Geschäft: Heimliche Änderung des SEM in der Aufnahmepraxis mit unabsehbaren Folgen

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer51.23.50
TitelHeimliche Änderung des SEM in der Aufnahmepraxis mit unabsehbaren Folgen
ArtKR Interpellation
ThemaLandesverteidigung, Sicherheit und Ordnung
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung18.9.2023
Abschlusspendent
Letze Änderung18.10.2023
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
WortlautWortlaut vom 18. September 2023
AntwortSchriftliche Antwort der Regierung vom 20. September 2023
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
18.9.2023Gremium2.6.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
20.9.2023Antrag FDP-Fraktion bzw. SVP-Fraktion bzw. Die Mitte-EVP-Fraktion auf Diskussion zu den Interpellationen 51.23.50 / 51.23.52 / 51.23.5679Zustimmung18Ablehnung23
Statements
DatumTypWortlautSession
20.9.2023Wortmeldung

Schöb-Thal, Ratspräsidentin, beantragt Verlängerung der Sitzung. Der Kantonsrat stimmt stillschweigend zu.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Wortmeldung

Regierungsrat Fässler: An sich wäre es jetzt angezeigt, eine längere Debatte zu führen. Wenn ich auf die Uhr schaue, haben wir genau noch etwa zehn Minuten Zeit und sollten in dieser Zeit dann auch noch die Schlussabstimmungen machen. Darum versuche ich mich auf das Wesentliche zu beschränken. Punkt eins, und das ist jetzt keine Antwort auf alles Negative, das ich gehört habe: Im Kanton St.Gallen haben wir es bisher – die Gemeinden und der Kanton zusammen – geschafft, auch die nicht immer einfachen Herausforderungen zu bewältigen. Wir waren auch immer auf der nationalen Ebene in Veränderungen und Neustrukturierungen, die anstanden, einbezogen. Ich war dabei, Regierungsrat Beat Tinner war dabei. Sonderstab SONAS, als die Ukraine-Krise ausbrach, war ich dabei, die Kantone waren dabei. Es ist also nicht so, dass das SEM einfach macht, was ihm gerade passt. Was mich ärgert am SEM – da gebe ich Ihnen recht –, ist das Faktum, dass die Kantone nicht frühzeitig darauf hingewiesen wurden, dass sich diese Herausforderungen in nächster Zeit wahrscheinlich verstärken werden. Das hätte ich auch erwartet, dass man den Kantonen und den Gemeinden sagt: So wie es aussieht, werden vermehrt Afghaninnen zu uns kommen. Das wird wahrscheinlich Mehraufwand geben. So geht man mit Leuten, die im gleichen Feld aktiv sind, nicht um.

Was mich auch noch stört, ist, dass jetzt alle von «Praxisänderung» sprechen, auch das SEM selbst. Was sich geändert hat, ist nicht in erster Linie die Rechtsprechung des SEM, sondern es ist die Situation der Frauen in Afghanistan. Wenn sich dort die Bedrohungslage verändert, dann verändert das natürlich auch die Anerkennungsquote hier in der Schweiz. Aber das SEM ist in allen Fällen verpflichtet, das Asylgesetz anzuwenden, und dieses Asylgesetz ist nicht verändert worden. Das kann auch das SEM nicht alleine machen. Wenn also irgendjemand das Gefühl hat, jetzt reiche es, dann kann man dieses Asylgesetz ändern, man kann die Flüchtlingskonvention aufkündigen, sollte man natürlich aber nicht.

Die Situation der Frauen in Afghanistan hat sich verändert, das hat auch Auswirkungen auf die Anerkennungsquote hier in der Schweiz. Die frauenspezifischen Verfolgungsgründe sind im Asylgesetz explizit aufgeführt. Die wurden nicht vom SEM dieses Jahr eingeführt. Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, Zwangsprostitution – alles, was man unter diesem Begriff verstehen kann, hat es bereits vor der Ukraine-Krise gegeben und das war in unserer Gesetzgebung so verankert.

Ich werde intervenieren – dieses Schreiben ist bereits in Auftrag gegeben worden – und darauf hinweisen, wenn sich Veränderungen abzeichnen, dann muss man die Partner so früh wie möglich orientieren, damit wir unsere Strukturen anpassen können. Das hätte ich auch erwartet. Aber ich kann dem SEM und Bundesrätin Baume-Schneider nicht vorschreiben, wie sie die Gesetze auslegen müssen. Das ist doch nicht meine Aufgabe. Wo kämen wir hin, wenn die Kantonsregierungen beginnen würden, Weisungen zu erteilen, wie ein Gesetz auszulegen ist? Wir kennen die Gewaltenteilung auch in der Schweiz.

Aber wenn uns etwas nicht passt – und die Praxis, uns nicht zu informieren, die passt auch mir nicht –, werden wir das in aller Deutlichkeit kommunizieren. Im Übrigen hoffe ich nun aber doch, dass wir weiterhin in erster Linie daran denken, wie es diesen flüchtenden Personen geht, und die unterstützende Haltung, die ich bis jetzt quer durch die ganze Bevölkerung gespürt habe – auch in diesem Rat –, beibehalten und nun nicht einen Kleinkrieg beginnen um allfällige Verfahrensmängel.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Wortmeldung

Surber-St.Gallen: Die Asylagentur der europäischen Union (EUAA) hat bereits am 25. Januar dieses Jahres festgestellt, dass die Frauen in Afghanistan unter geschlechtsspezifischer Verfolgung leiden, und sie hat die EU-Staaten aufgerufen, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Deutschland hat dies bereits gemacht, auch das restriktive Dänemark hat dies bereits gemacht. Ich würde sagen, diese Agentur kennt das Asylrecht und die Flüchtlingskonvention wahrscheinlich relativ gut. Deswegen gehe ich davon aus, dass das schon seine Richtigkeit hat.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Wortmeldung

Locher-St.Gallen: Nach diesem fulminanten Votum von Surber-St.Gallen sehe ich mich veranlasst, ein paar Worte zu sagen: Erstens geht es nicht darum, das Schreckensregime schönzureden. Zweitens geht es auch nicht darum, Menschen, die in einer schwierigen Situation sind, die an Leib und Leben bedroht sind, keinen Schutz zu gewähren. Aber es geht darum, dass man den Asylgrund des weiblichen Geschlechts verbunden mit der Staatszugehörigkeit nicht einfach als Asylgrund so behandeln kann. Man muss die konkrete Situation anschauen. So, wie das SEM das formuliert, führt das dazu, dass wir nachher sekundäre Immigration haben. Wir haben dann afghanische Frauen aus anderen Staaten, die aufgrund dieses Entscheids um Asyl nachsuchen können. Darum geht es. Es ist diese allgemeine und generelle Praxis, die auch nicht mit dem Völkerrecht übereinstimmt.

Aber ich will jetzt mit Surber-St.Gallen keine juristische Asyldiskussion führen. Darum geht es. Und führen wir es doch zurück: Selbstverständlich sind Wahlen. Aber die Wahlen entbinden uns nicht davon, dass wir uns mit diesen Problemen beim Thema Zuwanderung und Asyl beschäftigen, so, wie wir uns heute Morgen mit den Strassen beschäftigt haben, so, wie wir uns gestern mit der Bildung beschäftigt haben. Sie können alle Themen, die in diesem Rat diskutiert werden, unter das Thema Wahlen subsumieren. Aber es ist unsere Pflicht, auch als kantonales Gremium – das wurde ja auch angezweifelt –, diese Frage des Asyls und der Aufnahme zu diskutieren. Sie wissen, dass die Kantone im Moment mit dem Bund eine grosse Diskussion führen über die Frage der Aufnahme von Asylbewerbern, was ist möglich, was ist nicht möglich usw. Das ist eine legitime Diskussion und der müssen wir uns stellen. Also reduzieren wir es auf das, was es ist. Ich sage es nochmals, und das ist auch Gegenstand unseres Vorstosses: Das, was das SEM hier gemacht hat, geht unter dem Asylrecht nicht.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Wortmeldung

Surber-St.Gallen: Es wurde vorhin ausgeführt, das sei hier billiger Wahlkampf. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es wirklich guter, billiger Wahlkampf ist. Die Schlagzeile «St.Gallen will Frauen aus Afghanistan nicht als Flüchtlinge anerkennen» kommt vielleicht nicht so gut an. Sie kämpfen hier auf kantonaler Ebene, unser Ständerat Beni Würth kämpft auf nationaler Ebene, dass wir Frauen aus Afghanistan nicht als Flüchtlinge anerkennen. Vor zwei Jahren haben die Taliban in Afghanistan die Macht übernommen. Alle, die konnten – Sie können sich noch erinnern –, haben das Land verlassen. Zurückgeblieben ist die afghanische Bevölkerung und zurückgeblieben sind viele Frauen und Mädchen. Diese werden von den Taliban systematisch unterdrückt. Die Menschenrechtslage ist erschütternd. Gemäss einem aktuellen Länderbericht der Flüchtlingshilfe haben die Taliban jegliche demokratische Struktur abgeschafft und sie setzen die Scharia als Rechtsgrundlage ein. Körperstrafen sind wieder an der Tagesordnung. Dazu zählen Peitschenhiebe, Abhacken von Gliedmassen sowie Hinrichtungen auch aufgrund moralischer Vergehen. Die Taliban gehen u.a. gegen Angehörige der ehemaligen Sicherheitskräfte, Medienschaffende und Kritikerinnen vor. Seit ihrer Machtergreifung werden afghanische Frauen ihrer Grundrechte beraubt und in allen Lebensbereichen diskriminiert. Human Rights Watch hält fest, dass die geschlechterspezifische Verfolgung von Frauen in Afghanistan ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt.

Nun hat das Staatssekretariat für Migration entschieden, dass aufgrund dieser geschlechterspezifischen Verfolgung den Frauen aus Afghanistan grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Selbstverständlich wird in jedem Fall eine Einzelprüfung vorgenommen. Dass sich nun hier die bürgerlichen Parteien politisch gegen diesen rechtlichen Entscheid wehren – und das ist es eben, es ist ein rechtlicher Entscheid, der hier die Flüchtlingskonvention zur Anwendung bringt –, ist angesichts der Menschenrechtssituation der Frauen in Afghanistan für uns absolut unverständlich. Die afghanischen Frauen verdienen den Schutz vor Unterdrückung und vor Verfolgung. Ich hoffe, dass hier jetzt keine weiteren Anläufe mehr unternommen werden, um eine Asylpraxis zu unterbinden, die schlicht unserem Recht, den Menschenrechten und dem Asylrecht folgt.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Wortmeldung

Huber-Oberriet legt seine Interessen als aktueller Präsident der VSGP offen.

Die Asylpolitik wird in Bern gemacht – das wissen wir Gemeinden und das weiss auch der Kanton. Dass jedoch Praxisänderungen des SEM vollzogen werden, ohne die Kantone und die Gemeinden in der Schweiz vorgängig anzuhören oder miteinzubeziehen, stört uns. Eine gute und ausgewogene Flüchtlingspolitik funktioniert nämlich nur, wenn die drei Staatsebenen gut miteinander zusammenarbeiten und nicht nur vor Tatsachen gestellt werden. So hat das SEM bereits am 10. Juli 2023 – Sie hören richtig – das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz (HEKS) St.Gallen über die Praxisänderung informiert. Diese hat Ende August 2023 rund 70 Briefe an ausgewählte Migrantinnen gesendet. Das kantonale Migrationsamt wurde dann am 11. September 2023 mit der Information bedient und hat diese auch unverzüglich dem Trägerverein Integrationsprojekte St.Gallen (TISG) weitergeleitet. Nach Aussagen des HEKS St.Gallen sind zurzeit 40 Gesuche eingereicht, was bedeutet, dass heute bereits mit einer Kostenverlagerung von rund 1,4 Mio. Franken vom Bund auf die Gemeinden gerechnet werden kann.

Das SEM tritt die demokratischen Werte der Schweiz mit Füssen, indem es Kantone und Gemeinden übergeht und direkt mit Hilfswerken verhandelt. Solche Machenschaften müssen per sofort eingestellt werden. Die Regierung muss deshalb vehement bei der Vorsteherin des EJPD – das ist nicht mehr Karin Keller-Sutter, Tschirky-Gaiserwald, sondern Elisabeth Baume-Schneider – intervenieren und nicht nur darauf hinweisen. Ein Einbezug von Kantonen und Gemeinden muss bei solchen Praxisänderungen dringend und zwingend sein. Gleichzeitig kann die Regierung die Vorsteherin des EJPD auch noch darauf hinweisen, dass weitere Mängel im Asylsystem der Schweiz bestehen. So bekommen z.B. ukrainische Flüchtende immer wieder den Schutzstatus S, auch wenn sie schon zweimal in ihr Heimatland zurückgereist sind und Rückkehrhilfe in Anspruch genommen haben. Auch das dritte Mal bekommen sie den Schutzstatus S. Ich glaube, das hat nichts mehr mit Kriegsflüchtlingen zu tun.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Wortmeldung

Tschirky-Gaiserwald (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Die Interpellantin ist mit der Antwort der Regierung teilweise zufrieden. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin ehemaliger Präsident der Vereinigung St.Galler Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten (VSGP) und Gemeindepräsident von Gaiserwald.

Eine Bemerkung zu Schwager-St.Gallen: Gull-Flums hat die intrinsische Motivation, die dringlichen Interpellationen einzureichen, ausgeführt. Es geht nicht um Wahlkampf, auch nicht um Wahlkampfgetöse. Als ehemaliger Präsident der VSGP und Gemeindepräsident von Gaiserwald ist mir sehr daran gelegen, dass die Gemeinden das Asylwesen in den Griff bekommen und auch gute Strukturen für diejenigen schaffen können, die effektiv Asyl beantragen bzw. deren Gesuch auf dem Weg ist und deren Integrationsmöglichkeiten wir auf Gemeindeebene vorantreiben können. Unsere mässige Zufriedenheit mit der Antwort der Regierung liegt, wie von Gull-Flums gesagt, weniger an der Regierung selbst, sondern am Handeln des Bundes. Es bleibt sehr zu hoffen, dass die Kontaktaufnahme mit Bundesrätin Karin Keller-Sutter die Ergebnisse zutage bringt, dass der Bund sich endlich bewegt und zusätzliche Strukturen schafft und nicht das Problem vom Bund auf den Kanton und letztendlich auf die Gemeinden verschiebt. Mit Befriedigung habe ich zur Kenntnis genommen, dass der Kanton St.Gallen mit den Gemeinden zusammen ein Notfallkonzept ausgearbeitet hat und die Nutzung von verschiedenen Unterkunftsmöglichkeiten prüft bzw. diese dann auch umsetzt, wie bspw. die Nutzung von Zivilschutzanlagen.

Was die Praxisänderung des SEM anbelangt, so hat mich das schon ein bisschen irritiert. Sogar die Regierung schreibt, dass das SEM seit dem 17. Juli eine Praxisänderung anwendet, die den Kantonen am 11. September kommuniziert wurde. Das geht so nicht. Diese Botschaft ist an den Bund zu richten, und darum bitte ich die Regierung des Kantons St.Gallen dringend, die entsprechenden Argumentationen, die wir hier hier vorgebracht haben, der zuständigen Bundesrätin in diesem Gespräch eindringlich und in einem gewissen Sinn auch fordern, zu unterbreiten.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Wortmeldung

Gull-Flums (im Namen der SVP-Fraktion): Die Interpellantin ist mit der Antwort der Regierung teilweise zufrieden. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin Gemeindepräsident der Gemeinde Flums.

Das liegt aber nicht an der Regierung und auch nicht an den Antworten der Regierung. Wir halten an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich fest, dass wir mit der Praxisänderung des SEM absolut nicht einverstanden sind und dass wir insbesondere die Art und Weise, wie diese vorgenommen wurde, als Affront empfinden. Wie die Regierung in ihrer Antwort richtigerweise festhält, wird die Praxisänderung Auswirkungen auf Kanton und Gemeinden haben. Aktuell gehen wir von Kostenverlagerungen vom Bund auf unsere Gemeinden von rund 1,4 Mio. Franken aus.

Wie bereits in der Diskussion gestern zum Ausdruck gebracht, geht es uns darum, die Attraktivität der Schweiz, des Kantons St.Gallen und der St.Galler Gemeinden als Zieldestinationen mit entsprechenden Weichenstellungen nicht noch weiter zu steigern. Es nützt niemandem etwas, wenn wir nicht mehr in der Lage sind, Flüchtlinge in geordneten Verfahren aufzunehmen und für sie auch entsprechende Unterkünfte bereitzustellen.

Die Gemeinde Flums bzw. im Besonderen unsere Sozialämter und die zusätzlich eingesetzten Betreuungspersonen waren in den letzten Monaten durch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges schon ausserordentlich gefordert. Ich kann Ihnen versprechen, dass wir den Immobilienmarkt in unserer Gemeinde laufend und intensiv beobachten und jede verfügbare und einigermassen geeignete Wohnung angemietet haben. Bspw. haben wir für die Flüchtlinge aus der Ukraine rund 25 Kleinwohnungen angemietet, und das in einer Gemeinde mit rund 5’000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Wenn jetzt durch solche kurzfristigen und nicht kommunizierten Praxisänderungen des SEM weitere Personengruppen zu uns kommen, wird unser Personal erneut ausserordentlich belastet. Selbstverständlich werden auch unsere Finanzen zusätzlich belastet und wir wissen nicht, wo und wie wir entsprechenden Wohnraum in unseren Gemeinden bereitstellen sollen. In diesem Sinne sind wir froh, wenn sich unsere Regierung bei der Vorsteherin des EJPD einsetzen wird und einen Einbezug der Kantone und Gemeinden bei Praxisänderungen mit Nachdruck einfordern wird. Auch wir fordern die Regierung jedoch auf, nicht nur den Hinweis auf Mitwirkung einzufordern, sondern die aktuelle Praxis zu reklamieren. Das war auch die Grundidee der Dringlichkeit dieser Interpellation.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Wortmeldung

Schwager-St.Gallen: Ich habe der Diskussion zugestimmt, weil ich grundsätzlich dafür bin, dass wir in unserem Parlament diskutieren und zuhören. Ich gehe aber davon aus, dass diese drei Interpellationen einzig der Tatsache geschuldet sind, dass wir bald nationale Wahlen haben. Dass jetzt neben der SVP- auch die Mitte-EVP- und FDP-Fraktionen das Thema Asylwesen zum Anlass nehmen, hier noch ein bisschen Schall und Rauch zu verbreiten, betrübt mich.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Wortmeldung

Abderhalden-Nesslau (im Namen der FDP-Fraktion): Die Interpellantin ist mit der Antwort der Regierung teilweise zufrieden.

In den vergangenen Wochen wurde publik, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) eine heimliche Änderung bei der Aufnahmepraxis von Afghaninnen mit unabsehbaren Folgen vorgenommen hatte. Diese Praxisänderung trat bereits auf den 17. Juli 2023 in Kraft und wurde seitens SEM im Alleingang entschieden, ohne Einbezug der zuständigen Parlamentskommissionen und ohne vorgängige Konsultation der Gemeinden und der Kantone, welche die Auswirkungen tragen. Selbstverständlich sollen jene Personen geschützt werden, die Schutz verdienen. Nichtsdestotrotz muss die geltende Gesetzgebung konsequent vollzogen werden, damit das Asylsystem nicht an Akzeptanz einbüsst. Das Geschlecht allein gilt nicht als Asylgrund, ist deshalb völkerrechtswidrig und widerspricht der UNO-Konvention. Mit der neuen Praxis riskiert das SEM einen Pull-Effekt und die Schweiz würde zum bevorzugten Zielland in Europa. Die Regierung teilt in ihrer Antwort die Meinung der FDP-Fraktion, dass die betroffenen Stellen bei Kantonen und Gemeinden ungenügend in den Entscheidungsprozess involviert wurden. Dies wäre jedoch angezeigt gewesen, weil die Kantone aufgrund ihrer Vollzugszuständigkeit insbesondere für die Unterbringung und die Betreuung und die Gemeinden aufgrund der ihnen obliegenden Sozialhilfeaufgaben und der finanziellen Abgeltungen für die Sozialhilfe von der Praxisänderung unmittelbar betroffen sind.

Die präsentierte Schlussfolgerung aufgrund der vorerwähnten Überlegungen, die neue Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) auf die Notwendigkeit des Einbezugs der Kantone und Gemeinden bei grundlegenden Praxisänderungen in der Asylgewährung hinzuweisen, ist zu begrüssen, jedoch insbesondere aus zwei Gründen keineswegs ausreichend. Erstens ändert dieses Vorgehen nichts am aktuellen Fall und den vorliegenden Problematiken für die Gemeinden und die Kantone. Zweitens ist keine konkrete Verbesserung für ähnliche Fälle in der Zukunft garantiert. Die Regierung muss jetzt handeln. Ein Hinweis in Bundesbern genügt nicht und schadet der Akzeptanz unseres Asylsystems.

Wir gehen zudem nicht davon aus, dass die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements ausreichend über die Bedürfnisse, Prozesse und Zustände auf kommunaler und kantonaler Ebene informiert ist.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Beschluss

Der Kantonsrat stimmt dem Antrag auf Diskussion zu den Interpellationen 51.23.50 / 51.23.52 / 51.23.56 mit 79:18 Stimmen bei 1 Enthaltung zu.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Wortmeldung

Tschirky-Gaiserwald beantragt im Namen der Mitte-EVP-Fraktion Diskussion zu den Interpellationen 51.23.50, 51.23.52 und 51.23.56.

Weil die Fragestellungen dieser drei Interpellationen sehr ähnlich sind, macht es durchaus Sinn, dass wir diese drei Interpellationen gemeinsam diskutieren.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Wortmeldung

Gull-Flums beantragt im Namen der SVP-Fraktion Diskussion zu den Interpellationen 51.22.50 und 51.22.56.

Unsere Interpellation wurde auch als dringlich eingereicht und behandelt ähnliche Fragestellungen. Es wäre sicher effizient, wenn wir das zusammenlegen könnten.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
20.9.2023Wortmeldung

Abderhalden-Nesslau beantragt im Namen der FDP-Fraktion Diskussion.



Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
19.9.2023Wortmeldung

Dürr-Gams, Ratsvizepräsidentin: Die Regierung bestreitet die Dringlichkeit nicht. Wird die Dringlichkeit aus der Mitte des Rates bestritten? Das ist nicht der Fall. Damit stelle ich Dringlicherklärung der Interpellation fest.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession