Geschäft: «Schwarze Liste» abschaffen

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.20.15
Titel«Schwarze Liste» abschaffen
ArtKR Motion
ThemaGesundheitspflege, Sozialversicherung, Sozialhilfe
FederführungGesundheitsdepartement
Eröffnung15.9.2020
Abschlusspendent
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 15. September 2020
AntragAntrag der Regierung vom 13. Oktober 2020
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
15.9.2020Person3.12.2024
15.9.2020Person27.6.2024
15.9.2020Person3.12.2024
15.9.2020Person27.6.2024
15.9.2020Person3.12.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
17.2.2021Gutheissung66Zustimmung29Ablehung25
17.2.2021Eintreten66Zustimmung30Ablehnung24
Statements
DatumTypWortlautSession
17.2.2021Beschluss

Der Kantonsrat heisst die Motion mit 66:29 Stimmen bei 5 Enthaltungen gut.

Session des Kantonsrates vom 15. bis 17. Februar 2021
17.2.2021Struktur

Die Spezialdiskussion wird nicht benützt.

Session des Kantonsrates vom 15. bis 17. Februar 2021
17.2.2021Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 66:30 Stimmen bei 3 Enthaltungen auf die Motion ein.

Session des Kantonsrates vom 15. bis 17. Februar 2021
17.2.2021Wortmeldung

Regierungspräsident Damann: Auf die Motion ist einzutreten.

Ich spreche jetzt als Mediziner und als Gesundheitsdirektor: Ich kann einfach sagen, dass ich die schwarze Liste als Grundversorger nie gebraucht habe. Das ist etwas, das in der Praxis nicht sinnvoll ist. Die Zahlungsmoral, deshalb hat man die schwarze Liste eingeführt, wurde absolut nicht besser, sondern schlechter. Das kann mit der Wirtschaft zusammenhängen oder mit abnehmenden Zahlungsmoral der Leute. Wir müssen einfach wissen, dass die schwarze Liste doch ein gewisses Behandlungsrisiko hat. Es gibt Fälle, es sind nicht viele, bei denen die Leute nicht behandelt wurden und dann einen gesundheitlichen Schaden davon getragen haben.

Bei den Einsparungen kann ich sagen, wenn wir die schwarze Liste streichen, dann sparen wir. Im letzten Jahr hätten wir 59'000 Franken eingespart. Weil wir weiterhin das Meldeverfahren für betriebene Versicherte aufrechterhalten wollen und weiterhin die Durchführung der Verlustscheinabrechnung mit den Versicherern haben, die den Rest ausmacht, haben wir der SVA gesamthaft rund 234'000 Franken bezahlt.

Ich glaube, es ist wichtig, dass man die säumigen Zahler mahnt und auch versucht das Geld einzutreiben. Aber das kann man ohne die schwarze Liste machen, denn die Gemeinden erhalten die Meldung, und dann müssen die Gemeinden sich bemühen und das Problem aufgreifen. Es ist nicht so, dass die Gemeinden aufgrund der schwarzen Liste etwas machen, sondern die Gemeinden bekommen die Meldung über das Versäumnis, dass nicht bezahlt wurde, und dann können die Gemeinden etwas unternehmen. Ich glaube, hier muss man ansetzen.

Das Postulat, das Böhi-Wil vorgeschlagen hat, finde ich nicht gut. Das bedeutet wieder Arbeit, die unnötig ist, denn was wollen wir hier schreiben? Ist die Liste gut oder schlecht? Im Kanton Thurgau wird es anders gesehen, aber es ist auch langsam der letzte Kanton, der noch eine schwarze Liste führt.

Zum Gratisbeziehen von Gesundheitsleistungen: Diejenigen, die bei mir nicht bezahlt haben, das ging auf meine Kosten und nicht zu Lasten der Öffentlichkeit. Ich bekam einfach keine Zahlungen. Die Moral des Zahlens ist im Kanton St.Gallen nicht so schlecht.

Session des Kantonsrates vom 15. bis 17. Februar 2021
17.2.2021Wortmeldung

Schulthess-Grabs: Auf die Motion ist einzutreten.

Ich spreche jetzt ganz spontan, weil ich mich schon längere Zeit mit diesem Thema beschäftige. Erstens als Eingliederungsberaterin der SVA über zehn Jahre, und jetzt als Case Managerin für den Kanton. Ich kann Ihnen von Fällen erzählen, bei denen Sie zustimmen werden, dass die schwarze Liste abgeschafft werden muss. Es ist nicht, wie Böhi-Wil sagt, dass die Leute nicht zahlen wollen, sondern sie können einfach nicht. Sie sind in einer derartig schwierigen Lage, dass sie unter diesen psychosozialen Problemen so leiden, dass sie noch mehr Leid schaffen, wenn sie nicht versorgt werden- Warzinek-Mels erwähnte es, es sind vor allem die psychischen Fälle, die vor allem noch zu mehr Leid führen. Ich habe gleich einen aktuellen Fall, den ich Ihnen nur kurz andeuten will, damit Sie merken, um was es eigentlich bei dieser schwarzen Liste geht. Eine Gemeinde kann über einen Sozialantrag der betroffenen Leute, die die Prämien auch bezahlen und sofort werden die Leute von der schwarzen Liste gestrichen (Satzinhalt?). In diesem Fall ist es eine Familie, die unter dieser Situation so leidet, dass sie die Kinder nicht mehr in die Schule geschickt hat, aus Angst, die Kinder könnten sich anstecken. Der Vater dieser Familie ist renitent, er kam auf die Behörde und hat gesagt, er schicke die Kinder nicht in die Schule. Ich habe mit den Leuten gesprochen und gesagt, dass wir irgendwie eine Lösung finden werden, und dass ich gehört habe, dass er auf der schwarzen Liste stehe. Wir haben zusammen den Antrag beim Sozialamt eingereicht. Diese werden die Verlustscheine sofort ausstellen und die Sache ist vom Tisch, die Leute sind versorgt und dadurch hat sich die Situation beruhigen.

Die Begleitung solcher Leute durch ein Case Management ist sehr wichtig und sehr nachhaltig, weil sie sich so begleitet fühlen und die Koordinationsstelle, die wir so auch einnehmen, kann ganz viel Leid und auch Kosten sparen. Aus diesem Grund spricht alles dafür, dass man die schwarze Liste jetzt streicht. Sie schafft mehr Leid, als dass sie etwas bewirkt.

Session des Kantonsrates vom 15. bis 17. Februar 2021
17.2.2021Wortmeldung

Shitsetsang-Wil (im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

Seit der Einführung hat sich dieser Rat schon mehrmals mit dem Thema auseinandergesetzt und jeweils darauf verzichtet, schwarze Listen abzuschaffen. Es ist durchaus nachvollziehbar, wollte man doch die Wirkung der Liste und auch die Entwicklungen bei den nicht bezahlten Prämien abwarten. Heute müssen wir feststellen, dass der gewünschte Abschreckungseffekt ausgeblieben ist, die Liste ist länger statt kürzer geworden. Mittlerweile sind rund 10'000 Personen auf der Liste aufgeführt, die nur im Notfall ärztlich versorgt werden. Dabei handelt es sich in erster Linie um wirtschaftlich und sozial schwächere Bevölkerungsgruppen, deren medizinische Versorgung dadurch gefährdet wird.

Seit diesem Jahr haben die Gemeinden neu vollständig für die uneinbringlichen Krankenkassenprämien aufzukommen. Es liegt also im eigenen Interesse der Gemeinden, sich mit dieser Personengruppe auseinanderzusetzen und die Gründe für das Nichtbezahlen der Krankenkassenprämien zu prüfen und allenfalls auch entsprechende Unterstützungsmassnahmen einzuleiten. Die FDP-Fraktion kommt deshalb zu folgendem Schluss: Die schwarze Liste löst keine Probleme, sie schafft neue. Es ist an der Zeit, diese zu schreddern.

Session des Kantonsrates vom 15. bis 17. Februar 2021
17.2.2021Wortmeldung

Böhi-Wil (im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung ist eine Versicherung, die auf dem Solidaritätsgrundsatz basiert. Diese Solidarität wird aber strapaziert von säumigen Prämienzahlern, die massive Krankenkassenausstände verursachen. Im Jahr 2019 mussten die Kantone den Krankenkassen insgesamt 391 Mio. Franken für Verlustscheine als Folge solcher Ausstände bezahlen. Für den Kanton St.Gallen waren dies rund 18 Mio. Franken. Dass die Krankenkassen ihren eigenen Anteil an den nichtbezahlten Prämien nicht einfach abschreiben, sondern bei der jährlichen Prämienberechnung berücksichtigen, dürfte wohl klar sein. Die Verlustscheinforderung der Krankenkassen werden mit Steuergeldern, in einigen Kantonen auch mit IPV-Geldern finanziert, was wiederum die IPV-Ansätze schmälert. Dieser Umstand ist stossend, denn die unsolidarischen Personen, welche die KVG-Prämien nicht zahlen wollen, ich betone, nicht zahlen wollen, profitieren zu Lasten von Personen in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen, die auf Prämienverbilligungen angewiesen sind. Ebenso profitieren sie von denjenigen, die ihre Krankenkassenprämien regelmässig bezahlen. Das ist der Hintergrund der zur Einführung der sogenannten schwarzen Liste geführt hat, deren korrekte Bezeichnung «Liste säumiger Prämienzahler» lautet. Im Jahr 2011 hat die SVP-Fraktion zusammen mit der FDP-Fraktion mit einer Motion die Einführung einer solchen Liste beantragt und der Kantonsrat hat der Motion mit einer Zweidrittelsmehrheit zugestimmt. Ausdrücklich nicht auf die Liste gesetzt werden Sozialhilfebezüger, Bezüger von Ergänzungsleistungen sowie Kinder. Die meisten der anderen Personen sind jene, die ihr Geld lieber für etwas anderes ausgeben als für Krankenkassenprämien oder auch solche, die einfach vergessen oder verdrängen diese zu bezahlen. Die Gutheissung der Motion geschah damals gegen den Willen der Regierung bzw. des Gesundheitsdepartementes, das jahrelang alles getan hat, um die Wirksamkeit der Liste zu behindern. Zuerst mit eine Verzögerung der Einführung um vier Jahre, und als dann im Jahr 2015 die Liste schlussendlich existierte, mit einer Umsetzung, die völlig ungenügend ist. Nun beantragt die Regierung Gutheissung der vorliegenden Motion und damit die Abschaffung der Liste, und zwar mit erstaunlich undifferenzierten Argumenten. Hauptsächlich mit Beispielen über Einzelfälle, deren Tragik zwar unbestreitbar ist, die aber von der Gesamtproblematik ablenken. Ein Leistungsaufschub für säumige Prämienzahler bedeutet nicht, dass diese Personen von der medizinischen Versorgung ausgeschlossen sind, wie man das aus der Stellungnahme der Regierung schliessen könnte, sondern dass die medizinischen Behandlungen auf das notwendige begrenzt werden, solange die betreffende Person die Krankenkassenprämien nicht bezahlt. Dass das Führen einer solchen Liste durchaus Sinn machen kann, zeigt der Kanton Thurgau eindrücklich. Im Kanton Thurgau wird die Liste zum Anlass genommen, um die säumigen Prämienzahler zu kontaktieren und ihre Situation genauer zu analysieren. Dabei zeigt sich, dass rund ein Drittel dieser Personen mehrschichtige Probleme haben, der Rest sind Personen, die zwar die Prämien bezahlen könnten, dies aber nicht tun. Bei dem erwähnten Drittel ist das Nichtbezahlen der Krankenkassenprämien meistens nur eines der Probleme und steht oft am Anfang einer negativen Entwicklung. Mittels einer Begleitung und Beratung durch die Sozialämter der Thurgauer Gemeinden werden individuelle Lösungen gesucht, die nicht nur bei den ausstehenden Krankenkassenprämien helfen, sondern auch bei anderen Problemen. Im Sozialbereich nennt man dies Case-Management. Die schwarze Liste im Kanton Thurgau dient gewissermassen als ein soziales Frühwarnsystem. Somit ist es nicht erstaunlich, dass im Kanton Thurgau der Anteil der Rückerstattung, die ihm von den Krankenkassen für schlussendlich doch bezahlte Krankenkassenprämien vergütet wird, 20 Prozent beträgt, während es bei uns nur rund 5 Prozent sind. Das Thurgauer Modell der «Liste der säumigen Prämienzahler» hat vor kurzem die ständerätliche Kommission für Gesundheit davon überzeugt, den Kantonen das Führen solcher Listen weiterhin zu erlauben. Dies, nachdem es vor einem Jahr noch so aussah, dass der Bund die Abschaffung beschliessen werde.

Die entsprechende Thurgauer Standesinitiative wird im eidgenössischen Parlament im Sommer behandelt und die Chancen stehen gut, dass sie genehmigt wird. Nur schon aus diesem Grund macht es keinen Sinn, dass der Kanton St.Gallen jetzt vorprescht und die Liste einfach abschafft. Das Führen der Liste von säumigen Prämienzahlern ohne Begleitung der betreffenden Personen, das heisst, so wie es im Kanton St.Gallen gehandhabt wird, macht in der Tat keinen Sinn. Aus diesem Grund habe ich den Motionären vorgeschlagen, die Motion in ein Postulat umzuwandeln. Ich habe ihnen einen ausformulierten Entwurf unterbreitet. Dieser Entwurf sah vor, die Regierung zu beauftragen, ein Modell, ähnlich wie jenes im Kanton Thurgau, zu prüfen und dem Kantonsrat entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Leider konnten sich die Motionäre nicht mit meinem Vorschlag einverstanden erklären.

Die SVP-Fraktion kann der ersatzlosen Abschaffung der Liste nicht zustimmen, denn die Problematik der säumigen Prämienzahler verschwindet keineswegs mit der Abschaffung der Liste. Verschwinden würde aber die Möglichkeit, diese Personen zu erkennen und die Spreu vom Weizen zu trennen, das heisst, diejenigen zu finden, die eine Unterstützung benötigen und diejenigen mit einem Leistungsaufschub zu sanktionieren, die das Geld für die Krankenkasse lieber für etwas anderes ausgeben möchten.

Falls Sie wider aller politischen Vernunft die schwarze Liste jetzt abschaffen, dann senden Sie das fatale Signal aus, dass man bei uns im Kanton St.Gallen Gesundheitsleistungen auch gratis beziehen kann. Das wäre ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die ihre Krankenkassenprämien regelmässig bezahlen, obwohl die Prämien jedes Jahr eine grössere Belastung der privaten Haushaltungsbudgets ausmachen.

Session des Kantonsrates vom 15. bis 17. Februar 2021
17.2.2021Wortmeldung

Lüthi-St.Gallen (im Namen der Grünliberalen): Auf die Motion ist einzutreten.

Versicherte, die ihre Prämienpflicht trotz Betreibung nicht nachkommen erden seit dem Jahr 2015 auf die Liste der säumigen Prämienzahler gesetzt. Davon nicht betroffen sind Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, Beziehenden von Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen. Der Eintrag wird erst gelöscht, wenn die Schulden von der betroffenen Person oder grösstenteils durch den Karton beglichen sind oder die betroffenen Personen Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen beziehen. Grundsätzlich ist die Listenführung als Abschreckung für zahlungsunwillige Prämienzahlenden gedacht. Fälle, in denen auf stossende Weise versucht wird, die Prämienzahlung zu entziehen, dürften jedoch selten sein. Von Listeneinträgen betroffen sind erfahrungsgemäss mehrheitlich sozial und wirtschaftlich schwächere Personen oder Personen in einer schwierigen, instabilen Lebenssituation, wie z.B. bei Scheidungen, bei Arbeitsplatzverlust oder psychischen Problemen. Die Grünliberalen begrüssen die Abschaffung der Liste für säumige Prämienzahlende, weil die erhoffte präventive Wirkung bzw. die Verbesserung der Zahlungsmoral ausbleibt, weil vom Listeneintrag mehrheitlich sozial und wirtschaftlich schwächere Personen oder Personen in einer schwierigen, instabilen Lebenssituation betroffen sind, weil Betroffene Versicherte zum Teil keine adäquate Gesundheitsversorgung erhalten, und weil die Leistungssistierung das Krankenversicherungsobligatorium in Frage stellt.

Neben den aufgeführten politischen Begründungen ist der mit der Listenführung verbundene Aufwand der Gemeinden, des Kantons, der SVA und der Versicherer schlichtweg zu hoch, wenn man berücksichtigt, dass das angestrebte Ziel nicht erreicht und viele Menschen, aktuell rund 10'000, in eine unnötige Not getrieben werden. Fakt ist: Es ist nicht so, dass viele auf der schwarzen Liste eingetragene Personen die Prämien nicht bezahlen wollen. Vielmehr dürfte eine grosse Zahl der Betroffenen schlicht die Prämien nicht bezahlen können. Offen bleibt die Frage, wie eine bessere Zahlungsmoral erreicht werden kann? Möglicherweise wäre hier eine Schuldenberatungsstelle in Zusammenarbeit mit den Gemeinden ein sinnvoller Weg.

Session des Kantonsrates vom 15. bis 17. Februar 2021
17.2.2021Wortmeldung

Warzinek-Mels (im Namen der Motionäre): Auf die Motion ist einzutreten.

Sie wissen, ich bin Spezialarzt in eigener Praxis. Ich habe jedoch keinerlei Eigeninteressen in Bezug auf die schwarze Liste. Ich habe sie konkret in der Praxis nie gebraucht. Es ist mein Anliegen, an dieser Stelle nochmals wichtige Aspekte rund um die schwarze Liste in Erinnerung zu rufen. Im Kanton St.Gallen wurde die Liste durch eine Motion aus dem Jahr 2011 im Jahr 2015 eingeführt. Ziel der Liste war es, eine Verbesserung der Zahlungsmoral der Prämienzahlenden zu bewirken und die Verlustscheinforderungen für Prämienausstände zu senken. Wie sich aus den Gesetzmaterialien insbesondere aus den Voten in der parlamentarischen Debatte ergibt, war die Einführung der schwarzen Liste ursprünglich nur dazu gedacht, zahlungsunwillige Versicherte zu erfassen. Nicht anvisiert wurden zahlungsunfähige Personen. Auf Grund der damaligen Gegebenheiten waren es auch die Leistungserbringer, die dankbar für die Liste waren, denn es kam immer wieder zu Situationen, in denen sie erst nach Abschluss einer teils aufwendigen Behandlung sahen, dass z.B. die behandelnde Ärzteschaft und natürlich auch andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen auf offenen Rechnungen sitzen blieben. Gerade in grösseren Grundversorgerpraxen oder auf Spitalnotfallstationen konnte sich dies zu einem Problem entwickeln. Vor gut zwei Jahren hat sich dieser Rat mit einer Motion der SP-GRÜ-Fraktion zur Abschaffung der schwarzen Liste beschäftigt. Diese Motion scheiterte. Auch ich habe vor zwei Jahren gegen die Motion votiert. Was ist nun geschehen, dass fünf Motionäre aus verschiedenen Fraktionen, auch aus den bürgerlichen, erneut eine Motion zur Abschaffung der schwarzen Liste einreichen?

Eine wesentliche Entwicklung war die markante Zunahme der Anzahl gelisteter Personen. Im Kanton St.Gallen sind nun schon über 10'000 Menschen erfasst. Das haben viele von uns so nicht gewollt. Wir wollten eine Verbesserung der Zahlungsmoral erreicht, nicht aber, dass eine steigende Zahl an Menschen mit medizinischen und gesundheitlichen Problemen an Leib und Leben gefährdet ist. Die Caritas berichtet seit Dezember 2019 von zunehmenden teils gravierenden Missständen mit schwierigen Situationen für Menschen mit Gesundheitsproblemen. Die Caritas hat über die Schuldenberatung Kontakt zu vielen Menschen in Not und erhält zudem Informationen bspw. über die Krebs- und Lungenliga, aber auch aus dem psychiatrischen Behandlungsumfeld. Insofern unterstreichen wir den Satz aus der Antwort der Regierung, die schreibt, dass mit der Listenführung bestehe das Risiko, dass die medizinische Versorgung von wirtschaftlich und sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen gefährdet wird. Das wollen wir nicht und das haben wir auch vor zwei Jahren nicht so gewollt, als die Zahl der auf der schwarzen Liste erfassten Personen weitaus tiefer lag.

Bitte bedenken wir auch, das ist kein neuer Aspekt, aber er muss doch auch erwähnt werden, dass Personen, die ihre Krankenkassenprämien nicht zahlen, von den Versicherungen betrieben werden. Dieser Betreibungsprozess stellt sicher, dass Personen, die zahlen können, es aber aus anderen Gründen dennoch nicht machen, offene Rechnungen begleichen müssen. Insofern bleiben durch den Betreibungsprozess ein Kontrollinstrument bzw. eine erzieherische Massnahme auch nach Abschaffung der schwarzen Liste. Dazu passt auch die Erkenntnis, im Vergleich mit anderen Kantonen ist bei den Kantonen mit schwarzer Liste kein wirklich klaren Vorteil in Bezug auf die Zahlungsmoral erkennbar.

Ein wichtiger weiterer Aspekt, der bei der Diskussion vor zwei Jahren noch nicht ins Feld geführt wurde, ist folgender: Die schwarze Liste ist unterdessen zu einer Belastung für die Leistungserbringer geworden, gerade auch für lebhafte Grundversorgerpraxen oder für die Notfallstationen der Spitäler, denn seit dem Jahr 2012 stehen die Krankenkassen in den Kantonen ohne schwarze Liste in einer Leistungspflicht, auch bei nicht bezahlten Krankenkassenprämien. Grundversorgerpraxen und Spitäler versorgen in möglichen Notfallsituationen zahlreiche Patientinnen und Patienten mit nicht geklärtem Versicherungsstatus. Sie müssen das aus ethischen Gründen tun, aber auch bei unklaren Rechtsituation. Niemand möchte einen möglichen medizinischen Notfall verpassen und dann die moralische Verantwortung und rechtliche Schuld an diesem Vorgang tragen. So kommt es auch, dass eigentlich jede Person, die sich im Notfalldienst oder auf einer Notfallstation meldet, auch behandelt wird, ungeachtet des Versicherungsstatus. Das Risiko nicht bezahlter Rechnungen tragen in dieser Situation die Leistungserbringer wegen und nicht trotz der schwarzen Liste. Für die Leistungserbringer wäre es unterdessen ein Vorteil, gäbe es die schwarze Liste nicht mehr, denn ihre erbrachten Leistungen würden nun, im Gegensatz zu früheren Zeiten, von der Versicherung übernommen. Denken Sie bitte in diesem Kontext auch an die schwierige finanzielle Situation unserer öffentlichen Spitäler, die wir in den letzten Jahren intensiv diskutiert haben. Ich weiss nicht, aber ich vermute stark, dass keine medizinische Institution von der schwarzen Liste mehr getroffen wird, wie die Notfallstation am Kantonsspital, gefolgt von den Notfallstationen an den weiteren kantonalen Spitälern.

Nun könnte man vermuten, dass sich die Krankenkassen gegen eine Abschaffung der schwarzen Liste wehren würden. Das trifft so jedoch nicht zu. Santésuisse mit Präsident alt Nationalrat Heinz Brand, äussert sich klar ablehnend gegen die schwarzen Listen wegen eines schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Auch dieser grosse Krankenkassenverband hält die schwarze Liste nicht für ein geeignetes Instrument. Ich zitiere Heinz Brand: «Es ist inzwischen eine weitverbreitete Erkenntnis, dass die schwarzen Listen wenig bis nichts bringen. Wir sprechen hier von einer sozialpolitischen Zeitbombe. Die nackten Zahlen können gar nicht ausdrücken, wie viel Leid und Probleme die Zahlungsnot in manchen Familien sowie bei Rentnerinnen und Rentnern verursacht.»

Weiter möchten die Motionäre darauf aufmerksam machen, dass wir auch mit Blick auf die Covid-Pandemie viel haben lernen können. Die schwarze Liste hat sich als ein Schönwetterinstrument gezeigt und muss im Rahmen der Pandemie vorübergehend ausser Kraft gesetzt werden. In der Pandemie hat sich gezeigt, dass die schwarze Liste nicht nur ein Problem für die betroffenen Menschen, sondern auch für unsere ganze Gesellschaft sein kann, in dem Personen, die medizinischer Hilfe bedürfen, diese nicht suchen, weil sie wissen, dass sie über keinen Versicherungsschutz verfügen. So kann bei Infektionskrankheiten ein eingeschränkter Zugang zur medizinischen Versorgung bzw. deren Finanzierung zu einer Weiterverbreitung von Erkrankungen führen, was natürlich nicht zu akzeptieren ist.

Auch weitere sehr wichtige Organisationen, Verbände oder Berufsgruppen haben klar gegen eine Beibehaltung der schwarzen Liste Stellung bezogen. Die Regierung erwähnt in der Gutheissung dieser Motion bspw. zu recht die bedeutende Stellungnahme der schweizerischen Akademie, der medizinischen Wissenschaft vom April 2020, die gestützt auf die Arbeit und Aussage ihrer zentralen Ethikkommission mit Nachdruck für ein Verzicht der schwarzen Liste plädiert. Erwähnen möchte ich, dass sich vor allem auch Kolleginnen und Kollegen aus der Psychiatrie sehr dafür einsetzen, die schwarze Liste abzuschaffen. Sie erleben teils, lasse Sie mich das so bezeichnen, «lebensunfähige» Menschen, die dringend Begleitung und Unterstützung benötigen, um nicht völlig abzustützen. Genau ihnen wird aber durch die schwarze Liste der Zugang zur psychiatrischen Betreuung verwehrt, was die Situation noch weiter verschlimmert und letztlich auch die gesamte Gesellschaft belastet. Weiter nehmen wir Motionäre zur Kenntnis, dass in Bundesbern das Thema der schwarzen Listen intensiv behandelt wird. So hat sich jüngst die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates damit auseinandergesetzt. Diese Kommission möchte aus föderalistischen Überlegungen den Kantonen weiter die Möglichkeit bieten, schwarze Listen zu führen, sie will jedoch den schwarzen Listen weitere gesetzliche Vorgaben machen.

Nachdem die Kantone Solothurn und Graubünden und zu allerletzt, vor ganz wenigen Monaten, auch noch Schaffhausen auf das Weiterführen ihrer schwarzen Liste verzichtet haben, verbleiben in der Schweiz derzeit noch sechs Kantone mit einer solchen Liste. In der Novembersession wären es noch sieben gewesen. Wir können mit dieser Motion darauf verzichten, zu den letzten Kantonen mit schwarzer Liste zu gehören und dann auch darlegen und argumentieren zu müssen, warum die schwarze Liste weiterhin ein sinnvolles Instrument sein soll. In diese Situation müssen wir uns nicht bringen.

Zuletzt sei noch der Aufwand für das Führen der schwarzen Liste in Erinnerung gerufen. Natürlich erwarten wir, dass sich Nacht dem Ende der schwarzen Liste hier auch Einsparungen für den Kanton ergeben.

Ein abschliessender aber nicht weniger wichtiger Gedanke zuletzt: Den Gemeinden kommt neu im gesamten Prozess eine noch wichtigere Rolle zu, da sie im Kanton St.Gallen ab 1. Januar 2021 die Verlustscheine für Prämienausstände neu zu 100 Prozent finanzieren. Die Gemeinden erhalten die Betreibungsmeldungen für säumige Prämienzahlende. Sie können und werden mit dieser Information effektiv umgehen. Es würde in Ihrem Interesse liegend, Menschen mit finanziellen Problemen frühzeitig zu identifizieren und sie entsprechend zu begleiten, bspw. mit einem Case-Management. Von einer Verpflichtung der Gemeinden durch den Kanton für ein Case-Management sollte indes Abstand genommen werden, getreu dem Motto: Wer zahlt befiehlt. Wir Motionäre stehen jedoch offen für eine Diskussion im Anschluss an die Abschaffung der schwarzen Liste mit der Frage, ob die Zahlungsmoral von zahlungsfähigen, aber zahlungsunwilligen Personen trotz der sicher hohen Kompetenz der Gemeinden und der Betreibungsverfahren weiter verbessert werden könnte.

Session des Kantonsrates vom 15. bis 17. Februar 2021
17.2.2021Wortmeldung

Martin-Gossau, Ratsvizepräsidentin: Die Regierung beantragt Gutheissung der Motion.

Session des Kantonsrates vom 15. bis 17. Februar 2021