Geschäft: Mit der Berufsmatura prüfungsfrei an die Pädagogischen Hochschulen – eine Antwort auf den Lehrpersonenmangel

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer41.22.03
TitelMit der Berufsmatura prüfungsfrei an die Pädagogischen Hochschulen – eine Antwort auf den Lehrpersonenmangel
ArtKR Standesbegehren
ThemaErziehung, Bildung, Kultur
FederführungBildungsdepartement
Eröffnung14.6.2022
Abschlusspendent
Letze Änderung18.1.2024
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 14. Juni 2022
AntragAntrag der Regierung vom 17. Januar 2023
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
14.6.2022Gremium2.6.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
15.2.2023Gutheissung89Zustimmung17Ablehnung14
15.2.2023Eintreten90Zustimmung17Ablehnung13
15.2.2023Ordnungsantrag Locher-St.Gallen auf Schluss der Diskussion71Zustimmung35Ablehnung14
Statements
DatumTypWortlautSession
15.2.2023Beschluss

Der Kantonsrat heisst das Standesbegehren mit 89:17 Stimmen bei 5 Enthaltungen gut.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Struktur

Die Spezialdiskussion wird nicht benützt.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 90:17 Stimmen bei 4 Enthaltungen auf das Standesbegehren ein.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Regierungsrat Kölliker: Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Dieses Standesbegehren ist deshalb überflüssig, weil bereits eine Motion auf Bundesebene vorliegt. Des Themas wird man sich auf Bundesebene annehmen. Die Kantone haben sich dazu geäussert, die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) und damit die Mehrheit der Kantone lehnen dieses Vorhaben ab. Wie bereits gesagt, haben wir jetzt eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um der Herausforderung des Lehrpersonenmangels zu begegnen. Wir sind intensiv am Arbeiten und diese Massnahmen werden kommen, auch solche hinsichtlich möglicher Änderungen an Angeboten der PHSG. Greifen Sie doch jetzt bitte diesen Massnahmen nicht mit einem Schnellschuss wie diesem Standesbegehren vor.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Beschluss

Der Kantonsrat stimmt dem Ordnungsantrag Locher-St.Gallen mit 71:35 Stimmen bei 1 Enthaltung zu.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Surber-St.Gallen: Der Antrag Locher-St.Gallen ist abzulehnen.

Selbstverständlich ist es legitim, einen Antrag auf Schluss der Diskussion zu stellen. Ich möchte Sie einfach bitten, dies nicht während eines Votums zu machen. Ich finde das nicht sehr anständig, wenn man jemanden so unterbricht. Man kann ein Votum noch abwarten und dann den Ordnungsantrag stellen.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Locher-St.Gallen: beantragt Schluss der Diskussion. Wir diskutieren jetzt hin und her und beklagen uns, dass wir viel zu viele Geschäfte haben.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Schmid-St.Gallen: Ich möchte noch etwas klären, Müller-Lichtensteig hat mich offenbar wirklich falsch verstanden. Ich bin nicht gegen Berufsmaturanden und ich finde auch nicht, dass sie weniger intelligent sind wie Maturanden. Das ist eine vergleichbare Ausbildung, und ich stehe ganz klar hinter dem dualen System. Ich habe das selbst sogar in meiner Karriere durchlaufen. Aber es gibt auch einfach unterschiedliche Ausbildungen, die gleichwertig sind.

Votum durch Ordnungsantrag Locher-St.Gallen unterbrochen

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Hess-Rebstein: Ich kann mich noch gut erinnern, es ist noch nicht allzu lange her, da gab es die sogenannten Seminarschulen in unserem Kanton. Da musste keine Matura absolviert werden. Von diesen Lehrpersonen wurden wir damals ausgebildet. Wissen Sie das noch? Ich habe das Gefühl, die haben damals auch ohne Matura einen sehr guten Job gemacht. Es geht, wir sind der lebende Beweis – zumindest die meisten von uns, vielleicht nicht alle. Erinnern Sie sich daran: Es hat funktioniert und es kann auch in Zukunft funktionieren. Natürlich geht es auch den Erstunterzeichnenden des Standesbegehrens um die Schulqualität und um gute Lehrpersonen. Jetzt ist natürlich die Frage: Was heisst denn gute Qualität? Und jetzt kann sich auch wieder jeder selber einmal fragen: In Ihrer eigenen Schulzeit, war es in jedem Fall die fachlich beste Lehrperson, die Sie heute als Ihre persönlich beste Lehrperson bezeichnen?

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Noger-Engeler-Häggenschwil legt ihre Interessen als ehemalige Studentin der PHSG offen.

Aus meiner Sicht geht es in dieser sehr emotionalen Diskussion gar nicht um Niveau. Es gibt Menschen, die sind hoch intelligent und absolvieren nicht einmal eine Berufsausbildung. Wenn man für die Passerelle ist, traut man den Leuten durchaus zu, dass sie sehr intelligent sind. Es geht gar nicht um Intelligenz oder Niveau, aber es ist einfach so, dass in gewissen Fächern gewisse Inhalte nicht vertieft behandelt werden können, wenn die Zeit dafür fehlt. Dann hat man einfach diese Grundvoraussetzungen, ob es jetzt in Natur, Mensch und Gesellschaft (NMG), Geschichte oder Mathematik ist, nicht. Man hat diese Inhalte einfach nicht durchgenommen.

Ich bin im Moment nicht mehr an der PHSG tätig, aber ich weiss von vielen Studierenden, die im ersten Studienjahr schon enorm straucheln und schwimmen, weil sie andere Kompetenzen kompensieren müssen, z.B. ein Musikinstrument zu spielen, im Turnen das Niveau zu erreichen, oder die Deutschkenntnisse, vor diesen Prüfungen haben die Studierenden enorm Angst. Wenn sie die Grundvoraussetzungen nicht mitbringen, ist das auch eine zusätzliche Belastung für die Studierenden. Grundsätzlich wollen wir schliesslich, dass die Leute diesen Studiengang starten und auch reüssieren und ihn erfolgreich abschliessen können.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Seger-St.Gallen: Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Auch ich bin ziemlich erstaunt über das Ansehen der Ratslinken gegenüber der Berufsmaturität. Ich glaube, Sie verkennen diese Bildungsstufe tatsächlich. Ich schliesse mich meinen Vorrednern Müller-Lichtensteig und Broger-Altstätten an. Zu Hauser-Sargans: In Ihrem ersten Votum sagten Sie, die Rechtschreibung von Berufsmaturandinnen und Berufsmaturanden sei mangelhaft. Sie entschuldigten sich dann, dennoch sagten Sie erneut, dass nicht jede und jeder für die PH zugelassen werden soll. Sie widersprechen sich selbst. Ich finde das unsäglich, wie die Absolventen einer Berufsmatura in dieser Debatte dargestellt werden.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Broger-Altstätten: Ich bin weder Bildungspolitiker noch in der Bildung tätig, aber ich staune einfach, dass hier doch etwas durcheinandergebracht wird. Wir sprechen hier vom prüfungsfreien Zugang zur PH. Anschliessend muss die PH, die gemäss Google rund viereinhalb Jahre dauert, absolviert und abgeschlossen werde und erst dann wird man auf die Schüler losgelassen. Wenn ich die verschiedenen Voten höre, könnte man verstehen, das mit diesem Vorstoss jemand mit einer Berufsmatura morgen als Lehrer einsteigen könnte, und das ist faktisch inkorrekt. Ich bitte, dies zur Kenntnis zu nehmen.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Müller-Lichtensteig: Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Hauser-Sargans hat mich auch zu einem Votum provoziert. Wir stehen nicht vor der Wahl, ob wir Fachkräfte für die Schulen bekommen, die vor der PH die BMS oder die Kantonsschule absolviert haben. Wir stehen vor der Wahl, ob wir ausgebildete Lehrpersonen oder Hilfskräfte bzw. Quereinsteiger ohne pädagogische Ausbildung haben. Darum braucht es neue Wege. Wir können nicht weitermachen wie bis anhin, denn dann finden wir die Lehrkräfte nicht. Wir müssen dieses Problem lösen, und dazu braucht es neue Wege. Ich bin überzeugt, dass viele Berufsschülerinnen und -schüler zwar noch Defizite in gewissen sprachlichen Fächern haben, vielleicht auch in den anderen Kompetenzbereichen, aber dass sie genügend intelligent sind, um diese Kompetenzen zu erwerben. Sie schütteln wieder den Kopf, vielleicht müssen wir uns wirklich einmal grundsätzlich über dieses Thema unterhalten, denn das stört mich tatsächlich. In der Schweiz haben die Leute eine Wahl. Auch intelligente Sekundarschüler entscheiden sich dafür, dass sie eine Lehre machen und die BMS absolvieren. Nicht alle gehen an die Kantonsschule, sondern sie wählen bewusst den anderen Weg. Das ist unser Erfolgsrezept und das hat nichts mit Intelligenz zu tun. Wir sollten dieses Erfolgsmodell pflegen und dürfen das nicht gegeneinander ausspielen. Darum sollten wir diesen vereinfachten Zugang an die PH schaffen für unsere Schülerinnen und Schüler, die in den Primarschulen ausgebildet werden.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Schmid-St.Gallen: Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Ich möchte das Votum von Hauser-Sargans bestätigen. Es geht hier nicht um ein Ausspielen des ein Berufsabschlusses gegen den anderen, sondern es geht darum, dass Ihnen gewisse Fächer fehlen, wenn Sie eine Berufsmaturität, wie ich das damals gemacht habe, absolvieren. Geografie kommt bspw. in diesem Lehrplan nicht vor. Und nachher unterrichten Sie Geografie bzw. «Räume und Zeiten» an einer Primarschule? Das geht einfach nicht. Sie können nicht etwas unterrichten, was Sie nicht gelernt haben. Das gilt natürlich auch für die musischen Fächer. Die sind in der Berufsmaturität einfach untervertreten. Dafür sind die Leute häufig technisch sehr viel versierter.

Ich möchte diesen Eintritt nicht erleichtern. Allenfalls kann darüber gesprochen werden, dass das berufsbegleitend gemacht werden könnte, damit es in der Handhabung einfacher wird. Das sind alles gute Ansätze, aber das Niveau dürfen wir nicht senken. Das Wissen muss vorhanden sein, sonst können unsere Primarlehrerinnen und Primarlehrer der Zukunft das nicht unterrichten.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Hauser-Sargans: Zu Bonderer-Sargans und Cozzio-Uzwil: Sollte ich in meinen Formulierungen tatsächlich abschätzig über Menschen gesprochen haben, die eine Berufslehre gemacht haben und jetzt die Berufsmatura machen, entschuldige ich mich dafür. Das war niemals meine Absicht. Mir geht es darum, dass wir am Schluss nicht nur aus Wertschätzungsgründen jede Vorbildung zulassen können, wenn das Niveau, das sie mitbringen, nicht reicht. Ich habe mit verschiedenen Lehrerinnen und Lehrern Kontakt, die an der BMS arbeiten, und die bestätigen meine Einschätzung, die wir eben auch an der PH haben. Letztlich stehen wir vor der Wahl, ob wir mit einer Niveausenkung in Sprache und Mathematik leben können. Die Schweiz ist ein Bildungsstandort, und es geht um Primarschule, das ist etwas ganz Wichtiges. Deshalb sage ich hier relativ klar: Wir sollten den jetzigen Weg beibehalten, weil sonst das Risiko tatsächlich besteht, dass wir Lehrpersonen mit einem klar tieferen Niveau haben.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Cozzio-Uzwil legt seine Interessen als Vater zweier Kinder offen, welche die PHSG besucht haben. Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Bonderer-Sargans spricht mir aus dem Herzen. Ich muss seine Aussagen nicht wiederholen. Zu Hauser-Sargans: Ich finde es etwas schade, dass Sie als Pädagoge die Wertschätzung gegenüber anderen Berufsrichtungen so ausdrücken. Das ist befremdend und der Zusammenarbeit und Zusammenführung der vielfältigen Ausbildungsmöglichkeiten, die wir hier in der Schweiz und im Kanton St.Gallen haben, nicht förderlich. Es gäbe durchaus auch die Möglichkeit, den Lehrgang innerhalb der PH entsprechend anzupassen. Zwei meiner Kinder haben die PHSG besucht, und beide sagten mir, dass es da noch Möglichkeiten gäbe.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Bonderer-Sargans: Ich wollte nicht zweimal sprechen, aber das Votum von Hauser-Sargans hat meinen Puls in die Höhe schnellen lassen. Ich finde es sehr herablassend, wenn man aussagt, dass die Lehrerausbildung massiv an Niveau verliert, wenn Personen mit einer Berufslehre ohne Vorkurs zugelassen werden. Diese Aussage ist einfach falsch. Stellen Sie sich vor, ein junger Erwachsener macht eine Berufslehre mit allen üblichen Sorgen und Herausforderungen in einem Umfeld mit Personen aus diversen Nationen und aus allen Gesellschaftsschichten. Er kämpft sich durch, er nimmt mit der Berufsmaturität, die ein hohes Niveau vorgibt, zusätzliche Lehrstunden auf sich, er ist in seinem jungen Alter zielstrebig und er entscheidet sich, diesen Weg zu gehen. Ich bin überzeugt, dass das Niveau eines Abgängers einer Berufslehre mit Berufsmaturität nicht tiefer ist als das eines Absolventen einer gymnasialen Matura.

Ich setze mich vehement dafür ein, dass wir nicht davon sprechen dürfen, dass das Niveau sinkt. Man verkennt die Erfahrungen und die Sozialkompetenz, die ein junger Erwachsener im Berufsleben, im Umfeld der kompletten Gesellschaft, erfährt, bis er 19 oder 20 Jahre alt ist. Ich erwarte, dass wir das anerkennen und keinen Keil zwischen diese zwei Ausbildungswege treiben. Diese Leute sind mit 20 Jahren absolut auf Augenhöhe. Ich bin überzeugt, dass das Ansehen des Lehrerberufs nicht sinken, sondern zunehmen wird. Es gibt auch eine Bereicherung, wenn diverse Ansichten und Persönlichkeiten in diese Berufsgattung hineinkommen. Die Qualität bleibt sicher gleich, wenn sie nicht sogar noch steigt.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Noger-Engeler-Häggenschwil: Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Die Argumente der Motionäre können wir teilweise gut nachvollziehen, aber die Qualität der Lehrpersonenausbildung ist auf jeden Fall zu schützen, da sie u.a. ausschlaggebend ist für das Ansehen des Berufes und die Schulqualität. Eine breite Allgemeinbildung, insbesondere in den Fächern Deutsch und Mathematik, die in der Volksschule wichtige Promotionsfächer sind, ist für die Ausübung des Berufes nebst den ebenfalls sehr wichtigen personellen und sozialen Kompetenzen einer Lehrperson relevant und wichtig – ich verweise auf das Votum von Hauser-Sargans.

In der Begründung der Regierung sind die Argumente zur jetzigen Praxis der Zulassung zur PH dargelegt. Natürlich ist die Passerelle für Berufsmaturanden und -maturandinnen eine zusätzliche Hürde, sichert aber auch eine ausreichende Grundbildung. Weist ein Absolvent oder eine Absolventin der Berufsmatura bereits Berufserfahrung aus, können Aufnahmen sur dossier auch jetzt schon geprüft werden.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Benz-St.Gallen (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Die Behebung des Lehrermangels auf der Primarstufe braucht verschiedene Massnahmen. Die erleichterte Zulassung von Absolventinnen und Absolventen der Berufsmittelschule ist ein Mosaikstein dazu. Wir sind überzeugt, dass die Berufsmaturandinnen und Berufsmaturanden mit ihrer Lebens- und Arbeitserfahrung eine Bereicherung in der Ausbildung sind, und zwar auch ohne den Vorkurs der Interstaatlichen Maturitätsschule für Erwachsene (ISME). Wir verkennen dabei nicht, dass die ISME eine weiter gehende Allgemeinbildung vermittelt als die BMS. Dies ist grundsätzlich wünschenswert, aber nicht unbedingt notwendig. Lehrpersonen werden an der PH befähigt, sich mit Themen auseinanderzusetzen und diese stufengerecht umzusetzen. Die Qualität der Lehrpersonen auf der Primarstufe und im Kindergarten zeichnet sich stärker im pädagogischen, im kreativen und im musischen Bereich aus und nicht im Wissen über die Entstehung des Ersten Weltkrieges oder die chemische Formel von ungesättigten Fettsäuren. Es ist uns bewusst, dass mit mehr Ausbildungsplätzen der Lehrermangel nicht behoben wird. Noch wichtiger als ein erleichterter Zugang ist u.E. die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen, die dazu führen, dass die ausgebildeten Lehrpersonen in den Beruf einsteigen und lange dabeibleiben, ohne auszubrennen. Tun wir das eine und das andere auch.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Hauser-Sargans (im Namen der SP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Ich unterrichte an der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG) und bilde seit über 30 Jahren Lehrerinnen und Lehrer von Primarschule und Kindergarten aus.

Massnahmen zur Reduktion des Fachkräftemangels im Lehrberuf sind unbestritten willkommen. Dieser Mangel wird uns, wie in anderen Berufen auch, noch einige Jahre begleiten. Doch deswegen nun das notwendige Niveau für den Zutritt zum Studium leichtfertig zu senken, geht nicht. Die Erstunterzeichnenden des Standesbegehrens behaupten, dass Gegner eines prüfungsfreien Übertritts für Menschen mit einer Berufsmatura den Wert verkennen, die Menschen mit anderen Berufen in den Lehrberuf einbringen. Wir verkennen diesen keineswegs, aber das Anerkennen von Vorleistungen und gesellschaftlich relevanter Kompetenzen hat dort Grenzen, wo es zu einer klaren Niveausenkung führen würde. Auch wenn der Vergleich etwas hinkt: Die Bevölkerung wäre sehr erstaunt, wenn Metzgerinnen und Metzgern für die Zulassung zum Arztstudium ein bis zwei Semester erlassen würden, nur weil sie die Organe von Säugetieren schon sehr gut aus eigener beruflicher Erfahrung kennen und in dieser Fachkompetenz auch für die menschlichen Innereien ein durchaus besonderes Wissen mitbringen. Das Behandeln eines Darmkrebses ist definitiv etwas anderes als das Zuschneiden und Portionieren von Kutteln. Eine solche Art begründeter Zulassungserleichterung würde die Bevölkerung auch dann nicht verstehen, wenn Ärztemangel herrscht.

In der Berufsmaturitätsschule (BMS) erwerben Schülerinnen und Schüler deutlich weniger Kompetenzen in den Bereichen Sprache und Mathematik als in anderen Mittelschulzügen. Diese Unterschiede werden an der PH nicht ausgeglichen, weil das Unterrichten von Fachwissen dieser Art nicht Auftrag der PH ist. An der PH wird das vorausgesetzt. Als Ausbildner kann ich Ihnen sagen, dass insbesondere Defizite in Sprachen und Mathematik – hier im Saal schon öfters moniert – bei angehenden Lehrpersonen in den letzten Jahren nicht unbeträchtlich zugenommen haben. Es wurde deshalb an der PHSG, was eigentlich absurd ist, vor einigen Jahren eine separate Deutschprüfung für alle Studierenden im ersten Studienjahr eingeführt, denn das Niveau ist teilweise bedenklich. Wir können inzwischen nicht mehr garantieren, dass alle Studierenden in der Lage sind, aus dem Stand jemandem den Dreisatz zu erklären oder Lehrer nicht mit drei «e» zu schreiben. So darf es nicht weitergehen. Deshalb sind Ergänzungsprüfungen bei einer Berufsmatura weiterhin notwendig. Leistungsstarke Berufsmaturandinnen und Berufsmaturanden können diese Prüfungen übrigens auch ohne Vorkurs ablegen. Was wir uns nicht leisten können, sind erhebliche Kompetenzmängel in den Grundkompetenzen.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Bonderer-Sargans (im Namen der SVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten. Ich lege meine Interessen offen: Ich bin nebenamtlich in der Berufsbildung tätig.

Ich danke meinen Vorrednern – zwei ausgesprochene Fachpersonen auf dem Gebiet der Schule. Ich möchte das auch nicht vertiefen, sondern einen etwas anderen Blick auf das Thema einbringen. Ich habe eine Berufslehre absolviert. Ich bin nebenamtlich in der Berufsbildung tätig und schätze diese als einen sehr wertvollen Weg, um jungen Leuten die Aneignung von Sozial- und Fachkompetenzen zu ermöglichen.

Wir leben in einer Zeit, in der Fachkräfte sehr grosse Mangelware sind. Ich bin überzeugt, dass wir hier Brücken schaffen müssen, um Fachkräfte zu erschliessen und auch junge Leute zu motivieren, solche Wege zu gehen. Die SVP-Fraktion ist der Meinung, dass genau solche innovativen Wege zu begrüssen sind und von der Regierung zu fördern sind, denn diese Wege stellen die Berufsbildung und die gymnasiale Maturität auf dieselbe Stufe, und das finde ich zukunftsweisend. Wir sind der Meinung, dass wir das Standesbegehren unbedingt unterstützen und überweisen müssen als starkes Zeichen in Richtung der nationalen Politik. Wir hoffen sehr, dass diese das aufnimmt und in diese Richtung etwas unternimmt.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Frei-Rorschacherberg (im Namen der FDP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Wir können dem Ansinnen sehr viel abgewinnen. Mit der Berufsmatura sollte es möglich sein, für ein Primarschulstudium an die Pädagogische Hochschule (PH) zu gehen. Das Studium kann mit Prüfungen und Einführungsjahren begleitet werden. Im Zyklus 3, der Oberstufe, sehen wir das anders, das ist aber hier nicht Gegenstand. Dort macht der bisherige Weg klar Sinn. Auf beiden Stufen, Primar- und Oberstufe, gilt dasselbe: Wir brauchen Typen – das meine ich ganz genderneutral –, die mit Schülerinnen und Schülern umgehen können und eine Beziehung aufbauen können. Es ist auch empirisch erwiesen, dass das zu besseren Leistungen führt. Wenn die Eignung dazu im ersten Studienjahr an der PH überprüft wird, sind wir dem Ziel, fähige Personen zu finden, die dem Lehrermangel vorbeugen können, einen grossen Schritt näher. Diese beschriebenen Typen müssen kognitive Fähigkeiten mitbringen, Organisationstalente sein, die Fähigkeit haben, ein Vorbild sein zu können, Freude an ihren Fächern haben und nicht zuletzt auch Fachwissen aufbauen – der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG) trauen wir das zu.

National befinden sich eine ähnlich lautende Motion und ein Postulat in der Pipeline. Sollte die Motion auf nationaler Ebene abgelehnt werden, ist unser Standesbegehren wohl auch nichtig. Sollte sie aber angenommen werden, braucht es das Standesbegehren ebenfalls nicht. Kurz gesagt: «Nützt es nichts, so schadet es auch nicht.» Wir sind der Meinung, wir können durch die Unterstützung dieses Standesbegehrens die Haltung des Kantons St.Gallen aufzeigen und da noch etwas Unterstützung bieten.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Hess-Rebstein (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Wir können die Haltung der Regierung in ihrer Antwort inhaltlich nicht teilen. Unser Standesbegehren greift aus unserer Sicht ein aktuell sehr akutes Problem im Bereich der Lehrpersonenrekrutierung konstruktiv und innovativ auf. Es ist daher bedauerlich, dass die Regierung hier bisher wenig Tatkraft und Wagemut zeigt. Die aktuelle Rechtsgrundlage ist uns natürlich klar. Wir wollen diese schliesslich gerade aus dem Grund ändern, weil wir sie für nicht ganz tauglich erachten.

Erstens führt die Regierung in der Antwort aus: «Zur Ausbildung für den Unterricht auf der Primarstufe werden Absolventinnen und Absolventen einer Fachmaturität Pädagogik direkt, solche einer Berufsmaturität nach bestandener Ergänzungsprüfung (Äquivalenznachweis zur Fachmaturitätsprüfung Pädagogik) zugelassen. Letztere können alternativ aufgrund der Quereinsteigerregelung mit Aufnahmeverfahren sur dossier zum Studium an einer Pädagogischen Hochschule zugelassen werden.»

Das ist bereits ein relativ offenes, flexibles, aber im Einzelfall leider auch nicht immer ganz logisches Konzept. Es kann die Situation sogar teilweise verkomplizieren. Aus unserer Sicht wäre daher für alle Berufsmaturandinnen und Berufsmaturanden auf eine Ergänzungsprüfung zu verzichten, auch darum, weil insbesondere für pädagogische Berufe gegenüber aller berechtigter fachlicher Qualitäts- und Leistungsorientierung die individuellen Persönlichkeitsmerkmale nicht vernachlässigt werden dürfen. Andere Kantone sehen das übrigens auch so.

Der Bundesrat mag, wie in der Antwort der Regierung ausgeführt, die auf nationaler Ebene von Mitte-Nationalrat Simon Stadler eingereichte Motion 20.4593 «Prüfungsfreier Zugang mit der Berufsmatura zu pädagogischen Hochschulen für die Ausbildung zur Primarlehrperson» – mit der gleichen Zielsetzung wie der unseren – zwar zur Ablehnung empfohlen haben, nicht aber – und das erwähnt die Antwort der Regierung leider nicht – das Postulat 22.4267 «Zulassung von Absolventen und Absolventinnen einer Berufsmatura zur Primarlehrerausbildung» zum gleichen Thema. Im Gegenteil, dieses hat der Bundesrat zur Gutheissung empfohlen. Die Frage soll also geprüft werden, und das zu Recht.

Zweitens kann aus unserer Sicht niemand wirklich schlüssig erklären, warum die prüfungsfreie Zulassung von Berufsmaturandinnen und Berufsmaturanden ein Risiko für die Schulqualität darstellen soll, wenn unsere Schulen aufgrund des Lehrermangels zunehmend gezwungen sind, Lehrpersonen ohne irgendein Diplom zu beschäftigen. Dies wird im Vergleich dazu offensichtlich einfach so hingenommen.

Drittens sagt die Regierung, um erfolgreich in die Ausbildung zur Primarlehrperson einzusteigen, sei das Bestehen der Ergänzungsprüfung erforderlich. Richtig – entscheidend ist aber aus unserer Sicht nicht nur der Einstieg in ein Studium, sondern dessen langfristiges Bestehen. Dazu gibt eine Ergänzungsprüfung keinerlei Garantie. Hingegen ist es aus unserer Sicht wichtig, dass gerade am Ende eines Studiums sämtliche relevanten Fächer von allen Absolventinnen und Absolventen abgeschlossen werden. Das müsste eigentlich entscheidend sein.

Viertens können zusätzliche Vorkurse, Passerellen oder Ergänzungsprüfungen leider im Einzelfall, auch wenn sie gut gemeint sind und oft auch ihre Berechtigung haben, auch kontraproduktiv sein, indem sie eben potenziell geeignete, künftige Lehrpersonen regelrecht abschrecken können. Den Verlust derjenigen, die unter diesen Umständen auf die Ausbildung verzichten, bedauern wir.

Fünftens bieten wir unseren Lehrpersonen sogenannte Intensivweiterbildungen an. Früher waren diese als Bildungsurlaube bekannt – eine Bezeichnung, die auch heute noch geläufig ist. Diese sind sehr wichtig, auch vor dem berechtigten Hintergrund, den Lehrpersonen einmal in ihrer beruflichen Karriere einen Perspektivenwechsel und einen Einblick in verschiedenste andere Berufe und deren Rahmenbedingungen bieten zu können. Der Sinn der Sache ist dann, diese Erfahrungen anschliessend in den eigenen Unterricht einfliessen zu lassen. Berufsmaturandinnen und Berufsmaturanden bringen diese praxisnahen Erfahrungen 1:1 mit. Dies erachten wir für die Schulen, aber v.a. auch für unsere Schülerinnen und Schülern, als enorm bereichernd.

Zu guter Letzt noch einmal: Aus den erwähnten Gründen bedanken wir uns weiterhin für die breite Unterstützung unseres Standesbegehrens. Wir müssen in Bern wieder einmal ein bisschen Druck machen. Wir sind nicht der einzige Kanton, der vor diesem Problem steht. Es muss hier etwas geschehen. Unterstützen Sie diese niederschwellige Massnahme gegen den akuten Lehrermangel.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession
15.2.2023Wortmeldung

Schöb-Thal, Vizepräsidentin des Kantonsrates: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf das Standesbegehren.

Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession