Geschäft: Massnahmen zur Prävention von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer40.19.04
TitelMassnahmen zur Prävention von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus
ArtKR Bericht
ThemaLandesverteidigung, Sicherheit und Ordnung
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung18.12.2019
Abschlusspendent
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
BerichtBericht der Regierung vom 3. Dezember 2019
AllgemeinKommissionsbestellung vom 17. Februar 2020
AntragAntrag der vorberatenden Kommission vom 18. Juni 2020
AntragAntrag CVP-EVP-Fraktion zu Ziff. 4 vom 30. November 2020
AntragAnträge Böhi-Wil zu Ziff. 2 und 3 der Aufträge vom 30. November 2020
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
25.2.2020Gremium3.4.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
30.11.2020Antrag der vorberatenden Kommission (Auftrag)97Zustimmung0Ablehnung23
30.11.2020Antrag Böhi-Wil zu Ziff. 3 der Aufträge31Zustimmung72Ablehnung17
30.11.2020Antrag CVP-EVP-Fraktion zu Ziff. 4 der Aufträge51Zustimmung50Ablehnung19
Statements
DatumTypWortlautSession
30.11.2020Wortmeldung

Regierungsrat: Leider liegt mir dieser Auftrag nicht vor. Es geht ja wahrscheinlich darum, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, um die Informationsflüsse, dort wo sie zur Abwehr drohender Gefahren notwendig sind, tatsächlich zu schaffen. Das werden wir tun mit dem XIV. Nachtrag zum Polizeigesetz. Sie können diesem Antrag zustimmen oder Sie können ihn auch zurückziehen, weil wir das ohnehin machen werden. Der Antrag ist etwas anders formuliert, aber im XIV. Nachtrag zum Polizeigesetz werden wir diese Informationsrechte im Einzelnen darlegen und auch die nötigen gesetzlichen Grundlagen schaffen.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Regierungsrat: Der Antrag ist abzulehnen.

Böhi-Wil hat uns diesen Antrag ebenfalls vorgängig zur Stellungnahme unterbreitet. In der ersten Fassung war er noch etwas fordernder und verpflichtender. Wir mussten ihn dann darauf hinweisen, dass wir da Probleme sehen mit der Religions- und Versammlungsfreiheit und dem Gleichbehandlungsgebot. Die öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften sollen anders behandelt werden als andere. Böhi-Wil hat das jetzt in eine freiwillige Plattform umgebaut. Ich gehe mit Dürr-Gams davon aus, dass wenn das alles freiwillig ist, das jemand der Übles vor hat das wahrscheinlich nicht melden wird. Daher würde eine solche Plattform herzlich wenig nützen. Wenn jede Gebetseinrichtung gemeldet werden muss, dann muss jede und jeder der z.B. einen Hausaltar pflegt, auch das ist eine Gebetseinrichtung, dann wird das unübersichtlich. Bei Buddhisten und Hinduisten ist das sehr üblich, dass man das zu Hause hat. Der Erkenntnisgewinn einer solchen freiwilligen Plattform wäre ausserordentlich bescheiden. Wenn wir vom Staat her sicherstellen müssten, dass alle gemeldet werden, dann haben wir ein fast unlösbares Problem, weil es auch ganz kleine Religionsgemeinschaften gibt, die sich in privaten Räumen treffen. Die Moscheen sind häufig in irgendwelchen Industriebauten. Es nützt auch nichts, wenn man durch die Lande fährt. Mit Minaretten bezeichnen darf man diese Institutionen in der Schweiz ja nicht, sie sind von Aussen nicht erkennbar. Eine Liste in dieser Form bringt nur Aufwand und für mich keinen erkennbaren Ertrag.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Der Antrag ist abzulehnen.

Ich möchte noch einmal kurz unterstreichen, dieses Geschäft war ja bereits an der Septembersessionen traktandiert. Es ging damals keine Antrag ein und dazwischen wurde kein Antrag zugestellt. Wir haben dieses Geschäft schon sehr lange auf dem Tisch, und jetzt mit heutigem Tag einen Antrag einzubringen erachte ich wirklich als unseriös, wenn wir hier nun darüber befinden.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

(im Namen der Grünliberalen): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Wir begrüssen die Auseinandersetzung mit dem Thema der Radikalisierung und Extremismus sowie die Massnahmen zur Prävention und Verhinderung möglicher unerwünschter Entwicklungen oder gar gewalttätigen Ereignissen.

Soweit wir aus dem Bericht herauslesen können, wurde die FAREX aufgrund der durch die Regierung erachteten Dringlichkeit einer niederschwelligen Anlaufstelle vor Abschluss dieses Berichts im Rahmen eines Pilotprojekts geschaffen. Das erstaunt uns, da offensichtlich bisher keine Bestandesaufnahme zur Lage im Kanton verfügbar ist. Wir unterstützen deshalb den Antrag der vorberatenden Kommission zur Berichterstattung und Bestandesaufnahme der Lage im Kanton.

Der Bericht orientiert sich weitgehend am nationalen Aktionsplan NAP und stellte die heute im Kanton bereits bestehenden Instrumente in dessen Kontext. Die Grünliberalen hätten sich über diese doch recht oberflächliche Standortbestimmung hinaus gewünscht, das zumindest die wichtigsten Massnahmen des NAP konkrete Ziele definiert worden wären. Dies würde im Rahmen der künftigen Berichterstattung eine Bewertung der Zielerreichung erlauben, sodass daraus allfällige Korrekturen abgeleitet werden können. Wir erwarten deshalb mit der nächsten Berichterstattung der Regierung, dass dannzumal auch konkrete Ziele definiert wird. In diesem Sinne erwarten wir den nächsten Bericht bereits mit Spannung.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

beantragt eine neue Ziff. 2 der Aufträge mit folgendem Wortlaut: «die nächste Revision des Polizeigesetzes unverzüglich an die Hand zu nehmen und dabei zu prüfen bzw. die erforderlichen Rechtsgrundlagen zu schaffen, damit öffentliche Organe, die Kenntnis von möglichen sicherheitsrelevanten Gefährdungssituationen haben, dies trotz Amts- und Berufsgeheimnis der Polizei melden können;»

Lassen Sie mich den Zusammenhang meines Antrags, der zwei Aufträge enthält, erklären: Als ich den Bericht zum ersten Mal gelesen habe, war ich ein bisschen enttäuscht, weil ich hätte eigentlich mehr und griffigere Massnahmen erwartet. Schlussendlich habe ich mich anlässlich der vorberatenden Kommission mit der Schaffung der Stelle FAREX zufrieden gegeben, auch wenn ich ein ungutes Gefühl hatte. Leider wurde mir mein ungutes Gefühl in Bezug auf die bei Anschläge bestätigt, die vorher erwähnt wurden. Der erste in Morges im September und letzte Woche in Lugano. Abgesehen davon, dass wir auch erfahren mussten, dass die Attentäter von Wien Verbindungen zu Leuten in Winterthur hatten. Darum habe ich mich relativ kurzfristig entschieden, einen Antrag einzureichen, der aus zwei Aufträgen besteht, weil in Bezug auf Berichte kann man nur Aufträge erteilen.

Der erste Auftrag betrifft den Informationsaustausch zwischen den Amtsstellen in Bezug auf Gefährder. Ich beantrage, dass die Regierung eingeladen wird, bei der nächsten Revision des Polizeigesetzes die erforderlichen Rechtsgrundlagen zu schaffen, damit öffentliche Organe die Kenntnis von möglichen sicherheitsrelevanten Gefährdungssituation haben, dies trotz Amts- und Berufsgeheimnis der Polizei melden können. Was heisst das konkret? Konkret heisst das z.B., dass wenn in einem Sozialdienst eine Person auffällt, die Gefährder sein könnte, dass der Sozialdienst diese Person informell und ohne grosse bürokratische Abläufe der Polizei melden kann. Natürlich betrifft diese Meldung das Amts- und Berufsgeheimnis, darum habe ich in meinem Auftrag präzisiert, dass dies trotz Amts- und Berufsgeheimnis ermöglicht werden sollte. Ich weise auch darauf hin, dass es sich um ein Recht auf Meldung in Bezug auf diesen Informationsaustausch bezieht und nicht um eine Pflicht. Gemäss Auskunft des Sicherheits- und Justizdepartementes wäre eine Pflicht sehr schwierig umzusetzen. Zum nächsten Auftrag komme ich später. Lassen Sie uns die Aufträge einzeln diskutieren.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

(im Namen der CVP-EVP-Fraktion): Der Antrag ist abzulehnen.

Die St.Galler Kantonsverfassung bezeichnet vier öffentlich-rechtliche anerkannte Religionsgemeinschaften, nämlich die evangelisch-reformierte Kirche, die römisch-katholische und die christkatholische Kirche sowie die jüdische Gemeinde. Daneben gibt es noch weitere christliche Gemeinschaften wie Methodisten, Pfingstgemeinde, neuapostolische Kirche usw. Im Kanton haben wir neben Muslimen auch praktizierende Buddhisten, Hinduisten und Sikhs. Wir finden es unverhältnismässig, wenn alle diese sogenannten Gebetseinrichtungen im Zusammenhang mit einem Bericht zur Prävention von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus erfasst werden sollen. Laut Antrag soll die Mitteilung auf freiwilliger Basis erfolgen. Wir befürchten, dass sich Personenkreise, die effektiv gewalttätige extremistische Aktivitäten planen, sich nicht freiwillig registrieren lassen.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

(im Namen der CVP-EVP-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Im ersten Teil werden ausführliche theoretische Grundlagen zum Thema Radikalisierungs- und Extremismusprävention geliefert. Im zweiten Teil wird anhand des nationalen Aktionsplans die Umsetzung der Massnahmen im Kanton St.Gallen aufgezeigt. Besonders hervorzuheben ist die Schaffung der FAREX als Fach- und Anlaufstelle für die St.Galler Bevölkerung sowie für Fachleute aus Schule, Berufsbildung, Jugend und Sozialarbeit im September 2019. Die Regierung kommt zum Schluss, dass zu keiner Massnahme des Bundes neue, eigene Projekte im Kanton St.Gallen nötig sind. Die Fachstelle FAREX ist als der Kriseninterventionsgruppe des schulpsychologischen Dienst hervorgegangen. Sie ist 24 Stunden an 365 Tagen unter einer 0800er-Nummer zu erreichen. Seit der Inbetriebnahme Ende letzten Jahres bis zur Sitzung der vorberatenden Kommission am 18. Juni 2020 hat die Fachstelle neun Fälle bearbeitet auf die an der Kommissionssitzung nicht weiter eingegangen wurde. Es handelt sich dabei um Verdachtsmeldungen von Angehörigen, Lehrern, Freunden usw., die geprüft bei einem Verdacht auf einen Tatbestand an die Polizei weitergeleitet werden. Es wurde glaubhaft dargelegt, dass die Zusammenarbeit mit den Polizei und den weiteren Partnern reibungslos, schnell und unbürokratisch funktioniert. Die Fachstelle ist sowohl Anlauf- als auf Fachstellen und arbeitet neben der Polizei auch mit der Staats- und Jugendanwaltschaft, den Schulen, der Schulsozialarbeit, dem Kindesschutzzentrum und den weiteren Fachleuten zusammen. Die Fachstelle wirkt unabhängig von der Polizeiarbeit, arbeitet aber zur Verhinderung von Straftaten mit der Polizei zusammen. Der Erfolg dieser Fachstelle hängt massgeblich von ihrer Bekanntheit ab, dazu sind Anstrengungen in den Bereichen Kommunikation und Vernetzung notwendig. Die Frage, ob es im Kanton Ansätze von Extremismus gibt, konnte nicht abschliessend beantwortet werden. Die CVP-EVP-Fraktion unterstützt deshalb den Antrag der vorberatenden Kommission und fordert nach Ablauf der Versuchsphase eine Berichterstattung über die von der Fachstelle gemachten Erfahrungen. Gewünscht wird auch eine Einschätzung der Bedrohungslage im Bereich Radikalisierung und Extremismus in unserem Kanton.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

(im Namen der FDP-Fraktion ): Der Anträge sind abzulehnen.

Inhaltlich konnten wir beide Anträge noch nicht abschliessend diskutieren. Es ist aber zu sagen, dass es sich um einen massgeblichen Staatseingriff in das Berufsgeheimnis und die Grundrechte handeln würde. Es ist unseriös, dass solche Vorschläge direkt im Rat eingebracht werden, ohne dass die Regierung bzw. die Kommission das diskutieren und dazu Stellung nehmen kann. Gerade bei solche schwerwiegenden Entscheidungen wäre das zwingend Voraussetzung. Auch wenn es den einen oder anderen aufgrund der Vorkommnisse unter den Nägeln brennt und in solchen Situationen Populismus der einfachste Weg wäre – machen Sie keinen Schnellschuss. Der richtige Weg dafür wäre eine Motion. Zum zweiten Antrag werde ich nicht nochmals sprechen.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

(im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Vorweg ein paar grundsätzliche Anmerkungen: Rassismus darf keinen Platz in einer toleranten und liberalen Gesellschaft haben. Extremismus, ob links oder rechts oder wegen sonstigen Einstellung, gefährdet die Sicherheit des Staates und seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Wir wollen in einem Kanton in einem Land leben, wo sich alle ohne wenn und aber innerhalb des geltenden Rechtsstaates zu bewegen haben. Die FDP-Fraktion steht für die freie Meinungsäusserung ein. Aber auch da gibt es Grenzen, seien sie rechtlich oder aus purem Anstand. Die FDP-Fraktion will eine liberale, tolerante Gesellschaft, wir schätzen die freie Meinungsäusserung, aber sie toleriert keine Gefährdung der Sicherheit, die ein zu grosses Gut für uns alle ist.

Aufgrund der einleitenden Worte ist für die FDP-Fraktion klar, dass die Prävention von Radikalisierung in der Bildung, Religion, im Sozialwesen und in den Integrationsbemühungen wichtig ist. Sie trägt ihren Teil zur Erhaltung des sicheren Staates bei. Der vorliegende Bericht zeigt auf, was der Bund und der Kanton St.Gallen für Pläne haben, um einer Radikalisierung präventiv zu verhindern, und dass bei einer Vermutung einer Radikalisierung auf eine professionelle Fachstelle, die neu geschaffene FAREX, als Ansprechpartner und Triaseinstanz helfen kann. Selbstverständlich geht die FDP-Fraktion davon aus, dass man mit nationalen Koordinationsstellen (NRP) möglichst effektiv zusammenarbeitet und Massnahmen auch umsetzt. Im vorliegenden Bericht wird aus unserer Sicht zu wenig auf die effektiven Gründe, auf die Wurzel des Problems einer möglichen Radikalisierung eingegangen. Dies gilt auch für die erwähnten Massnahmen. Diese werden erst ergriffen, wenn eine Radikalisierung erkannt oder gemeldet wurde. Ist es dann nicht zu spät? Ist das wahre Prävention?

Das Bedrohungs- und Risikomanagement der Kantonspolizei St.Gallen erscheint uns hingegen wirkungsvoll und sollte weiterhin verstärkt werden. Die neugeschaffenen Fachstelle FAREX ist an die Kriseninterventionsgruppe angeglieder, was wir begrüssen, da so Ressourcen und Synergien gebündelt und genutzt werden können.

Die Fachstelle FAREX ist seit dem September 2019 operativ und daher sind noch keine konkreten Aussagen über deren Wirkung möglich. Gerne hätten wir hier Auskünfte, ob es schon Fälle von Meldungen gegeben hat, und falls ja, wie man hier konkret vorgegangen ist. Es fehlt uns im Bericht insbesondere eine konkrete Bestandsaufnahme zur Lage im Kanton St.Gallen bezüglich aktueller Vorfälle im Risiko- und im Radikalisierungsbereich. Deshalb folgen wir dem Antrag der vorberatenden Kommission, der genau eine solche Bestandesaufnahme fordert.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Kommissionspräsident: Auf die Vorlage ist einzutreten.

Gerne berichte ich aus der Kommissionsarbeit zu diesem Geschäft. Am Donnerstag, 18. Juni 2020 traf sich die vorberatende Kommission zum Geschäft 40.19.04 «Massnahmen zur Prävention von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus» zu ihrer gemeinsamen Sitzung, dies nachdem coronabedingte Sitzungstermin seit der Kommissionsbestellung in der Februarsession 2020 mehrmals verschoben wurde und die Kommissionszusammensetzung aufgrund dem Wechsel auf die neue Legislatur ebenfalls fünf Änderungen verzeichnete. Anwesend waren:

Von Seiten des Sicherheits-und Justizdepartementes

  • Regierungsrat Fredy Fässler, Vorsteher;
  • Judith Widmer, Stv. Generalsekretärin,
  • Esther Luder, Leiterin Fach-und Anlaufstelle Radikalisierung und Extremismus (FAREX).

Geschäftsführung

  • Sandra Stefanovic, Geschäftsführerin, Parlamentsdienste;
  • Gerda Göbel-Keller, Stv. Geschäftsführerin, Parlamentsdienste.
Vorkommnisse wie das Grosskonzert von Rechtsradikalen im Jahr 2016 im Toggenburg schockierten die Schweiz und liessen Forderungen nach Massnahmen gegen Radikalisierung und Exremismus laut werden. Der Bund reagiert damit einem nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus. Auf kantonaler Ebene verlangt ein Postulat einen Bericht über die bestehenden Präventionsmassnahmen sowie über diejenigen, die im nationalen Aktionsplan vorgesehen sind. Die Regierung hat bereits im Jahr 2018 entschieden, eine Präventionsmassnahme des nationalen Aktionsplans umzusetzen. In der Folge wurde im September 2019 die Fach- und Anlaufstelle Radikalisierung und Extremismus (FAREX) gegründet, die Fachstelle dient der Prävention. Sie ist Anlaufstelle für das Umfeld von sich radikalisierenden Personen und bietet Beratung sowie Unterstützung für die Angehörigen. Ziel dieser Präventionsarbeit ist, mit einer frühen Intervention einen möglichen Radikalisierungsprozess zu stoppen. Die vorberatende Kommission begrüsste die Präventionsarbeit von FAREX als Anlaufstelle für Eltern, Angehörige, Freunde und Arbeitgeber. Die Kommission vermisste jedoch einen spezifisch kantonalen Überblick zu den konkreten Problemen im Bereich von Radikalisierung und Extremismus und über die konkreten kantonalen Massnahmen, die dagegen angezeigt sind. Sie möchte aus diesem Grund nach Abschluss der Pilotphase einen Bericht mit diesen spezifischen Daten. Diesbezüglich verweise ich auf den Antrag der vorberatenden Kommission. r.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

beantragt im Namen der CVP-EVP-Fraktion eine neue Ziff. 4 der Aufträge mit folgendem Wortlaut: «zu prüfen, welche Rechtsgrundlagen zu schaffen sind, damit öffentliche Organe und Institutionen, welche die Kenntnis von möglichen sicherheitsrelevanten Gefährdungssituationen haben, dies trotz Amts- oder Berufsgeheimnis der Polizei melden können.»

Die Bilder eines wahllos um sich schiessenden Extremisten in der Wiener Innenstadt von Anfang November sind uns eingefahren. Die nachfolgenden österreichischen Ermittlungen führten in verschiedene österreichischen Bundesländer, in die Slowakei, nach Deutschland und auch in die Schweiz. Es konnte belegt werden, dass es einen regen Austausch zwischen bedeutenden Islamisten aus Wien und Winterthur gegeben hat. Die Anschläge von Morges und Lugano zeigen, dass es möglich ist, dass Personen mit extremistischem Gedankengut auch in der Schweiz zu einem Sicherheitsrisiko werden können. Für uns stellt sich die Frage, ob es im Vorfeld nicht bereits Verdachtsmomente gegeben hat und diese möglicherweise in Folge Amts- und Berufsgeheimnis nicht weitergeleitet worden. Eine Überprüfung der Rechtsgrundlage ist nötig. Der Kanton muss in seinem Zuständigkeitsbereich die entsprechenden Massnahmen und die allenfalls gesetzlichen Regelungen schaffen.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

beantragt eine neue Ziff. 3 der Aufträge mit folgendem Wortlaut: «die Einführung einer öffentlich zugänglichen Liste zu prüfen, in der sämtliche Gebetseinrichtungen im Kanton St.Gallen von nicht staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften aufgeführt werden.»

Beim zweiten Auftrag geht es darum, dass wir auch eine verbesserte Transparenz schaffen sollten in Bezug auf die Existenz von Moscheen, Tempeln, freikirchlichen Gebetseinrichtungen usw. und ihren verantwortlichen Personen. Ich glaube, es ist Teil der Prävention von Extremismus, dass wir genau wissen, wo diese verschiedenen Gebetsstätten sind. Immerhin sind katholische und evangelische Kirche überall verfügbar mit den Adressen und Namen der verantwortlichen Personen. Also kann man das auch von nicht anerkannten religiösen Gemeinschaften verlangen. Ich betone, das wäre eine freiwillige Meldung für eine Liste dieser Einrichtung. Ich glaube, es wäre nützlich, wenn man diese Einrichtungen auflisten würde. Nicht zuletzt auch für die betreffenden Religionsgemeinschaften, auch sie haben sicher ein Interesse daran, dass ihre Gebetsstätten öffentlich gemacht werden.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Beschluss

Der Kantonsrat stimmt dem Antrag der CVP-EVP-Fraktion mit 51:50 Stimmen bei 5 Enthaltungen zu.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Kommissionspräsident: Dieser Antrag wurde im Rahmen der Kommission nicht gestellt und somit auch nicht darüber abgestimmt.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Unser Anliegen ist eigentlich identisch, wir haben es bereits gehört, mit dem Antrag Böhi-Wil: Wir wollen Regelungen und Regierungsrat Fässler hat diese auch versprochen. Der Unterschied: Wir sind nicht überzeugt davon, dass man mit der Anpassung des Polizeigesetzes wirklich alle gesetzlichen Grundlagen, die wir hier brauchen, auch schaffen kann. Darum haben wir ihn offen gehalten. Wir möchten einfach nicht, dass es nachher heisst, es hat keinen Platz im Polizeigesetz, wir können das hier nicht aufnehmen, es ist Bundesrecht, darum wollen wir diesen Auftrag offenhalten und ziehen ihn auch nicht zurück.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Regierungsrat: Ich meine, dass wir diesen Auftrag erfüllen werden, wenn wir mit dem XIV. Nachtrag die notwendigen gesetzlichen Grundlagen schaffen. Das Problem ist allerdings noch weit vielschichtigen. Im Moment ist auch der Austausch unter den Polizeikorps nicht so einfach. Auch da braucht es zusätzliche gesetzliche Grundlagen, und es braucht auch gesetzliche Grundlagen, um einen Austausch zwischen Polizei und FEDPOL rechtmässig zu gestalten. Unsere Kantonspolizei hat im Moment einen besseren Zugang zu Polizeidatenbanken im Schengen-Dublin-Raum als innerhalb der Schweiz. Diese Arbeiten laufen auf Bundesebene. Dieses Problem wurde relativ spät erkannt, aber die Arbeiten dazu laufen.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Der Unterschied zwischen meinem Antrag und dem Antrag der CVP-EVP-Fraktion ist Folgender: Bei meinem Antrag heisst es «unverzüglich» ist und es soll das Polizeigesetz entsprechend angepasst werden. Der Unterschied zu meinem Antrag in Bezug auf den CVP-EVP-Antrag, dort heisst es lediglich «Rechtsgrundlagen schaffen». Die beiden Anträge sind praktisch gleich. Ich habe meinen ja zurückgezogen, vielleicht sollte die CVP-EVP-Fraktion ihren auch zurückziehen?

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Beschluss

Der Kantonsrat lehnt den Antrag Böhi-Wil mit 72:31 Stimmen ab.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Kommissionspräsident: Ein solcher Antrag wurde in der Kommission nicht gestellt und entsprechend kann ich kein Abstimmungsergebnis mitteilen.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

zieht seinen Antrag zu Ziff. 2 der Aufträge zurück.

Ich nehme mit Genugtuung Kenntnis von den Ausführungen von Regierungsrat Fässler. Ich habe in meinem Auftrag ausdrücklich den Begriff «unverzüglich» hineingeschrieben, dass das unverzüglich an die Hand genommen werden soll. Jetzt hören wir, dass die erste Lesung in der Regierung im Januar 2021 stattfinden wird, ich gehe davon aus, dass wir spätestens im Frühling eine entsprechende Vorlage haben werden. Ich nehme das zur Kenntnis, und unter Kenntnisnahme dieser neuen Entwicklung ziehe ich meinen Antrag zurück.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Regierungsrat: Dem Antrag ist zuzustimmen.

Böhi-Wil hat es angetönt, er hat uns diesen Vorschlag vorgängig zur Stellungnahme unterbreitet und wir haben dann mitgeteilt, dass er mit diesem Auftrag offene Türen einrennt. Wir sind aktuell an der Erarbeitung eines XIV. Nachtrages zum Polizeigesetz, hier ist diese Schwäche unseres Rechtssystems, nämlich die Informationsrechte hin zu anderen Behörden, Austausch wichtiger Informationen zwischen den Behörden, ein Teil dieser Vorlage. Wir sind da im Moment gesetzgeberisch nicht wahnsinnig überzeugend aufgestellt. Diese Arbeiten sind es weitgehend abgeschlossen und liegen jetzt noch in der Schlussredaktion. Ich gehe davon aus, dass ich anfangs Januar dann diesen XIV. Nachtrag in die Regierung in eine Null-Lesung geben kann. Das ist alles schon geplant, und Sie werden natürlich im Rahmen von Vernehmlassung und Diskussion dann Gelegenheit haben, auch all die tatsächlich vorhandenen Grundrechtsbeeinträchtigungen und Fragen mit zu diskutieren. Diesem Antrag können Sie auch zustimmen, und wenn Sie es nicht tun, Sie erhalten unsere Botschaft dennoch.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Ich möchte Stellung nehmen zu den Voten, es sei unseriös. Immerhin habe ich meine Aufträgen rechtzeitig auf die heute morgen stattfindenden Fraktionssitzungen geschickt. Dabei handelt es sich nicht um extrem komplexe Aufträge, die wahnsinnig viel Abklärung bedürfen. Zudem habe ich sie mit dem Sicherheits- und Justizdepartement abgesprochen, und zumindest mit dem ersten Antrag könnte man im Sicherheits- und Justizdepartement leben. Ich glaube, es ist normal, dass man auch in der Politik manchmal auf gewisse Ereignisse sofort reagieren muss, und das versuche ich mit meinen Anträgen.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

(im Namen der SP-Fraktion): Die Anträge sind abzulehnen.

Wir lehnen beide Aufträge zu Ziff. 2 und 3 ab. Wir finden es unseriös, es ist ein Schnellschuss. Wir wollen die Revision des Polizeigesetzes, das sowieso in der Terminplanung vorhanden ist, sorgfältig revidieren und uns jetzt nicht mit Schnellschüssen quer in die Landschaft stellen.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

(im Namen der GRÜNE-Fraktion): Der Antrag ist abzulehnen.

Im ersten Antrag von Böhi-Wil sollen öffentliche Organe vom Amts- und Berufsgeheimnis entbunden werden, um der Polizei möglicherweise sicherheitsrelevante Gefährdungssituation zu melden. Unsere Fraktion lehnt diesen Antrag ab. Zuerst gilt es den möglicherweise neuen Bedrohungen mit bereits bestehenden polizeilichen Mitteln zu begegne, und auch mit dem NRP, auf dem die kantonale Fachstelle FAREX aufbaut. Diesen Instrumenten der Prävention ist der Vorzug zu geben und abzuwarten in welchen Umfang sie sich bewähren. Die grundsätzliche Entbindung von der Schweigepflicht öffentlicher Organe säht unnötiges Misstrauen, das nur neue Probleme schafft. Das Vertrauensverhältnis zwischen einzelnen Bürgerinnen und Bürgern würde untergraben, völlig unabhängig von Religion. Für die einzelnen Mitarbeitenden wäre es zudem in den entsprechenden Einzelfällen eine untragbare Verantwortung, ob sie nun Meldung machen wollen oder nicht. Mit dem Antrag von Böhi-Wil würden faktisch alle öffentlichen Organe zum Nachrichtendienst verpflichtet. Das ist der falsche Weg und hat in einem Rechtsstaat nichts zu suchen.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

(im Namen der CVP-EVP-Fraktion): Der Antrag ist abzulehnen.

Unter Ziff. 2 wird die Regierung eingeladen, die nächste Revision des Polizeigesetzes unverzüglich an die Hand zu nehmen. Wir unterstützen grundsätzlich das Anliegen des Antragstellers, schlagen aber eine andere Vorgehensweise vor. Wir möchten uns damit nicht nur auf das Polizeigesetz beschränken, sondern den Auftrag allgemeiner fassen. Unser Antrag folgt unter Ziff. 4.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Beschluss

Der Kantonsrat stimmt dem Antrag der vorberatenden Kommission (Auftrag) mit 97:0 Stimmen zu.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Ratspräsident, stellt Kenntnisnahme vom Bericht «Massnahmen zur Prävention von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus» fest.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Struktur

Spezialdiskussion

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Ratspräsident, stellt Eintreten auf die Vorlage fest.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Regierungsrat: Ich möchte mich herzlich für die zwar kritische aber doch im Wesentlichen wohlwollende Aufnahme unseres Berichts danken. Mit den tragischen terroristischen Übergriffen von Morges Ende September und letzte Woche nun in Lugano, ist der Terror definitiv auch in unserem Lande gekommen. Wir sind ein Teil von Europa, wir sind sicher nicht primäre Zielscheibe für terroristische Angriffe als Staat als ganzes, aber wir mussten immer davon ausgehen, dass die Hauptgefahr wahrscheinlich von Einzeltäterinnen und -tätern ausgehen wird, die nicht ganz so einfach zu erfassen sind und welche sich über die Zeit radikalisieren. Sie konnten unserem Bericht entnehmen, Radikalisierung geschieht nicht von heute auf morgen. Da schaut nicht jemand ein Video und denkt sich, das ist noch lustig, das mache ich auch, sondern es handelt sich um ein Prozess, der längere Zeit dauert. Sie können das in unserem Bericht nachlesen. Diese Zeit müssen wir nutzen, um in diesem Bereich auch präventiv tätig werden zu können. Es wurde nun gesagt, dass wir in diesem Bereich zu wenig tun. Wir haben die ganzen repressiven Massnahmen in diesem Bericht nicht beleuchtet. Das ist ein Bericht zur Prävention von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus, es ist kein Bericht zur Abwehr oder zur Strafverfolgung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus. Das liegt zum Teil ein Missverständnis vor. Das Allerwichtigste in diesem Bericht: Prävention ist nicht ausschliessliche Aufgabe der Kantonspolizei. Natürlich hat die Kantonspolizei sofort reagiert, als die ersten Anschläge in Europa stattgefunden haben. Sie hat ihr Bedrohungsmanagement ausgebaut, wir haben bei der Kantonspolizei auch eine Abteilung Innere Sicherheit, das sind Nachrichtendienste, das sind Leute, die bei uns arbeiten, aber im Auftrage des Bundes. Die sind im Internet unterwegs und eruieren, was in diesem Kanton geschieht. Das ist Gefahrenabwehr aber nicht Prävention. Die Kantonspolizei mach auch ein intensiviertes Bedrohungsmanagement, und das ist wiederum eine präventive Massnahmen. Es wurde gesagt, es fehlen Zahlen. Ich habe auch in der vorberatenden Kommission darauf hingewiesen, dass natürlich keine vollständige Statistiken vorliegt über Leute, die in diesem Kanton wohnen und extremistische Haltungen haben. Wir haben rund fünf Personen, von denen man vermutet, dass sie allenfalls Dschihadrückkehrer sein könnten. Die Bundeskriminalpolizei hat zwar Verfahren geführt, die haben keine Verurteilungen nach sich gezogen. Ob die also wirklich Dschihad waren und was dort genau gemacht haben, das wissen wir leider nicht. Aber diese Leute werden natürlich von der Kantonspolizei angesprochen, das Umfeld wird sensibilisiert und diese Leute werden auch beobachtet. Daneben gibt es im links- sowie im rechtsextremen Bereich je rund drei Dutzend Leute, welche von der Inneren Sicherheit und der Kantonspolizei als extremistisch eingestuft werden. Es gibt auch Mitläufer, die zu diesem Umfeld gezählt werden müssen, die aber nicht zum Kern gehören. Die einfach einige wenige Zahlen zur aktuellen Situation im Kanton.

Wir werden selbstverständlich mit dem Projektabschlussbericht FAREX die Situation, so weit wir sie beurteilen können, ergänzend dokumentieren und zusätzliche Zahlen liefern. Der Aufbau dieser Fachstelle hat sich coronabedingt zwar nicht verzögert aber er wurde erschwert. Es geht vor allem auch darum, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren auszubilden, zu sensibilisieren, sie zu befähigen, selber Entwicklungen zu erkennen, die ungünstig sind und selbstverständlich auch 24 Stunden an sieben Tage für telefonische Auskünfte zur Verfügung zu stehen, wenn Leute, Eltern, Ausbildnerinnen und Ausbildner, Vereinspräsidentinnen und -präsidenten, Trainer, wenn irgendjemand in diesem Kanton Wahrnehmungen macht, die er nicht abschliessend interpretieren kann und die er aber mit möglicher Radikalisierung in Verbindung bringt, dass das Fachleute zur Verfügung stehen, welche die nötigen Antworten geben und zusätzliche Abklärungen veranlassen können und unterstützen können. Diese Stelle haben wir geschaffen, sobald wir wussten, dass wir da das grösste Loch haben. Im Bereich der Polizei war das nicht notwendig, bzw. die Polizei hat von sich aus umdisponiert. Das haben wir tatsächlich beschlossen, bevor die Beratung hier in diesem Rat möglich wurde, weil wir sie für dringlich betrachtet haben. Es ist auf zwei Jahre befristet auf zwei Jahre und selbstverständlich wird nach Abschluss dieser zwei Jahre ein Schlussbericht vorgelegt werden. Es wurde gesagt, wir täten bei Hooliganismus, bei Gewalt in Sportveranstaltungen nichts. Wir würden uns auch nicht an der Finanzierung von Projekte beteiligen – das stimmt nicht. Der FC St.Gallen hat eine eigene Fan-Sozialarbeit aufgebaut und die Kosten dafür teilen sich der Kanton St.Gallen, die Stadt St.Gallen und der FC St.Gallen. Ein vergleichbares Projekt gibt auch in Rapperswil-Jona für die Lakers. Daneben betreibt Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und Polizeidirektoren (KKJPD), die ich seit letzter Woche präsidieren darf, eine eigene Präventionsstellen, die Schweizerische Kriminalprävention (SKP), die erarbeitet im Bereich von Prävention Flyer, Informationsmaterial und zwar für alle Formen von Kriminalität. Sie muss sich da selbstverständlich auch beschränken. Auch da läuft also einiges und nicht einfach nichts. Und auch an den Universitäten auf der ganzen Welt wird natürlich intensiv geforscht im Bereich von Extremismus: Wie entsteht Extremismus? Bislang hat man kein allgemein gültiges Profil gefunden. Es gibt nicht den Terroristen, weil das und das in seinem Leben geschah, sondern diese Entwicklungen sind einfach nicht abschliessend erkennbar und auch nicht abschliessend erforscht. Es gibt keine allgemein gültigen Rezepte.

Auch auf Bundesebene läuft einiges. Aktuell ist ein Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen und Terrorismus durch die Räte verabschiedet worden, das es dann erlauben wird, Gefährder auch speziell zu behandeln mit Kontaktverboten bis hin zu Hausarrest – das ist aber wieder Bekämpfung nicht Prävention. Dazu läuft ein Referendum und der Bundesrat hat auch eine Vorlage vorgelegt, das Geldwäschereigesetz zu verschärfen, um zu verhindern, dass auf diesem Wege Terrorismus finanziert werden kann. Dieses Gesetz hatte bislang beim Nationalrat keine und beim Ständerat wenig Unterstützung. Es ging da vor allem auch darum, die Sorgfaltspflichten von Anwältinnen und Anwälten zu verstärken, aber das ist im Moment offensichtlich nicht so gewünscht.

Es läuft einiges, es trifft nicht zu, dass nichts läuft und wir sind überzeugt, dass wir mit dieser Fachstelle nun ein wichtiges Loch gestopft haben und in den übrigen Massnahmen gemäss nationalem Aktionsplan auf unseren Postulatsbericht verweisen.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

(im Namen der GRÜNE-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Ganz im Sinne früherer Voten am heutigen Nachmittag mache ich es schnell und unbürokratisch. Wir begrüssen den Bericht und sind gespannt auf die Ergebnisse der weiteren Arbeit der neuen Fachstelle und unterstützen damit auch den Kommissionsantrag, dass die Regierung unserem Rat in Zukunft regelmässig berichterstatten wird und bei Bedarf die notwendigen Ressourcen für Forschungsaufträge bereitstellen wird. Bezüglich der in Aussicht gestellten Anträge, werde ich mich später nochmals zu Wort melden.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Ich bin der Auslöser des Berichts, welcher an der Februarsessionen 2018 gutgeheissen wurde. Die Gutheissung kam aufgrund einer Änderung des Wortlauts zustande. Das Postulat habe ich an der Septembersession 2016 eingereicht, nachdem einige Monate früher der Sicherheitsverbund Schweiz, der für die Koordination von allen Sicherheitsorganen des Bundes und der Kantone zuständig ist, einen Bericht über die Prävention von religiöser Radikalisierung veröffentlicht hat. Der Bericht des Bundes entstand unter dem Eindruck der sogenannten Dschihadreisenden. Meine Absicht war, dass sich auch der Kanton mit dieser Thematik beschäftigt. Ich habe mich dann aber mit der Änderung des Wortlauts einverstanden erklärt und damit auch mit der Verlagerung des Fokus des Berichts auf die Prävention von allgemeiner Radikalisierung und Extremismus.

Die Ausarbeitung des Berichts, den wir heute beraten, hat viel Zeit beansprucht. Dies, obwohl der Bund schon im Dezember 2017 seinen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus veröffentlicht hatte. Der Bericht der Regierung datiert vom Dezember 2019. Sie hat also zwei Jahre dafür gebraucht und der Bericht ist nun auch schon wieder ein Jahr älter. Drei Jahre sind vergangen, seit der Bund seinen Massnahmenkatalog zu Handen der Kantone präsentiert hat. So gesehen wäre die Aufgabe für den Kanton St.Gallen eigentlich einfach gewesen, denn er hätte nur die im Aktionsplan aufgeführten Massnahmen übernehmen müssen. Das wurde zum Teil auch getan, vor allem in Bezug auf die, wie ich sie nennen will, weichen Massnahmen, die einfach umzusetzen sind und deren Wirkung dementsprechend ungewiss ist.

Ich will aber nicht allzu negativ in meiner Beurteilung des Berichts sein und ich stelle mit Genugtuung fest, dass mit der Schaffung der FAREX eine niederschwellige Anlaufstelle geschaffen wurde für alle, die Fragen oder Hinweisen bezüglich radikalisierte Personen haben. Eine solche Anlauf- oder Meldestelle ist notwendig, denn wir haben in den letzten Tagen und Wochen gesehen, dass nun auch die Schweiz von der neuen Taktik des Terrorismus betroffen ist. Es sind einzelne radikalisierte Personen, die Anschläge verüben. Sie suchen sich nicht gezielt staatliche oder andere Einrichtungen aus, sondern wollen Angst und Schrecken verbreiten in dem sie zufällig ausgewählte unbeteiligte Personen angreifen.

Dass die in letzter Zeit geschehenen Terrorakte offenbar islamistisch geprägt waren, zeigt, dass die ursprüngliche Version meines Postulats mit dem Titel «Massnahmen zur Prävention von religiösen Extremismus» korrekt war. Der religiöse Extremismus ist die eigentliche Gefahr, mit der wir konfrontiert sind und weniger irgendwelche jugendliche Wirrköpfe, die auf politische Abwege geraten sind. Ich habe einen Antrag eingereicht, der zwei Aufträge an die Regierung enthält im Zusammenhang mit genau dieser Entwicklung. Der Antrag ist mittlerweile aufgeschaltet, ich werde später dazu Stellung nehmen.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

(im Namen der SP-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Der Fokus des Berichts ist extrem eng gefasst. Die Definition, die auf S. 6 des Berichts verkürzt wiedergegeben wird, entstammt einem Themenheft des Kantons, dass diese sehr explizit als eine von verschiedensten Formen des Extremismus festhält, deren Beziehungen untereinander enorm komplex und vielschichtig sind.

Wir verstehen unter Extremismus nicht einfach nur Gedankenwelten zu fassen, die mit gewalttätigen Mitteln ihre politischen oder gesellschaftlichen Ziele durchsetzen wollen, sondern durchaus auch all jene Strömungen, die mit ihrer fundamentalistischen Haltung den unumstösslichen Grundsätzen der Verfassung sowie der europäischen Menschenrechtskonvention widersprechen.

Nicht zuletzt gehören dazu, sowohl gemäss der zitierten Broschüre des Kantons als auch in der Ansicht der SP-Fraktion, der zahlenmässig grösste und medial am meisten beachtete Bereich der gewalttätigen Gruppierungen im Sport. Dass der Kanton dazu nichts sagen will, leuchtet nur vor dem Hintergrund ein, dass sich der Kanton an bestehenden Präventionsprojekten in diesem Bereich in keiner Art und Weise finanziell beteiligen wollte.

Die im Bericht angeführten Modelle zur Radikalisierung erscheinen relativ simpel und zeigen symptomatisch auf, dass die Forschung wie auch die Kriminalprävention gerade in der Schweiz noch relativ am Anfang stehen. So fehlen in den aufgezeigten Modellen jegliche Zusammenhänge zwischen sozialen Netzwerken und Radikalisierung, welche insbesondere innerhalb von geschlossenen Gruppen und social bubbles, seien dies reale Orte (religiöse Treffpunkte, private Schulen, Parallelgesellschaften) oder aber virtuelle (soziale Medien, Chatgruppen), stattfinden. Eine offene Gesellschaft ist nur schon aufgrund des Austauschs von Ideen, Wertehaltungen und Meinungen resilienter gegen Radikalisierung.

Forschung in diesem Bereich – und zwar nicht Grundlagenforschung –, welche an den Universitäten geschieht, sondern angewandte Forschung an einem konkreten Forschungsfeld, also die Kernkompetenz der Fachhochschulen, würde hier gerade im Kanton St.Gallen dringend Not tun. In der Diskussion haben wir festgestellt, dass der Kanton St.Gallen alleine wohl zu klein für ein solches Forschungsfeld ist. Hier müsste mindestens national einen Auftrag erteilt werden können.

Wer behauptet, wir hätten im Kanton St.Gallen kein offenkundiges Problem, insbesondere mit Rechtsextremismus, verschliesst hier die Augen vor Fakten. Die Tatsache, dass die schweizweit grösste Versammlung von Rechtsextremen im Kanton St.Gallen stattfand, war hier kein Unfall, sondern sie war symptomatisch für die Verbandelung von lokalen Gruppen mit internationalen Netzwerken.

FAREX: Es fehlen zum jetzigen Zeitpunkt noch Aussagen bzw Kennzahlen über die bisherige Tätigkeit der FAREX. Dies ist soweit verständlich, als dass die Stelle sich noch im Pilotbetrieb befindet, wobei sich jedoch die Frage stellt, inwiefern der Kantonsrat über den Abschluss dieser Pilotphase unterrichtet und informiert wird. Grundsätzlich gilt es festzuhalten, dass etwas gar viele Massnahmen der FAREX zugeteilt werden, womit sich die Frage stellt, ob hier nicht sehr hohe Erwartungen bei relativ bescheidenen personellen Ressourcen gestellt werden? Um diesbezüglich künftig detailliertere Informationen zu erhalten, hat die vorberatende Kommission einem Antrag der SP-Delegation zugestimmt, in dem wir die Regierung einladen, dem Kantonsrat über die Arbeit der Fach- und Anlaufstelle Radikalisierung und Extremismus (FAREX) Bericht zu erstatten. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.

Fazit: Es gilt festzuhalten, dass grosse Fragezeichen bezüglich des Ist-Zustands herrschen. Weder religiöser Extremismus noch politischer Extremismus werden in effizienter Form beobachtet und/oder bekämpft. Der zahlenmässig und medial bedeutsamste Bereich, nämlich gewalttätige und/oder rechtsextreme Gruppierungen im Sport, wird im gesamten Bericht nicht mit einem Wort erwähnt. Vor diesem Hintergrund erachtet die Fraktion die Arbeit von FAREX als notwendig, aber weder die dafür zur Verfügung gestellten Ressourcen noch die Einbettung in andere Strukturen als ausreichend. Aufsuchende Arbeit, Monitoring von sozialen Gruppen insbesondere im Onlinebereich, spezifische Präventions- und Ausstiegsprojekte, an denen auch der Kanton St.Gallen in irgendeiner Form beteiligt ist, sind nicht zu finden.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020
30.11.2020Wortmeldung

Ratspräsident: Das Präsidium sieht eine Eintretensdiskussion vor.

Session des Kantonsrates vom 30. November bis 2. Dezember 2020