Geschäft: Keine Sonderrechte im Bestattungswesen
Komitee | Kantonsrat |
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Nummer | 42.07.55 |
Titel | Keine Sonderrechte im Bestattungswesen |
Art | KR Motion |
Thema | Landesverteidigung, Sicherheit und Ordnung |
Federführung | Departement des Innern |
Eröffnung | 26.11.2007 |
Abschluss | 20.2.2008 |
Letze Änderung | 9.12.2021 |
vertraulich | Nein |
öffentlich | Ja |
dringend | Nein |
Datum | Akteur | Titel | Letze Änderung |
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1.8.2019 | Person | Beteiligung - Reimann-Wil | 27.6.2024 |
Datum | Titel | Resultat | öffentlich | ||||
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Ja | Bedeutung | Nein | Bedeutung | Absent / Enthaltung | |||
20.2.2008 | Eintreten | 31 | Zustimmung | 107 | Ablehnung | 42 |
Datum | Typ | Wortlaut | Session |
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20.2.2008 | Wortmeldung | Auf die Motion ist nicht einzutreten. Ich werde gegen die Motion Reimann-Wil stimmen aber nicht aus der Überlegung heraus, dass ich jetzt im ganzen Kanton und im ganzen Land wieder konfessionell getrennte Friedhöfe haben möchte wo man für jede Gruppe, die irgendwelche Begräbnisrituale Sonderrechte hat, sondern weil schlicht und einfach weil mich die Meinung der Regierung überzeugt. Ich tue mich zwar manchmal schwer mich von der Regierung überzeugen zu lassen aber in diesem Fall hat die Regierung wirklich überzeugend argumentiert. Ich möchte einfach hier festhalten, dass es eine Errungenschaft des freiheitlich demokratisch leitsistischen Staates war, dass wir mindestens im Tod gleich sind und, dass wir jetzt nicht aus irgendwelchen falsch verstandenem Respekt versuchen sollten diese Gleichheit wieder zu beseitigen. Ich gehöre auch einer Religionsgemeinschaft an zu der ich mich mit Überzeugung bekenne. Die Hauptkirche steht auf der anderen Seite des Klosterplatzes. Aber ich sage Ihnen, wenn ich sämtliche religiösen Vorschriften meiner eigenen Religionsgemeinschaft wie sie in den letzten 2008 Jahren formuliert wurden leben wollte, dann könnt ich in diesem Land nicht existieren inklusive Begräbnisvorschriften. Ich möchte Sie einfach daran erinnern, dass den Katholiken bis vor kurzem die Feuerbestattung verboten war und zwar weil man sich von Wiedertäufern abheben wollte. In der Zwischenzeit ist dieser Grund weggefallen und darum hat man sich jetzt an die allgemeinen Begräbnisvorschriften angepasst. Wir begraben in der Zwischenzeit entgegen gewissen Eltern und religiösen Vorschriften auch Selbstmörder, ungetaufte Kinder usw. auf den Friedhöfen ganz normal und ich bin sehr glücklich, dass diese altertümlichen religiösen Vorschriften nicht mehr gelebt werden auch wenn ich überzeugt bin von meiner Religion. Ich meine einfach, man sollte die staatlichen Friedhöfe so beibehalten wie sie jetzt sind aber ohne irgendwelche ideologischen Spitze gegen die Muslime oder andere Religionsgemeinschaften sondern einfach im Bewusstsein, dass wir vor Gott und dem Tod alle gleich sind. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. Februar 2008 |
20.2.2008 | Wortmeldung | Auf die Motion ist nicht einzutreten. Ich habe Erfahrung in interreligiösen Dialog auch mit dem Islam und ich möchte Reimann-Wil raten mal sich genau mit den Sachen zu befassen und nicht Halbwahrheiten zu verbreiten. Ich kann die Argumente meines Vorredners voll und ganz unterstützen. Worum geht es bei diesen Gräberfäldern für die Muslime. Es geht um die Ausrichtung nach Meka und die ungestörte Grabesruhe. Der zweite Punkt gilt auch für jüdische Friedhöfe. Um das geht es und um nichts anderes. Wenn wir die Integration fördern wollen sollten wir hier wirklich Hand bieten für vernehmliche Lösungen. Die sind möglich. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. Februar 2008 |
20.2.2008 | Wortmeldung | Die Regierung beantragt Nichteintreten. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. Februar 2008 |
20.2.2008 | Wortmeldung | Auf die Motion ist nicht einzutreten. Wir kommen heute von einer Beerdigung. Wenn ich mir das vorstelle, wird mir halb übel wenn ich höre was hier gesagt wird. Ich gebe in St.Gallen Integrationskurse und habe in diesen Integrationskursen seit dem Jahr 2000 sehr viele muslimische Leute in diesen Integrationskursen begleiten können. Eines der wichtigsten Sachen ist eben gerade, dass sie wirklich ein Problem haben im Kanton St.Gallen ihre Lieben, die gestorben sind, standesgemäss zu begraben. Das was von ihm gesagt worden ist mit der Haltung von unreinen, die Erde angegriffen haben, stimmt schon lange nicht mehr für den Durchschnitt von Muslimen. Sondern das was schon meine zwei Vorredner gesagt haben, das wichtigste ist vorallem, dass sie eben nach Meka gelegt werden. Ich denke, das ist mit nicht mal viel Toleranz sondern mit einer normalen Lebenshaltung von allen Mitmenschen, die um uns herum sich bewegen und denen man mit Würde und Achtung begegnen sollte ein Minimum, dass man so einen Wunsch erfüllen sollte und könnte. Es entspricht doch nicht unserer heutigen Zeit jetzt noch Sachen zu machen wo man sagen muss in St.Gallen haben wir sogar einen jüdischen Friedhof angelegt, der heute noch besteht. Da will ich mich vehement dagegen wehren. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. Februar 2008 |
20.2.2008 | Wortmeldung | legt seine Interessen als Amtsarzt offen. Auf die Motion ist nicht einzutreten. Erdbestattungen sind nach Art. 7 des Gesetzes über Friedhöfe und die Bestattungen in Reihengräbern vorzunehmen. Ausnahmen kann die politische Gemeinde durch Reglement für Kindergräber und Familiengräber in besonderen Reihen vorsehen bzw. vorschreiben. Das ist auch erwähnt auf dem roten Blatt. Die politischen Gemeinden sind bekanntlich seit den 60er-Jahren zuständig für das Friedhof- und Bestattungswesen und nicht mehr die Kirchen. Das scheint mir sehr wichtig. Sie haben für ein schickliches Begräbnis zu sorgen. Reimann-Wil will nun durch seinen Antrag erreichen, dass besondere Gräberreihen für jedwelche Religionsgemeinschaften per Gesetz auf Dauer verhindert werden. Für mich unmenschlich, eine Verachtung der Menschenwürde. Es ist für mich klar, dass die christliche Werthaltung als Basis für das Zusammenleben unserer Gesellschaft in unserem Land gilt. Auf der anderen Seite wird die Religionsfreiheit in unserer Bundesverfassung garantiert. Es ist eine Tatsache, dass in unserem Land mehr und mehr Muslime leben, z.B. in Wil hat es mehr muslimische als protestantische Einwohner. Es ist auch eine Tatsache, dass mehr und mehr muslimische Menschen in Zukunft sterben werden. Diese Menschen haben ihre durch den Islam geprägte Begräbnistradition und ihre Bestattungsrituale. Ihnen diese auf einem öffentlichen Friedhof - eben nicht mehr auf einem kirchlichen Friedhof - komplett zu verwehren, halte ich in einer liberalen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts für nicht haltbar. Umso mehr wenn Sie bedenken, welche Bestattungsrituale wir unseren Schweizer Mitbürgerinnen und Mitbürgern erlauben. Waldfriedhöfe, Bergfriedhöfe, ich erinnere an diesen cleveren deutschen Kaufmann im Wallis, Asche ins Meer, Asche in den See usw. Aus der Asche des Verstorbenen einen Diamanten züsten, gibt es auch, Knochen ist bekanntlich Kalzium und Kohlenstoff und daraus kann man den Diamanten züsten. Wie würden die Muslime gerne begraben sein? Eigentlich in einem Tuch eingewickelt und nicht in einem Sarg. Ewige Grabesruhe in geweihter Erde und am wichtigsten das Gesicht gegen Mekka ausgerichtet. Die beiden erstgenannten Grundsätze darf ein Muslim aufgrund neuerer islamischer Rechtsregeln missachten bzw. muss er nicht einhalten im Gastland oder bzw. seine Angehörigen. Bleibt also noch die Vorschrift das Gesicht gegen Mekka. Das sollte eigentlich mit gutem Willen aller Beteiligten möglich sein. Ich kann Ihnen sagen, dass die Landeskirchen aus Respekt dieses Anliegen ausdrücklich und aktiv unterstützen. Junge Muslime, welche in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind, ihr ganzes Leben hier verbracht haben, wollen doch in heimatlicher Erde begraben sein. Und wo ist ihre Heimat? Die ist doch hier und nicht tausende von Kilometern von hier entfernt, in für sie fremder Erde. Oder z.B. muslime Eltern. Beide hier aufgewachsen. Wollen doch z.B. ihr totes Kind hier begraben haben um am Grab trauern zu können. Für mich ist es ein Gebot der Menschlichkeit dies zu ermöglichen und so die Grabesruhe zu schenken. Nicht verhindern wie dies Reimann-Wil will. Wenn man denkt, wie früher die Selbstmörder, die unehelichen Kinder, die Juden ausserhalb der Friedhofmauern beigesetzt wurden, sollten wir im 21. Jahrhundert doch etwas weiter sein. Die Stadt Luzern hat offenbar hier eine Lösung gefunden. St.Gallen kann es auch, denke ich. Aus meiner beruflichen Erfahrung als Amtsarzt nur noch Folgendes: Ich habe einigemale Tragödien erlebt wenn Verstorbene sofort repatriert werden müssten und zwar ??? der Angehörigen. Beim Kopftuch tragen, beim Minarettbau als Religionssymbole oder vielleicht auch als Machtsymbole kann man wieder eine andere Meinung haben. Aber hier kann ich Ihnen sagen, hier ist kein Spielfeld für Islamophobiker. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. Februar 2008 |
20.2.2008 | Wortmeldung | Auf die Motion ist einzutreten. Die Regierung begründet die Ablehnung der Motion damit, dass die Aufteilung eines Friedhofs noch Konfessionen bzw. Religionsgemeinschaften und die Schaffung entsprechender Grabfelder den Gemeinden aufgrund der geltenden kantonalen Gesetzgebung für das Bestattungswesen bereits heute verwehrt sei. Dies trifft grundsätzlich zu. Das Gesetz sieht aber kein ausdrückliches Verbot vor und es gäbe beim aktuellen Gesetz durchaus Möglichkeiten es zu umgehen. Ich gebe Ihnen gerne ein Beispiel. Nach islamischem Ritus darf man nicht in Erde gelegt werden, welche von Ungläubigen - sprich nicht Muslimen - verunreinigt worden ist. Eine Ausgrabung und Ersetzung der Erde aus diesen unglaublichen Gründen wäre nach geltendem Recht also durchaus möglich und wird auch so gefordert. Eine ganz klare Regelung sowie die Motion vorschlägt würde Klarheit schaffen und eine Umgehung des Gesetzes verhindern. Die klarere Regelung wird insbesondere dadurch gerechtfertigt, dass im Kanton St.Gallen muslimische Gemeinschaften Sonderrecht auf öffentlichen Friedhöfen fordern und spezielle Verfahren der Bestattung nach islamischen Ritus beantragen. Dies kann den religiösen Frieden erheblich stören. Wir würden damit grundsätzlich akzeptieren, dass Menschen zweiter Klasse geschaffen würden und der schleichenden Islamisierung Vorschub leisten. Wer nicht zusammen mit angeblich Ungläubigen und unreinen Toten begraben werden will weil er auf intolerante Art und Weise den Menschen in zwei Kategorien einteilt ist darin frei. Er kann dies machen. Er soll dies aber nicht auf öffentlichen Schweizer Friedhöfen machen sondern dies privat und auch privat finanziert machen. Dass diese Forderung nicht unter die Religionsfreiheit fällt ist in der Schweiz bereits höchst richterlich festgehalten worden. Im Jahr 1999 entschied das Bundesgericht, dass die Gewährung von Sonderrechten oder Sonderleistungen in öffentlichen Friedhöfen zugunst bestimmter Konfessionen oder Religionen als solche gerade dem verfassungsmässigen Gebot der Gleichbehandlung widerspreche. Die entsprechenden Anliegen müssen folglich im Rahmen eines privaten Sonderfriedhofs realisiert werden und nicht auf Gemeindefriedhöfe. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. Februar 2008 |
20.2.2008 | Wortmeldung | Ich kann mich den Worten von Ritter-Hinterforst 100 Prozent anschliessen. Ich möchte auch, dass die Friedhöfe gleich bleiben wie sie sind. Es ist genau so, wie er es richtig gesagt hat, dass auch andere Konfessionen massive Einschränkungen entgegen nehmen müssen und das auf diverse Sachen, die irgendwo festgeschrieben sind eben nicht mehr Rücksicht genommen wird. So wie es Baer-Oberuzwil gesagt hat jemand einen Diamant aus seiner Asche machen will, einen Waldfriedhof oder einen Bergfriedhof, dann ist das auch privat. Dann kann er das auch machen. Aber er muss es auch selber finanzieren. Diese Motion will nichts anderes. Jeder Moslem der kein spezielles Begräbnis wünscht kann auf einem öffentlichen Friedhof begraben werden. Jeder Moslem, der ein spezielles Begräbnis wünscht kann das auch hier in der Schweiz machen aber auf einem privaten Friedhof so wie das ganz viele andere Konfessionen auch machen. Etwas anderes möchte die Motion gar nicht. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. Februar 2008 |
20.2.2008 | Wortmeldung | Auf die Motion ist nicht einzutreten. Ich bin etwas verwundert über diese Motion und habe zwei Bemerkungen dazu. Wil hat eine der grössten muslimischen Gemeinschaften. Wir haben auch einen öffentlichen Friedhof. Bei allen Bestattungen in den letzten 20 Jahren hatten wir nie Probleme. Wenn gesagt wird, wir wollen keine Sonderrechte so gehe ich mit Reimann-Wil sogar einig. Das braucht es auch nicht. Es braucht in gewissen Bereichen ein wenig entgegenkommen wie wir sie auch anderen zugestehen. Das bin ich der Meinung können wir in allen öffentlichen Friedhöfen. Die Gemeinden sind zuständig und sie machen es gut. Es braucht keine Änderung. Was ich aber nicht verstehe und das ist eine Frage, wenn Reimann-Wil sagt, es gibt zunehmend Forderungen in st.gallischen Gemeinden, dass man Sonderrechte für die Bestattungen zulassen müsse. Mir sind keine solchen bekannt. Ich möchte schon wissen in welchen Gemeinden das der Fall ist wenn das schon beahauptet wird. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. Februar 2008 |
20.2.2008 | Wortmeldung | Auf die Motion ist nicht einzutreten. Es wurde in diesen engagierten Voten vieles gesagt. Ich möchte das nicht wiederholen. Zu Reimann-Wil: Wo der Tod ist gibt es auch Leben. Dieses Leben heisst sich in unserer Gesellschaft zu bewegen mit den Rechten und Pflichten sowie den Freiheiten in unserer Gesellschaft. Diese Freiheiten heisst es auch eine Religions- und Glaubensfreiheit zu haben. Unsere Gesetzgebung muss sich daran orientieren. Von daher besteht kein Handlungsbedarf. Wir haben glücklicherweise einen guten Dialog zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften und Kirchen und da können wir St.Gallerinnen und St.Galler stolz sein, dass diese Verständigung diesem Themenbereich sehr gut läuft. Von daher gibt es in diesem Bereich keinen Handlungsbedarf. Ich bitte Sie, diese Grundlage nicht zu zerstören über eine Gesetzgebung die gegen dieses gute Zusammenspiel läuft. Wie gesagt, die Regierung hat es begründet, wir wollen auch die Parallelgesellschaften nicht verhindern. Darum haben wir eigentlich die gesetzliche Grundlage wie sie jetzt da ist, die ermöglicht, dass wir einen guten Umgang damit haben. Wenn ich ihr Votum gehört habe, glaube ich, jeden wir aneinander vorbei. Ich denke, diese Motion braucht es tatsächlich nicht. Sie haben eigentlich die Antwort selbst gegeben. Ich selbst weiss von keiner Gemeinde von grossen Problemen, dann müsste man das genauer anschauen. Aber wie gesagt, ich bin froh, dass wir eine dialog- und tragfähige Basis haben in der Auseinandersetzung zu diesen Fragen und daran sollten wir festhalten. | Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. Februar 2008 |