Geschäft: St.Galler Aktionsplan gegen LGBTIQA-Feindlichkeit

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.21.05
TitelSt.Galler Aktionsplan gegen LGBTIQA-Feindlichkeit
ArtKR Motion
ThemaLandesverteidigung, Sicherheit und Ordnung
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung17.2.2021
Abschlusspendent
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 17. Februar 2021
AntragAntrag der Regierung vom 11. Mai 2021
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
17.2.2021Person6.10.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
22.9.2021Eintreten32Zustimmung81Ablehnung7
Statements
DatumTypWortlautSession
22.9.2021Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 81:32 Stimmen nicht auf die Motion ein.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Regierungsrat Fässler: Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Wenn Ihnen die Regierung aktuell zu dieser Motion Nichteintreten beantragt, so heisst das nicht, dass wir uns gegen das Grundanliegen stellen. Wir sind einfach der Meinung, dass das Grundanliegen im Zusammenhang mit der letzten Motion in einer etwas umfassenderen Art und Weise bereits jetzt zur Bearbeitung weitergegeben wurde. Das Einzige, was bei der letzten Motion nicht beinhaltet ist, sind weitere Anstrengungen in der Schule. Die Regierung ist der Auffassung, dass der aktuelle Volksschulplan ausreichend Gefässe zur Verfügung stellt, um diese Thematik auch in der Schule zu diskutieren und es hier keine weiteren Anstrengungen braucht. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft müssen schon heute in der Lage sein, wenn sie ihren Job gut machen, und das tun sie meiner Meinung nach, solche Anzeigen entgegenzunehmen. Und wenn es dann bei der Umsetzung der statistischen Erfassung, wir wissen ja jetzt noch nicht wie das dann genau geschieht, allenfalls noch zusätzliche Schulung braucht, damit das dann auch umgesetzt werden kann, dann werden wir das natürlich selbstverständlich ohne Weiteres machen.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Güntzel-St.Gallen: Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Ich habe die Unterlagen gelesen und aufmerksam zugehört, habe jetzt aber nach dreiviertel Stunden noch nicht verstanden, was statistische Erhebungen, die ja unbestrittenermassen auch seitens des zuständigen Regierungsrates aufwendig sind und nicht ganz einfach durchzuführen, was die am gesamten Zustand verändern wollen? Wollen Sie dann zu Hause oder in der Klassen sagen, dass sich so viele haben sich falsch benommen?

Es wurde von allen gesagt, dass wir gegen Diskriminierung sind. Denken Sie daran, dass auch die Ungeimpften Menschen sind.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Schmid-Grabs (im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Ich möchte darauf hinweisen, dass ich nachfolgend keine Stellung mehr zur statistischen Erfassung von Hate Crimes nehmen werde. Meine Meinung und die Meinung der SVP-Fraktion haben Sie dazu bereits zum vorherigen Vorstoss gehört.

Erneut möchte ich klarstellen, dass auch wir nicht zu tolerieren, wenn Menschen, egal welcher Couleur oder sexuellen Ausrichtung, in herabwürdigender Weise behandelt werden. Das ist in einer freien Gesellschaft einfach nicht tolerierbar. Es bestehen zum Glück aber auch bereits heute restliche Mittel, um Ehrverletzung, Gewalt und Diskriminierung zu begegnen. Zudem ist bereits heute auch ein gesellschaftlicher Wandel sichtbar. Die Sensibilität und Toleranz im Umgang mit der LGBTIQA-Community ist massiv gestiegen. Eine Schulung von Justiz und Polizei ist unserer Meinung nach nicht zielführend, da die Beweislage bei solchen Vergehen auch immer schwierig bleiben wird, das liegt in der Natur der Sache.

Zu den Aufklärungsmassnahmen an Schulen möchte ich klarstellen, dass bereits heute die Hausaufgaben in diesem Bereich gemacht werden. So wird bspw. die Aufklärung auch über andere sexuelle Orientierungen und Lebensweisen bereits heute, z.B. durch den Besuch von Sexualpädagogen oder das Fach Ethik, Religion und Gesellschaft abgedeckt. Das habe ich mir zuvor noch durch einen Lehrer versichern lassen. Die SVP-Fraktion ist daher der Meinung, dass keine weiteren Aufklärungsmassnahmen nötig sind.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Surber-St.Gallen (im Namen der SP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Es ist richtig, es wurde ein wesentlicher Teil des Anliegens der Motion mit der vorangegangenen Motion bereits überwiesen, die statistische Erfassung von Hate Crimes.

Wir meinen aber, dass hier durchaus auch noch weiteren Handlungsbedarf besteht. Es wurde ja bereits von Bisig-Rapperswil-Jona ausgeführt, es ist aber auch in der Antwort der Regierung ausgeführt, wir haben in diesem Bereich der Hate Crimes, dieser Feindlichkeit, eine sehr grosse Dunkelziffer bei den Delikten. Sehr viele solcher Delikte werden überhaupt nicht angezeigt, und es ist ganz wesentlich, damit diese Delikte effektiv zur Anzeige gebracht werden, dass jene Menschen, an die sich die betroffenen Menschen wenden sollen, wirklich bestmöglichst sensibilisiert sind für diese Thematik, dass sie sich ernstgenommen fühlen, wenn sie zu den Strafverfolgungsbehörden gehen und dort mit dieser Thematik umgegangen werden kann. Hier sehen wir durchaus schon auch die Notwendigkeit für intensive Schulung. Gleiches gilt auch für die Schule, auch dort braucht es die bestmögliche Sensibilisierung. Wir zweifeln nicht daran, dass hier schon sehr viel getan wird, aber diese Motion liesse hier auch nochmals eine breite Analyse zu und auch ein Ableiten von Handlungsbedarf auf Schulebene. Deshalb sind wir der Meinung, dass wir diese Motion auch überweisen sollten. Sie ist nicht abgedeckt von der vorangehenden Motion oder nur teilweise abgedeckt.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Frei-Rorschacherberg (im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Der Grossteil der Anliegen ist in der vorhergehend gutgeheissenen Motion bereits abgebildet. Wir wünschen uns von der Regierung, dass bei der Bearbeitung die erwähnten Punkte einfliessen werden.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Adam-St.Gallen (im Namen der Die Mitte-EVP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Die vorliegende Motion Bissig-Rapperswil-Jona ist grundsätzlich, wie dies auch die Regierung feststellt, begrüssenswert. Dennoch sind wir der Ansicht, auf die Motion sei nicht einzutreten, und zwar aus folgenden Gründen:

  1. Der mit der Motion geforderte Aktionsplan bezieht sich nur auf LBGTIQA-Menschen und nicht auf alle Minderheiten, wie das die vorher behandelte Motion Steiner-Kaufmann tut. Das hier ist ein Herauspicken einer gesellschaftlichen Minderheit, was nicht nachvollziehbar ist. Ist Hasskriminalität gegenüber einem Obdachlosen weniger schlimm als gegenüber einer lesbischen Frau?
  2. Die Forderung, die Strafverfolgungsbehörden in Sachen Hate Crimes zu schulen und zu sensibilisieren ist unseres Erachtens Wasser in den Rhein getragen. Die Strafverfolgungsbehörden verfolgen alle Gewaltdelikte konsequent, egal ob es sich um ein Hassdelikt handelt oder nicht.
  3. Die Forderung nach der Förderung von Aufklärungsprogrammen in den Schulen schiesst über das Ziel hinaus. Aufklärungsprogramme sind fixer Bestandteil des Lehrplans 21 und sind obligatorisch zu vermitteln. Ich möchte an dieser Stelle drei der konkreten Kompetenzen dazu aus dem Lehrplan 21 erwähnen:
  • Die Schülerinnen und Schüler kennen Faktoren, die Diskriminierung und Übergriffe begünstigen und reflektieren ihr eigenes Verhalten;
  • Die Schülerinnen und Schüler können den gesellschaftlichen und politischen Umgang mit Andersdenkenden und Minderheiten diskutieren (z.B. Integration, Minoritäten, Nonkonformisten);

  • Die Schülerinnen und Schüler verbinden Sexualität mit Partnerschaft, Liebe, Respekt, Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung und können sexuelle Orientierungen nicht diskriminierend benennen.

Abgesehen davon ist es auch gar nicht mehr nötig, auf diese Motion einzutreten, da mit der Gutheissung der Motion Steiner-Kaufmann das wichtigste Anliegen, die statistische Erfassung der Hate Crimes und damit die Schaffung einer wichtigen Grundlage zum Schutz von gesellschaftlichen Minderheiten, erfüllt ist.



Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Bisig-Rapperswil-Jona (im Namen der GLP): Auf die Motion ist einzutreten.

Am diesjährigen internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie wurden in Buchs 100 Regenbogenfahnen zerstört. Dass dies kein Einzelfall ist, zeigen die Zahlen der im Jahr 2016 ins Leben gerufenen Helpline der LGBTIQA-Dachverbände. Im Durchschnitt wird schweizweit ein Hassdelikt pro Woche gegen Lesbische, Schwule, Bisexuellen, Transquere, Intersexuelle oder asexuelle Personen gemeldet. Aktuell im Abstimmungskampf zur Ehe für alle sind es fünfmal mehr, also zwei gemeldete Hassdelikte pro Tag. Das Ausmass der körperlichen Gewalt mit fast einem Drittel der Fälle ist besonders schockierend. Die Dunkelziffer nicht gemeldeter Fälle ist zu dem hoch. Dabei sind Hassdelikte nur die Spitze des Eisbergs. Das Bewusstwerden einer von der Norm abweichenden sexuellen Orientierung löst in Jugendlichen meist Verunsicherung und ungute Gefühle aus. Über ihr Empfinden mit ihrem Umfeld zu sprechen ist für viele eine immense Herausforderung und Herausforderung und ein kritischer Punkt in der eh schon fragilen Phase der Identitätsentwicklung. Je intoleranter oder gar feindseliger das Umfeld gegenüber anderen sexuellen Orientierungen und Identitäten eingestellt ist, desto schwieriger ist es, sich selbst anzunehmen. Das Gefühl anderes, alleine oder gar minderwertig zu sein kann die mentale und körperliche Gesundheit von LGBTIQA-Personen schwer schädigen. Die Diskriminierungserfahrung erhöht das Risiko, ein Suchtverhalten zu entwickeln, an einem Herzleiden zu erkranken oder sich gar das Leben zu nehmen. Bei heterosexuellen Menschen erleidet jeder Zehnte während seines Lebens eine depressive Episode. Bei LGBTIQA-Personen ist es jede vierte.

Wie verbreitet und alltäglich der Hass gegen die Menschen der LGBTIQA-Community ist, zeigt ein Vorfall in diesem Sommer: Nick schildert auf St.Gallen 24 wie er und ein Freund angepöbelt und beschimpft wurden, weil sie als homosexuell gelesen wurden. Zum Vorfall sagte Nick: «Ich weiss, es sind nur Blicke und Sprüche, aber diese Sprüche habe ich nicht zum ersten Mal gehört. Ich finde es mega schade, denn ich möchte doch einfach nur so herumlaufen wie ich mich wohl und schön fühle, ohne diskriminiert zu werden. Wie ich finde, keine übertriebene Forderung.» Wer denkt LGBTIQA-Feindlichkeit sei ausschliesslich ein Problem der älteren Generation und mit der Zeit werde sich die Situation schon selbst verbessern, der irrt. In einer Umfrage gab im Jahr 2017 jeder vierte Jugendliche an, dass er einen Kuss zwischen zwei Männern ekelhaft fände. Um LGBTIQA-Feindlichkeit im Kanton St.Gallen zu bekämpfen und Zehntausende St.Gallerinnen und St.Galler zu unterstützen, braucht es die gesamte Gesellschaft, auch die Politik.

Die Schweizer Stimmbevölkerung hat sich klar gegen Diskriminierung von LGBTIQA-Person ausgesprochen. Mit 63 Prozent Ja-Stimmen nahm sie die Erweiterung der Antidiskriminierungsstrafnorm an. Auch der Kanton St.Gallen sagte mit 55 Prozent ja. Der Bundesrat sieht nun die Kantone bei der Umsetzung der neuen Strafnorm in der Pflicht. Im Gegensatz zur Regierung sieht der Bundesrat dabei Präventionsmassnahmen nicht für entbehrlich. In der Antwort auf einen Vorschuss schreibt er: «Strafrechtliche Instrumente sind mit geeigneten Sensibilisierungs-, Präventions- und Interventionsmassnahmen zu ergänzen. Entsprechend dem schweizerischen, föderalistischen, subsidiären System sind diese sinnvollerweise vor allem auf Gemeinde und Kantonsebene zu ergreifen, damit sie möglichst lebensnah und wirkungsstark ausgestaltet werden können. Ich teile diese Meinung des Bundesrates und sehe ebenfalls den Kanton St.Gallen mit seinen weitreichend föderalen Kompetenzen in Bildungs- und Sicherheitsthemen in der Pflicht. Hier kann der Kanton seine Verantwortung wahrnehmen und sich für mehr Wertschätzung und soziale Unterstützung von LGBTIQA einsetzen. Die GLP schlägt dazu einen Aktionsplan vor. Ein solcher Aktionsplan sollte mindestens die Punkte statistische Erfassung von Hate Crimes, Schulung und Sensibilisierung der Strafverfolgungsbehörden und die Aufklärungsarbeit und Prävention an Schulen beinhalten. Dem erste Punkt, die statistische Erfassung von Hate Crimes haben Sie mit der Überweisung der vorhergehenden Motion bereits angenommen – herzlichen Dank dafür. Bei den anderen beiden Forderung, also die Sensibilisierung der Strafverfolgungsbehörden und auch die Aufklärungsarbeit an Schulen, möchte ich vorausschicken, dass es der GLP keineswegs darum geht, zu sagen, dass Polizistinnen und Polizisten sowie Lehrpersonen einen schlechten Job machen. Ich bin überzeugt, dass viele sich heute schon für Toleranz und Respekt einsetzen.

Es wird geschätzt, dass bloss 10 bis 20 Prozent LGBTIQA-feindlichen Gewaltvorfälle angezeigt werden. Einer der Hauptgründe ist, dass die Opfer davon ausgehen, dass sie von der Polizei nicht ernst genommen werden. Um die Schwelle, eine Tat zur Anzeige zu bringen, zu senken, sollen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte so wie weitere juristische Fachpersonen entsprechend weitergebildet und sensibilisiert werden. Im Gegensatz zur Regierung sind wir überzeugt, dass die Schulung und Sensibilisierung der Strafverfolgungsbehörden einen wichtigen Beitrag leisten kann. Wir versprechen uns davon auch, dass die genannten Organisationen vermehrt darüber nachdenken, wie sie LGBTIQA-Opfer besser unterstützen können. Heute gibt es bspw. auf der Homepage der Kantonspolizei keinen einzigen Anknüpfungspunkt zu LGBTIQA-Themen. Um die Akzeptanz von LGBT-Personen langfristig zu erhöhen, sollte bei den Schulen angesetzt werden. Trotz Lehrplan 21 ist es immer noch von der Lehrperson abhängig, ob das Thema LGBTIQA überhaupt umfassend behandelt wird und die Schülerinnen und Schüler entsprechend sensibilisiert werden. Um diesen Missstand zu beheben, braucht es eine Förderung entsprechender Aufklärungsprogramme in der Volksschule und der weiterführenden Schulen. Die neue Vision der Regierung lautet: «Vielfalt leben und Akzente setzen». Das würde ich mir auch beim Thema LGBTIQA wünschen.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021
22.9.2021Wortmeldung

Jäger-Vilters-Wangs, Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf die Motion.

Session des Kantonsrates vom 20. bis 22. September 2021