Geschäft: Sichere und günstige Stromversorgung

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer41.22.05
TitelSichere und günstige Stromversorgung
ArtKR Standesbegehren
ThemaVerkehr, Bau, Energie, Gewässer
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung21.9.2022
Abschlusspendent
Letze Änderung16.11.2022
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 21. September 2022
AntragAntrag der Regierung vom 8. November 2022
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
21.9.2022Person8.10.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
18.9.2023Eintreten31Zustimmung52Ablehnung37
Statements
DatumTypWortlautSession
18.9.2023Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 52:31 Stimmen bei 14 Enthaltungen nicht auf das Standesbegehren ein.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
18.9.2023Wortmeldung

Schwager-St.Gallen (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Ich lasse die Katze gleich aus dem Sack. Es ist mir fast ein bisschen unangenehm. Ich teile die grundsätzliche Ausrichtung von Locher-St.Gallen, dies bei aller Wertschätzung gegenüber Dobler-Oberuzwil. Er hat sehr viele Punkte gesagt, die ich sofort unterschreiben würde, auch im Namen meiner Fraktion. Dobler-Oberuzwil hat sich in der Vergangenheit häufig eingesetzt für eine sichere Stromversorgung, für die Wirtschaftlichkeit, die Schonung von Ressourcen und für die Versorgungssicherheit. Mit all diesen Ansichten ist er auf dem richtigen Dampfer, aber er fährt in die falsche Richtung.

Unbestritten ist, dass die Strommarktliberalisierung nicht nur ihre positiven Attraktionen hat. Das kann uns z.B. auch Tschirky-Gaiserwald bestätigen. Das Rad der Zeit zurückzudrehen macht wie gesagt wenig Sinn. Wir haben eine Teilstrommarktliberalisierung. Wichtig für die Zukunft ist, wenn wir diese Liberalisierung weiterziehen, dass wir flankierende Massnahmen einführen. Einerseits für die Unterstützung des Ausbaus erneuerbarer Energien, andererseits aber auch für den Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten.

Dobler-Oberuzwil hat es auch richtig gesagt: wir müssen die Systemgrenzen nicht an der Grenze der Schweiz sehen, sondern im ganzen Kontinent. Hier müssen wir eine Versorgungssicherheit von 100 Prozent erreichen, ohne Kohleenergie, ohne Atomkraftwerk, sondern mit Wasser und anderen erneuerbaren Energien. Das ist der Weg in die Zukunft für die Schweiz und für ganz Europa.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
18.9.2023Wortmeldung

Locher-St.Gallen (im Namen der FDP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Ich habe normalerweise in Energiefragen sehr viele persönliche Sympathien für die Überlegungen von Dobler-Oberuzwil, aber hier sind wir der Auffassung, dass er irrt. Martin-Gossau hat sehr präzise zusammengefasst, was notwendig ist und weshalb eine Liberalisierung notwendig ist. Es gibt wenig beizufügen. Wir alle sprechen davon, dass es wichtig ist, demnächst mit der EU ein Strommarktabkommen abzuschliessen. Die vollständige Liberalisierung des Markts ist eine der Voraussetzungen dazu. Wenn wir das nicht wollen, dann bewegen wir uns sehr rasch in eine Sackgasse.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
18.9.2023Wortmeldung

Gähwiler-Buchs (im Namen der SP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Wir hören es immer wieder: Der Markt regelt es. Die unsichtbare Hand des Markts sorgt dafür, dass das System funktioniert. Und dann stehen wir irgendwann da und finanzieren die Fehlspekulationen bzw. Fehlkalkulationen eines Unternehmens. Oder wir sehen uns, wie in diesem Standesbegehren ausformuliert, mit einer Krise konfrontiert, in welcher der Markt überfordert ist. Es braucht nicht einmal eine Notsituation, es können auch gesellschaftliche Veränderungen sein, die zügige Anpassungen verlangen. Der Markt ist ein komplexes und abstraktes Konstrukt, ohne klar geregelte Zuständigkeiten. Wenn den Marktakteuren die Weitsicht fehlt oder aus finanziellen Gründen Investitionen aufgeschoben werden, dann passiert nichts. Gerade in Bereichen der Grundversorgung wird es spätestens dann problematisch.

Wer ist verantwortlich, wenn etwas nicht funktioniert? Wer muss für Schäden geradestehen? Die Stromversorgung muss für die Anforderungen der Zukunft fit sein, muss in der Lage sein, auf aktuelle Ereignisse, veränderte Gewohnheiten sowie Krisen und Probleme zu reagieren. Auch mit dem ökologischen Umbau wird sich dieser Markt stark verändern. In Spitzenzeiten werden wir so viel Strom haben, dass er gratis verteilt werden kann, zu anderen Zeiten kann es teuer werden. Die Preisgestaltung auf dem Markt hinkt dieser Entwicklung hinterher. Wir verfügen über eine Liberalisierung in einem Markt, der sich komplett verändern oder ganz abschaffen wird. Auch weil es um die Steuerung der zukünftigen Entwicklung in den Bereichen Klimaschutz, ressourcenschonende Technologien und Versorgungssicherheit geht. Der Staat könnte diesbezüglich proaktiv agieren und nicht nur auf Marktentwicklungen reagieren.

Gleichzeitig sehen wir die Problematik, dass nicht nur die Schweiz, sondern fast der gesamte europäische Kontinent von dieser Liberalisierung des Strommarkts betroffen ist. Die Stromversorgung ist zu einem gesamteuropäischen Konstrukt geworden. Lösungen können darum nur in Zusammenarbeit mit der EU erzielt werden. Das Standesbegehren bietet die Möglichkeit, diese Problematik zu thematisieren. Sich hinter der Argumentation EU zu verstecken, und darum keine Massnahmen zu treffen, ist keine Lösung und bringt keine Fortschritte, zumal auch diese Länder mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert sind. Wir müssen uns deshalb dafür einsetzen, zukünftige Herausforderungen meistern zu können. Und in diesem Fall bietet das vorliegende Standesbegehren einen Anstoss zur Neuorientierung. Einer Neuorientierung, die unsere Stromversorgung sichern kann.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
18.9.2023Wortmeldung

Mattle-Altstätten (im Namen der GLP): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin Stadtpräsident von Altstätten und stehe somit dem Elektrizitätswerk Altstätten vor.

«Für eine sichere und günstige Stromversorgung», so der Titel einer Medienmitteilung vom 19. April 2010 der SVP. Sichere und günstige Stromversorgung, so lautet nahezu gleich wie vor zwölf Jahren das Standesbegehen von Dobler-Oberuzwil. Es ist angemessen, in Zeiten steigender Energiepreise und potenzieller Energiemängel den Status quo zu überdenken. Wenig hilfreich ist dabei jedoch der Rückwärtssalto in vergangene Zeiten mit weitgehend unrealistischen Forderungen. Die Marktliberalisierung rückgängig zu machen, ist markttechnisch und im Rahmen internationaler Vereinbarungen nahezu unmöglich. Zudem hat die Liberalisierung neue Geschäftsmodelle und Firmen in einem Zukunftsmarkt hervorgebracht, denen mit einer Verstaatlichung des Strommarkts die wirtschaftliche Basis sozusagen der Staatsverordnung entzogen würde.

Dass wir die Diskussion über den Energiemarkt führen müssen, ist richtig und wichtig. Allerdings gilt es, den Strommarkt in die Zukunft zu entwickeln und nicht in alte Zeiten zurückzudrehen. So sind Rahmenbedingungen festzulegen, die Investitionen der Stromkonzerne, Stadt- und Gemeindewerke sowie privater Firmen in die Schweizer Stromproduktion stärken. Viel zu viel Schweizer Kapital wurde in den vergangenen Jahren in die ausländische Stromproduktion investiert und fehlt entsprechend in der Schweiz als Innovationskapital.

Es ist z.B. darüber nachzudenken, ob ein weiterer Umbau des heutigen «Energy-Only-Markts» hin zu einem Kapazitätsmarkt Sinn machen würde. So würde die Bereitstellung von Energie wenigstens teilweise vergütet. Es ist zu überlegen, ob der kalkulatorische Zinssatz für das Stromnetz nicht für gewisse Fristen gesichert werden muss. Nicht zuletzt sind die Kantone, auch St.Gallen, Eigner der grossen Stromkonzerne. Sie können mit geeigneten Eignerstrategien direkt Einfluss nehmen und statt sich weiter aus der Verantwortung zu stehlen, die Ziele im Sinn der Schweizer Volkswirtschaft so setzen, dass die Innovationskraft und die Versorgungssicherheit erhöht werden. Die Grünliberalen sind für eine sinnvolle Vorwärtsstrategie in der Energiepolitik. Ein Zurückdrehen des Rads hilft nicht und wird von uns abgelehnt.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
18.9.2023Wortmeldung

Martin-Gossau (im Namen der SVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Was hat die Liberalisierung damit zu tun, dass das Grimsel-Staumauerprojekt über 30 Jahre lang blockiert war? Nichts. Was hat die Liberalisierung damit zu tun, dass Windprojekte nicht umgesetzt werden können? Nichts. Werden die für den Winterstrom wichtigen alpinen Solaranlagen wegen eines liberalisierten Markts verhindert? Mitnichten. Die Problematik der drohenden Mangellage liegt nicht am freien Markt, sondern beruht auf einer schweizerischen Energiepolitik, die einseitig auf den Ausbau von Solarkraft bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Atomenergie setzt. Jetzt, wo die Preise am Strommarkt seit Monaten hoch sind, sucht man die Schuld bei der Liberalisierung. Betriebe, die sich bewusst für den freien Markt entschieden hatten, nach dem Grundsatz «einmal frei, immer frei» und über fast ein Jahrzehnt von äusserst niedrigen Strompreisen profitiert haben, möchten nun in die regulierte Grundversorgung zurückkehren.

Wir sind in einer Situation, in der wir in den kommenden Jahren weiter von Importen abhängig sind. Dies gibt es aber nur mit einem liberalisierten Markt. Ein Rückgängigmachen der Strommarktliberalisierung – derzeit haben wir erst eine Teilliberalisierung – würde unweigerlich zu höheren Stromkosten im Vergleich zu Europa führen. Es sei denn, wir subventionieren den Strom mit Steuergeldern. Damit würden wir die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Wirtschaft verschlechtern. Die Strommarktöffnung ist eine notwendige Grundlage für den Abschluss eines Stromabkommens mit der EU. Ein solches ist v.a. im Hinblick auf die Versorgungssicherheit bedeutend. Der Markt spielt. Private Fotovoltaikanlagen lassen sich heute amortisieren. Wer will, kann dank einem freien Markt z.B. der CKW AG seinen Fotovoltaikstrom verkaufen. Gerade im Energiesektor sind Innovationen dringend nötig, und wo entstehen diese besser als im Wettbewerb? Ohne Liberalisierung des Strommarkts kann die Energiewende nicht gelingen. Die Liberalisierung des Strommarkts sichert den Platz der Schweiz als wichtige Stromdrehscheibe im europäischen Netzverbund und den damit verbundenen volkswirtschaftlichen Nutzen.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
18.9.2023Wortmeldung

Dobler-Oberuzwil: Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Haben Sie vor den Sommerferien aus der Presse auch erfahren, dass die St.Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG gemäss Beobachter ein neues Preismodell für ihre treuen Grosskunden einführt, die diese bestraft, wenn sie nicht allen prognostizierten Strom verbrauchen? Aus betriebswirtschaftlicher Optik ein richtiger Entscheid, aber energiepolitisch sehr bedenklich. Dies ist nur ein Beispiel, welche Blüten der Strommarkt treibt.

Mein Anliegen ist ein Jahr alt, es hat aber nichts an Aktualität eingebüsst. Ich weiss, dass ich bei einer Mehrheit wahrscheinlich auf taube Ohren stossen werde. Was mich dazu bewogen hat, im Alleingang dieses Standesbegehren zu lancieren? Als Politiker und v.a. als Elektroingenieur, der sein ganzes Berufsleben mit der Stromverteilung und der Anwendung der Elektroenergie beschäftigt gewesen ist und immer noch ist, stehe ich der Strommarktliberalisierung bereits länger kritisch gegenüber. Ich bin überzeugt, dass sich der Aufwand für die Organisation des Markts, v.a. auch für die grosse Masse der Kleinverbraucher nicht rechnet. Auch nicht für die Produzenten, die Überschussenergie zurückspeisen. Für viele Fotovoltaikbesitzer wird noch ein grosses Erwachen kommen, wenn die Einspeisung dem Markt zum Opfer fällt und die zurückgespeiste Energie in den Sommermonaten nichts mehr wert ist.

Strom ist ein ganz besonderer Saft, weil Angebot und Nachfrage zu jedem Zeitpunkt ausgeglichen sein müssen. Ist dieses Gleichgewicht gestört, ist nicht nur der einzelne Kunde, der mehr verbraucht, wie er vielleicht bestellt hat, betroffen, sondern die ganze Versorgung kann kollabieren. Dazu braucht es sogenannte Ausgleichs- oder Regelenergie, die vom Netzbetreiber in Reserve gehalten werden muss. Solange genügend Kraftwerkskapazitäten vorhanden sind, die schnell hochgefahren werden können, funktioniert dies ohne Störung. Dies hatten wir in den schönen, guten Zeiten der fossilen Stromerzeugung. Bei einem Überangebot können diese Kraftwerke auch abgeschaltet werden. Wenn aber das Angebot die Nachfrage nicht zu decken vermag, wird es kritisch. Wenn wir die thermischen Kraftwerke auf unserem Kontinent, und wir müssen uns einen Kontinent als Systemgrenze anschauen, durch Fotovoltaik und Windkraftwerke ersetzen und zudem noch fossile Heizungen und Benzinautos substituieren wollen, wird die Produktion sehr volatil und vom Wetter und der Jahreszeit abhängig sein.

Die Vorkommnisse in unserer Stromversorgung im letzten Jahr hatten mich stark beunruhigt. Im vergangenen Jahr war die Angst vor einer Strommangellage oder sogar vor einem «Blackout» mehr als berechtigt. Auch die exponentielle Preisentwicklung am Strommarkt liess nichts Gutes verheissen. Eine zuverlässige und günstige Stromversorgung ist nicht nur für die Wirtschaft zwingend notwendig, sondern für uns alle, die wir durch den technischen Fortschritt so abhängig davon geworden sind, dass es ohne Strom nicht nur ungemütlich, sondern sogar lebensbedrohlich werden kann. Denken Sie nur kurz darüber nach, was diese Situation für Sie privat und beruflich bedeuten würde. Ebenso gefährden die innert kürzester Zeit explodierten Stromkosten die Existenz von Betrieben und Arbeitsplätzen, v.a. im zweiten Sektor. Die Energiestrategien in Europa, einschliesslich die Vision vom gemeinsamen und freien Strommarkt, sind überhaupt nicht krisentauglich. Sie haben uns nach einem Krieg auf unserem Kontinent knapp an den Abgrund gebracht. Wenn man nicht komplett blauäugig ist, muss man auch mit einem Krieg rechnen. Ebenso logisch ist es, dass die AKW langsam ihre Lebensdauer erreichen. Dass die Hälfte der AKW in Frankreich gleichzeitig für Wartungsarbeiten ausser Betrieb genommen worden sind und sich die Wiederinbetriebnahme immer wieder verzögert hat, ist eigenartig. Stellen Sie sich vor, wir würden gleichzeitig die Hälfte der Kantonsstrassen für Sanierungsarbeiten sperren. Jetzt hat sich die Lage etwas entschärft, aber der nächste Winter kommt bestimmt. So ist auch der Preis im Sportmarkt wieder gesunken. Mittelfristig sieht die Lage alles andere als rosig aus.

Bereits eine ganze Generation lang lavieren wir über die Energiewende, haben aber bis jetzt herzlich wenig zustande gebracht. Ich nehme an, wir wollen als Gesellschaft nach der Annahme des Klimagesetzes auf dem Pfad der Energiewende bleiben und nicht mehr ins fossile Zeitalter zurückfallen. Auf der Verbraucherseite ersetzen wir tüchtig fossile Heizungen durch Wärmepumpen, die bald noch mehr subventioniert werden. Es wird immer wieder erwähnt, dass die Wärmepumpen mit Umweltenergie betrieben werden. Es wird aber gleichzeitig unterschlagen, dass diese Heizsysteme rund einen Drittel Strom brauchen, um die Umweltenergie überhaupt nutzen zu können. Ebenso verdrängen wir den Stromverbrauch der Elektromobilität. Je Auto schlägt etwa gleichviel zu Buche, wie für eine kleine Wohnung. Auf der Erzeugerseite wird wohl viel angekündigt, aber herzlich wenig passiert. Wenn wir, wie wir es einander versprochen haben, am Ende des kommenden Vierteljahrhunderts auf die fossilen Energien und die Kernkraft verzichten wollen, müssen wir unseren Strom aus Wasser, Sonne und Wind praktisch verdoppeln. Wir glauben, dass wir uns auf dem europäischen Markt eindecken können, blenden aber aus, dass unsere Nachbarn alle in der gleichen Situation sind. Baden-Württemberg meint, gleichviel Strom importieren zu können, wie die ganze Schweiz dies auch möchte.

Der Umbau unseres Energiesystems muss jetzt geplant und möglichst schnell umgesetzt werden. Dies wird eine Herkulesaufgabe sein. In der Schweiz haben wir die Teilliberalisierung. Nur weil die Gemeindewerke sich ebenfalls auf dem Markt eindecken müssen, nenne ich das eine zwangsverordnete Bündelung der Kleinkunden am Markt. Dabei könnten wir uns immer noch zu einem grossen Teil aus den Kapazitäten der eigenen, im Besitz der öffentlichen Hand befindlichen Kraftwerke und Beteiligungen versorgen. Nachdem der Zürcher Kantonsrat diverse Vorstösse zum Thema «Axpo», die einen ähnlichen Zweck wie mein Standesbegehren verfolgen, überwiesen hat, fühle ich mich bestärkt in meinem Engagement. U.a. soll die Axpo laut einem Postulat nach dem Willen der SP, SVP, Mitte, EVP und Alternative Liste vermehrt Strom für die Eignerkantone produzieren. Dieser würde der Strombörse entzogen. Zudem sollen die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich Strom nicht mehr auf dem freien Strommarkt, sondern bei der Axpo beschaffen. Dieser Zürcher Vorstoss hat das gleiche Ziel wie mein Standesbegehren. Ich glaube aber nicht, dass das Postulat umgesetzt werden kann. Davor müsste zuerst die Energie- und Stromversorgungsgesetzgebung auf Bundesebene entsprechend angepasst werden. Selbst wenn diese rechtlichen Hürden überwunden werden könnten, müssten die nachgelagerten Versorger, wie in unserem Kanton z.B. Gaiserwald, Gossau oder Goldach usw. verpflichtet werden, sich dem Lieferregime für die Grundversorgung unterzuordnen.

Der Strommarkt ist in Europa verzerrt. Alles ist subventioniert, z.B. erneuerbare Energien, Kohleabbau, Zulagen an Verbraucher usw. In Deutschland will man einen Strompreisdeckel einführen. Und wir wollen die alpinen Grosskraftwerke mit sage und schreibe höchstens 60 Prozent Subventionen bedienen. Da kann der Staat diese Kraftwerke auch behalten und selber betreiben. Denn es sind die Investitions- und Kapitalkosten, die den grossen Hebel ausmachen.

Auch Thierry Burkart, FDP-Präsident, denkt darüber nach, ob künftig die AKW staatliche Gelder für Massnahmen zur Laufzeitverlängerungen erhalten sollen. Laut Gewerbeverband sollten auch die Unternehmen wieder zur Grundversorgung zurückkehren dürfen. Dies und bereits vorhandene staatliche Interventionen haben nicht mehr viel mit Markt zu tun. Auch die vom Bundesrat verabschiedeten Massnahmen bei der Strommangellage sind die reinste Bankrotterklärung. Wir wurden nicht von grossflächigen Naturkatastrophen heimgesucht, sondern wir sind im Begriff, mit unserer marktgläubigen Strategie unser Versorgungssystem selber an die Wand zu fahren.

Die Planung und Umsetzung der Energiewende wird sehr anspruchsvoll sein. Einfache, klare Strukturen und Verantwortlichkeiten sind gefragt. Nur so können wir zukünftig auf eine sichere, saubere und günstige Stromversorgung zählen, die auch in Art. 21 der Verfassung des Kantons St.Gallen (sGS 111.1, KV) als Staatsziel aufgeführt ist. Mir ist es wichtig, dass die Grundversorgung gesichert werden kann. Ein Strommarkt hat und wird es über die Netzgrenzen immer geben, und er kann einfach funktionieren. Die Angst vor den Problemen wegen des Rahmenabkommens mit der Europäischen Union (EU) ist ein schlechter Ratgeber. Da appelliere ich an meine Freunde aus der SVP. Wenn wir im Verhältnis unserer Nachbarn in Europa Trümpfe haben, dann sind es die Alpen mit ihren Stauseen. Die kann uns niemand wegnehmen. Ebenfalls führen die Leitungsstrassen, wie die Transitwege, -strassen und -schienen durch unser Land. Ich nehme an, dass für die SVP das Argument Rahmenabkommen kein Grund für ein Nichteintreten auf die Vorlage sein wird. Das Rahmenabkommen bringt noch ganz andere Probleme. Die Tragik der Strommarktliberalisierungsgeschichte in Europa ist, dass Margaret Thatcher der EU diesen Floh ins Ohr gesetzt hat und Grossbritannien mittlerweile aus der EU ausgetreten ist. Sehen Sie sich an, wie jetzt die ganzen öffentlichen Versorgungen in Grossbritannien dastehen – eine Katastrophe.

Unsere massgeblichen Stromerzeuger und -versorger sind im Eigentum der öffentlichen Hand. Das macht den Umbau des Systems viel einfacher. Helfen Sie diesem Vorstoss zum Durchbruch, springen Sie über Ihren eigenen Schatten. Es fällt Ihnen kein Stein aus der Krone.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession
18.9.2023Wortmeldung

Dürr-Gams, Ratsvizepräsidentin: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf das Standesbegehren.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession