Geschäft: Offenes Mikrofon für Kantonsrätinnen

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer51.21.19
TitelOffenes Mikrofon für Kantonsrätinnen
ArtKR Interpellation
ThemaGrundlagen und Organisation
FederführungPräsidium des Kantonsrates
Eröffnung16.2.2021
Abschlusspendent
Letze Änderung9.6.2022
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 16. Februar 2021
AntwortSchriftliche Antwort des Präsidiums vom 15. März 2021
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
16.2.2021Person21.11.2024
16.2.2021Person5.8.2024
16.2.2021Person21.11.2024
Statements
DatumTypWortlautSession
20.4.2021Wortmeldung

Losa-Mörschwil: Die Interpellantinnen sind mit der Antwort der Regierung...

Zuerst möchte ich mich beim Präsidium für die wohlwollende Antwort und Haltung bedanken, das hat uns Initiantinnen sehr gefreut. Ebenfalls erfreulich waren die vielen guten Gesprächen mit anderen Ratsmitgliedern.

Nun zu unserem Vorstoss: Wie Sie sich alle wissen, und wir haben das auch in unserer Interpellation erwähnt, geht es uns um die Würdigung eines Jubiläums, und zwar nicht einfach irgend einem Jubiläum, sondern es geht um das Würdigen von 50 Jahren Demokratie in der Schweiz. Das ist keine Banalitäten, denn es brauchte einen weit über hundertjährigen, engagierten Kampf von mutigen und entschlossenen Frauen. Das Feiern ist das eine, das kritische Zurückblicken und vorwärtsschauen, das andere. Ich denke, dass sich eine Gesellschaft nur im guten Sinne entwickeln kann, wenn Sie bereit ist, die eigenen dunklen Stellen anzuschauen. Der lange Kampf der Frauen für das Stimm- und Wahlrecht ist eine solche dunkle Stelle. Während bereits 1948 in der allgemeinen Erklärung für Menschenrechte festgehalten wurde, dass alle Menschen gleiche Rechte besitzen, galt dies nicht für 51 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Finnland führte 1906 als erstes europäisches Land das Wahl- und Stimmrecht für Frauen ein, andere Länder folgten schnell – die Schweizerinnen mussten warten. Dank dem unermüdlichen Einsatz von couragierten Frauen, teilweise aber auch Männern, konnten wir vor 50 Jahren diesen mittelalterliche Zustand, dem Ignorieren von über der Hälfte der Bevölkerung, verlassen.

50 Jahre ist es nun her, dass Frauen wählen dürfen, dass sie überhaupt in politische Ämter gewählt werden können. Wäre das nicht geschehen, so könnten heute in diesem Saal nicht 32 Frauen und 88 Männer gemeinsam debattieren, abwägen und nach Lösungen suchen. Bis dahin war es ein zu langer, zu steiniger und beschämender Weg, ein demokratischer Sündenfall sondergleichen. Vergessen wir dabei nicht, dass es im Jahr 1971 nur dank dem Ständemehr nicht noch länger gedauert hat. Die St.Galler Männer wollten ihren Frauen, Töchtern, Schwestern und Müttern dieses Recht immer noch nicht geben. Sie lehnte es mit 53,5 Prozent ab.

Über Nacht aber wurde endlich 2,7 Mio. Schweizerinnen das Recht erteilt, nicht nur mit zu tragen, sondern auch mit zu entscheiden. Ist das nicht ein Grund, um inne zu halten, nachzudenken und diesem historischen Ereignis gebührende Aufmerksamkeit schenken? Ich sehe es als patriotischen Akt, mich mit der Geschichte meines Landes, mit meiner Vergangenheit und meiner Herkunft zu beschäftigen, auch bei Themen, die nicht nur angenehm sind. Wenn wir dies tun, erlaubt es uns auch, kritisch und prüfend ins hier und jetzt zu schauen. Wie sieht es denn heute mit der Gleichstellung aus? Ist denn wirklich alles gut? Wir Frauen haben in vergleichsweiser kurzen Zeit viel erreicht. In den letzten 50 Jahren mehr als in den 500 Jahren zuvor. Das ist wunderbar, aber noch lange kein Grund, sich nicht für weitere Verbesserungen einzusetzen. Das ist nicht nur zum Vorteil der Frauen, sondern eine Bereicherung für unsere gesamte Gesellschaft, denn nur eine gerechte Gesellschaft hat langfristig Zukunft.

Unser Antrag hat nicht das Ziel, Männer zum Schweigen zu bringen, sondern Frauen eine Stimme zu geben. Sie sollen aus Anlass des Jubiläums auch in der Politik gehört und wahrgenommen werden, ganz im Sinne von «habt Vertrauen in die Frauen» freue ich mich über eine freiwillige Geste der Fraktionen, einen halben Tag die Stimme den Ratskolleginnen zu überlassen und ihnen zuzuhören. Dieser Würdigung schulden wir alle in hohem Mass unseren unermüdlichen Vorkämpferinnen für eine Demokratie, die auch ihren Namen verdient. Wir Schulden es aber auch unserem Land und unserer Gesellschaft.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2021