Geschäft: Leitplanken bei Abstimmungen auch für öffentlich-rechtlich anerkannte Religionsgemeinschaften

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.20.24
TitelLeitplanken bei Abstimmungen auch für öffentlich-rechtlich anerkannte Religionsgemeinschaften
ArtKR Motion
ThemaErziehung, Bildung, Kultur
FederführungDepartement des Innern
Eröffnung1.12.2020
Abschlusspendent
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 1. Dezember 2020
AntragAntrag der Regierung vom 11. Mai 2021
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.12.2020Person27.6.2024
1.12.2020Person29.1.2025
1.12.2020Person6.8.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
8.6.2021Eintreten47Zustimmung57Ablehnung16
Statements
DatumTypWortlautSession
8.6.2021Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 57:47 Stimmen bei 1 Enthaltung nicht auf die Motion ein.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Regierungsrätin Bucher: Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Die Regierung beantragt Ihnen Nichteintreten auf diese Motion. Sie haben es gehört, wir finden es nicht nötig, hier neue gesetzliche Grundlagen zu schaffen.

Locher-St.Gallen hat es bereits zitiert, aus Lehre und Rechtsprechung des Bundesgerichts lassen sich die von den Motionären geforderten Leitplanken aus Sicht der Regierung bereits ableiten. Gefordert ist nach dem Bundesgericht, damit man sich als Behörde zu einer Abstimmungsvorlage äussern kann, dass eine besondere Betroffenheit vorliegt. Zudem sind Meinungsbekundungen zulässig, wenn etwa aufgrund der Lehre, der sich die Religionsgemeinschaften verpflichtet fühlen, eine eindeutige Stellungnahme möglich ist oder sie sich geradezu aufdrängt. Unzulässig sind parteipolitisch geprägte Stellungnahmen oder Stellungnahmen zu sachpolitischen Themen, die sich einer einfachen ethischen Beurteilung entziehen. Hier geht es also um die Einhaltung der ethischen Neutralität, die hier geboten ist.

Auch die Regierung beurteilt die Beflaggung von Kirchtürmen, wie wir sie im vergangen Abstimmungskampf vereinzelt gesehen haben, als kritisch. Die Regierung sieht auch, dass wohl einige einzelne Kirchen eventuell im Abstimmungskampf wenig sensibel vorgegangen sind. Deshalb jetzt aber gesetzgeberisch tätig zu werden, wäre aus Sicht der Regierung nicht verhältnismässig. Die Kantonsverfassung räumt den demokratisch verfassten öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften weitgehende Autonomie ein. Es wäre also aus Sicht der Regierung vorzuziehen, wenn diese Religionsgemeinschaften selbst eigene spezifische Regelungen in ihren eigenen Erlassen, Richtlinien oder Empfehlungen schaffen würden. So hat bspw. der katholische Konfessionsteil im Jahr 2019 einen entsprechenden Verhaltenskodex erlassen, der dann auch festhält, dass der Administrationsrat nur zu Abstimmungsvorlagen Stellung nimmt, wenn die Vorlage auf den katholischen Konfessionsteil, das Bistum, die Kirchgemeinden oder auf das religiöse Zusammenleben Einfluss hat. Ich bin überzeugt, dass die öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften durchaus selbstkritisch ihr Verhalten reflektieren und daraus die nötigen Schlüsse ziehen. Lassen wir den selbstständig öffentlich -rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften ihre Autonomie und verzichten wir auf die Überweisung dieser Motion.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Bruss-Diepoldsau: Solange die Unternehmen Kirchensteuern bezahlen müssen, sind wir verpflichtet, hier einmal Klarheit zu schaffen.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Warzinek-Mels (im Namen der CVP-EVP-Fraktion):

Für mich persönlich und für unsere Fraktion ist diese Motion wirklich ein wichtiges Thema in dieser Session – das möchte ich mit diesem zweiten Votum einfach nochmals unterstreichen. Wir haben ein ungutes Gefühl, wenn wir miterleben müssen, wie sich zwischen Motionären und Linksgrün jetzt doch eine Art Kulturkampf öffnet – das wollen wir genau nicht. Wie vorhin erwähnt, wir verstehen das Anliegen der Motion, aber wir sind gleichwohl gegen die Motion. Wir würden ein Gesetz schaffen, das im Ergebnis wirklich gefährlich für unsere Glaubensgemeinschaften ist, und das auch schlecht für das bewährte Gleichgewicht zwischen Kirche und Staat ist. Auch wenn Locher-St.Gallen und Götte-Tübach uns erklärt haben, dass es gut sein soll für die Kirchen, indem es die Meinungsvielfalt der Kirchen stärke und auch sonst gut sei, das entspricht nicht der Realität. Wenn wir diese Motion überweisen, dann führt das ganz klar zu einer Schwächung der Kirchen als wichtige moralische und ethische Instanz in unserem Leben.

Mein Aufruf geht wirklich an die Mitglieder der SVP- und FDP-Fraktion, die sich verpflichtet fühlen, dass wir den Kirchen trotz dieses teils grenzüberschreitenden Verhaltens, das wir miterleben mussten, jetzt nicht mit einer Motion ihre Bewegungsfreiheit in der Meinungsbildung nehmen. Ich bitte Sie wirklich, springen sie über Ihren Schatten, enthalten Sie sich oder stimmen Sie gegen die Motion.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Surber-St.Gallen legt ihre Interessen als Mitglied der reformierten Landeskirche offen.

Ich bin seit etwas mehr als einer Woche verheiratet mit einem Pfarrer. Sie sprechen von Leitplanken und Vorgaben, die Sie den Kirchen allgemein verbindlich machen möchten. Ich glaube, da berücksichtigen Sie einfach etwas nicht, die Kirchen sind selbst mittlerweile auch demokratisch verfasst und in der Lage, sich eigenen Vorgaben zu machen. Ich glaube nicht, dass sie darauf angewiesen sind, dass wir ihnen hier als Kantonsrat diese Vorgaben machen.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Wick-Wil: Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Die Kirche steht ein für die Benachteiligten, nicht für die, denen es gut geht. Die Kirche steht ein für die Armen und nicht für die Reichen. Das Problem der Motionäre ist, dass ihnen dieser Grundsatz nicht passt. Es ist nicht ihre Domäne, sich für die Armen und Benachteiligten einzusetzen. Wenn es eine Abstimmung gibt, wo es genau um diese Kernfragen geht und sich die Kirche dazu äussert, dann soll sie das nicht nur, dann ist es ihre Pflicht, dies zu tun. Ich würde alle begreifen, die die Kirche kritisieren würden, hätte sie sich nicht bei der Konzernverantwortlichkeitsinitiative geäussert. Nur weil Sie anderer Meinung sind, uns glauben machen wollen, Sie möchten der Kirche selbstverständlich keinen Maulkorb anziehen – obwohl sie das Klarmachen –, ist unverständlich. .

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Locher-St.Gallen zu Hasler-Balgach: Es gibt einen Grundsatz. Wenn Freiheit etwas bedeutet, dann das zu sagen, was die anderen nicht hören wollen. Ich muss mir oft Dinge anhören, die nicht mit meiner Meinung übereinstimmen. Sie müssen das auch tun. Ich glaube, das macht das Wesen einer Diskussion aus. Ich habe für mich nie den Anspruch, dass das, was ich sage, allwissend und allmächtigen ist, sondern vielleicht hat der eine oder andere in gewissen Dingen recht. Wir wollen diese transparente Diskussion führen und zwar in der Kommission, dann können wir dort pluralistisch unsere Meinungen austauschen.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Götte-Tübach: Ich glaube, es führt zu weit, wenn wir jetzt in der Debatte, ob wir die Motion überweisen sollen, auch noch über Pluralismus diskutieren. Ich mache das sehr gerne mit Hasler-Balgach, aber lieber dann, wenn uns die Regierung einen Vorschlag unterbreitet und wir gemeinsam in der Kommission über die fairen Spielregeln, und dann auch parallel den Pluralismus diskutieren können. Ich freue mich, wenn Sie somit auch für Überweisung dieser Motion sind, damit wir gemeinsam die Chance erhalten, diese Diskussion ausführlich in der Kommission zu führen.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Hasler-Balgach zu Götte-Tübach: Kennen Sie denn die Spielregeln des Pluralismus?

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Götte-Tübach (im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Ich habe das Gefühl, wenn ich gewissen Vorrednerinnen und Vorrednern zuhöre, dass wir mitten in der vorberatenden Kommission sind und möchten in wenigen Minuten einen fertigen Gesetzesartikel verabschieden – so weit sind wir nicht. Wir möchten mit dieser Motion der Regierung und somit auch der Kirche die Chance geben, faire Spielregeln aufzustellen. Ob und wie diese Spielregeln aussehen, wo wir uns finden und was die politische Mehrheit gibt, das können wir dann diskutieren, wenn wir die Motion heute überweisen und gemeinsam einen fairen Gesetzesartikel formulieren. Warum einen «fairen Gesetzesartikel»? Die Vorwürfe, die kamen: Maulkorb erteilen, die Kirche einschränken, der Kirche die Macht übergeben, die sie vor mehreren hundert Jahren hatte - nein, das ist nicht die Idee der Motionäre und schon gar nicht meine. Ich habe meine Interessen gegenüber der Kirche bereits heute Morgen geäussert. Es geht nicht um Symbolpolitik wenn es um die Kirche geht, ich praktiziere die Kirche, aktiv zusammen mit meinen Kindern. Wahrscheinlich viel mehr, als jene die heute davon sprechen was die Kirche macht, machen sollte und machen dürfte. Darum habe ich auch ein absolut gutes Gefühl und Gewissen, als ich gemeinsam mit meinen Mitmotionärinnen und Motionären der FDP- und CVP-EVP-Fraktion diese Motion eingereicht habe. Ich mache und sage das aus voller Überzeugung, trotzdem braucht es faire Spielregeln, und das haben wir aktuell nicht. Ich war auch immer einer jener, der die Auffassung vertreten hat, auch juristische Personen sollen die Kirchensteuern bezahlen, weil wir brauchen diese Institution in unserem Land und in der ganzen Welt, und wir brauchen diese Geborgenheit und all das, was meine Vorrednerinnen und Vorredner erwähnt haben. Dazu soll die Unternehmerwelt ihren Beitrag über die Steuern dazu leisten, aber Spielregeln braucht es auch. Wenn wir keine Spielregeln haben, wird die Wahrscheinlichkeit viel grösser, dass wir Staat und Kirche trennen möchten. Und dann weiss ich nicht mehr, auf welcher Seite ich dann stehen soll. Bis jetzt war es mir klar, Unternehmen dürfen, sollen und können die Kirchensteuer zahlen, aber die Kirche hat sich an Spielregeln zu halten. Wir haben gehört, dass die Kirchen keine Steuermittel eingesetzt haben. Als intensiver Leser der grössten Tageszeitung in unserem Kanton, haben wir in letzter Zeit grosse Artikel, dass auch Kirchen entschuldigt haben, sie hätten falsche Mittel verwendet, um aktiv in einem politischen Abstimmungskampf mitzuwirken. Das möchten wir in Zukunft nicht mehr. Wir möchten faire Spielregeln. Sie alle können einen Beitrag leisten, dass die Spielregeln wirklich fair werden.

Die Regierung hat die erste Chance diesbezüglich verpasst. Sie möchte die Motion nicht überweisen haben, aber vielleicht finden wir heute eine Mehrheit und dann hat die Regierung eine zweite Chance gegenüber den Kirchen in unserem Land, die eine wichtige Institution sind und wichtige Pfeiler und Stützen in unserem Land sind, faire Spielregeln gemeinsam zu formulieren.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Lüthi-St.Gallen (im Namen der Grünliberalen): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

In unserer Wahrnehmung kommt es selten vor, dass sich Kirchen zu politischen Fragen äussern oder sich in politische Fragen einmischen. Aus unserer Sicht wird hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

Die Grünliberalen tragen das Anliegen der Motionäre nicht mit. Das Demokratieverständnis, welches hier an den Tag gelegt wird, ist für uns sehr bedenklich – Andersdenkende sollen ausgeschlossen werden. Die freie Meinungsäusserung soll nicht eingeschränkt werden. Das politische Engagement von Kirchen erachten wir Grünliberalen als einen wertvollen Beitrag in der politischen Debatte. Kirchen sollen sich in einem demokratischen Rechtsstaat für ihre politischen Anliegen stark machen können. Die Kirche ist legitimiert, ja muss legitimiert sein, sich für ihre Grundwerte einzusetzen. Zentral ist dabei der Einsatz für Menschen und die Schöpfung bzw. die Umwelt im religiösen sind. Warum sollte es sonst Kirchen geben, wenn sie sich nicht für ihre Werte einsetzen sollen? Die Stimme der Kirche ist relevant.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Ammann-Waldkirch (im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Es geht nicht, Pappa-St.Gallen, um einen Maulkorb, sondern es soll der Grundsatz der politische Neutralität eingefordert werden. Ausnahmen sind selbstverständlich Themen, welche die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften direkt betreffen. Die Bundesverfassung verpflichtet Gemeinde, Kanton und Bund auf korrekte und zurückhaltende Information. Das soll auch für die öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften gelten – nur das fordern wir ein.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Pappa-St.Gallen (im Namen der SP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Dass wir in diesem Parlament über solche Themen diskutieren müssen und der Anstoss dazu sogar von der FDP-Fraktion kommt, das heisst, der Partei, die sich als liberal definiert, ist grotesk. Auf der einen Seite wird hier ein Problem konstruiert, das nicht einmal existiert. Es ist Fakt, dass die Kirchen keine Steuergelder eingesetzt haben. Auf der anderen Seite wird hier grundsätzlich einer Organisation verboten, Positionen zu vertreten oder Stellung zu nehmen, dies mit der Begründung, diese seien mit staatlichen Behörden gleichzustellen, weil diese Steuern einziehen. Dabei machen gar Bundesräte jeweils Abstimmungskampf und setzen sich für gewisse Themen ein. Was genau ist grenzüberschreitend, wenn sich Kirchen positionieren? Heisst, sich korrekt zu verhalten, dass solche Organisationen sich überhaupt nicht positionieren dürfen? Davon zu reden, dass das Verbot zum Schutze der Organisation sei ist heuchlerisch. Wir leben in einer Zeit, wo sich jeder und jede öffentliche positioniert und viele gar im Hintergrund mit Lobbyarbeit für ihre Anliegen kämpfen – tagtäglich sieht man das. Wer nun fordert, die Kirchen dürften sich in der Öffentlichkeit nicht politisch äussern, der verkennt die Rolle der Kirchen komplett. Im Gegensatz zu staatlichen Behörden steht im Glauben und damit auch in Religionsgemeinschaften die Diskussion über Werte, Moral und Lebensformstellungen im Zentrum ihres Daseins. Es geht um die grossen Fragen des Lebens und das Zusammenlebens als Gesellschaft. Die Kirchen können damit ihre Rolle bis zu einem gewissen Grad nur dann wahrnehmen, wenn sie ihre Werte auch nach aussen vertreten können. Kirchen können gar nicht neutral sein. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Diskussion über Moral und Werte per se auch immer politisch ist. Äussern sich Kirchen öffentlich, so engagieren sie sich damit aber nicht automatisch politisch. Sie äussern sich vor allem zu Themen und Fragen, die Kern ihres Auftrags und Teil ihrer Daseinsberechtigung sind. Kirchen machen damit nicht per se Politik, sondern sie nehmen Stellung, weil sie aufgrund ihrer Lehre und Glaubenssätze im Kern betroffen sind. Sie nehmen dazu öffentlich Stellung, weil sich eine Stellungnahme aus Gründen des Glaubens und der Moral aufdrängt – ja, nicht vermeiden lässt. Solange die Kirchen die Menschenrechte beachten, ist dies alles gesellschaftskonform. Wer die Landeskirchen und andere Glaubensgemeinschaften in ihrer Redefreiheit beschneidet, der beraubt sich essentiellen Stimmen im öffentlichen Diskurs.

Was die Steuern betrifft: Natürliche Personen können im Gegensatz zu den staatlichen Steuern schon lange entscheiden, ob sie diese bezahlen möchten oder nicht, in dem sie sich für eine Konfessionszugehörigkeit entscheiden oder austreten, im Gegensatz zur normalen Steuern bzw. der natürlichen Steuer, die man bezahlen muss.

Zu den Unternehmungen, die Steuern zahlen, kann ich nur eines sagen: Die vielen Leistungen die Kirchen vollbringen, dienen der sozialen Sicherheit und diese wiederum ist bezüglich Planungssicherheit und Ruf eines Landes zentral. Davon profitieren die Unternehmungen in diesem Land sehr stark. Gleichzeitig haben Unternehmen in der Politik eine starke Lobby. Das heisst, ihre Anliegen sind in der Politik sehr gut vertreten und man kann sich darüber streiten, ob die Steuern zu hoch sind oder nicht. Und all jene, die Angst haben könnten, die Kirchen könnten den Einfluss zurückgewinnen, den sie vor Jahrhunderten hatten, kann ich beruhigen: Wir haben heutzutage eine komplett andere Epoche, und zwar eine Epoche, die spezifisch in der Schweiz auf informierte Menschen und Demokratie basiert. Einen Maulkorb im Gesetz zu verankern, würde nicht nur eine Überreaktion darstellen, es wäre zudem auch zutiefst undemokratisch und weit weg von liberal.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Losa-Mörschwil (im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Der Beweis von Heldentum liegt nicht im Gewinnen einer Schlacht, sondern im ertragen einer Niederlage. Das mehr als die Hälfte der Schweizer Stimmberechtigten die Covid-Initiative gutgeheissen hat, ist wahrlich ein grosser Sieg, ein Sieg der sozialen Verantwortung und Gerechtigkeit. Ich freue mich noch heute über die Weisheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger – sie haben es offensichtlich verstanden.

Die Initiative war nicht radikal, hätte keine systemische Umwälzung und keine globale Rückverteilung mit sich gebracht, sie sollte lediglich etwas mehr Rechenschaftspflicht und Haftbarkeit an jenen Orten bringen, an dem das global erwirtschaftete Kapital letztendlich sitzt. Damit hatte Covid eine Tür aufgestossen für Debatten, in denen Armut nicht als Entwicklungsstufe, sondern als politisches Problem verstanden wird. Auch die Kirchen haben ihre Türen für diese Diskussionen zurecht geöffnet und sich verständlicherweise auf die Seite der Schwächeren, Benachteiligten und oft auch Vergessenen gestellt. Wenn wir der Kirche das Recht nehmen, sich für mehr Gerechtigkeit, Fairness und Menschlichkeit einzusetzen, dann wird unser Land um eine wichtige Stimme ärmer, und wir überlassen Entscheide jenen, die nicht über die Ursachen von Problemen reden möchten.

Obwohl die Vorlage schlussendlich am Ständemehr gescheitert ist, scheinen sich die Gegner noch immer überrascht und gekränkt die Augen zu reiben und scheuen sich nicht davor, einen Angriff auf die Meinungsfreiheit und Demokratie in unserem Land vorzunehmen. Würden wir das zulassen, dann wären wir in der Schweiz nicht besser unterwegs, als in manchen Ländern, in denen die Kirchen, welche die Korruption und Gewalt anprangern und sich für die schwächsten einsetzen, sanktioniert werden. Statt sich nun Gedanken zu machen, warum die Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sich für mehr soziale und ökologische Gerechtigkeit entschieden hat, suchen sie den Weg, um unangenehme Stimmen loszuwerden – diese Motion ist ein Beweis dafür.

Im Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass die Rechtsprechung aus Art. 34 Abs. 2 der Bundesverfassung vorschreibt, das Behörden im Vorfeld von Abstimmungen zu korrekter und zurückhaltender Information verpflichtet sind. Gerade diese beiden Punkte habe ich bei der Exekutive auf Bundesebene sehr vermisst. So gab es einzelne Mitgliederinnen und Mitglieder, welche in atemberaubendem Tempo durch das Land rasten und in verschiedener Hinsicht die rote Linie überschritten. Es wäre also auch hier klüger, wenn sich die Gegner der Initiative über ihr eigenes Verhalten Gedanken machen würden. Die Schweizer Zivilgesellschaft ist wach. Sie fordert ethisches, verantwortungsvolles Handeln – darauf sollten wir hören, statt Maulkörbe zu verteilen.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Warzinek-Mels (im Namen der CVP-EVP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Vereinzelt haben sich Teile der Kirchen im Rahmen des Abstimmungskampfes zur Konzernverantwortungsinitiative wohl unkorrekt bzw. grenzüberschreitend verhalten. Das hat übrigens auch mich als katholischen Kirchgänger gestört, obwohl ich in meinem nahen Umfeld kein Fehlverhalten habe feststellen können. Daher ist die Motion zumindest teils verständlich, das möchte ich den Motionären zugestehen. Andererseits bedient die Motion zumindest in Teilen sicher auch gesellschaftliche Megatrends und Gruppierungen, die sich ganz grundsätzlich eine Schwächung der anerkannten Religionsgemeinschaften, also der christkatholischen Kirche, der jüdischen Gemeinschaft und der evangelischen und katholischen Kirche wünschen, und für die das Fehlverhalten einzelner kirchlicher Vertreter oder Strukturen gerade gelegen kommt, um diese Religionsgemeinschaften in toto und generell anzugreifen bzw. in die Schranken zu weisen.

Alleine mit dieser Motion ist ein «Schuss vor dem Bug» erfolgt. Ihre Botschaft ist angekommen. Das Thema wird innerkirchlich aufgearbeitet. Für mich persönlich als Mitglied der katholischen Kirche bedeutet dies übrigens auch, dass ich mich bei einer nächsten ähnlichen Situation vermehrt dafür einsetzen würde, dass meine Kirche sich möglichst korrekt verhält. Die Lösung dieses Konflikts besteht nicht darin, dass die Religionsgemeinschaften nun abgestraft werden oder wir eine unnötige Gesetzesänderung vornehmen. Es ist an den Religionsgemeinschaften selber, daraus zu lernen und sich an dem Geschehenen weiter zu entwickeln. Bitte bedenken Sie aber ganz grundsätzlich auch und vergessen sie nie: Obwohl die Kirchen aus verschiedensten Gründen, und da möchte ich eigenes Fehlverhalten nicht ausschliessen, in den letzten Jahrzehnten zunehmend häufiger öffentlich am Pranger stehen, haben sie dennoch nach wie vor in vielfacher Hinsicht eine sehr wichtige Funktion. Viele soziale oder auch kulturelle Aktivitäten, Krankenseelsorge, Jugendarbeit, Anlaufstellen in sozialen Notlagen, der Erhalt vieler für unsere Geschichte wertvoller Bauten usw., viele Aktivitäten mit äusserst wertvoller Auswirkung auf unser gesamtes gesellschaftliches Leben verdanken wir unverändert verschiedenen Religionsgemeinschaften und insbesondere im Kanton St.Gallen unseren Kirchen hier. Ohne sie wäre unsere Gesellschaft und unser Land um vieles und unersetzlich ärmer. Achten wir daher auch, dass es unseren Kirchen angemessen gut geht, und dass wir nicht mit einer teils berechtigten Kritik am jüngsten Verhalten einzelner kirchlicher Strukturen «das Kind mit dem Bad ausschütten». In diesem Zusammenhang danke ich der Regierung explizit für ihren Hinweis auf das langjährige Engagement der kirchlichen Hilfswerke auf dem roten Blatt.

Natürlich sind und bleiben die Kirchen für viele Menschen eine enorm wichtige moralische und ethische Instanz. Sie sollen und müssen eine hörbare Stimme haben. Achten wir darauf, dass sich die Kirchen auch weiterhin klar und unabhängig äussern können, auch wenn dies gesellschaftlichen Megatrends zuwider läuft, oder wir ganz persönlich mit einzelnen Positionierungen nicht einverstanden sind. Die Stimme der Kirchen ist wichtig. Wenn ich nun lese, dass sich die Motionäre an der Publikation von «Musterpredigten und der Veröffentlichung einschlägiger Bibelpassagen» stören, dass ist im Gegenzug eine Grenzüberschreitung seitens der Motionäre gegenüber den Kirchen nicht auszuschliessen. Wir wollen den Kirchen nicht vorschreiben, was sie zu predigen haben. Heute Vormittag hat Motionär Götte-Tübach seine Nähe zur katholischen Kirche beschrieben, als es um die Schweizergarde ging. Ich glaube ihm das durch und durch, aber es wäre schon wichtig, dass wir diese Nähe auch pflegen, wenn es nicht nur um das äussere Auftreten unserer katholischen Glaubensgemeinschaft geht, z.B. mit der Entsendung junger Menschen in die Schweizergarde. Pflegen wir diese Nähe auch, wenn es darum geht, Bedingungen zu erhalten, in denen sich unsere Glaubensgemeinschaften mit moralischen und ethischen Anliegen zu Wort melden. Graben wir nicht am Graben zwischen Gesellschaft und Kirche. Setzen wir nicht auf einen erneuten Kulturkampf und Konfrontation, sondern pflegen wir stattdessen, das in unserem Kanton bewährte Zusammenspiel zwischen Kirche und Staat, davon werden ganz sicher alle profitieren. In diesem Sinne danken wir auch der Regierung für das gut bedachte rote Blatt.

Den Motionären möchte ich sagen, Ihre Motion hat ihr Ziel eigentlich schon erreicht. Die innerkirchliche Diskussion und Aufarbeitung wie auch das Verhalten anlässlich der Konzernverantwortungsinitiative ist angestossen. Es wäre ein grosses Zeichen von Ihnen, wenn Sie Ihre Motion zurückziehen würden.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Locher-St.Gallen (im Namen der Motionäre): Auf die Motion einzutreten.

Es wurde den Motionären vorgeworfen, dass sie Maulkörbe verteilen wollen, und wurde ihnen eine anti-kirchliche Gesinnung vorgeworfen. Das ist sehr verkürzend und unrichtig. Es geht nicht darum, Maulkörbe zu verteilen, und es geht nicht darum, den Kirchen eins auszuwischen, sondern es geht darum, dass gewisse Regeln statuiert werden sollen, die bis heute nicht bestehen. Wer diese Motion bekämpft, der übersieht, dass diese Motion und der daraus folgenden Gesetzgebung ein Mittel ist, um die Meinungsvielfalt in der Kirche zu stärken.

Die öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften im Kanton St.Gallen, und um diese geht es, befinden sich in einer speziellen Situation. Sie haben einen privilegierten Sonderstatus, und dieser Sonderstatus muss auch zu gewissen Verhaltenspflichten im Umgang mit Wahl- und Abstimmungsvorlagen führen. In der Bundesverfassung ist die Garantie der politischen Rechte geschützt. Es ist die Glaubens- und Gewissensfreiheit geschützt, es sind aber auch die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe geschützt. Aus dieser wird namentlich eine Verpflichtung der Behörden auf korrekte und zurückhaltende Information im Vorfeld von Abstimmungen abgeleitet. Während das im Bereich der Kantone und Gemeinden und auch des Bundes ein anerkannter Grundsatz ist, ist es leider so, dass entsprechende Regeln bei den öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften nicht bestehen. Diese Regeln möchten wir einführen, wie gesagt, auch zum Schutze der Kirche und auch zum Schutze des Missbrauchs vor einseitigen Äusserungen. Wir haben es bei der Konzernverantwortungsinitiative erlebt und wir erleben es jetzt wieder, bei den beiden Initiativen «Trinkwasser und Pestizid», wir erleben es bei der PMT und wir erleben es beim CO2. Es gibt immer wieder kirchliche Kreise und auch Kirchgemeinden, die sich hier wortgewaltig einschalten und das richtige Vorgehen reklamieren.

Das Bundesgericht hat es leider abgelehnt, im Rahmen einer Beschwerde im Vorfeld der Konzernverantwortungsinitiative Regeln aufzustellen. Das ist bedauerlich, dass der Richter hier einfach den Weg des geringsten Widerstandes gegangen ist. Es wäre gut gewesen, wäre die Frage geklärt worden. Das Bundesgericht hat sich einmal mit Kirchen befasst, und das war im Jahre 1992 im Zusammenhang mit der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich. Die hatte sich nämlich in einen Wahlkampf eingeschaltet und Stellungnahmen für einzelne Kandidaten oder gegen einzelne Kandidaten gemacht. Ich weiss nicht, es spielt auch keine Rolle, um wen es damals ging. Das Bundesgericht stellte in diesem Entscheid vom 18. März 1992 fest, dass die Landeskirchen mit ihrer öffentlich-rechtlichen Anerkennung zu einer «Potenz des öffentlichen Rechtes» würden. Dadurch sei die Landeskirche in der Lage, erheblichen Einfluss auszuüben und damit das Stimmverhalten der Stimmberechtigten zu beeinflussen bzw. das Ergebnis eines Urnenganges zu verfälschen. Wie gesagt, das war eine Stellungnahme im Bereiche der Wahlen und damals wurde auf das Neutralitätsgebot hingewiesen. Im Bereiche der Sachabstimmungen fehlt eine entsprechende Präzisierung, und wir sind der Auffassung, dass man das mit dieser Motion nun tun sollte, sowohl in Bezug auf die Themenauswahl wie auch auf die Art und Weise der Äusserung.

Es ist für die Motionäre selbstverständlich, dass dort, wo die öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften unmittelbar betroffen sind, wo es um ihre eigene Rechtspositionen geht, z.B. wenn es zu einer Initiative zur Trennung von Kirche und Staat gehen würde, dass es dann den öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften unbenommen ist, sich zu äussern. Aber es soll nicht sein, dass sie sich zu allen Abstimmungsvorlagen äussern und das zur Gewohnheit wird. Wenn sie es tun, dann müssen sie das Prinzip der Transparenz, das Prinzip einer möglichst grossen Neutralität und das Prinzip der Verhältnismässigkeit beachten. Dass das einzelne von Zeit zu Zeit tun und es dann wieder vergessen, ist kein Grund dafür, hier keine Regelung zu treffen. Wir sind der Auffassung, dass man diese Chance im Interesse der Stärkung der Kirchen, im Interesse der Meinungsvielfalt und nicht des Meinungsmissbrauchs nun packen sollte.

Ich hoffe, dass Sie dieser Motion zustimmen und damit diesen Weg gehen, denn wenn man das nicht tut, dann erweist man den Kirchen einen Bärendienst, weil dann die Frage der vollständigen Trennung von Kirche und Staat sicher zusätzlichen Auftrieb erhält.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021
8.6.2021Wortmeldung

Jäger-Vilters-Wangs, Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf die Motion.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2021