Geschäft: Einführung eines proportionalen Einkommenssteuertarifs

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.09.16
TitelEinführung eines proportionalen Einkommenssteuertarifs
ArtKR Motion
ThemaFinanzen, Regalien, Unternehmungen, Feuerschutz
FederführungFinanzdepartement
Eröffnung20.4.2009
Abschluss24.2.2010
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
AntragAntrag der Regierung vom 12. Mai 2009
AntragAntrag Richle-St.Gallen vom 2. Juni 2009
VorstossWorlaut vom 20. April 2009
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Person24.10.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
24.2.2010Eintreten26Zustimmung80Ablehnung14
Statements
DatumTypWortlautSession
24.2.2010Wortmeldung

Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Es ist wahr, diese Motion ist schon lange her: Wenn man sein Manuskript hervornimmt, sieht man, dass die Zahlen bereits überholt sind, und somit sind auch die Argumente des Motionärs weitgehend überholt. Er verzichtet nun «grosszügig» auf das Modell des Kantons Thurgau. Das Modell hat ja bekanntlich Schiffbruch erlitten und wurde an der Urne klar und deutlich abgelehnt. Bereits im Vorfeld waren Spiess-Rapperswil-Jona und ich in der gleichen vorberatenden Kommission zu den Geschäften 22.08.11 «V. Nachtrag zum Steuergesetz» und 22.09.03 «VI. Nachtrag zum Steuergesetz», in der uns der Vorsteher des Finanzdepartementes dargelegt hat, was das Thurgauer Modell für die St.Galler Steuerzahlenden bedeuten würde: Ohne einen Ausfall bei den Steuereinnahmen würden 80 Prozent der Steuerzahlenden – heute wären es vielleicht ein bisschen weniger – mehr bezahlen, damit 15 Prozent der Reichen weniger bezahlen würden. Dieses Modell will Ihnen der Motionär als besonders gerecht verkaufen. Auch störe ihn die grosse Anzahl derer, die keine Steuern bezahlen müssen. Damit sein Modell aufgeht, müsste man den Sockelbetrag relativ hoch ansetzen, damit es sozialverträglich wird, weil ja nachher die Flat Rate Tax einsetzt. Damit müssten noch mehr Personen keine Steuern bezahlen, anders würde dieses System nicht funktionieren.

Ein proportionaler Steuersatz allein macht das System noch nicht einfacher. Das geht nur, wenn Sie bestehende Abzüge abschaffen, z.B. dritte Säule, Kinderbetreuung, Ausbildungskosten, Hauseigentum, Berufsauslagen. Auf die individuelle Lage wird keine Rücksicht mehr genommen, wenn sie diese Kosten nicht mehr abziehen können. Zudem strebt derzeit gerade die FDP auf nationaler Ebene weitere Abzüge wie z.B. das Bausparen an. Wenn Sie zu diesem proportionalen Steuersatz Ja sagen, müssen Sie hier und jetzt deutlich sagen, dass Sie auf all diese Abzüge verzichten. Dann wäre das Modell diskutierbar, vorher aber auf keinen Fall.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
24.2.2010Wortmeldung

Auf die Motion ist einzutreten, und dem Antrag ist zuzustimmen.

Als Mitunterzeichner stehe ich voll und ganz hinter dem Wortlaut der Motion. Mit meinem Antrag wollte ich bereits vor der Abstimmung im Kanton Thurgau – das können Sie dem Datum meiner Eingabe entnehmen – der Regierung die Möglichkeit geben, auch andere Lösungsansätze zu suchen. Nur deshalb wollte ich den Kanton Thurgau nicht als alleiniges Vorbild in der Motion erwähnt haben.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
24.2.2010Wortmeldung

Auf die Motion ist einzutreten.

Ich freue mich, dass meine Motion, die seit bald einem Jahr vorliegt, heute endlich behandelt wird. Sie hat an Aktualität nichts eingebüsst, auch wenn die Regierung und möglicherweise eine grössere Anzahl Ratsmitglieder das noch nicht so sehen. Wenn Sie nun meinen, nach der Ablehnung einer ähnlichen Vorlage im Kanton Thurgau und aufgrund der neuesten Entwicklung unserer Kantonsfinanzen sei das Geschäft gegenstandslos, dann machen Sie Ihre politischen Hausaufgaben nicht und denken zu kurz.

Wir haben in den letzten zehn Jahren sechs Nachträge zum Steuergesetz beschlossen. Was haben wir damit erreicht? Viele kleine Geschenke an die Wählerinnen und Wähler: an die Familien, an die Unternehmen, an die Hauseigentümer, an die Armen, an die Reichen, an die Jungen, an die Alten. Kleine Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft und vielleicht auch die Wählerschaft. Aber auch der einfache Stimmbürger hat es bereits bemerkt: Es ist komplizierter geworden, die Steuererklärung auszufüllen; immer mehr Steuerpflichtige zahlen gar keine Steuern mehr – bald ein Drittel. Und es sind mehr oder weniger diejenigen, die keine oder fast keine Steuern bezahlen, die dann auch von den Leistungen des Staates, von Prämienverbilligungen, Stipendien, Krippensubventionen usw. profitieren. Ich habe nichts gegen diese Unterstützungen. Wenn aber ein so grosser Teil der Bevölkerung vom Staat nur noch konsumiert, ohne zu bezahlen, und der andere kleine Teil alles finanziert – über progressive Steuern, Krankenkassenprämien, einkommensabhängige Beiträge zur Kinderbetreuung, Liegenschaftssteuern und -abgaben usw. –, dann stimmt etwas an unserem System nicht mehr. Zu guter Letzt haben uns alle sechs Steuergesetzrevisionen im Vergleich zu den umliegenden Kantonen nicht weitergebracht: Der Kanton St.Gallen hinkt auch nach den vielen Bonbons der letzten Steuergesetzrevisionen in den Steuern für natürliche Personen immer noch deutlich hinter den umliegenden Kantonen her, und gesamtschweizerisch dümpelt er im letzten Drittel. Das sind Gründe genug, für einmal unser kantonales Steuersystem grundsätzlich zu überdenken und zu verbessern. Gerade weil der Kanton Thurgau eine solche Vorlage abgelehnt und damit eine grosse Chance verpasst hat, sollen Sie etwas mehr Mut und Weitsicht beweisen und die Regierung mit einer Gutheissung der Motion zum Denken und Handeln anstossen. Denn wenn die Regierung in ihrer Antwort «keinen sachlichen Grund zu erkennen vermag, eine Flat Rate Tax als vorzuschlagen», will sie zum vornherein nicht. Und der Kantonsrat scheint das, obwohl politisch anders zusammengesetzt als die Regierung, einfach zu schlucken – das schrieb «Die Südostschweiz» in der Ausgabe vom 2. August 2009.

Alle Parteien wollen ja den Mittelstand entlasten. Die Frage ist nur: Was ist der Mittelstand? Dazu empfehle ich Ihnen die Lektüre der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 22. Februar 2010. Dieser entnehmen Sie – zwar auf die Stadt Zürich bezogen, aber im Kanton St.Gallen sieht das nicht viel anders aus –, dass nur 9 Prozent der Steuerpflichtigen ein steuerbares Einkommen von über 120'000 Franken versteuern. 66 Prozent verfügen über ein steuerbares Einkommen von weniger als 60'000 Franken. Diejenigen mit einem steuerbaren Einkommen von mehr als 120'000 Franken erhalten keine Subventionen für Kinderkrippen mehr – umgekehrt formuliert: Diejenigen mit einem steuerbaren Einkommen unter 120'000 Franken erhalten diese Subventionen. Etwa ein Sechstel der Steuerpflichtigen versteuert mehr als 90'000 Franken steuerbares Einkommen, und dieser Sechstel kommt für etwa 50 Prozent der Steuererträge auf. Praktisch für jede Fraktion in diesem Rat gibt es gute parteipolitische Gründe, meiner Motion zuzustimmen:

  • Der Linken empfehle ich den Artikel im «Tages-Anzeiger» vom 27. Juli 2009 zu lesen: Der sicher nicht bürgerliche «Tages-Anzeiger» schreibt dort, dass die Flat Rate Tax für Familien mit tieferen und mittleren Einkommen auch ein Segen sein könne, entscheidend seien die Sozialabzüge.

  • Die SVP-Fraktion erinnere ich an ihren «Vertrag mit dem Volk» und an ihr Wahlprogramm. Dort schreiben Sie: «Leistung muss sich wieder lohnen» und «Dafür setzt sich die SVP mit Realitätssinn und Rückgrat ein». Ich hoffe, Sie beweisen das heute auch. Und schliesslich hat der Finanzfachmann der SVP, Nationalrat Hans Kaufmann, einen Aufsatz mit dem Titel «Die Flat Tax: die gerechtere Steuer» geschrieben.

  • Ich weiss, dass ich auch in meiner eigenen Fraktion in der Minderheit bin oder mindestens war. Aber gerade für die FDP-Fraktion gibt es reihenweise Gründe, der Motion zuzustimmen: ein einfacheres, transparentes Steuersystem, die «Easy Swiss Tax». Nichts weniger als die «europaweit einfachste Besteuerung von Bürgerinnen und Bürgern» ist die zentrale Forderung, eines der drei Kernthemen der FDP.

  • Für die CVP-Fraktion wird es zugegebenermassen etwas schwieriger, da alle Nachträge zum Steuergesetz aus der Feder ihrer Finanzchefs stammen. Aber auch ihr Parteiprogramm will eine mittelstandsfreundliche Steuerpolitik und eine Reduktion der bürokratischen Lasten. Immerhin äusserte sich Ständerat Philipp Stähelin, ehemaliger Parteipräsident der CVP Schweiz, zur Vorlage im Kanton Thurgau im «Tagblatt» vom 30. Juni 2009 mit den klaren Worten: «Ich unterstütze die Flat Rate Tax. Ich bin sehr dafür.»

  • Die Wirtschaftsgruppe dieses Kantonsrates hat als Massnahmen zur Umsetzung ihrer steuerpolitischen Ziele die Senkung der Steuerbelastung für mittlere und höhere Einkommen und die Vereinfachung des Steuersystems im Sinne einer Flat Rate Tax zum Legislaturziel der Wirtschaftsgruppe gemacht. Die Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell (IHK) und der Gewerbeverband fordern eine grundlegende Revision des st.gallischen Einkommenssteuersystems. Meine Motion zielt genau in diese Richtung.

Es gibt also für alle Fraktionen und auch Gruppierungen Gründe, meiner Motion zuzustimmen. Kein Grund, die Motion abzulehnen, ist die Finanzlage: Wie viele Steuereinnahmen in Zukunft fliessen werden, hängt einzig und allein vom Steuersatz ab, und dieser ist nicht Gegenstand meiner Motion. Das Beispiel des Kantons Thurgau habe ich gewählt, weil es zeigt, dass in unmittelbarer Nachbarschaft ein solches neues System politisch immerhin im dortigen Grossen Rat erfolgreich verabschiedet worden ist. Ich fordere nicht, dass die Regierung genau dieses System übernimmt, aber es ist wichtig, dass sie sich damit befasst. Ich bin bereit, dem Antrag Richle-St.Gallen zuzustimmen und damit den Verweis auf den Kanton Thurgau zu streichen. Ich traue dem Vorsteher des Finanzdepartementes und dessen Steuerverwaltung durchaus zu, dass sie eine gute Lösung für den Kanton St.Gallen finden werden. Der Zeitpunkt ist heute richtig: für einen Aufbruch unseres Kantons, für etwas Mut und v.a. für Gestaltungswille! Wir haben es nötig, dass sich der Kanton St.Gallen auch in der Steuerpolitik bewegt.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
24.2.2010Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010