] Die Defizite sind häufig schwerwiegend. Eine spezifische Frühförderung wird oft verpasst, weil das Angebot zu knapp ist und die ASS-Diagnose zu spät gestellt wird. Diese besonderen Kinder leiden im heutigen Schul- und Gesellschaftssystem [...] Sehr teure, aber häufig zu spät realisierte integrative sonderpädagogische Massnahmen greifen oft nicht, wenn spezifisches Fachwissen und pädagogische Flexibilität fehlen. Was die Öffentlichkeit nicht bietet, wird in der Regel von den betroffenen Eltern mit all ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und unter enormer Belastung kompensiert.»

Genau das ist es, was wir Motionäre in persönlichen Kontakten mit betroffenen Familien spüren. Auch Fachpersonen sind auf uns zugekommen. Sie haben uns wissen lassen: Die Versorgung der betroffenen Menschen im Kanton St.Gallen und den umliegenden Kantonen ist ungenügend. Dies würde u.a. eine Umfrage in allen heilpädagogischen Schulen des Kantons zeigen.

Unser Kanton muss im Bereich der Diagnostik, Frühförderung und der schulischen Angebote für autistische Kinder handeln. Es geht darum, ein angemessenes Angebot hinsichtlich der Abklärungsmöglichkeiten, der Beratung, der fachgerechten schulischen Förderung und der beruflichen Integration für ASS-Betroffene sicherzustellen.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Wortmeldung

Cozzio-Uzwil (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten. Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Endlich wird der stille Kampf, welcher von vielen von Autismus betroffenen Familien und von vielen Fachleuten schon seit Jahren geführt wird, nach aussen getragen – nicht mit gepolten, sondern mit konstruktiven Vorschlägen, damit betroffene Menschen und Familien endlich die richtige Hilfe in fachlicher und finanzieller Form erhalten. Dies ist dringend nötig, hat doch zum Beispiel die Familie, welche diese Motion schlussendlich auslöste, in meiner Heimatgemeinde einen grossen Kampf in Bezug auf Anerkennung und Finanzen zu kämpfen.

Wir sind erfreut, dass die Regierung mit der Gutheissung der Motion – wenn leider auch mit angepasstem Wortlaut – die Notwendigkeit der Anerkennung und Förderung für die betroffenen Menschen und Familien erkannt hat. Dass der Aufbau eines klar zwingend nötigen Kompetenzzentrums für Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) erst geprüft werden soll, verzögert den ganzen Aufbau. Wir sind überzeugt, dass schlussendlich auch der Kanton St.Gallen – genauso wie andere Kantone – ein ASS-Kompetenzzentrum haben wird. Die nötigen Fachstellen gibt es z.B. mit der Autismushilfe Ostschweiz als Verein im Kanton St.Gallen bereits heute . Es wäre wichtig, dass sofort mit den Arbeiten zugunsten von betroffenen Menschen und Familien begonnen werden kann und wir erwarten, dass die Regierung rasch die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachstellen sucht.

Dass die Erarbeitung der gesetzlichen Grundlagen im Rahmen der Totalrevision des Volksschulgesetzes geschehen soll, erscheint uns sinnvoll. Dies bedingt aber – und das erwarten wir Motionäre –, dass die neue Führung des Bildungsdepartementes die Totalrevision des Volksschulgesetzes sofort aufgleist und möglichst rasch als Vorlage in den Rat bringt. Die Notwendigkeit der Anerkennung und Hilfe für von ASS betroffene Menschen und deren Familien ist akut und braucht dringend und sofort die entsprechende Umsetzung. Die Mitte-EVP-Fraktion erwartet klar, dass die Umsetzung sofort beginnt und auch in Bezug auf die Schaffung des ASS-Kompetenzzentrums rasch Klarheit herrscht.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession
20.2.2024Wortmeldung

Dürr-Gams, Ratsvizepräsidentin: Die Regierung beantragt Eintreten mit geändertem Wortlaut.

Session des Kantonsrates vom 19. bis 21. Februar 2024, Frühjahrssession