Geschäft: Demokratie braucht Medienvielfalt

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.19.32
TitelDemokratie braucht Medienvielfalt
ArtKR Motion
ThemaAllgemein
FederführungVolkswirtschaftsdepartement
Eröffnung16.9.2019
Abschlusspendent
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 16. September 2019
AntragAntrag der Regierung vom 17. Dezember 2019
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
17.9.2019Person27.6.2024
17.9.2019Person27.6.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
19.2.2020Eintreten25Zustimmung86Ablehnung9
Statements
DatumTypWortlautSession
19.2.2020Beschluss

Der Kantonsrat tritt mit 86:25 Stimmen nicht auf die Motion ein.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. Februar 2020
19.2.2020Wortmeldung

Regierungsrat Damann: Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Gerne nehme ich noch kurz Stellung, weshalb die Regierung diese Motion ablehnen möchte: Eine direkte Medienförderung, das ist etwas sehr gefährliches, wenn man eine Firma direkt unterstützt. Das ist dann wirklich eine ordnungspolitische Fehlhaltung. Wir sind der Meinung, dass man die Medien fördern muss, aber nicht auf direktem Weg. Der direkte Weg, das ist richtig, das macht Bundesbern, das soll auch von Bern zu uns kommen und nicht aus den Regionen. Welche Medien müssten wir dann im Kanton direkt fördern und welche nicht? Das wäre ein sehr grosses Problem.

Zu Dürr-Widnau, betreffend dem Einbezug des Parlamentes. Da sind wir an der Ausarbeitung des Projektauftrags. Wir werden in irgendeiner Form versuchen das Parlament einzubinden, damit das Parlament hier auch mitreden kann.

Die Medien Labs, die Professor Kaufmann in seinem Bericht vorgeschlagen hat, das bedeutet absolut nicht, dass das unbedingt an der HSG ist. Das kann irgendwo aufgebaut werden. Wir wollen dazu auch abklären, was die richtige Form wäre und ob es eine solche Form braucht oder ob es in der Schweiz schon genügend gibt.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. Februar 2020
19.2.2020Wortmeldung

Hasler-St.Gallen: Ich lege meine Interessen als Journalist mit 16-jähriger Berufserfahrung und ehemaliger kurzzeitiger Redaktionsleiter des damals noch als Universitätsradio konzipierten Senders toxic.fm offen. Auf die Motion ist einzutreten.

Ich verstehe die Zurückhaltung, die hier von bürgerlichen Parteien an den Tag gelegt wird durchaus. Selbstverständlich klingt das immer sehr heikel, wenn wir beginnen, Medien direkt zu fördern. Aber, Frei-Rorschacherberg, da haben Sie dann doch ein relativ einfaches Verständnis davon, wie Medien funktionieren, wenn Ihr Interesse darin besteht, dass Sie nur gerne Ihre Aussagen in einer Zeitung sehen wollen. Dann haben Sie wirklich nicht ganz verstanden, was die Aufgabe einer Zeitung ist. Ich möchte das nicht als FDP-Bashing verstanden wissen, ich möchte mehr, dass Sie sich ganz kurz vielleicht einmal daran erinnern, was Ihre Partei auf Bundesebene tut. Ihre Partei lehnt auf Bundesebene alles andere als direkte Presseförderung ab. Der Bundesrat hat jetzt gerade ein Massnahmenpaket vorgelegt zur Förderung insbesondere von Online-Medien mit direkten finanziellen Mitteln und selbstverständlich steht die FDP-Fraktion dahinter, weil sie erkannt hat, dass ein Problem besteht. Eine Erkenntnis, die wir auch in diesem Rat vollumfänglich teilen. Wir haben in diesem Kanton praktisch keine unabhängigen Medienunternehmen mehr. Das Grösste für uns relevante gehört inzwischen dem NZZ-Konzern, dem, verzeihen Sie mir, wenn ich das so sagen muss, der Kanton St.Gallen einfach egal ist – das war er schon immer. Für die Zürcher sind wir relevant, wenn wir sie im Fussball schlagen und sonst nicht – das wissen Sie. Wir kommen nicht darum herum, hier eigenständige Förderung vorzunehmen, wenn wir nicht abgehängt werden wollen. Das will diese Motion, sie will nicht die Medien an die Kandare nehmen, sondern sie will, dass wir weiterhin unabhängige Berichterstattung in diesem Kanton sicherstellen können. Dafür müssen Sie Geld in die Hand nehmen – darum geht es.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. Februar 2020
19.2.2020Wortmeldung

Hartmann-Flawil: Auf die Motion ist einzutreten.

Ich glaube, die Ausgangslage ist klar. Wir haben eine Konzentration, insbesondere bei den Printmedien. Wenn Sie selber Zeitungsleserin oder –leser sind, z.B. des «St.Galler Tagblatts», dann können Sie ganz konkret verfolgen, was es bedeutet. Zuerst bei der lokalen Berichterstattung: Wenn Sie hier die Entwicklung in den letzten zwei, drei Jahren regional und auch kantonal anschauen – ich habe jetzt nur vom «St.Galler Tagblatt» gesprochen, aber das können Sie auch im Sarganserland oder im Linthgebiet beobachten, wo die grossen Medienhäuser diese Printmedien übernehmen und dort konzentrieren. Sie können die Bünde anschauen, sie haben vielleicht noch ein Unterhemd, und das Hemd ist dann vielleicht schweizweit bis ins Mittelland das gleiche. Wir kennen das beim «St.Galler Tagblatt». Wenn Sie am Samstag nachlesen, gibt es praktisch keine Meinungsbeiträge mehr im ersten Bund aus Sicht des Kantons St.Gallen. Das ist die Ausgangslage für die weiteren Diskussionen.

Wir haben heute die Möglichkeit, dass man kontrolliert und gezielt Gegensteuer geben kann. Einzelne Kantone, wie vorher angemerkt, haben es bereits beschlossen, dass sie Gegensteuer geben. Andere Kantone sind in der Diskussion und es ist klar, dass ohne Anstrengungen der öffentlichen Hand keine gezielten Massnahmen gemacht werden können, die dieser Entwicklung Halt gebieten. Die St.Galler Regierung erkennt das zwar auch, aber sie sagt dann zum Schluss, dass ordnungspolitische Überlegungen dagegen sprechen. Dann haben wir also die Wahl ordnungspolitisch korrekt zu sterben, unsere Printmedien sind dann ordnungspolitisch gesehen am Boden. Ich glaube, es dauert nicht mehr zwei Jahre, bis wir hier im Bereich der Printmedien krasse Konsequenzen haben werden.

Wir können also ordnungspolitisch gesund und munter untergehen und den Medienmarkt kaputt machen lassen oder wir können mit gezielten Massnahmen eine unabhängige Berichterstattung über politisch und gesellschaftlich wichtige Themen in unserem Kanton auf kantonaler, regionale und lokaler Ebene gezielt fördern, so dass sie trotzdem unabhängig bleiben.

Ich bitte Sie, wir haben eine der letzten Möglichkeiten. Eine Begleitung dieser Diskussionen durch den Kantonsrat – da frage ich mich, wie diese Begleitung aussehen kann? Dann berichtet die Regierung über den weiteren Abbau, aber sie wollen aus ordnungspolitischen Gründen keine Massnahmen ergreifen. Wenn das die Argumentation ist, dann werden Sie auch in einem Jahr oder in zwei Jahren, wenn es dann schon zu spät ist, aus ordnungspolitischen Gründen nichts machen. Da braucht es doch keine Information und Begleitung durch die Regierung. Ich bitte Sie wirklich, wenn Sie eine unabhängige politische Medienvielfalt im Kanton St.Gallen wollen und bereit sind, diese auch zu fördern, dann müssen wir jetzt Gegensteuer geben. Nachher wird es zu spät sein.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. Februar 2020
19.2.2020Wortmeldung

Dürr-Widnau (im Namen der CVP-GLP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten. Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Die CVP-GLP-Fraktion steht zu einer vielfältigen Medienlandschaft und zu einem starken Service Public. Ein vielfältiges Angebot in allen Regionen ist in einer direkten Demokratie wünschenswert. Ebenfalls wichtig für die Demokratie ist auch der Anspruch an unabhängige Medien. D.h., wir teilen die Einschätzung der Motionäre, was die Entwicklung und den Handlungsbedarf betrifft. Das tut auch die Regierung. Hingegen teilen wir aber nicht, wie Frei-Rorschacherberg, die Stossrichtung der Motionäre, dies mit einer direkten staatlichen Förderung zu tun. Es wurde auch das Beispiel des Kanton Waadt durch Lemmenmeier-St.Gallen erwähnt. Der Kanton Waadt hat keine Leistungsvereinbarung gemacht, sondern er fördert die Printmedien mit zusätzlichen Werbungen. D.h., man hat dort gar keinen Einfluss, ob es dann wirklich so ist, dass in allen Regionen in einem Kanton die Medienvielfalt gesichert werden kann.

Wir unterstützen die Bestrebung der Regierung, ein Förder- und Kompetenzzentrum mittels Projekteauftrag zu prüfen. Ob das die richtige und zielführende Massnahme ist, können wir gegenwärtig nicht beurteilen. Entsprechend erachten wir es als unerlässlich, dass das Kantonsparlament das Projekt mitbegleitet und entsprechende Rückmeldungen geben kann, ob wir hier auf dem richtigen Weg sind oder nicht. Wir fordern daher, dass der Kantonsrat in diesem Prozess aktiv eingebunden wird. Ich bitte den zuständigen Regierungsrat, Ausführungen zum Projekt zu machen. Aus dem Antrag der Regierung wird ist nicht ersichtlich, ob das Kantonsparlament eingebunden wird oder nicht.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. Februar 2020
19.2.2020Wortmeldung

Frei-Rorschacherberg (im Namen der FDP-Fraktion ): Auf die Motion ist nicht einzutreten. Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Für die FDP-Fraktion ist klar, die Medien gehören als sozusagen vierte Macht im Staat klar getrennt von der Politik. So sehen wir keine direkte Förderung von einzelnen Akteuren im Medienmarkt. Ich wünsche mir natürlich als Parteipräsident auch, dass möglichst viele freisinnige Aussagen in den Medien ihren Platz finden. Das würde schlussendlich dem Kanton und der Bevölkerung wohl am besten zugute kommen. Schwierig würde es aber, wenn beurteilt werden soll, welches Mass der Berichterstattung als ausgewogen angeschaut wird. Sollen dann die Inhalte den einzelnen Akteuren vorgeschrieben werden, z.B. durch Leistungsaufträge, wie Lemmenmeier-St.Gallen erwähnt hat? Wer beurteilt dann, was ausgewogen ist? Der FDP-Fraktion widerstrebt auch, dass eine Art der Medien, hier namentlich die Print-Medien, speziell behandelt werden soll. Die Wahl der Medien soll den Menschen und dem Markt überlassen werden. Da tauchen auch immer wieder neue Publikationen auf – das ist gut so. Die FDP-Fraktion ist klar nicht für eine direkte staatliche Medienförderung, dies insbesondere aus ordnungspolitischen Gründen.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. Februar 2020
19.2.2020Wortmeldung

Lemmenmeier-St.Gallen: Die Situation der Medien ist ausserordentlich angespannt in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Prozesse wurden von uns in der Motion eingehend beschrieben –Konzentration der Entscheidungsgewalt im Mittelland, die Gratis-Wochenzeitungen, die zu einem Werbeprospekt verkommen, die Digitalisierung mit immer mehr Werbungen, die Ausdünnung des journalistischen Teils in den Medien usw. Diese Analyse wird von der Regierung geteilt. Das freut uns natürlich ausserordentlich, dass die Regierung diese Probleme erkannt hat und sie hat auch gezeigt, dass sie jetzt zum zweiten Mal einen Bericht über diese Situation erstellen liess. Also handelt es sich hier wirklich um ein ernsthaftes demokratie-politisches Problem, wenn der Journalismus weiter ausgedünnt wird, wenn nicht mehr über die politische und gesellschaftliche Entwicklung einer Region berichtet wird usw. Die Analyse wird von der Regierung geteilt, aber die Schlüsse, die daraus gezogen werden, sind ganz andere.

Was braucht es? Es braucht einen unabhängigen Journalismus, der über die kantonalen und die regionalen Entwicklungen in Politik und Gesellschaft berichtet. Zurzeit ist es so, dass sich die Medien noch darum bemühen, das sicher zu stellen. Aber die Medien sind wirtschaftlich derart unter Druck, dass das in ganz kurzer Zeit zu Ende gehen wird. Die EBITA der Medienunternehmen ist weit von einer 10 Prozent EBITA entfernt – es wird also rasend zu Ende gehen und es ist deshalb ein dringlicher Handlungsbedarf vorhanden. Die Regierung sieht auch einen Handlungsbedarf, aber sie sagt, uns sind die Hände gebunden. Das trifft einfach nicht zu. Der Regierung sind die Hände nicht gebunden, sondern sie kann eine entsprechende gesetzliche Grundlage schaffen, um eine direkte Medienförderung zu finanzieren. Ein direkte Medienförderung, wie wir sie letztlich auch bei Radio und Fernsehen kennen, über entsprechende Leistungsaufträge. Leistungsaufträge sind ein sicheres Instrument für einen unabhängigen und zielgerichteten Journalismus und damit eine zielführende Medienförderung, die auch verhindert, dass Wettbewerbsverzerrungen vorkommen, weil diese Medien dann eine Dienstleistung an der Öffentlichkeit vollbringen.

In der Zwischenzeit sprechen sich namhafte Verleger für eine direkte Medienförderung aus, weil sie sehen, dass sie eben diese Dienstleistung an der Öffentlichkeit ist. Die Berichterstattung über kantonale politische Entwicklungen sind für uns alle wichtig. Sie sind zentral, einerseits für die Auseinandersetzung des Parlaments mit der Bevölkerung, aber auch für die kritische Betrachtung der Handlungsweise der Politik. Und deshalb verlangen wir mit unserer Motion die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine Medienförderung über entsprechende Leistungsaufträge – das kann der Kanton alleine tun. Es gibt auch eine Reihe von Kantonen, die bereits eine Medienförderung beschlossen haben, wie die Kantone Waadt und Bern. Ich bin der Meinung, dass der Kanton St.Gallen das auch tun kann und nicht warten muss, bis andere Kantone sich ebenfalls beteiligen. In diesem Sinne bitte ich Sie um die Annahme dieser Motion, um eine langfristige Sicherung der Berichterstattung über kantonale und lokale Ereignisse zu sichern und dazu auch das geeignete Instrument zu wählen. Die Regierung sagt nicht, dass sie nicht handeln wolle. Sie sagte, sie hat jetzt schon den zweiten Bericht verfassen lassen und dieser zweite Bericht stammt von einem Institut der Universität St.Gallen. Das Ergebnis dieses Berichtes ist, dass wir an der Universität St.Gallen ein Media Lab schaffen sollen und die Universität St.Gallen dann diesen Prozess der Veränderung der Medienlandschaft in der Ostschweiz begleitet. Bis wir ein solches Institut aufgebaut haben, gibt es angesichts des wirtschaftlichen Drucks längst keine lokale Berichterstattung mehr. Das zweite und viel gravierendere ist, dass dieses Media Lab überhaupt nichts bringt. Wir haben schon genug Media Labs in der Schweiz. Wir haben schon genug Begleitung durch Fachhochschulen und Universitäten. Wir haben schon Ausbildungsinstitutionen für Journalisten, wir brauchen kein weiteres Institut, das sich auch noch um die Sache kümmert, sondern wir brauchen – und das ist der Kern unserer Motion – jetzt die gesetzliche Grundlage für eine direkte Medienförderung auf der Basis von Leistungsaufträgen. Das muss jetzt an die Hand genommen werden. Da gibt es hervorragende Möglichkeiten. Im Interesse der Vielfalt der Meinungen, im Interesse der Öffentlichkeit und im Interesse letztlich aller politischen Parteien bitte ich Sie deshalb nochmals unserer Motion zuzustimmen.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. Februar 2020
19.2.2020Wortmeldung

Cozzio-Uzwil, Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf die Motion.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. Februar 2020