Geschäft: Umweltdelikte härter bestrafen
Komitee | Kantonsrat |
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Nummer | 41.22.02 |
Titel | Umweltdelikte härter bestrafen |
Art | KR Standesbegehren |
Thema | Landwirtschaft, Tierhaltung, Waldwirtschaft, Umweltschutz |
Federführung | Sicherheits- und Justizdepartement |
Eröffnung | 19.4.2022 |
Abschluss | pendent |
Letze Änderung | 20.6.2022 |
vertraulich | Nein |
öffentlich | Ja |
dringend | Nein |
Datum | Akteur | Titel | Letze Änderung |
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19.4.2022 | Gremium | Erstunterzeichner/-in - GRÜNE-Fraktion 2020/2024 | 2.6.2024 |
Datum | Titel | Resultat | öffentlich | ||||
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Ja | Bedeutung | Nein | Bedeutung | Absent / Enthaltung | |||
18.9.2023 | Eintreten | 29 | Zustimmung | 78 | Ablehnung | 13 | |
15.2.2023 | Ordnungsantrag Sailer-Wildhaus-Alt St. Johann auf Verlängerung der Sitzung | 47 | Zustimmung | 60 | Ablehnung | 13 |
Datum | Typ | Wortlaut | Session |
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18.9.2023 | Beschluss | Der Kantonsrat tritt mit 78:29 Stimmen nicht auf das Standesbegehren ein. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession |
18.9.2023 | Wortmeldung | Benz-St.Gallen (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten. Zu Thoma-Andwil äussere ich mich nicht, das war reine Polemik. Gmür-Bütschwil-Ganterschwil hat juristisch sehr fachlich und abgesehen davon, dass wir nicht eine Mindestbusse von Fr. 50'000.– fordern, sondern eine Höchstbusse, durchaus korrekt argumentiert. Wir haben das in unserem Vorstoss nicht unterschlagen, sondern auch thematisiert. Das VStrR war bereits mit der Busse von Fr. 5'000.– eine Hilfestellung, wenn die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen nicht weiterkam oder die Ermittlung zu aufwendig war. Wir brauchen dieses Instrument. Ich glaube, dass wir in der Sommersession 2023 darüber gesprochen haben, wie die Staatsanwaltschaften unter Druck sind. Ich weiss nicht, ob wir ihnen wirklich sagen wollen: Ihr müsst alle diese Fälle bis ins Detail untersuchen. Ihr müsst alle Mitarbeitenden von Amcor befragen, damit der oder die Schuldige gefunden wird. Wir wollen doch, dass sich unsere Strafverfolgungsbehörden mit den wirklich kriminellen Machenschaften und den schweren Fällen, die Menschen betreffen, befassen. Im Fall Amcor geht es um fahrlässiges Verhalten eines Unternehmens, das sicher einen Reputationsschaden zu befürchten hat, aber es ist ein australisches Unternehmen, das in der Schweiz nicht sehr bekannt ist. Ich denke, dass sich dieser Reputationsschaden nicht in der ganzen Welt herumgesprochen und ihm nicht gross geschadet hat. Es ist sinnvoll, wenn wir solche Umweltdelikte dort, wo es Sinn macht, weiterhin über das VStrR lösen und teure, aufwendige Untersuchungen vermeiden. Wenn Sie einverstanden sind und das Geld sprechen, gehe ich mit Hasler-Balgach und ihrer Forderung nach einer spezialisierten Staatsanwaltschaft für Umweltdelikte einig. Aber Sie werden das ablehnen. Wer hat nach dem Fall Amcor etwas unternommen? Von der Mitte-EVP, SVP oder FDP habe ich diesbezüglich keinen Vorstoss und auch keine Anträge für irgendwelche Stellenaufstockungen im Bereich Umweltschutzrecht oder Staatsanwaltschaft vernommen. Ich finde es nicht lösungsorientiert, nur zu sagen: Alles ist in Ordnung, wie es ist, und die Staatsanwaltschaft macht das im nächsten Fall schon richtig und muss eben etwas mehr untersuchen. Die Stimmung ist vermutlich gemacht, dennoch wollte ich das noch einmal richtigstellen. Ich bitte alle, die Verantwortung für die Umwelt tragen, diesen Vorstoss zu unterstützen, auch wenn er von den Grünen kommt. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession |
18.9.2023 | Wortmeldung | Hasler-Balgach (im Namen der SP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten. Sie haben es gehört: Es ist eine relativ komplexe und komplizierte Sache und nicht nur Symbolpolitik. Sonst würden sich nicht so viele von Ihnen zu Wort melden. Für uns zeigt sich, dass es wenigstens ein kombiniertes Vorgehen braucht. Wir unterstützen höhere Bussen, weil Umweltdelikte oft bagatellisiert werden. Sie sind aber insbesondere in der Kumulation ein grosses Problem. Zudem braucht es spezialisiertes Fachwissen, um dies einschätzen zu können. Wenn wir die Bussen erhöhen, braucht es in Kombination dazu eine spezialisierte Strafanwaltschaft, denn wir befinden uns in einer anderen Zeit, in der Umweltschäden eine grössere Bedeutung haben. Wir sehen das Erhöhen der Strafen als notwendigen Schritt, um mit kleinen oder mittelschweren Umweltdelikten umgehen zu können. Bussen sollten aber nicht ein Mittel sein, um sich freikaufen zu können. Wir unterstützen das Standesbegehren, sind aber klar der Ansicht, dass Umweltdelikte kriminelle Handlungen sind und Unternehmen dafür in die Verantwortung genommen werden müssen. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession |
18.9.2023 | Wortmeldung | Gmür-Bütschwil-Ganterschwil (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten. Ich habe auch das Vergnügen, zum zweiten Mal zum gleichen Geschäft zu sprechen. Ich werde versuchen, mich ein bisschen kürzer zu halten, in der Hoffnung, dass sich der eine oder andere vielleicht noch an mein Votum vom 15. Februar 2023 erinnert. Grundsätzlich wissen wir alle, woher dieses Standesbegehren kommt, nämlich aus dem Fall Amcor. Dass die Busse von Fr. 5'000.– für einen Weltkonzern ein lächerlicher Betrag ist, müssen wir nicht diskutieren. Das ist zweifellos so. Die Mitte-EVP-Fraktion stellt sich klar dagegen, dass solche Umweltdelikte so lapidar abgestraft werden. Trotzdem geht das Standesbegehren in eine falsche Richtung bzw. zielt es eigentlich auf etwas Falsches ab. Wir haben hier ein Umweltdelikt, das einen groben Fehler darstellt. Wo grobe Fehler passieren, ist der Ruf nach Strafen bekanntlich nicht fern. Die Busse von Fr. 5'000.– auf Fr. 50'000.– zu erhöhen, tönt daher auf den ersten Blick gut und richtig. Auf den zweiten Blick sieht es aber anders aus. Im Strafrecht gilt als einer der höchsten Grundsätze derjenige der Unschuldsvermutung, d.h., solange ein strafbares Verhalten nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist, darf jemand nicht verurteilt werden, was auch im Umweltstrafrecht gilt. Das bestehende Recht sieht bereits heute weitaus höhere Strafen vor: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen, Bussen bis zu 5 Mio. Franken und Einzug des Gewinns. Es ist also überhaupt nicht so, dass das Umweltstrafrecht heute grundsätzlich nur Bussen bis Fr. 5'000.– vorsehen würde, wie das Standesbegehren dies kolportiert und es teilweise auch in den Medien fälschlicherweise dargestellt wurde. Art. 7 VStrR sieht das Verfügen einer Busse von Fr. 5'000.– nur vor, wenn sich der Aufwand für die Ermittlung als zu aufwendig erweisen würde. Man spricht hier lediglich von Bagatellfällen, wenn diese Busse von Fr. 5'000.– überhaupt zum Zug kommen kann. Strafrechtlich ist das aus meiner Sicht bereits ein wenig grenzwertig. Denn eigentlich geht es nicht an, ein Unternehmen zu bestrafen, nur weil es zu aufwendig ist, die fehlbare Person zu ermitteln. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat im Fall Amcor die Sache offensichtlich so beurteilt, dass sich der Ermittlungsaufwand nicht lohne, und aus Gründen der Verhältnismässigkeit eine Busse von Fr. 5'000.– ausgesprochen. Dies nicht deshalb, weil die gesetzliche Grundlage für eine höhere Strafe gefehlt hätte, sondern weil sie den Sachverhalt so beurteilt hat, wie sie ihn eben beurteilt hat, nämlich, dass es zu aufwendig wäre. Das kann man gut finden oder nicht, aber deswegen muss das Gesetz nicht angepasst werden. Wenn schon, ist das Problem beim Vollzug zu sehen. Aus Sicht des Umweltschutzes wird das Problem mit dem Standesbegehren nicht behoben. Im Gegenteil, neu sollen Unternehmen mit bis zu Fr. 50'000.– bestraft werden können, wenn es die Staatsanwaltschaft für nicht verhältnismässig hält, die fehlbare Person zu ermitteln. Abgesehen davon, dass offen ist, in welchen Fällen die Staatsanwaltschaft die Verhältnismässigkeit beurteilt, ist offen, wann sie den Weg wählt, dem Unternehmen einfach die Rechnung mit den Fr. 50'000.– zu schicken. Das wiederum animiert Mitarbeitende von Unternehmen tendenziell eher dazu, nachlässiger zu sein, weil sie damit rechnen können, dass die Busse ohnehin dem Arbeitgeber angehängt wird. Die Eigenverantwortung und die Sorgfalt jedes Einzelnen nehmen damit ab. Damit ist das Standesbegehren sogar kontraproduktiv. Um es nochmals zu betonen: Die Mitte-EVP-Fraktion will nicht Umweltsünder mit Samthandschuhen anfassen. Aber sie ist dezidiert dagegen, dass Unternehmen – und zu denen gehören nicht nur Weltkonzerne, sondern auch Landwirte, Handwerksbetriebe und KMU – direkt mit einer Busse von Fr. 50'000.– bestraft werden können, nur, weil es die Staatsanwaltschaft für zu aufwendig hält, eine fehlbare Person zu ermitteln. Daran ändert nichts, dass die Ermittlungen im Einzelfall schwierig sein können und Verfahren manchmal aus Mangel an Beweisen auch eingestellt werden müssen. Das ist systemimmanent. Das Ansinnen der Grünen ist reine Symbolpolitik und kontraproduktiv. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession |
18.9.2023 | Wortmeldung | Bartl-Widnau (im Namen der FDP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten. Die GRÜNE-Fraktion beantragt, bei der Bundesversammlung eine Standesinitiative einzureichen, mit dem Ziel, die Bundesversammlung zu einer Änderung im VStrR zu bewegen – nämlich die Höchstbussen und Geldstrafen auf eine Höhe von wenigstens Fr. 50'000.– zu erhöhen. Eine Begrenzung nach oben ist nicht erwähnt, was grundsätzlich fraglich ist. Widerhandlungen gegen Umwelt- und Gewässerschutzvorschriften sind zu verurteilen und ausnahmslos zu bestrafen. Hierzu haben die Ermittlungsbehörden tätig zu werden, auch wenn die Fallkonstellation allfällig aufwendig ist. Ausreden wie «in derartigen Fällen bestehe oft erheblicher Untersuchungsaufwand, was gegen eine vertiefte Ermittlung spreche» irritieren. Unbestritten ist, dass derartige Widerhandlungen zu verhindern sind. Wir stützen uns dabei auf anerkannte Prinzipien des Strafrechts. Diese zeigen klar und deutlich, welche Faktoren Rechtsverstösse verhindern. Dabei ist hauptsächlich die Aufklärungsquote entscheidend, d.h., dass Straftäter mit hoher Wahrscheinlichkeit befürchten müssen, dass deren Delikte aufgeklärt werden. Nur eine stark untergeordnete Rolle spielt die Strafzumessung, diese hat eine untergeordnete Abschreckungswirkung. Die Verurteilung von Unternehmen ist bereits heute möglich. Wohl erscheint die gegenständliche Höchstbusse als tief, jedoch sieht das Strafgesetz ausdrücklich die Einziehung von Vermögenswerten sowie die Herausgabe des Gewinns infolge der strafbaren Handlungen vor. Da ist vielleicht ein höherer Ermittlungsaufwand notwendig. Ist es jedoch nicht gerade der Auftrag der Ermittlungsbehörden, eine Bestrafung gemäss dem Verschulden zu erreichen? Wir denken schon. Dabei möchte ich auf den wohl massgeblich höheren Reputationsschaden eines Unternehmens bei einer Verurteilung im Anschluss an ein Ermittlungsverfahren hinweisen. Dieser dürfte höher sein als jede zu erwartende Busse, insbesondere in Fällen wie dem diesem Begehren vorliegenden. Entscheidend ist schliesslich die Bestrafung der handelnden privaten Personen. Dies ist bereits heute möglich. Der kürzliche Fall eines Landwirts aus Marbach, der Abwässer aus der Chicoréeproduktion angeblich nicht konform abführte, beweist dies. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession |
18.9.2023 | Wortmeldung | Toldo-Sevelen (im Namen der Wirtschaftsgruppe): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten. Wir anerkennen den Bedarf, Umweltdelikte härter zu bestrafen. Die Höchstbusse von Fr. 5'000.– kommt aus einer anderen Zeit und vermag die gewünschte Wirkung nicht mehr zu entfalten. Die GRÜNE-Fraktion will mit ihrem Standesbegehren die Höchstbusse von Fr. 5'000.– auf eine Höchstbusse von wenigstens Fr. 50'000.– anheben. Der Wortlaut «bis zur Höhe von» lässt dabei keinen Spielraum offen, dass es sich um einen Höchstbetrag handelt. Die Regierung heisst dieses Standesbegehren gut, ersetzt aber den Ausdruck «bis zur Höhe von» mit «in Höhe von mindestens» und impliziert damit eine Minimalbusse von wenigstens Fr. 50'000.–. Also ein Wechsel von einer Höchstbusse hin zu einer Mindestbusse. Dies entspricht nicht dem Wortlaut des Standesbegehrens und kann so für uns nicht gutgeheissen werden. Zudem orten wir in den Ausführungen bezüglich der Verantwortlichkeit einen Systemfehler. Statt ermittlungsökonomisch vorschnell eine Organisation zu bestrafen, sollte vielmehr die persönliche Haftung ins Zentrum gestellt werden. Eine anonyme Strafnorm befreit die falschen Personen und setzt Fehlanreize zur Verhinderung von Umweltdelikten. Wir sind überzeugt, dass die wirksamste Prävention von Umweltschäden eine erhöhte Aufklärungsquote und eine persönliche Rechenschaft darstellen. Insofern sollte dies der zweckmässige Grundsatz darstellen. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession |
18.9.2023 | Wortmeldung | Monstein-St.Gallen (im Namen der GLP): Auf das Standesbegehren ist einzutreten. Da ich im Namen der Grünliberalen bereits an der Februarsession 2023 unsere Haltung ausführlich dargelegt habe, möchte ich an dieser Stelle darauf verzichten, mein Votum nochmals eins zu eins zu wiederholen. Ich hoffe, das ist in Ordnung. Dennoch kurz zur Erinnerung: Ich brachte damals primär unser Bedauern über die Geschehnisse zum Ausdruck. Weiter zeigte ich die grossen Verhältnisse auf und betonte damit, dass es sich bei Amcor um einen Weltkonzern mit Sitz in Australien und einem Jahresumsatz von rund 12,8 Mrd. US-Dollar handelt und nicht um ein Goldacher KMU, wie es der erste Satz des Standesbegehrens vermuten lassen könnte. Angesichts dieser Grössenverhältnisse war für Amcor nicht die Höchststrafe im VStrR entscheidend. Vielmehr legte das Vorgehen des Unternehmens nach dem Vorfall offen, dass dieses in erster Linie einen Reputationsverlust gefürchtet hat, also eine Ausweitung der Schmährufe und nicht die Härte der St.Galler oder der Schweizer Justiz. In Zukunft gilt es vergleichbare Umweltdelikte zu verhindern. Eine Erhöhung des Strafmasses stellt dafür möglicherweise einen präventiven Schritt dar. Information, Sensibilisierung, Kontrollen und v.a. auch eine möglichst hohe Aufklärungsquote von Verstössen sind darüber hinaus ebenfalls entscheidend. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession |
18.9.2023 | Wortmeldung | Thoma-Andwil (im Namen der SVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten. Mit diesem Standesbegehren suggerieren die Grünen, dass Unternehmen sorglos mit der Umwelt umgehen oder wenigstens ein erhöhtes Risiko eingehen. Ich zitiere den ersten Satz des Standesbegehrens: «Der Goldacher Verpackungskonzern Amcor hat vor rund einem Jahr tonnenweise giftigen Löschschaum in den Bodensee fliessen lassen.» Diese Formulierung lässt vermuten, dass dieser Unfall quasi bewusst herbeigeführt wurde. Dies sagt bereits viel über die Denkhaltung der Grünen gegenüber der Wirtschaft und den Unternehmen aus. Eine aus meiner Sicht eher bedenkliche Haltung, die mich persönlich nicht erstaunt. Vielleicht müssen wir auch Nachsicht walten lassen: Woher sollen die Grünen auch Einblick in Unternehmen haben? Wirklich erschütternd ist die Haltung der Regierung, die offenbar der Wirtschaft auch nicht über den Weg traut. Sonst würde sie kaum auf Gutheissung plädieren. Die Regierung glaubt gemeinsam mit den Grünen, mit höheren Bussen die Unternehmen zu integerem Handeln bewegen zu können. Im Umkehrschluss heisst das, dass die Regierung der Wirtschaft einen saloppen Umgang mit der Umweltgesetzgebung unterstellt. Kein Unternehmen hat ein Interesse, der Umwelt Schaden zuzufügen. Gerade in der heutigen Zeit ist der Reputationsschaden für ein Unternehmen doch viel höher, wenn so etwas passiert. Höhere Bussen füllen nur die Staatskasse und nützen der Umwelt überhaupt nichts. Dafür gibt es ganz andere gute Massnahmen. Die Unternehmen sind diesbezüglich sehr sorgfältig und gut unterwegs. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession |
18.9.2023 | Wortmeldung | Benz-St.Gallen (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten. Das ist eine seltene Angelegenheit, von vorne zu beginnen und Ihnen nochmals mein Votum vom 15. Februar 2023 zuzumuten. Ich habe bereits ein Antwortvotum auf jenes von Gmür-Bütschwil-Ganterschwil vorbereitet. Die GRÜNE-Fraktion hat im April 2022 diese Standesinitiative eingereicht. Auslöser war der Umweltskandal des Goldacher Verpackungskonzerns Amcor. Das Unternehmen hat vor bald drei Jahren tonnenweise giftigen Löschschaum in den Bodensee fliessen lassen und wurde lediglich mit einer Busse von Fr. 5'000.– gebüsst. Die Bevölkerung und die Politische Gemeinde Goldach waren über die Umweltbelastung und die geringe Busse empört. Die tiefe Busse resultiert aus einer Sonderregelung im Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (SR 313.0; abgekürzt VStrR). Anstelle einer gewöhnlichen Strafuntersuchung kann in Fällen, in denen es schwierig ist, ein Delikt, das in einem Unternehmen passiert, einer natürlichen Person zuzuordnen, auf eine aufwendige Untersuchung verzichtet und anstelle einer solchen eine Busse von höchstens Fr. 5'000.– ausgefällt werden. Wir sind der Auffassung, dass diese Sonderregelung im VStrR sinnvoll ist und weiterhin sinnvoll ist. Die Staatsanwaltschaften werden dadurch nicht mit langwierigen Strafuntersuchungen belastet, bei denen zusätzlich die Gefahr besteht, dass die fehlbaren Personen nicht ausfindig gemacht werden können. Eine Busse von Fr. 5'000.– ist aber viel zu tief und hat keinen präventiven Charakter. Sie hält Unternehmen nicht wirksam dazu an, sich ihrer Umweltrisiken bewusster zu werden und alles dafür zu tun, dass sie nicht fahrlässig die Umwelt belasten. Die Regierung unterstützt das Anliegen, diese Busse auf wenigstens Fr. 50'000.– anzuheben und dies mit einem Standesbegehren dem Bundesparlament kundzutun, damit dieses tätig wird. Wir haben heute gehört, dass unsere Standesbegehren recht gute Erfolgschancen haben. Man kann unserem Vorstoss entgegenhalten, dass die Busse im VStrR nur Bagatellfälle erfassen soll. Wir sind uns wohl einig, dass die Einlassung einer grossen Menge giftigen Löschschaums in den Bodensee durch das Unternehmen Amcor kein Bagatelldelikt war. Warum wurde dann eine Busse ausgesprochen und keine ordentliche Strafuntersuchung geführt? Wir wissen es nicht. Ich vermute, weil es schwierig gewesen war, mit einer Strafuntersuchung die Personen zu ermitteln, die für den Vorfall verantwortlich waren. Wie die Regierung in ihrer Antwort zur Einfachen Anfrage 61.22.12 «Gewässerverschmutzung im Bodensee wirft viele Fragen auf» erklärt, braucht es bei einer ordentlichen Strafverfolgung eine natürliche Person, der die Tat zugerechnet werden kann, und es braucht den Nachweis, dass das Unternehmen mangelhaft organisiert war. Hält das Unternehmen dicht und gibt den Namen der Person nicht bekannt, dann verbleibt nur das VStrR. Deshalb ist es nötig, diese Busse zu erhöhen. Es ist bedenklich, dass Unternehmen mit einer Busse von Fr. 5'000.– davonkommen und andererseits Arbeitnehmer, die von ihren Arbeitgebern nicht geschützt werden, gebüsst werden. So wurde gemäss «Tagblatt» ein Arbeitnehmer, der Betonabwasser auf eine Wiese abgeleitet hatte, mit Fr. 12'000.– gebüsst. Das Standesbegehren verhindert nicht, dass die Staatsanwaltschaften je nach Umständen nicht doch ein ordentliches Strafverfahren durchführen können. Es hat einzig zum Ziel, die Busse nach der Sonderordnung im VStrR auf ein angemessenes Niveau zu erhöhen, damit die Sonderordnung einen präventiven Charakter erhält und hoffentlich in Zukunft Unternehmen stärker auf Umweltthemen und ihre Risiken sensibilisiert. Der Fall zeigte, dass Handlungsbedarf besteht. Der Kanton kann ein Zeichen setzen. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession |
18.9.2023 | Wortmeldung | Dürr-Gams, Ratsvizepräsidentin: Die Eintretensdiskussion über dieses Standesbegehrens begann bereits in der Frühjahrssession 2023. Damit nichts vergessen geht, starten wir die Behandlung des Standesbegehrens von neuem. Auch jene, die sich am 15. Februar 2023 bereits zu Wort gemeldet haben, sind eingeladen, sich noch einmal zu Wort zu melden. Die Regierung beantragt Gutheissung des Standesbegehrens. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession |
18.9.2023 | Struktur | Weiterführung der Eintretensdiskussion vom 15. Februar 2023 | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2023, Herbstsession |
15.2.2023 | Wortmeldung | Jäger-Vilters-Wangs, Ratspräsident: Der Kantonsrat setzt die Eintretensdiskussion in der Sommersession 2023 fort. | Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession |
15.2.2023 | Beschluss | Der Kantonsrat lehnt den Ordnungsantrag Sailer-Wildhaus-Alt St. Johann auf Verlängerung der Session bis 18 Uhr mit 60:47 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab. | Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession |
15.2.2023 | Wortmeldung | Sailer-Wildhaus-Alt St.Johann: beantragt Verlängerung der Sitzung bis 18 Uhr. Es gibt viele Gründe, die für eine Verlängerung der Sitzung sprechen. Ich habe die offenen Geschäfte zusammengezählt:
Vermutlich sind noch viele andere Geschäfte in dieser Session dazugekommen. Da der Kantonsrat die Aprilsession leider gestrichen hat, findet die nächste Session erst im Juni 2023 statt. Mit einer Verlängerung der Sitzung bis 18 Uhr könnten wir wenigstens noch ein paar Vorstösse abarbeiten. Es würde auch die Amtszeit des Ratspräsidenten um eine Stunde verlängern. Ich bin gerne mit Ihnen hier, deshalb macht es mir nichts aus, eine Stunde länger zu bleiben. | Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession |
15.2.2023 | Wortmeldung | Gmür-Bütschwil-Ganterschwil (im Namen der Mitte-EVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten. Das vorliegende Standesbegehren wurde vor dem Hintergrund des Amcor-Falls eingereicht. Dass die stattgefundene Umweltverschmutzung absolut inakzeptabel war, muss nicht diskutiert werden und stellt auch niemand in Frage. Auch wenn die meisten in diesem Saal, wie ich selbst, diesen Fall nur aus den Medien kennen, steht die ausgesprochene Busse sicherlich nicht in einem vernünftigen Verhältnis zur verursachten Umweltgefährdung bzw. des mutmasslichen Schadens. Darüber sind wir uns wahrscheinlich einig. Die Mitte-EVP-Fraktion stellt sich klar dagegen, dass die Umwelt durch illegale Handlungen verschmutzt wird, sei es durch Private oder durch Unternehmen. Es ist im Sinn der Gewaltenteilung aber grundsätzlich nicht am Gesetzgeber, die Strafverfolgungsbehörde in konkreten Einzelfällen zu tadeln. Wir tun dies auch nicht, ohne den Sachverhalt in allen Details zu kennen. Dass die von der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgesprochene Strafe in der Höhe von Fr. 5'000.– einen Konzern im Format von Amcor nicht wirklich schmerzt, wird auch von niemandem ernsthaft bestritten. Wo grobe Fehler geschehen, ist der Ruf nach drakonischen Strafen nicht weit. Die vermeintliche Höchstbusse von Fr. 5'000.– auf Fr. 50'000.– zu erhöhen, tönt auf den ersten Blick gut und richtig. Auf den zweiten Blick sieht es aber anders aus. Denn das ist bei genauer Betrachtung nicht das, was das Standesbegehren verlangt. Im Strafrecht gilt als einer der höchsten Grundsätze derjenige der Unschuldsvermutung, d.h., solange ein strafbares Verhalten nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist, darf jemand nicht verurteilt werden, was auch im Umweltstrafrecht gilt. Wenn der Nachweis eines strafbaren Verhaltens jedoch gelingt, kann bereits nach dem geltenden Bundesgesetz über den Umweltschutz (SR 814.01; abgekürzt USG) eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen verhängt werden. Zudem sieht das Unternehmensstrafrecht bereits heute vor, dass das Unternehmen selbst mit einer Busse von bis zu 5 Mio. Franken belegt werden kann, wenn in einem Unternehmen in Ausübung des Geschäfts ein Verbrechen oder Vergehen begangen wird und wenn die Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden kann. Darüber hinaus gibt das USG die Möglichkeit, von einem fehlbaren Unternehmen den Gewinn einzuziehen, was im Fall Amcor auch geschehen ist. Es ist somit überhaupt nicht so, wie kolportiert wird, dass nur Bussen bis höchstens Fr. 5'000.– möglich wären. Was hat es nun mit dieser Höchststrafe auf sich: Nach Art. 7 VStrR kommt dann eine Busse von höchstens Fr. 5'000.– in Frage, wenn die Ermittlung einer strafrechtlich verantwortlichen Person zu aufwendig wäre im Verhältnis zur Sache, worum es geht. Wir reden diesbezüglich nur von diesen Bagatellfällen. Meines Erachtens ist das in Anbetracht der Unschuldsvermutung rein strafrechtlich bereits grenzwertig. Denn eigentlich geht es nicht an, ein Unternehmen – auch mit einer Busse von Fr. 5'000.– zu bestrafen –, nur weil es zu aufwendig ist, eine fehlbare Person zu ermitteln. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat im Fall Amcor die Sache offensichtlich so beurteilt, dass die Durchführung eines ordentlichen Ermittlungs- und Untersuchungsverfahrens zu aufwendig sei, und hat den einfacheren Weg über diese Fr. 5'000.– Höchstbusse gewählt. Dies nicht deshalb, weil die gesetzliche Grundlage für eine höhere Busse gefehlt hätte, sondern weil die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt so beurteilt hat, wie sie ihn eben beurteilt hat. Das kann man gut finden oder nicht. Deswegen muss das Gesetz nicht geändert werden. Denn wenn es ein Problem gibt oder im konkreten Fall gab, dann liegt das im Vollzug und nicht im Gesetz. Aus Sicht des Umweltschutzes wird das Problem mit dem Standesbegehren nicht behoben. Im Gegenteil, neu sollen Unternehmen mit Fr. 50'000.– bestraft werden können, wenn es die Staatsanwaltschaft nicht für verhältnismässig hält, die fehlbare Person zu ermitteln. Das könnte auch dazu führen, dass fehlbare Personen möglicherweise sogar unsorgfältiger sind, weil sie damit rechnen können, dass der Arbeitgeber bzw. das Unternehmen bestraft wird. Um es nochmals zu betonen. Die Mitte-EVP-Fraktion möchte nicht Umweltsünder mit Samthandschuhen anfassen. Aber sie ist dagegen, dass Unternehmen – und zu denen gehören nicht nur Weltkonzerne, sondern auch Landwirte, Handwerksbetriebe und KMU – direkt mit einer Busse von Fr. 50'000.– belegt werden können, nur weil es die Staatsanwaltschaft nicht für verhältnismässig hält, eine fehlbare Person zu ermitteln. Daran ändert nichts, dass die Ermittlungen im Einzelfall schwierig sein können und vielleicht aus Mangel an Beweisen eingestellt werden müssen. Das Ansinnen der Grünen ist in erster Linie Symbolpolitik und darüber hinaus kontraproduktiv. | Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession |
15.2.2023 | Wortmeldung | Thoma-Andwil (im Namen der SVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten. Niemand im Saal möchte Umweltschäden, da sind wir uns einig. Aber wie reagiert die Politik? Dieses Standesbegehren legt die Denkhaltung der Initianten zu den produzierenden Unternehmen in unserem Kanton offen. Es ist sehr bedauerlich, die Haltung der Grünen zu den Unternehmen zu sehen. Ich sage es etwas provozierend, möchte jedoch nicht, dass es so stark verstanden wird: In der ideologischen Haltung der Grünen – so sehe ich das – sind Unternehmen gefährliche potenzielle Täter, die sich ganz vorsätzlich um den Umweltschutz foutieren. Diese Einstellung ist falsch. Im Bereich von Umweltschutz leisten die Unternehmen grosse Anstrengungen, und zwar aus Selbstverständlichkeit und Überzeugung. Kein Unternehmen möchte und kann es sich leisten, vorsätzlich und leger mit dieser Thematik umzugehen – heutzutage schon gar nicht mehr. Im Gegenteil, gerade in dieser Sache macht jedes Unternehmen sehr viel, um einen möglichen Reputationsschaden zu vermeiden. Jetzt komme ich auf den wesentlichen Punkt: Ich biete – ehrlich gemeint – den Grünen meine Hand. Wir wollen alle, dass keine solchen Umweltverschmutzungen geschehen. Zu glauben, dass mit höheren Bussen die Umwelt besser geschützt wird, ist ein Denkfehler. Unausgesprochen wird vermutet, dass sich Unternehmen aufgrund der tiefen Bussen nachlässig verhalten. Das glaube ich nicht. Höhere Bussen können Unfälle nicht verhindern. Im Gegenteil, in diesem Bereich sollte eine gute Zusammenarbeit und ein konstruktiver Austausch zwischen der Privatwirtschaft, den Ämtern, den Umweltverbänden und den Parteien stattfinden, und zwar in einer konstruktiven Umgebung. Die Haltung der Regierung ist – man verzeihe mir meine Wortwahl – geradezu erschreckend, aber zumindest ehrlich. Die Unterstützung dieses Begehrens durch die Regierung zielt weder auf den Umweltschutz noch auf das Wohl unserer Volkswirtschaft, sondern nur darauf, die Bussen zu erhöhen. Das macht mir ein wenig Angst, so geht das nicht. Mit Bussen und höheren Bussen schützen wir die Umwelt nicht. | Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession |
15.2.2023 | Wortmeldung | Bartl-Widnau (im Namen der FDP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten. Die GRÜNE-Fraktion beantragt, bei der Bundesversammlung eine Standesinitiative einzureichen, mit dem Ziel, die Bundesversammlung zu einer Änderung von Art. 7 VStrR zu bewegen – nämlich die Bussen und Geldstrafen bis zur Höhe von wenigstens Fr. 50'000.– zu erhöhen. Eine Begrenzung nach oben ist nicht erwähnt, was grundsätzlich fraglich ist. Widerhandlungen gegen Umwelt- und Gewässerschutzvorschriften sind zu verurteilen und ausnahmslos zu bestrafen. Hierzu haben die Ermittlungsbehörden tätig zu werden, auch wenn die Fallkonstellation allfällig aufwendig ist. Ausreden wie «in derartigen Fällen bestehe oft erheblicher Untersuchungsaufwand, was gegen eine vertiefte Ermittlung spreche» irritieren. Unbestritten ist, dass derartige Widerhandlungen zu verhindern sind. Wir stützen uns dabei auf anerkannte Prinzipien des Strafrechts. Diese zeigen klar und deutlich auf, welche Faktoren Rechtsverstösse verhindern. Dabei ist hauptsächlich die Aufklärungsquote entscheidend, d.h., dass Straftäter mit hoher Wahrscheinlichkeit befürchten müssen, dass deren Delikte aufgeklärt werden. Nur eine untergeordnete Rolle spielt die Strafzumessung, diese hat eine geringe Abschreckungswirkung. Die Verurteilung von Unternehmen ist bereits heute möglich. Wohl erscheint die gegenständliche Höchstbusse als tief, jedoch sieht das Strafgesetz ausdrücklich die Einziehung von Vermögenswerten sowie die Herausgabe des Gewinns infolge der strafbaren Handlungen vor. Da ist vielleicht ein höherer Ermittlungsaufwand notwendig. Ist es jedoch nicht gerade der Auftrag der Ermittlungsbehörden, eine Bestrafung gemäss dem Verschulden zu erreichen? Wir denken schon. Dabei möchte ich auf den wohl massgeblich höheren Reputationsschaden eines Unternehmens bei einer Verurteilung im Anschluss an ein Ermittlungsverfahren hinweisen. Dieser dürfte höher sein als jede zu erwartende Busse, insbesondere in Fällen wie dem diesem Begehren vorliegenden. Entscheidend ist schliesslich die Bestrafung der handelnden privaten Personen. Dies ist bereits heute möglich. Der kürzliche Fall eines Landwirts aus Marbach, der Abwässer aus der Chicoréeproduktion angeblich nicht konform abführte, beweist dies eindrücklich. | Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession |
15.2.2023 | Wortmeldung | Monstein-St.Gallen (im Namen der GLP): Auf das Standesbegehren ist einzutreten. Stein des Anstosses für das vorliegende Standesbegehren ist der Fall Amcor, bei dem am 29. Dezember 2020 und am 13. Januar 2021 insgesamt rund drei Tonnen giftiger Löschschaum in die Goldach und den Bodensee gelangt sind. Da die Staatsanwaltschaft auf die Strafverfolgung der natürlichen Personen am Ursprung der Tat verzichtet hat, wurde das Unternehmen lediglich zu einer Busse von Fr. 5'000.– und einer Ersatzforderung von Fr. 28'000.– für die ersparten Entsorgungskosten verurteilt. So viel zur bekannten Ausgangslage. Wir bedauern in erster Linie den Vorfall und den verursachten Schaden an der Natur. Angesichts des Sachverhalts bedauern wir aber auch die lächerlich tiefe Strafe für das Unternehmen, denn bei Amcor handelt es sich um einen Weltkonzern mit Sitz in Australien und einem Jahresumsatz von rund 12 bis 13 Mrd. US-Dollar und nicht um ein Goldacher KMU, wie es der erste Satz des Standesbegehrens vermuten lassen könnte. Angesichts dieser Grössenverhältnisse ist klar, dass in diesem Fall die Höhe der Höchststrafe im VStrR keinen Spielveränderer dargestellt hätte, egal, ob diese bei Fr. 5'000.–, Fr. 10'000.– oder Fr. 50'000.– liegt. Denn betrachtet man die achtköpfige Delegation, mit der das Unternehmen gemäss «Tagblatt» die Journalistinnen und Journalisten empfangen hat – darunter eingeflogene Personen aus halb Europa und externe Kommunikationsexperten mit Tagesansätzen von mehreren tausend Franken –, wird das Bild deutlich: Befürchtet wurde primär ein Reputationsverlust, also eine Ausweitung der Schmährufe und nicht die Härte der St.Galler oder der Schweizer Justiz. In Zukunft gilt es vergleichbare Vorfälle und Umweltdelikte zu verhindern. Dies muss unser Ziel sein, denn solche Schäden an Flora, Fauna, unserem Trinkwasser und somit unserer Lebensgrundlage können wir uns schlicht nicht mehr leisten. Eine Erhöhung des Strafmasses stellt dafür einen präventiven Schritt dar. Information, Sensibilisierung, Kontrollen und eine möglichst hohe Aufklärungsquote von Verstössen bleiben ebenfalls entscheidend. Wir wünschen uns Unternehmen, die sich an die Werte und Versprechungen ihrer Nachhaltigkeitsberichte und Absichtserklärungen halten und sie nicht als blosse Marketingübung interpretieren. Wir wünschen uns darüber hinaus einen Staat, der die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schlank und lenkend auslegt, bei Verstössen aber konsequent und mit Härte eingreifen kann. | Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession |
15.2.2023 | Wortmeldung | Benz-St.Gallen (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten. Die GRÜNE-Fraktion hat im April 2022 diese Standesinitiative eingereicht. Auslöser war der Umweltskandal des Goldacher Verpackungskonzerns Amcor. Das Unternehmen hat vor rund zwei Jahren tonnenweise giftigen Löschschaum in den Bodensee fliessen lassen und wurde lediglich mit einer Busse von Fr. 5'000.– gebüsst. Die Bevölkerung und die Politische Gemeinde Goldach waren über die Umweltbelastung und die geringe Busse empört. Die tiefe Busse resultiert aus einer Sonderregelung im Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (SR 313.0; abgekürzt VStrR). Anstelle einer gewöhnlichen Strafuntersuchung kann in Fällen, in denen es schwierig ist, ein Delikt, das in einem Unternehmen passiert, einer natürlichen Person zuzuordnen, auf eine aufwendige Untersuchung verzichtet und anstelle einer solchen eine Busse von höchstens Fr. 5'000.– ausgefällt werden. Wir sind der Auffassung, dass die Sonderregelung im Verwaltungsstrafrecht sinnvoll ist und weiterhin sinnvoll ist. Die Staatsanwaltschaften werden dadurch nicht mit langwierigen Strafuntersuchungen belastet, bei denen zusätzlich Gefahr besteht, dass die fehlbaren Personen nicht ausfindig gemacht werden können. Eine Busse von Fr. 5'000.– ist aber viel zu tief und hat keinen präventiven Charakter. Sie hält Unternehmen nicht wirksam dazu an, sich ihrer Umweltrisiken noch bewusster zu werden und alles dafür zu tun, dass sie nicht fahrlässig die Umwelt belasten. Die Regierung unterstützt das Anliegen, diese Busse auf wenigstens Fr. 50'000.– anzuheben und dies mit einem Standesbegehren dem Bundesparlament kundzutun, damit dieses tätig wird. Man kann unserem Vorstoss entgegenhalten, dass die Busse im VStrR nur Bagatellfälle erfassen soll. Wir sind uns wohl einig, dass die Einlassung einer grossen Menge giftigen Löschschaums in den Bodensee durch das Unternehmen Amcor kein Bagatelldelikt war. Warum wurde dann eine Busse ausgesprochen und keine ordentliche Strafuntersuchung geführt? Wir wissen es nicht. Ich vermute, weil es wohl schwierig gewesen war, mit einer Strafuntersuchung die Personen zu ermitteln. Wie die Regierung in ihrer Antwort zur Einfachen Anfrage 61.22.12 «Gewässerverschmutzung im Bodensee wirft viele Fragen auf» erklärt, braucht es bei einer ordentlichen Strafverfolgung eine natürliche Person, der die Tat zugerechnet werden kann, oder es braucht den Nachweis, dass das Unternehmen mangelhaft organisiert war. Hält die Firma aber dicht und gibt den Namen der Person nicht bekannt, dann verbleibt nur das VStrR. Deshalb ist es aus unserer Sicht nötig, diese Busse zu erhöhen. Es ist bedenklich, dass Unternehmen mit einer Busse von Fr. 5'000.– davonkommen und andererseits Arbeitnehmer, die von ihren Arbeitgebern nicht geschützt werden, gebüsst werden. So wurde gemäss «Tagblatt» ein Arbeitnehmer, der Betonabwasser auf eine Wiese abgeleitet hat, mit Fr. 12'000.– gebüsst. Das Standesbegehren verhindert nicht, dass die Staatsanwaltschaften je nach Umständen nicht doch ein ordentliches Strafverfahren durchführen können. Es hat einzig zum Ziel, die Busse nach der Sonderordnung im VStrR auf ein angemessenes Niveau zu erhöhen, damit die Sonderordnung einen präventiven Charakter erhält und hoffentlich in Zukunft Unternehmen stärker auf Umweltthemen und ihre Risiken sensibilisiert. Es besteht Handlungsbedarf. Der Kanton kann ein Zeichen setzen. | Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession |
15.2.2023 | Wortmeldung | Schöb-Thal, Ratsvizepräsidentin: Die Regierung beantragt Gutheissung des Standesbegehrens. | Session des Kantonsrates vom 13. bis 15. Februar 2023, Frühjahrssession |