Geschäft: Einführung einer nationalen Elternzeit

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer41.23.03
TitelEinführung einer nationalen Elternzeit
ArtKR Standesbegehren
ThemaGrundlagen und Organisation
FederführungDepartement des Innern
Eröffnung14.6.2023
Abschlusspendent
Letze Änderung24.8.2023
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
WortlautWortlaut vom 14. Juni 2023
AntragAntrag der Regierung vom 22. August 2023
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
14.6.2023Person21.11.2024
14.6.2023Person21.11.2024
14.6.2023Person21.11.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
19.9.2023Eintreten49Zustimmung62Ablehnung9
Statements
DatumTypWortlautSession
19.9.2023Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 62:49 Stimmen bei 1 Enthaltung nicht auf das Standesbegehren ein.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
19.9.2023Wortmeldung

Regierungsrätin Bucher: Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Nur schon wegen der hochgradig irreführenden Bezeichnungen «Mutterschaftsurlaub» und «Vaterschaftsurlaub» müsste man für die Einführung einer Elternzeit sein. Steiner-Kaufmann-Gommiswald, die Regierung und die Erstunterzeichnenden des Standesbegehrens sind gar nicht so weit auseinander. Die Regierung, das haben wir auch ausdrücklich gesagt, sieht die Vorteile der Elternzeit. Sie liegen auf der Hand. Sie wurden auch von Lüthi-St.Gallen ausführlich dargelegt. Neben positiven Auswirkungen auf die Gleichstellung der Eltern gibt es viele positive Impulse für Vereinbarkeit, was wichtig ist gegen den Fachkräftemangel. Auch Effekte auf die soziale Sicherheit beider Elternteile sind mit der Einführung einer Elternzeit verbunden. Wir wissen, dass es oft auch im Alter zu Einbussen bei der Vorsorge führt, wenn Eltern ihre Pensen nach der Geburt von Kindern reduzieren. Nicht zuletzt sprechen wir auch von Standortattraktivität.

Nichtsdestotrotz hat sich die Regierung gegen dieses Standesbegehren ausgesprochen, und zwar aus ordnungspolitischen Gründen. Es wurde mehrfach erwähnt: Das Thema ist auch national in vielen Kantonen auf dem Tisch. Es wird diskutiert, und wir sehen den Moment noch nicht als reif an, jetzt dieses Standesbegehren mit einer Vorgabe von 20 Wochen aus St.Gallen nach Bern zu senden. Es gibt Forderungen von nationalen Kommissionen, die in Richtung 38 Wochen gehen. Es gibt Kantone, die haben schon 24 Wochen eingeführt. Wir sind auch der Meinung, es braucht eine nationale Lösung, aber diese Diskussion hat erst begonnen. Wir möchten zuerst diese Diskussion auch fachlich führen und alle Haltungen dazu hören.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
19.9.2023Wortmeldung

Steiner-Kaufmann-Gommiswald: Besten Dank für die sachliche Diskussion über dieses doch auch sehr persönliche oder manchmal auch emotionale Thema. Ich möchte gerne auf verschiedene Aspekte eingehen, die ich jetzt in der Diskussion gehört habe: Das Stichwort «Eigenverantwortung» ist gefallen. Die Unternehmen haben jetzt schon die Möglichkeit, attraktive Situationen für Arbeitnehmende mit Familien zu ermöglichen. Hier ist einfach meine Erfahrung aus dem persönlichen Umfeld, dass je nach Branche das Stigma doch relativ gross ist, wenn gerade eben auch Väter eine Elternzeit bzw. einen Vaterschaftsurlaub nehmen wollen, der über die zwei Wochen hinausgeht. Dann habe ich das Stichwort «staatlich verordnete Elternzeit» von Wasserfallen-Goldach gehört. Das ist es eben genau nicht. Es wäre eine staatlich ermöglichte Elternzeit, die wir fordern.

Zur Zürcher Abstimmung: Wenn man da von 18 Wochen spricht, muss man präzise sein. Da waren es eben je 18 Wochen, also 36 Wochen. Das ginge dann in die Kategorie dieser Extremforderungen, die auch von unserer Seite nicht unterstützt würden. Zudem sind diese Abstimmungsergebnisse in den Kantonen v.a. auch darum so herausgekommen, weil man eben immer, gerade auch in Bern, auf eine nationale Lösung gepocht hat. Dann vielleicht noch: Der Titel unseres Standesbegehrens heisst «Elternzeit», nicht Elternurlaub. Das ist mir auch ein wichtiger Aspekt, dass das nichts mit Urlaub zu tun hat. Und vielleicht noch zur Form des Standesbegehrens: Dieses Standesbegehren wird in verschiedenen Kantonen so oder in ähnlicher Weise eingereicht. Wir wollen eben bewusst ein Zeichen aus den Kantonen geben und sagen: Jetzt braucht es eine nationale Lösung. Einfach eine Klammerbemerkung: Gestern haben wir drei Standesbegehren aus den Reihen der SVP-Fraktion behandelt.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
19.9.2023Wortmeldung

Wasserfallen-Goldach zu Losa-Mörschwil: Sie hat gesagt, und das ist selbstverständlich auch mir bewusst, dass es Familien gibt, die es sich kaum leisten können, für einen längeren Zeitraum eine Auszeit zu nehmen, aus dem Arbeitsprozess vorübergehend auszusteigen und sich gänzlich der Kindererziehung zu widmen. Das ist schwierig für einzelne Familien. Das ist auch mir und uns bewusst. Wenn man konsequent ist, und in die gleiche Richtung hat auch Surber-St.Gallen argumentiert, dann müsste man ein Standesbegehren oder einen Vorstoss überweisen, der insbesondere diese Einkommensgruppen ins Visier nimmt und nicht nach dem Giesskannenprinzip über sämtliche Einkommensschichten der Gesellschaft eine zusätzliche Elternzeit gewähren. Das sind Kosten, welche die Allgemeinheit zu tragen hat und die letztendlich wiederum die tiefen Einkommensschichten insbesondere belasten.

Ich bitte Sie, wenn Sie sich konsequent für die tiefen und niederen Einkommensschichten einsetzen möchten, dann formulieren Sie einen Antrag bzw. einen Vorstoss, der auch tatsächlich diese Personengruppen ins Visier nimmt.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
19.9.2023Wortmeldung

Güntzel-St.Gallen: Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Einige von Ihnen wissen, dass ich schon einige Jahre in diesem Rat mitarbeite. Früher hatten wir seltener Standesbegehren und es war sehr selten, dass eines in Bern eine Mehrheit gefunden hat. Aber ich bin überrascht, wenn ich jetzt diese Diskussion höre. Die Hälfte der Sprechenden will nach Bern. Machen Sie doch dort auf der richtigen Ebene diese Vorstösse und nicht über den Weg eines kantonalen Standesbegehrens. Ich glaube nicht, dass das der richtige, zielführende Weg ist. Gründe dafür muss ich als Mitglied der SVP-Fraktion nicht mehr anführen. Aber machen Sie das doch selbst – und wenn Sie nicht gewählt werden, was möglich ist, durch Ihre Vertreter – in Bern.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
19.9.2023Wortmeldung

Surber-St.Gallen (im Namen der SP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Sie fordern uns hier wirklich heraus: Wir waren eigentlich der Meinung, dass wir dieses Standesbegehren nicht unterstützen können, weil es uns viel zu wenig weit geht. Eine Elternzeit von 20 Wochen wird nicht unglaublich viel an der Situation von werdenden Eltern, von Müttern und Vätern verändern. Aber nachdem wir nun diese Argumente von FDP und SVP gehört haben, so müssen wir sagen: Gut, wenn es auch nicht das ist, was wir wollen, so ist es doch ein Schritt in die richtige Richtung. Denn es ist selbstverständlich nicht so, dass das mit der Elternzeit einfach funktioniert, wenn man diese gesetzlich in ihrer Länge nicht festschreibt. Sie werden Leute haben, Väter haben, die zuhause bleiben können, weil sie es sich auch einmal leisten können, Urlaub zu nehmen, Ferien zu machen oder einen unbezahlten Urlaub zu nehmen. Sie haben Mütter, die den Mutterschaftsurlaub verlängern können, weil sie es sich leisten können. Aber Sie haben auch ganz viele Eltern, die sich das nicht leisten können, die darauf angewiesen sind, dass sie einen entschädigten Elternurlaub, eine entschädigte Elternzeit erhalten. Es wurde nun bereits vieles gesagt. Es geht hier um Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es geht auch um Rollenbilder. Es geht darum, dass sich diese verändern, dass es nicht mehr einfach so ist, dass nach der Geburt des Kindes die Mutter zuständig ist und der Vater weiterhin arbeiten geht, was dann eben oft dazu führt, dass der Vater weiterhin 100 Prozent arbeitet und die Mutter ihr Pensum reduziert. Es soll so sein, dass beide diese Beziehung und diese Bindung ganz am Anfang nach der Geburt zum Kinde aufbauen können und dass sie sich dann entscheiden können, wie sie ihre Rollenverteilung verstehen wollen, wer sich um das Kind kümmern soll, in welchem Umfang. Es ist selbstverständlich nicht so, selbst wenn sich Eltern dafür entscheiden, dass ein Elternteil zuhause bleibt, dass eine solche Elternzeit nichts bringt. Es ist auch dann gut, wenn derjenige Elternteil, der danach vielleicht auch wieder in einem vollen Pensum arbeiten geht, für eine gewisse Zeit beim Kind bleiben kann. Insbesondere auch dann, wenn eben das zweite oder das dritte Kind kommt und die Organisation zuhause komplizierter wird. Ich danke Ihnen wirklich, wenn Sie dieses Standesbegehren so, wie es hier vorliegt, unterstützen. Wir sind der Meinung, dass es mehr braucht, aber immerhin würden wir dann einen ersten Schritt in die richtige Richtung gehen.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
19.9.2023Wortmeldung

Lüthi-St.Gallen (im Namen der GLP): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Für uns ist klar: Die Schweiz braucht eine Elternzeit, und zwar eine nationale und keine kantonale. Argumente dazu gibt es viele, auf vier möchte ich hier kurz eingehen:

  1. Frauen büssen häufig beruflich dafür, dass sie Kinder bekommen. Die Mutterschaft ist eine Zäsur in der beruflichen Entwicklung der Frau. Bis zum Zeitpunkt der Geburt verlaufen Bildungs- und Erwerbsbiografien von Mann und Frau identisch, mit der Geburt eines Kindes ändert sich das in der Regel. Das berufliche Fortkommen der Frau wird namentlich als Mutter erheblich erschwert, v.a. dann, wenn sie in Teilzeit angestellt ist. Teilzeitarbeit bremst die Karriere- und Lohnentwicklung.
  2. Familie ist keine Privatsache. Immer wieder wird gesagt, dass Familie Privatsache sei. Dieses Argument wird dazu verwendet, um ein Familienmodell zu zementieren, nach dem der Vater erwerbstätig ist und die Mutter die Kinderbetreuung und Hausarbeit übernimmt. Es wird dazu verwendet, den Preis der Fürsorge- und Hausarbeit einseitig einer Personengruppe aufzuerlegen. Care-Arbeit für Kinder, Kranke und alte Menschen allerdings ist eine fundamental wichtige Leistung für die gesamte Gesellschaft. Ihre Bedeutung soll auch gemeinschaftlich anerkannt werden. Der Staat muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit die tatsächliche Wahlfreiheit besteht und nicht ein bestimmtes Modell bevorzugt wird.
  3. Die Integration der Väter ist wichtig. In Schweden und Norwegen mit gleichberechtigter Elternzeit hat es z.B. keinen Einfluss auf die Erwerbsbiografie von Frauen, wenn sie Kinder bekommen. Geben wir auch beruflich engagierten Vätern die Möglichkeit, über eine gewisse Zeit die Hauptverantwortung für ihr Kind zu übernehmen. Eine Elternzeit bietet für Familien optimale Startbedingungen für flexible Aufteilungsmodelle.
  4. Die Schweiz braucht Elternzeit und Elterngeld. Der gesetzliche Mutterschutz von 14 Wochen gewährleistet nicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Er ist eine Gesundheitsmassnahme und wichtig für die Regeneration der Frau und den Start ins gemeinsame Leben. Im internationalen Vergleich erfüllt die Schweiz damit die absolute Minimalforderung. Kein anderes Land in Europa verzichtet auf das Angebot eines Elternurlaubs über die Zeit um die Geburt hinaus. Die Phase der intensiven Betreuung dauert Jahre, nicht nur 14 Wochen. Elternzeit und Elterngeld sind auch wirtschaftspolitisch notwendige Instrumente, um qualifizierte Fachkräfte im Arbeitsleben zu halten – unabhängig von ihrem Geschlecht oder Familienstatus. Die Wirtschaft hat ein profundes Interesse daran, die Rahmenbedingungen für Familien zu verbessern. Dazu zählt weiter die Bereitstellung von ausreichend Krippenplätzen, die bezahlbar sind.

Hier appelliere ich an die Urheberin und die Urheber des Standesbegehrens: Ein breit abgestützter Vorschlag für bezahlbarere Kindertagesstättenplätze liegt in Bern beim Ständerat, die zuständige Kommission wird präsidiert von einem Ostschweizer Mitte-Ständerat. Setzen Sie sich bitte auch in Ihren eigenen Reihen dafür ein, dass die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Schweiz endlich verbessert werden.

Seitens GLP sind wir klar der Meinung, dass es eine nationale Lösung braucht, und wir erachten es als wichtig, dass wir uns für die Bedeutung dieses Themas in Bern einsetzen. Es ist wichtig, dass das Thema, welches schon länger auf der Agenda steht, endlich eine höhere Priorität erhält.



Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
19.9.2023Wortmeldung

Losa-Mörschwil (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Wir Grünen werden das Standesbegehren zur Einführung einer nationalen Elternzeit unterstützen, erlauben uns aber folgende Anmerkungen: Primär bedauern wir es, dass im Standesbegehren von Mutter- oder Vaterschaftsurlaub gesprochen wird, sollte doch mittlerweile endlich allen klar sein, dass es hier nicht um einen Urlaub, sondern um eine spezielle, anspruchsvolle und herausfordernde Zeit geht, die mit dem Begriff Urlaub nichts zu tun hat.

Es ist richtig, dass unser aktuelles Modell mit 14 Wochen Mutterschafts- und zwei Wochen Vaterschaftszeit nicht mehr zeitgemäss ist und wir im Vergleich zu anderen Ländern mit einer familiengerechten, insbesondere kindergerechten Familienzeit weit zurückliegen. Wir erachten die im Postulat geforderte, insgesamt 20 Wochen dauernde Elternzeit aber immer noch als zu kurz. Alle, die auch nur eine leise Ahnung von Bindung und Entwicklung eines Säuglings haben, wissen, dass das erste Lebensjahr für die spätere Zukunft des Kindes eine entscheidende Rolle spielt. Die von uns geforderten 38 Wochen Elternzeit wären das Minimum, um adäquat darauf Rücksicht zu nehmen.

Immer mehr Kinder und Jugendliche haben Schwierigkeiten mit ihrer psychischen Gesundheit. Das heisst selbstverständlich nicht, dass die frühe Fremdbetreuung daran schuld ist, aber nimmt man das Wissen der Wissenschaft ernst, so müssen wir einsehen, dass es mindestens einen Einfluss hat. Wenn ich Botschaften und Berichte der Regierung durchlese, so begegnen mir immer wieder Erkenntnisse, Einschätzungen und Empfehlungen von Studien, Untersuchungen oder Erkenntnissen, welche dann die weiteren Entscheide beeinflussen – ich frage mich, warum wir es hier nicht auch tun.

Wenn ich den Diskussionen und Voten hier im Saal zuhöre, scheint es mir auch, dass die meisten Eltern einfach freiwillig beide arbeiten. Glauben Sie mir – und ich arbeite seit bald 30 Jahren mit jungen Eltern zusammen –, ein Teil davon tut es nicht freiwillig. Ich kenne Fälle, wo die Mutter zu mir kommt und weint, weil sie ihr Kind nach 14 Wochen in die Fremdbetreuung geben muss – und dies in einem der reichsten Länder der Welt. Ich frage mich, auf welchem Weg wir uns befinden.

Dennoch unterstützen wir das Standesbegehren, da es mindestens einen Schritt in die richtige Richtung bedeutet. Wir werden aber unsere Bemühungen für eine Verlängerung der Elternzeit weiter fortsetzen. Ein Land wie die Schweiz darf das Wohl und die Gesundheit der Kinder nicht aufs Spiel setzen.



Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
19.9.2023Wortmeldung

Wasserfallen-Goldach (im Namen der SVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Vermeintlich mag der Ausbau einer bezahlten Elternzeit auf den ersten Blick wie eine wohlwollende Idee erscheinen, welche sowohl die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt als auch die Bindung zwischen Eltern und Kindern stärkt. Allerdings gibt es diverse und ebenso gewichtige Gründe, weshalb die Einführung einer bezahlten Elternzeit keine gute Idee ist und wir uns als SVP-Fraktion auch vehement gegen dieses Ansinnen stellen. Wir haben es gehört: Seit Januar 2005 kennen wir in der Schweiz den 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub. Seit Januar 2021 kommen auch frischgebackene Väter in den Genuss des zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, was uns Abderhalden-Nesslau vorher mitgeteilt hat: Vaterschaftsurlaub im eigentlichen Sinn, Urlaub im eigentlichen Sinn, kann das kaum sein.

Wie auch die St.Galler Regierung in ihrer Stellungnahme auf dieses Standesbegehren verlauten lässt, sind auf Bundesebene bereits verschiedene Entwicklungen, Abklärungen und auch Forderungen zum Thema Elternzeit im Gang. Auch auf kantonaler Ebene konnte sich die Stimmbevölkerung bereits zu ähnlichen Anliegen äussern. Im Juni 2022 lehnte so bspw. die Zürcher Bevölkerung eine Volksinitiative ab, welche eine 18-wöchige Elternzeit zum Inhalt hatte. Um etwas präziser zu sein: Zwei Drittel der Stimmbevölkerung erteilten der Vorlage dazumal eine deutliche Abfuhr.

Die Gesamtkosten einer Umsetzung der damaligen Elternzeitinitiative veranschlagte der Regierungsrat auf jährlich 423 Mio. Franken. Er rechnete dabei mit einer Entschädigung von 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens vor der Geburt des Kindes, höchstens aber 196 Franken pro Tag. Kosten von über 420 Mio. Franken pro Jahr hätten also Arbeitnehmende und Arbeitgebende über höhere Lohnabzüge zu zahlen gehabt. Dazu wären die Unternehmen nochmals mit 800 Mio. bis 1,6 Mrd. Franken pro Jahr an indirekten Kosten belastet worden, z.B. für Mitarbeiterersatz, Ertragsausfälle durch Absenzen usw. Man bedenke hierbei immer: Diese Kosten wären alleine im Kanton Zürich angefallen. Schweizweit würden wir uns nochmals in einer ganz anderen finanziellen Grössenordnung bewegen. Im Juni 2023 verwarf die Berner Stimmbevölkerung, ebenfalls mit einer Zweidrittelmehrheit, eine 40-wöchige Elternzeit. Laut der Berner Regierung hätte die kantonale Elternzeit den Kanton jährlich rund 200 Mio. Franken gekostet. Sie sehen, dort, wo sich bis anhin die Stimmbevölkerung zu vergleichbaren Forderungen und Initiativen äussern konnte, wurde ein absolut vernichtendes Urteil gesprochen. Die Bevölkerung will keinen Ausbau der Elternzeit.

Wenn man aus dem Scheitern der eben genannten kantonalen Projekte nun den Schluss zieht, diese erfolglosen und völlig falsch gelagerten Vorhaben auf Bundesebene ausweiten und dort implementieren zu müssen, scheint mir dies – entschuldigen Sie – gelinde gesagt doch sehr fragwürdig. Das bisherige Verdikt der Stimmbevölkerung jetzt aber auch dahin gehend zu interpretieren, dass die Bevölkerung nicht in unseren Nachwuchs investieren will, wäre ebenso völlig fehlgeleitet. Es ist z.B. mit Sicherheit nicht schlecht, dass der Vater sich nach der Geburt eines Kindes mehr Zeit für seine Familie nimmt, als dies wahrscheinlich früher der Fall war. Um das zu regeln, braucht es jedoch keine staatlich verordnete Elternzeit, sondern eigenverantwortliche Väter und Eltern.

Die in der Berufswelt immer bedeutender werdenden Teilzeitpensen sind längst ein gangbarer und akzeptierter Weg. Die Arbeitgeber haben übrigens die Zeichen der Zeit längst erkannt. So sind KMU bekannt für pragmatische Lösungen bei guten Mitarbeitern. Der sich verstärkende Fachkräftemangel trägt das Seine dazu bei, dass KMU bemüht sind, weiter möglichst attraktiv zu bleiben. Genau diesen liberalen, eigenverantwortlichen Weg müssen wir weitergehen. Es braucht keinen zusätzlichen Ausbau des Sozialstaates, der letzten Endes auch immer nur Ungerechtigkeiten schafft. Eltern, welche sich aus freien Stücken und voller Leidenschaft dazu entscheiden, sich während einiger Jahre aus dem Arbeitsprozess auszuklinken und sich dabei ganz der Kindererziehung und Kinderbeziehung auch anzunehmen, hätten rein gar nichts von einer solchen Vorlage. Hier bräuchte es dringend steuerliche Begünstigungen und v.a. auch deutlich mehr gesellschaftliche Anerkennung für dieses Familienmodell. Der gesellschaftliche Mehrwert und sicherlich auch der volkswirtschaftliche Nutzen dieser eigenverantwortlich bewältigten Aufgabe wird nämlich völlig unterschätzt. Ich danke Ihnen, wenn Sie diese Überlegungen in Ihren Erwägungen berücksichtigen und damit diesem Standesbegehren eine ebenso deutliche Abfuhr erteilen, wie dies bei vergleichbaren Anliegen im Kanton Zürich oder Bern der Fall war.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
19.9.2023Wortmeldung

Abderhalden-Nesslau (im Namen der FDP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Das Thema Elternzeit ist schweizweit auf der politischen Agenda. Zum jetzigen Zeitpunkt hat man das Thema nach Meinung der FDP nicht fertig gedacht. Man hat die Arbeitgeber nicht ins Boot geholt. Die Risiken, welche sich aus einer Elternzeit für ein KMU ergeben, sind nicht geklärt. Die Angst, dass kleinere Betriebe die Ausfälle, die durch eine Elternzeit entstehen, in Zeiten des Fachkräftemangels nicht abfedern können, ist berechtigt. Die Verantwortung von Paaren, wenn sie sich entschliessen, ein Kind zu bekommen, sollte aus der Sicht unserer Fraktion auch für den Zeitraum der angedachten Elternzeit und darüber hinaus gelten. Die Paare haben Zeit, sich Gedanken zu machen und sich zu organisieren. Paare müssen sich aktiv damit auseinandersetzen, wie sie die Kinderbetreuung aufteilen können und möchten.

Dies soll aber jedes Paar selbst entscheiden. Die Arbeitgeber sind gerade in der heutigen Zeit mehr denn je offen, familienfreundliche Stellen zu schaffen, aber freiwillig und nicht per Gesetz vorgeschrieben. Wir glauben auch hier an die Selbstbestimmung und an die Selbstverantwortung. Seit dem 1. Juli 2005 haben Mütter Anspruch auf 14 Wochen Mutterschaftsurlaub – bitte erlauben Sie mir die Bemerkung, dass ich das Wort «Urlaub» sowieso falsch finde –, und erst vor drei Jahren wurde einem zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub zugestimmt. Aufgrund dieser Tatsache stellen wir uns die Frage, ob eine staatliche Lösung überhaupt der richtige Ansatz ist. Wir sind der Meinung, nein und deshalb für Nichteintreten.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
19.9.2023Wortmeldung

Steiner-Kaufmann-Gommiswald: Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Die Regierung beantragt Nichteintreten. Die Regierung argumentiert in wenigen Zeilen im Grossen und Ganzen nur, verschiedene Entwicklungen zeigen einerseits, dass das Thema Elternzeit national und kantonal bereits auf der politischen Agenda sei. Sie zeigen aber auch, dass zur Ausgestaltung einer Lösung unterschiedliche Haltungen bzw. Ansätze bestehen und fachliche Grundlagen dazu noch in Erarbeitung seien.

Kurz zusammengefasst liest sich dies so: Elternzeit ist politisch ein Thema, es gibt verschiedene Meinungen dazu. Und darum soll der Kanton St.Gallen keine Haltung dazu haben? Das Thema Elternzeit ist seit einiger Zeit blockiert. Während kantonalen Abstimmungen wird argumentiert, dass es eine nationale Lösung brauche. National blockieren sich Extremforderungen und Abwehrhaltungen gleichermassen, weshalb erneut kantonale Initiativen aufs Tapet kommen. Ein Teufelskreis – so kommen wir nicht weiter.

Dieses Standesbegehren ist eine Gelegenheit, um aus dem Kanton St.Gallen – einem Grenzkanton zu Ländern, die weit grosszügigere Lösungen kennen – ein Zeichen zu setzen. Dies zusammen mit anderen Kantonen, wo ähnliche Standesbegehren auf dem Tisch liegen. Ein 14-wöchiger Mutterschaftsurlaub und ein 2-wöchiger Vaterschaftsurlaub entsprechen weder dem heutigen Verständnis von Chancengleichheit noch einer modernen Familienpolitik. Die jetzige Aufteilung von 14 Wochen für die Frau und 2 Wochen für den Mann kann einen langfristigen Einfluss auf die Aufteilung von Haus-, Familien- und Erwerbsarbeit innerhalb der Familie haben sowie einen der Gründe für die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt darstellen und alte Rollenbilder auch dann zementieren, wenn Familien die Rollenteilung anders leben wollen. Während 14 Wochen hat die Mutter Zeit, alle nötigen Eltern-Skills zu verinnerlichen sowie das Kind kennenzulernen. Es ist naheliegend, dass es danach immer am einfachsten ist, wenn die Mutter die Familienarbeit übernimmt – sie hat bis dann auch einen gehörigen Wissensvorsprung erarbeitet.

Beide Elternteile sollen sowohl die Möglichkeit haben, bei der Erziehung ihres Kindes von Beginn weg mitzuwirken, als auch nach der Geburt eines Kindes möglichst einfach wieder in den Beruf einsteigen zu können. Ein zentraler Schritt zur Lösung dazu kann eine nationale Elternzeit sein – möglichst flexibel ausgestaltet.

Eine repräsentative Umfrage von Sotomo zeigt, dass sich insgesamt 57 Prozent einen Ausbau wünschen – von den Unter-35-Jährigen sind es gar 82 Prozent, die sich einen Ausbau wünschen. Die Frage ist nicht, ob es eine nationale Elternzeit geben wird, sondern wann. Zudem solle der Ausbau beim Vater stattfinden, dies zeigt dieselbe Umfrage. Weiter ist zu sehen, dass Varianten einer Elternzeit, die sehr weit weg vom Status quo liegen, weniger Realisierungsperspektiven haben als Varianten, die einen moderaten Ausbau der geltenden Regelung anstreben.

Es braucht eine gesamtschweizerische Lösung, die finanzierbar und pragmatisch ist, von der Wirtschaft mitgetragen werden kann und der Wirtschaft mittelfristig auch nützt. Der berufliche Widereinstieg würde erleichtert und mehr Eltern würden insgesamt schneller ins Erwerbsleben zurückfinden. Daher fordern wir mit insgesamt 20 Wochen einen moderaten Ausbau. Der flexible Bezug kommt insbesondere auch den Unternehmen, insbesondere den kleineren Unternehmen, zugute, weil dieser individuelle, passgenaue Lösungen zulässt, die Unternehmer und Eltern miteinander finden und nicht der Staat vordiktiert.

Dieser Vorstoss ist ein Bekenntnis für die Kinder von morgen. Dieser Vorstoss ist insofern ein Bekenntnis und eine Investition in unsere Fachkräfte von morgen. Denken wir langfristig. Statt wirtschaftlich-leistungsmindernde Ideen wie z.B. die 35-Stunden-Woche als Familienpolitik zu verkaufen, läge hier ein pragmatischer Vorstoss vor, der neue Arbeitsweisen einschliesslich flexible Lösungen mit dem Arbeitgeber bei der Familiengründung ermöglicht und Formen von «New Work» wunderbar flankiert.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
19.9.2023Wortmeldung

Dürr-Gams, Ratsvizepräsidentin: Die Regierung beantragt Nichteintreten.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession