Geschäft: Handlungsfähigkeit des Kantonsrates sicherstellen

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.21.06
TitelHandlungsfähigkeit des Kantonsrates sicherstellen
ArtKR Motion
ThemaGrundlagen und Organisation
FederführungPräsidium des Kantonsrates
Eröffnung1.4.2021
Abschlusspendent
Letze Änderung9.6.2022
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 25. März 2021
AntragAntrag der Regierung und des Präsidiums vom 3./4. Mai 2021
AntragAntrag Bisig-Rapperswil-Jona vom 7. Juni 2021
VorstossGeänderter Wortlaut vom 22. September 2021
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
6.4.2021Gremium24.6.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
22.9.2021Eintreten94Zustimmung15Ablehnung11
22.9.2021Wortlaut50Antrag der Staatswirtschaftlichen Kommission57Antrag der Regierung und des Präsidiums13
22.9.2021Wortlaut100Antrag der Regierung und des Präsidiums8Antrag Bisig-Rapperswil-Jona12
22.9.2021Gutheissung mit geändertem Wortlaut gemäss Antrag der Regierung und des Präsidiums105Zustimmung8Ablehnung7
Statements
DatumTypWortlautSession
22.9.2021Beschluss

Der Kantonsrat heisst die Motion mit geändertem Wortlaut gemäss Antrag der Regierung und des Präsidiums mit 105:8 Stimmen gut.





Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Beschluss

Der Kantonsrat zieht den Wortlaut gemäss Antrag der Regierung und des Präsidiums dem Wortlaut gemäss Antrag Bisig-Rapperswil-Jona mit 100:8 Stimmen bei 1 Enthaltung vor.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Beschluss

Der Kantonsrat zieht den Wortlaut gemäss Antrag der Regierung und des Präsidiums dem ursprünglichen Wortlaut der Staatswirtschaftlichen Kommission mit 57:50 Stimmen bei 2 Enthaltungen vor.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Bisig-Rapperswil-Jona verzichtet darauf, den schriftlich vorliegenden Antrag mündlich zu bestätigen.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Struktur

Die Spezialdiskussion wird nicht benützt.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 94:15 Stimmen auf die Motion ein.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Benedikt van Spyk, Staatssekretär: Das Anliegen der Regierung ist eigentlich, dass das Verfahren geklärt wird, insbesondere dann, wenn es Differenzen gibt zwischen der Einschätzung des Parlamentes oder der Kommission, die entsprechend eingesetzt wurde, und der Regierung, ob eine von der Regierung dringlich erlassene Verordnung, dem Kantonsrat nachträglich im Rahmen einer Gesetzesvorlage zu unterbreiten ist. Es soll ein Instrument geschaffen werden, das dem Parlament die Möglichkeit gibt, von der Regierung eine Vorlage zu erzwingen, welche unmittelbar an der nächsten Session zu behandeln ist. Die Regierung muss dann eine Vorlage unterbreiten, selbst wenn die Regierung davon ausgegangen ist, dass dies nicht erforderlich sein sollte. Es wird also genau das Problem gelöst, das wir im Zusammenhang mit der Kulturverordnung diskutiert haben. Dem Parlament wird ein zusätzliches Instrument in die Hand gegeben, um die Durchsetzung seiner Kompetenz über Gesetzesrecht zu entscheiden auch durchzusetzen. Daher möchte die Regierung auf dieses bewährte Instrument der Motion setzen, aber eine dringliche, so dass eine Vorlage zeitnah und klar definiert an der nächsten Session dem Parlament zugeleitet werden muss. Dadurch wird auch eine Klärung der Verfahrensabläufe geschaffen.



Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Dudli-Oberbüren:

Ich zitiere das rote Blatt der Regierung: «Das Präsidium und die Regierung werden eingeladen, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, damit der Kantonsrat die Regierung mittels Motion beauftragen kann. Bei unaufschiebbarem Regelungsbedarf im Sinn von Art. 75 Kantonsverfassung [...].» Jetzt lesen wir aber Art. 75 der Kantonsverfassung durch. Da steht, dass «soweit unaufschiebbarer Regelungsbedarf besteht und das ordentliche Verfahren wegen zeitlicher Dringlichkeit nicht durchgeführt werden kann, setzt die Regierung durch Verordnung vorläufige Recht.» – das ist so ok. «Sie stellt dem Kantonsrat ohne Verzug Antrag auf Erlass gesetzlicher Bestimmungen.» Gemäss rotem Blatt möchten Sie, dass der Kantonsrat mittels Motion die Regierung beauftragen kann. Das stimmt so nicht überein, das ist meiner Ansicht nach nicht verfassungskonform.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Regierungspräsident Mächler: Auf die Motion ist einzutreten.

Es ist so, dass wir in den letzten rund 18 Monaten allzu oft vom Dringlichkeitsrecht Gebrauch machen mussten. Ich kann Ihnen aber versichern, dass die Regierung das nicht mit Lust gemacht hat. Schon gar nicht, weil sie diese «Macht» aufgrund der Dringlichkeit gerne an sich gerissen hat. Dieses Dringlichkeitsrecht musste angewendet werden, weil rasch gehandelt werden musste. Und wenn vorgeworfen wird, dass es gerade gezeigt hätte, dass der Kanton St.Gallen in der Coronapandemie nicht handlungsfähig war, dann muss ich das wirklich kritisieren. Wir waren handlungsfähig, die Handlungsfähigkeit war stets gegeben. Ich kann Ihnen auch versichern, es wurde in anderen Kantonen teilweise mit grossem Interesse zugeschaut, wie wir das gemacht haben bei einem Sessionsrhythmus von nur alle drei Monaten. Der Kanton Zürich hat eine ganz andere Ausgangslage, die tagen wöchentlich. Da haben Sie viel schneller die Möglichkeit mit dem Parlament zu handeln. Wir haben einen Sessionsrhythmus in dem wir uns fünf Mal im Jahr treffen und trotzdem waren wir handlungsfähig. Ich verstehe aber sehr wohl, dass dieses Vorpreschen mit Dringlichkeitsrecht für das Parlament nicht immer wahnsinnig zufriedenstellend war und diesbezüglich auch Unmut besteht – dafür hat auch die Regierung Verständnis. Deshalb hat die Staatswirtschaftliche Kommission sicherlich ein Thema aufgenommen, das es in Zukunft zu klären gibt, weil wir davon ausgehen müssen, dass es irgendwann auch wieder eine Krise geben wird. Und auch dann ist es notwendig, dass der Kanton St.Gallen handlungsfähig wird – so weit sind wir einverstanden. Die Frage ist jetzt: Welches Instrument ist geeignet, um das Parlament in solchen Dringlichkeitsrechten besser einzubeziehen? Aus Sicht der Regierung sollten wir den aktuellen Weg beschreiten, den wir jetzt aufgrund der Krise auch schon bereits geübt haben. Wir haben nämlich im Bereich der Härtefälle das Verfahren, bei dem wir der Meinung sind, das wäre intelligent und ein Zusammenspiel zwischen Parlament und Exekutive, durchgespielt. Wir haben zwei, drei Anläufe genommen, das Dringlichkeitsrechts wurde angepasst und wir haben das immer im Vorfeld, und das war der Glücksfall, dass wir diese Corona-Kommission hatten, mit der Kommission spiegelt und gesagt: Der Bund wird voraussichtlich das und das entscheiden. Wir sind der Meinung, wir wollen das mit euch machen, seht ihr da Problem, ja oder nein? Es wurde dann bestätigt, dass wir in diese Richtung gehen sollen und im Nachtrag wurde ja dann auch die entsprechenden Verordnungen oder Gesetzesanpassungen mit dem Parlament diskutiert. Also diesen Weg haben wir meiner Meinung nach in den letzten 18 Monaten erfolgreich miteinander geschritten.

Der Weg, den die Staatswirtschaftliche Kommission vorschlägt, ist ein Weg der parlamentarischen Initiative. Dieses Instrument der parlamentarischen Initiative gibt es heute nicht. Darüber kann man im Grundsatz diskutieren, ob ein Parlament dieses Recht haben will. Es gibt Parlamente, die haben das. Aber der Vorschlag, dass dieses Recht der parlamentarischen Initiative gerade nur bei der Dringlichkeit greifen soll, den erachten wir als falsch. Es ist nicht der Weg, der in einer Krise, in der es Führung und Schnelligkeit braucht, der richtige ist, um ein neues Instrument zu schaffen, das dann nur in der Krise greifen soll. Das ist aus unserer Sicht der falsche Weg und deshalb haben wir auch dieses rote Blatt unterbreitet. Übrigens nicht nur die Regierung, es wurde auch im Präsidium so verabschiedet. Selbstverständlich darf ich nicht im Namen des Präsidiums sprechen, das ist mir wohl bewusst, ich kenne die Gewaltenteilung. Aber auch das Präsidium ist der Ansicht, dass man den Weg gehen will, den man in den letzten 18 Monaten auch geübt hat, weil er erfolgreich war, weil wir das geschafft haben, die Dringlichkeit und auch diese Krise zu bewältigen. Wir bitten Sie, diesen Weg weiter verfolgen zu können. Es braucht dazu gewisse Klärungen, deshalb sind wir auch nicht für Eintreten. Wir sind für Eintreten aber Gutheissung mit geändertem Wortlaut und wollen dieses Zusammenspiel, das wir jetzt getestet haben, auch noch «regulatorisch» festlegen und die Spielregeln für diesen Fall der Krise auch festlegen.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Gemperli-Goldach, Präsident der Staatswirtschaftlichen Kommission: Ich möchte nur ganz kurz auf das Abstimmungsverhalten hinweisen.

Die Staatswirtschaftliche Kommission hat der Überweisung ihrer Motion im vorgesehenen Wortlaut mit 12:0 Stimmen bei 2 Enthaltungen und 1 Abwesenheit zugestimmt.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Lippuner-Grabs (im Namen der Mehrheit der FDP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Die Staatswirtschaftliche Kommission hat im Rahmen ihrer Prüfungstätigkeit die Bewältigung der Coronakrise im Zeitraum von Januar bis Juni 2020 unter die Lupe genommen. Die Analyse der Ausgestaltung und Anwendungsmöglichkeiten von Dringlichkeitsrecht im Kanton St.Gallen und die gemachten Erfahrungen während der Pandemie zeigen einen gewissen Handlungsbedarf auf. Die späte Zuleitung von dringlichen Covid-Gesetzgebungsgeschäften durch das Departement des Innern haben wir am Montag bereits hinlänglich diskutiert. Das Parlament soll sich als Volksvertretung und gesetzgeberische Staatsgewalt auch in Notsituationen im Rahmen des Möglichen einbringen können.

Das Präsidium und die Regierung haben das Anliegen der Staatswirtschaftlichen Kommission aufgenommen und beantragen Gutheissung der Motion mit angepasstem Wortlaut. Der Kantonsrat soll die Regierung neu mittels einer dringlichen Motion beauftragen können, ihm eine Vorlage ohne Verzug zuzuleiten. Die Vorlage muss dann an der nächsten Sessionen zur Beratung vorliegen. Bleibt zu hoffen, dass in einer Notlage dann auch Termine gefunden werden können. So wird das Anliegen der Staatswirtschaftlichen Kommission aufgenommen, zugleich aber die bestehende und bewährte Aufgabenteilung von Kantonsrat und Regierung beibehalten.

Präsidium und Regierung schlagen zudem vor, dass das Präsidium bei unaufschiebbarem Regelungsbedarf eine besondere Kommission bestellen kann. Dieser Vorschlag knüpft an die gemachten Erfahrungen mit der so genannten Covid-19-Kommission an.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Tschirky-Gaiserwald (im Namen der Die Mitte-EVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Die Motion der Staatswirtschaftlichen Kommission will dem Kantonsrat mehr Möglichkeiten bei der dringlichen Rechtsetzung zuteilen. Die Erfahrungen der letzten 18 Monate haben einen Handlungsbedarf aufgezeigt und die Mitte EVP-Fraktion unterstützt im Grundsatz die Stossrichtung der Motion. Wir favorisieren jedoch den Antrag von Regierung und Präsidium, welcher uns vorliegt. Die Erfahrungen aus der Coronapandemie haben Lücken in der Aufgabenteilung von Kantonsrat und Regierung aufgezeigt. Lücken, welche aufgrund einer ausserordentlichen Lage und Situation entstanden sind. Es gilt nun, diese Lücke in Zeiten und Situationen mit unaufschiebbarem Regelungsbedarf zu schliessen. Mit dem Vorschlag von Regierung und Präsidium könnte ein Instrument geschaffen werden, welches es zulässt, dass bereits erlassenes Dringlichkeitsrechts beraten und definitiv beschlossen werden kann. Und, aus Sicht des Kantonsrates noch wichtiger, er kann die Regierung beauftragen, dem Kantonsrat eine neue Vorlage auf die nächstfolgende Session zuzuleiten. Mit diesen Möglichkeiten können wir somit den notwendigen Regelungsbedarf abdecken.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Bisig-Rapperswil-Jona (im Namen der GLP): Auf die Motion ist einzutreten.

Die Coronakrise hat die Schwächen des parlamentarischen Systems im Kanton St.Gallen schonungslos aufgezeigt. Durch den Sessionsrhythmus, fehlende Fachkommissionen, die fehlende Möglichkeit, selbst Recht zu setzen sowie Lücken im Dringlichkeitsrecht, wurde die Volksvertretung auf die Zuschauerplätze verwiesen. Um die Handlungsfähigkeiten des Kantonsrates in Krisenzeiten, aber auch darüber hinaus zu stärken, ist es nun der richtige Zeitpunkt, die nötigen Reformen einzuleiten. Es braucht, wie die Staatswirtschaftliche Kommission aber auch die Regierung und das Präsidium aufzeigen, Anpassungen im Dringlichkeitsrecht, damit die Mitsprache des Kantonsparlamentes auch in Krisenzeiten gewahrt wird. Dies ist aus unserer Sicht auch notwendig, um Dringlichkeitsrecht breit abzustützen und die Akzeptanz der betroffenen Bestimmungen in der Bevölkerung zu erhöhen.

Grundsätzlich unterstützen wir die Stossrichtung der Staatswirtschaftlichen Kommission. Wir Grünliberalen würden aber die Chance gerne nutzen, um auch die Einführung von Fachkommissionen sowie der parlamentarischen Initiative anzugehen. Dazu haben wir einen Antrag gestellt, zu dem ich mich gerne später äussern werde.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Gschwend-Altstätten (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Im vergangenen Jahr wurde aufgezeigt, dass viele an sich eingespielte Abläufe auf einmal nicht mehr funktionieren. Fast über Nacht ist die Handlungsfähigkeit nicht mehr da und man stellt alles in Frage. Auch in unserem Rat haben sich viele neue Fragen aufgetan. Wie geht man um? Wie findet man schnell eine Antwort? Sie konnten das in den Erläuterungen der Staatswirtschaftlichen Kommission vom letzten Frühling nachlesen. Nun geht es um eine einzige Frage, um ein wichtiges zentrales Anliegen, nämlich dass der Rat auf eigene Veranlassung aktiv wird. Der Rat hat ein Mittel nötig, über das er jetzt noch nicht verfügt, dass er allenfalls dringliche Verordnungen aussetzt. Dies immer mit der Intension, dass ein schnelles Agieren ermöglicht werden soll. Die Regierung zeigt sich an sich offen, sie wehrt sich aber doch. Ihr Formulierungsvorschlag ist eine Abschwächung, die nur das Allernötigste enthält und das reicht in einer solchen Situation nicht.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Noger-St.Gallen: Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Die Motionäre wollen namens der Staatswirtschaftlichen Kommission eine neue Regelung, die dem Kantonsrat erlaubt, bei Bedarf auf eigene Veranlassung dringlich Recht zu setzen. Begründet wird das mit einer Erkenntnis aus der laufenden Coronapandemie.

Ich habe Mühe damit, dass gerade in einer Krise das grundsätzlich langsamere Gremium Parlament schneller, zielgerichteter und somit tatkräftiger zu wirken glaubt als die Regierung, die als Exekutive professionell Krisenbewältigung beherrschen muss.

Ich kann mich auch nicht wirklich für das rote Blatt der Regierung erwärmen. Glauben wir wirklich, dass der Kantonsrat in der Lage ist, auf von der Regierung als dringlich erlassene Regelungen einzutreten, wenn ihm diese «ohne Verzug zur Beratung und Beschlussfassung unterbreitet werden»? Eine Beratung im Rat setzt eine Vorberatung durch eine Kommission voraus und auch eine entsprechend solide Meinungsbildung innerhalb der Fraktionen. Wer schon Termine mit Kantonsräten suchte, dürfte meine Vorbehalte bezüglich Schnelligkeit der Terminfindung teilen.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Keller-Kaltbrunn (im Namen der SP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Aus den Erfahrungen in der Corona-Pandemie nimmt die Staatswirtschaftliche Kommission ein wichtiges Anliegen auf: Der Kantonsrat muss im Bereich der dringlichen Rechtssetzung eine aktivere Rolle spielen können. Es ist auch nach aussen gegenüber der Bevölkerung ein wichtiges Zeichen, dass dringliche Verordnungen der Regierung gemäss Art. 75 der Kantonsverfassung unverzüglich eine rechtliche Grundlage erhalten und dabei die üblichen politischen Prozesse spielen.

Wir haben nun zwei Vorschläge zur rechtlichen Regelung vor uns, wie der Kantonsrat in der erwähnten Situation aktiver werden könnte.

Die Staatswirtschaftliche Kommission schlägt ein neues Instrument, d.h. ein neues Verfahren vor. Der Kantonsrat soll selber Recht setzen können, wenn die Regierung mit dem Antrag auf einen Erlass gesetzlicher Bestimmungen zögert. Regierung und Präsidium schlagen hingegen vor, mit eingespielten Verfahren dem Kantonsrat in dringlichen Fällen eine aktivere Rolle zu geben.

Unsere Fraktion befürwortet den Vorschlag von Regierung und Präsidium aus folgenden Gründen:

Wird sich ein neues, noch ungewohntes Verfahren gemäss Staatswirtschaftlichen Kommission in einem dringlichen Fall wirklich bewähren? Besteht nicht die Gefahr, dass es zu einem Hickhack zwischen Regierung und Parlament kommen könnte? Ausserdem ist der Kantonsrat dann vom fundierten Wissen der Verwaltung abhängig, denn viele Informationen stehen uns dann nicht zur Verfügung. Viele Fragen bleiben somit offen, und das in einer dringlichen Situation, in einer Krise.

Der Vorschlag von Regierung und Präsidium hat den Vorteil, dass die Instrumente bereits bekannt und eingespielt sind. Mit einer Motion kann der Kantonsrat aktiv werden, und durch die vorgängige Information vom Präsidium und einer durch das Präsidium bestellten Kommission durch die Regierung über bereits getroffene Massnahmen, beginnt die Kommunikation zwischen Regierung und Rat schon früh. Die Corona-Kommission hat sich sehr bewährt, denn so sind wir laufend gut informiert.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Dudli-Oberbüren (im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Die Schweiz hat die Gewaltenteilung mit der Bundesverfassung aus dem Jahr 1848 eingeführt. Diese Gewaltenteilung verhindert die Konzentration der Macht einzelner Personen oder Institutionen und schiebt dem Machtmissbrauch einen Riegel vor. Eine Person darf gleichzeitig nur einer der drei Staatsgewalten angehören. Die Legislative beschliesst Gesetze, die Exekutive setzt die Gesetze um und die Judikative spricht Recht. Äusserst rigide Bestimmungen beeinträchtigen manchmal die Effizienz. Insbesondere bei Gefahr in Verzug ist rasches Handeln unerlässlich. In diesen Fällen kann sich die Regierung auf ein dringliches Verordnungsrecht gemäss Art. 72 der Kantonsverfassung berufen. Nur, die Regierung ist beim Erlass von Verordnungen und Verfügungen auf der Grundlage von Art. 75 der Kantonsverfassung weiterhin an die Verfassung und Gesetze gebunden. Sie hat keine Befugnis zum Erlass von echtem, das heisst extra konstitutionellem Notrecht.

Soweit unaufschiebbarer Regelungsbedarf besteht und das ordentliche Verfahren wegen zeitlicher Dringlichkeit nicht durchgeführt werden kann, kann die Regierung also durch Verordnung vorläufig Recht setzen. Sie hat im Kantonsrat jedoch ohne Verzug Antrag auf Erlass gesetzlicher Bestimmungen zu stellen. Die Verordnung darf längstens zwei Jahre angewendet werden, so bestimmt es die Kantonsverfassung. Insbesondere zu Beginn der Coronakrise musste der Kantonsrats feststellen, dass er seinen Gesetzgebungsauftrag nur sehr eingeschränkt wahrnehmen konnte. Der Kantonsrat verfolgte das Geschehen quasi von der Seitenlinie aus, ohne in der üblichen Art und Weise als Legislative aktiv werden zu können. Die Exekutive war zeitweise auch Legislative und die Legislative durfte zu Hause Däumchen drehen. Dieser Umstand war denn auch Beratungsthema der Staatswirtschaftlichen Kommission. Gewiss, ausserordentliche Lagen erfordern auch auf kantonaler Ebene die Anwendung des Dringlichkeitsrechts, wenn das ordentliche Verfahren wegen zeitlicher Dringlichkeit nicht durchgeführt werden kann. Allerdings müsste die Regierung dem Parlament ohne Verzug einen dazugehörigen Antrag unterbreiten. Ein von der Staatswirtschaftlichen Kommission in Auftrag gegebenes externes Gutachten hält denn auch zusammenfassend fest, dass der Verzicht auf eine Vorlage an das Parlament nicht mit Art. 75 der Kantonsverfassung vereinbar erscheint. In Notsituationen kann sich der St.Galler Kantonsrates derzeit aber nur sehr beschränkt gesetzgeberisch betätigen, zumal das Instrument der parlamentarischen Initiative nicht zur Verfügung steht.

Anlässlich der Prüfungstätigkeit zur Coronakrise hat die Staatswirtschaftliche Kommission einen Mangel an Handlungsfähigkeit des Kantonsrats in Krisensituationen festgestellt. Kurz, wenn kein Geschäft vorliegt, dann gibt es keine Beratung, und wenn keine Session stattfinden, kann weder eine Motion eingereicht werden, ausgenommen Kommissionsmotionen, aber lediglich zu kommissionsspezifischen Geschäften. Der Kantonsrat kann mangels Session auch nicht über eine Motion beschliessen. Weiter hat der Kantonsrat derzeit kaum Möglichkeit, zeitnah korrigierend einzugreifen, wenn es die Regierung unterlässt, ohne Verzug Antrag auf Erlass gesetzlicher Bestimmungen zu stellen, um die dringlichen Verordnungen der Regierung auf die üblichen, rechtlichen bzw. gesetzgeberischen Grundlagen zu stellen. Dringlichkeitsrechts für die Exekutive in Ehren, aber ein eben solches für die Legislative ist gleichermassen angebracht. Abgesehen davon missachtet die Regierung mit ihrem Antrag, den zweiten Teil der Motion, nämlich dem Kantonsrat die Befugnis einzuräumen, die Anwendung dringlicher Verordnungen oder einzelner Bestimmungen dringlicher Verordnungen auszusetzen.

Noch eine äusserst markantes Detail: Haben Sie sich den Wortlaut der Regierung wirklich zu Gemüte geführt? In der Version der Regierung sollen die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, damit der Kantonsrat die Regierung mittels Motion beauftragen kann, bei unaufschiebbarem Regelungsbedarf dem Kantonsrat ohne Verzug eine Vorlage zu unterbreiten. Man wähnt sich im falschen Film, denn gemäss der Kantonsverfassung hat die Regierung dem Kantonsrat ohne Verzug und vor allem unaufgefordert Antrag auf Erlass gesetzlicher Bestimmungen zu stellen. Die Regierung verlangt jedoch, dass sie mittels Motion zu einer Handlung beauftragt werden kann bzw. muss. Die Version der Regierung ist demnach nicht verfassungskonform. Die Regierung hat nämlich eine Bringschuld und nicht der Kantonsrat eine Holschuld – das ist letztlich matchentscheidend. Zumindest missachtet die Regierung den zweiten Teil der Motion, nämlich dem Kantonsrat die Befugnis einzuräumen, die Anwendung dringlicher Verordnungen oder einzelner Bestimmungen dringlicher Verordnungen auszusetzen.

Wenn Sie auch weiterhin bei ähnlich gelagerten Begleitumständen an der Seitenlinie zuschauen möchten, wie die Exekutive unter gehöriger Ritzung des Prinzips der Gewaltenteilung Recht beschliesst, ohne dass der Kantonsrat dringliche Verordnungen oder einzelne Bestimmungen dringlicher Verordnungen aussetzen könnte, dann willigen Sie dem nicht verfassungskonformen Antrag der Regierung ein und kastrieren sich dabei gleich selbst.

Die Regierung hat eine Bringschuld und nicht der Kantonsrat eine Holschuld. Im Sinne des verfassungskonformen Beschlusses der Staatswirtschaftlichen Kommission und im Namen der SVP-Fraktion empfehle ich Ihnen daher, der gegenständlichen Motion in ihrem ursprünglichen Wortlaut zuzustimmen und insbesondere den halbpatzigen Antrag der Regierung abzulehnen.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Gemperli-Goldach, Präsident der Staatswirtschaftlichen Kommission: Auf die Motion ist einzutreten.

Namens und im Auftrag der Staatswirtschaftlichen Kommission, welche die Motion «Handlungsfähigkeit des Kantonsrates sicherstellen» eingereicht hat, nehme ich inhaltlich gerne wie folgt Stellung: In der Kantonsverfassung ist der Erlass von Dringlichkeitsrecht durch die Regierung in Art. 75 geregelt. Die Regierung ist dabei zur schonenden Ausübung ihrer Befugnisse angehalten. Dennoch besteht in Notlagen mit Erlass von Dringlichkeitsrechts durch die Regierung ein gewisser Widerspruch zum Selbstverständnis einer demokratischen Grundordnung, welche die Gewaltentrennung vorsieht und letztlich dem Parlament die Kompetenzen zur Rechtsetzung zuweist.

Natürlich lässt sich dieser Grundsatz in Krisenzeiten nicht gewährleisten. Der Erlass von Dringlichkeitsrecht durch die Regierung ist in Art. 75 der Kantonsverfassung vorgesehen. Die Voraussetzung bzw. die Möglichkeit seiner Anwendung sind sehr offen formuliert. Der vorausgesetzte, unaufschiebbare Regelungsbedarf definiert die Handlungslegitimation sehr vage. So vage der Art. 75 Kantonsverfassung tatsächlich formuliert ist, so unsicher sind auch die Auswirkungen, welche damit verbunden sind. Und hier und sicher nicht bei der Möglichkeit zum Erlass von Notrecht, ist das eigentliche Problem zu orten. Was passiert bspw. wenn die Regierung eine Vorlage nicht an das Parlament überweist oder eine Überweisung nicht wie vorgesehen ohne Verzug stattfindet? Letztlich wird spätestens zu diesem Zeitpunkt die demokratische Konzeption mit Gewaltenteilung in Frage gestellt. Daher erscheint es wichtig, die Spielregeln zu definieren, welche der Tragweite des Dringlichkeitsrechts auch tatsächlich gerecht werden.

Auf der anderen Seite ist natürlich auch nicht von der Hand zu weisen, dass das Parlament auch in Ausnahmesituationen eine Rolle einnehmen muss, welche auch seiner Bedeutung als Parlament entspricht. Parlamentarier sind Volksvertreter und wieso gerade in Ausnahmesituationen es nicht opportun sein soll, dass die Politik vom Kantonsparlament auf legistischer Ebene mitgestalten kann, das bleibt letztlich eben auch schwer verständlich. Entsprechende Instrumente der Einflussnahme gibt es heute auf kantonaler Ebene so nicht. Zwar können die ständigen Kommissionen oder auch das Präsidium Vorlagen einbringen, aber nur im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben. Auch Fachkommissionen sind im Parlamentsrecht nicht vorgesehen, welche bei Bedarf legistisch agieren könnten. Auch das Mittel einer parlamentarischen Initiative ist im st.gallischen Recht nicht implementiert.

Das Präsidium und die Regierung werden eingeladen, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, damit der Kantonsrat bei Bedarf auf eigene Veranlassung dringlich Recht setzen kann. Zudem ist dem Kantonsrat die Befugnis einzuräumen, die Anwendung dringlicher Verordnungen oder einzelner Bestimmungen von dringlichen Verordnungen auszusetzen, sofern es die Regierung unterlässt, dem Kantonsrat nach Art. 75 der Kantonsverfassung ohne Verzug Antrag auf Erlass gesetzlicher Bestimmungen zu stellen.

Die Staatswirtschaftliche Kommission hält an ihrer Motion gemäss ihrer Formulierung fest. Es ist zwar begrüssenswert, dass die Regierung den Handlungsbedarf erkennt, wir denken aber, dass wir mit der Formulierung, wie sie in unserer Motion vorgesehen bleibt, wir auch die Thematik umfassender anschauen können und letztlich auch die Regeln umfassender definiert werden können, damit wir auch in Notsituationen bzw. Krisensituationen entsprechend agieren könnten. Aus diesem Grund beantrage ich Ihnen im Namen und Auftrag der Staatswirtschaftlichen Kommission die Motion in diesem Wortlaut entsprechend auch zu unterstützen.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Jäger-Vilters-Wangs, Ratsvizepräsident: Die Regierung und das Präsidium beantragen Gutheissung mit geändertem Wortlaut.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021