Geschäft: Änderung des Ausländergesetzes: Mehr Verbindlichkeit und Durchsetzung des geltenden Rechts bei Integration, Sozialhilfe, Schulpflichten und strafrechtlichen Massnahmen

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer41.15.02
TitelÄnderung des Ausländergesetzes: Mehr Verbindlichkeit und Durchsetzung des geltenden Rechts bei Integration, Sozialhilfe, Schulpflichten und strafrechtlichen Massnahmen
ArtKR Standesbegehren
ThemaGrundlagen und Organisation
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung14.9.2015
Abschluss1.3.2016
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
AntragAntrag der Regierung vom 10. November 2015
VorstossWortlaut vom 14. September 2015
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
1.3.2016Gutheissung80Zustimmung23Ablehnung17
1.3.2016Eintreten76Zustimmung21Ablehnung23
Statements
DatumTypWortlautSession
1.3.2016Wortmeldung

Ich möchte nur noch ganz kurz etwas ergänzen. Haag-St.Gallen hat bereits vieles ausgeführt zur Frage, ob ein solches Standesbegehren aufgrund des bereits fortgeschrittenen Gesetzgebungsprozesses überhaupt noch notwendig erscheint. Ich möchte anfügen, dass es auch so ist, dass man jetzt auch mit der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative einen grossen Teil dieses Anliegens des Standesbegehrens bereits aufgenommen hat. Ich möchte wirklich deutlich darauf hinweisen, dass in erster Linie unser Sanktionssystem nicht das ausländerrechtliche ist, sondern das strafrechtliche, und dass wer straffällig wird in unserem Staat auch bestraft wird. Ich glaube, wir haben jetzt auf Bundesebene mit der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative eine sehr harte Gesetzgebung für Leute die straffällig werden im Bereich des Ausländerrechtes.

Ebenfalls möchte ich darauf hinweisen: Zur Frage der Sozialhilfeabhängigkeit gibt es einlässliche Rechtsprechungen des Bundesgerichtes, bis wo ungefähr diese Grenze liegt. Aber Sie werden kaum je ein Gesetz machen können, welches hier wirklich eine Obergrenze festlegt, weil es wichtig ist, dass die Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden können. Die Gründe für die Sozialhilfeabhängigkeit sind die ganzen familiären Verhältnisse einer Person in der Schweiz, hier muss es eine Verhältnismässigkeitsprüfung geben und hier wird es sehr schwierig sein Obergrenzen festzusetzen. Dies insbesondere auch deshalb, weil es immer wieder auch Leuten gelingt, wenn das Verfahren bereits angelaufen ist ihre Sozialhilfeschulden abzubauen und es dann vielleicht doch nicht mehr als verhältnismässig erscheint einen Widerruf einer Aufenthalts- oder einer Niederlassungsbewilligung zu veranlassen.

Ich denke, wir werden kaum eine wirkliche Regelung in diesem Bereich erreichen, aber andererseits ist dieser Gesetzgebungsprozess weit fortgeschritten. Ich denke, es ist hier nicht nötig ein Standesbegehren einzureichen.

Session des Kantonsrates vom 29. Februar bis 2. März 2016, ausserordentliche Session vom 3. März 2016
1.3.2016Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Der Vorstoss möchte, dass Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen an Nicht-EU/EFTA-Staatsangehörige nur erteilt und verlängert werden, wenn eine verbindlich abzuschliessende lntegrationsvereinbarung mit klar messbaren Kriterien eingehalten wird. Der Vorstoss möchte zudem die Konsequenzen aus fortgeführter, wiederholter Verweigerung der lntegrationsbemühungen und Missachtung der schulischen Pflichten von Erziehungspersonen gemäss kantonaler Schulgesetzgebung regeln. Weiter möchte der Vorstoss, dass – gestützt auf das Ausländergesetz – ein Widerruf zulässig ist, wenn der Ausländer oder eine Person, für die er zu sorgen hat, dauerhaft und in erheblichem Ausmass auf Sozialhilfe angewiesen ist. Gemäss Standesbegehren soll all dies mittels expliziter Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer erfolgen.

Dieses Standesbegehren ist auch auf Bundesebene legitim. Werfen wir einen Blick in die Bundesverordnung über die lntegration von Ausländerinnen und Ausländern. lch zitiere daraus den Art. 5 lntegrationsvereinbarung: «Bei der Erteilung oder Verlängerung der Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung können die zuständigen Behörden mit Ausländern lntegrationsvereinbarungen abschliessen. Die lntegrationsvereinbarung hält nach Prüfung des Einzelfalles die Ziele, die vereinbarten Massnahmen sowie die möglichen Folgen im Falle einer Nichterfüllung fest.» Soweit der Auszug aus der Bundesverordnung – soweit so gut. Der Haken an der ganzen Sache ist, dass aufgrund der Personenfreizügigkeit solche Regelungen nur für Nicht-EU/EFTA-Staatsangehörige möglich sind. Das gegenständliche Standesbegehren geht in die richtige Richtung, ob der Weg zielführend ist, wird sich zeigen.

Die SVP-Fraktion unterstützt dieses Standesbegehren, obwohl es sich nur auf Nicht-EU/EFTA-Staatsangehörige bezieht bzw. wegen der Personenfreizügigkeit beziehen kann. Die zunehmende Bevorteilung von EU/EFTA-Staatsangehörigen gegenüber Nicht-EU/EFTA-Staatsangehörigen wird mit diesem Standesbegehren also zementiert. Die SVP-Fraktion ist davon überzeugt, mit dem Standesbegehren erste Schritte zur Bewältigung teilweise fehlender lntegrationsbemühungen und teilweiser lntegrationsverweigerung gemacht werden können.

Wir empfehlen insofern Zustimmung zum aktuellen Standesbegehren, wobei im Sinne einer Gleichbehandlung aller Ausländer weitere Schritte folgen müssen.

Session des Kantonsrates vom 29. Februar bis 2. März 2016, ausserordentliche Session vom 3. März 2016
1.3.2016Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Gutheissung.

Session des Kantonsrates vom 29. Februar bis 2. März 2016, ausserordentliche Session vom 3. März 2016
1.3.2016Wortmeldung

(im Namen der CVP-EVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Auch wenn die Durchsetzungsinitiative beim Volk am vergangenen Wochenende durchgefallen ist und nun die Gesetzesbestimmungen der Ausschaffungsinitiative für kriminelle Ausländer zur Anwendung kommen, ist unser Standesbegehren «Änderung des Ausländergesetzes» nach wie vor nötig, denn es geht hier um wichtige Anpassungen beim Ausländergesetz.

Bereits in der Septembersession 2008 hat dieser Rat eine Motion zur Präzisierung des Ausländergesetzes mit dem Titel «Integration verlangt Anpassung» überwiesen. Die Regierung hat damals betont, eine Standesinitiative sei nicht nötig, da die Revision des Ausländergesetzes in diese Richtung bereits angestossen sei. Heute – acht Jahre später –, sind wir noch nicht viel weiter. Der politische Prozess ist mittlerweile am Laufen. Es ist zu erwarten, dass nach verschiedenen Anläufen und einer mittlerweile abgeschlossenen Vernehmlassung das Thema Ausländergesetz wieder auf die nationale politische Bühne kommt.

Für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung gilt nach wie vor ein weitgehender Automatismus. Eine Erteilung oder Verweigerung von Niederlassungsbewilligungen berücksichtigt aktive lntegrationsbemühungen, wie das Erlernen der Landessprache oder die Teilnahme am gesellschaftlichen und sozialen Leben, grundsätzlich nicht. Eine Rückstufung einer einmal erteilten Niederlassungsbewilligung in eine Jahresaufenthaltsbewilligung ist bis heute nicht möglich. Dies selbst dann nicht, wenn die ausländische Person die gesetzlichen Integrationsverpflichtungen missachtet.

Eine entsprechende Vorlage zur Änderung des Ausländergesetzes wurde vom Bundesrat verabschiedet und steht nun zur Diskussion. Dies ist auch aus unserer Sicht grundsätzlich positiv zu werten. Die zuständigen kantonalen Behörden warten jedoch dringendst auf die notwendigen gesetzlichen Präzisierungen und praxistauglichen Kriterienanwendungen, dies wurde auch von unserem Amt für Migration öffentlich kund getan.

Verschiedene Fälle haben in der Öffentlichkeit zu einem grossen Unmut geführt und den Behörden die Grenzen für eine konsequente Umsetzung bei integrationsunwilligen Personen klar aufgezeigt. Eine in der Schweiz niedergelassene Person kann sich vieles erlauben – zu vieles nach unserer Meinung. Fälle, bei denen gesetzliche Vorgaben nicht befolgt werden, die Pflichten im sozialen und gesellschaftlichen Bereich bewusst missachtet und jegliche Kooperation mit den zuständigen Stellen verweigert werden, sind nicht selten. Zum Unmut der Behörden und zum Unverständnis auch der integrationswilligen Ausländer. Wir müssen die grosse Menge der gut integrierten Ausländer aus der öffentlichen Diskussion nehmen.

Die Anwesenheit von Ausländerinnen und Ausländern setzt beidseitig Integrationsbemühungen voraus. Der Grundsatz «Fordern und Fördern» hat Erfolg, wenn bei einer Missachtung der Pflichten, einer willkürlichen Schädigung unseres Rechtssystems oder strafrechtliche Verfehlungen die entsprechenden Sanktionen erfolgen können. Gestützt auf das Ausländergesetz sollen Ausländerinnen und Ausländer, welche dauerhaft oder in einem erheblichen Ausmass auf Sozialhilfe angewiesen sind, künftig der Aufenthalt widerrufen werden können. Irgendwann sollte ein Deckel gesetzt werden können. Ein Widerruf der Niederlassungs- oder der Aufenthaltsbewilligung ist eine wirksame Sanktion, welche auch präventiven Charakter hat. Für eine rechtmässige Umsetzung müssen die Gründe und Schwellenwerte jedoch konkretisiert und auf Bundesebene einheitlich geregelt werden.

Die Forderungen in unserem Standesbegehren sind nur teilweise in der geplanten Änderung des Ausländergesetzes enthalten. Zudem wollen wir nicht einfach nur offene politische Türen einrennen. Wir fordern klar eine Verschärfung der Widerrufskriterien und mit Nachdruck eine rasche Revision des Ausländergesetzes mit präzisen Vorgaben. Die Situation und der grosse spürbare Missmut in der Bevölkerung verlangen auch von unserer Seite entschiedenes Handeln mit rechtlichen Handlungsmöglichkeiten.

Wir danken der Regierung, dass sie bereits beschlossen hat, dieses Standesbegehren gutzuheissen.

Session des Kantonsrates vom 29. Februar bis 2. März 2016, ausserordentliche Session vom 3. März 2016
1.3.2016Wortmeldung

Regierungsrat: Integration ist ein Thema, das nicht ganz neu ist. Wenn Ammann-Rüthi sagt, man habe da nie etwas gemacht, so ist das nicht ganz zutreffend. Im neuen Ausländergesetz, welches wir seit dem 1. Januar 2008 haben, wurde die Integration zum ersten Mal erkannt. Vorher hat sich die Gesellschaft tatsächlich kaum um dieses Thema gekümmert. Man ist davon ausgegangen, dass Integration einfach funktioniert, ohne dass sich der Staat da engagiert. Und da hat jetzt in der Zwischenzeit ein Umdenken stattgefunden, auch die Erkenntnis ist gereift, dass es nicht ausreichend ist, für eine gelingende und gelungene Integration einfach Sprachkurse anzubieten, sondern dass der Staat sowie die Beteiligten noch etwas mehr machen müssen.

Der Bund hat daher nun eine Vorlage in die Vernehmlassung geschickt und die wird jetzt dann wohl dem Rat zugeleitet, welche die wesentlichen Elemente dieser Standesinitiative tatsächlich aufnimmt. Man kann sich mit Fug und Recht fragen, soll man jetzt diese Standesinitiative machen oder nicht. Die Regierung war der Auffassung, da dieses Thema aktuell eine derartige Bedeutung hat und der Prozess in Bern ja noch nicht abgeschlossen ist, dass es Sinn macht, das jetzt noch einmal zu bekräftigen, was die Regierung bereits im Vernehmlassungsverfahren gesagt hat.

Mit dieser neuen Vorlage soll zum einen der Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende erleichtert wird, Integration findet immer noch in erster Linie am Arbeitsplatz und in den Schulen statt, und wenn dieser Schritt möglichst bald vollzogen werden kann, ist das wohl der wirkungsvollste Beitrag zu einer gelungenen Integration. Weiter soll es möglich werden, eine Niederlassungsbewilligung zurückzustufen in eine Jahresaufenthaltsbewilligung. Das erleichtert den Migrationsbehörden einzuschreiten, wenn vielleicht ein Einschreiten nahe liegt, aber aufgrund der gesetzlichen Vorgaben im Moment nicht möglich ist. Das kann man durchaus auch als letzte Warnung, als rote Karte gegenüber einer Ausländerin bzw. eines Ausländers in der Schweiz, welcher sich wenig um Integration kümmert oder anderweitig negativ auffällt verstehen. Heute besteht nur die Möglichkeit des Widerrufs, also eine ganz harte Massnahme und die Rückstufung ist nicht möglich. Im Sinne der Verhältnismässigkeit ist es richtig, wenn diese Möglichkeit neu geschaffen wird. Weiter sollen auch die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungsbewilligungen etwas spezifiziert werden. Es soll ein Katalog von Integrationsvoraussetzungen im Gesetz erwähnt werden, welche erfüllt sein müssen, damit jemand die Niederlassungsbewilligung erhält. Da ist zum einen die Rede von Sicherheit und Ordnung, dann auch von Wahrung der Einhaltung der grundlegenden Werte unserer Bundesverfassung und vor allem die Sprachkompetenzen und auch eine gelungene Integration ins Wirtschaftsleben. Was auf diesem Wege nicht möglich ist, ist diese Bestimmungen auszubauen in Richtung EU/EFTA. Das Freizügigkeitsabkommen verbietet es, in diesem Bereich ebenfalls Vorgaben an die Integration zu machen. Wenn man das machen wollte, müsste man mit der EU über Änderungen des Freizügigkeitsabkommens diskutieren oder dieses künden, was ja Einige vielleicht auch wollen – das ist nicht Bestandteil dieser Standesinitiative. Mit dieser Standesinitiative bekräftigen Sie das, was die Regierung bereits im Rahmen der Vernehmlassung geäussert hat.

Session des Kantonsrates vom 29. Februar bis 2. März 2016, ausserordentliche Session vom 3. März 2016
1.3.2016Wortmeldung

Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Mit der vorliegenden Begründung zeigt die Regierung auf, dass die beabsichtigten Anliegen bereits aufgenommen und von der Regierung in der Stellungnahme vom Mai 2015 zum Entwurf der Integrationsvorlage nochmals bestätigt wurden. Ein laufender Prozess wird durch zusätzliche Vorstösse höchstens verlangsamt. Wenn Gesetzeslücken bestehen, sollen sie behoben werden, allerdings kann man auch mit ausgeklügelten Gesetzen nicht jede individuelle Situation regulieren. Benutzen wir das Instrument der Standesinitiative für Anliegen, die angepackt werden sollen und nicht für Gesetze, die bereits im Sinne des Begehrens unterwegs sind.

Session des Kantonsrates vom 29. Februar bis 2. März 2016, ausserordentliche Session vom 3. März 2016