Geschäft: Notwendigkeit eines Neubeginns in der Asylpolitik

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer41.15.04
TitelNotwendigkeit eines Neubeginns in der Asylpolitik
ArtKR Standesbegehren
ThemaGrundlagen und Organisation
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung15.9.2015
Abschluss1.3.2016
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 15. September 2015
AntragAntrag der Regierung vom 10. November 2015
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Person27.6.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
1.3.2016Eintreten26Zustimmung72Ablehnung22
Statements
DatumTypWortlautSession
1.3.2016Wortmeldung

Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Datiert vom September 2015 hat die Wirklichkeit diesen Vorstoss überholt.

Egger-Berneck hat sich dagegen verwahrt von Botschaftsasyl zu sprechen, ich spreche trotzdem davon. Grundsätzlich könnten wir ja erfreut sein, dass wir in einem gewissem Sinn – aber eben nur in gewissem Sinn – das Botschaftsasyl wieder einführen möchte. Im Juni 2013 hat es die Stimmbevölkerung in der Referendumsabstimmung zur 2. Asylgesetzrevision nämlich abgeschafft. Seither sind sichere Fluchtwege und damit das Ausboten der Schlepperindustrie unmöglich geworden.

FDP-Nationalrat Kurt Flury schlug nach tausenden von Ertrunkenen im Mittelmeer bereits im Herbst 2013 die Wiedereinführung des Botschaftsasyls in Zusammenarbeit mit Europa öffentlich vor und wurde vom bürgerlichen Lager nicht unterstützt.

Letztes Jahre und viele Tausend Ertrunkene später gewann diese Idee des Nationalrates wieder an Speed – und drang trotzdem in der staatswirtschaftlichen Kommission nicht durch. Diese wollte nämliche das Botschaftsasyl nur gekoppelt an Auffanglager in Nordafrika verwirklichen, siehe Vorstoss Egger-Berneck.

Der Vorstoss Egger-Berneck möchte aber auch ganz allgemein die Asylwürdigkeit auf Menschen aus Konfliktgebieten beschränken und Asylbewerber sowie gänzlich von unserem Land fernhalten. Das ist natürlich nicht praktikabel und wir wären keinesfalls ein Vorbild für andere Länder. Hingegen schlage ich Egger-Berneck vor, seine Partei dazu zu animieren, die Bemühungen der zuständigen Bundesrätin zu unterstützen, unser Asylwesen zu reformieren und in Zusammenarbeit mit dem Parlament und europäischen Staaten sichere Fluchtwege schaffen.

Ganz bestimmt ist man nicht untätig in Bern. Sie habe das schon einmal gehört in einer emotionsgeladenen Antwort von Bundesrätin Sommaruga, aber einen Neubeginn im Asylwesen zu lancieren, dazu taugt diese Standesinitiative nicht. 

Session des Kantonsrates vom 29. Februar bis 2. März 2016, ausserordentliche Session vom 3. März 2016
1.3.2016Wortmeldung

Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Ich bedaure, dass die Regierung in ihrer Stellungnahme nicht auf den Vorschlag für einen Neubeginn in der Asylpolitik eingeht. Sie weist lediglich auf die aktuelle Revision des Asylgesetzes hin und meint, dass damit der geforderte Neubeginn in der Asylpolitik aufgegleist sei. Das ist aber keineswegs so, sondern die Revision sieht nur eine Beschleunigung der Verfahren vor, die überhaupt nichts an der Tatsache ändert, dass weiterhin Tausende von Personen Asylgesuche stellen, die keinerlei Chancen haben, als Flüchtlinge anerkannt zu werden.

Mein Vorschlag hat auch nichts mit der Wiedereinführung des sogenannten Botschaftsasyls zu tun, wie in der Antwort der Regierung erwähnt wird. Dieses wurde zu Recht abgeschafft, weil es vor allem privilegierte Personen waren, die davon profitiert haben. Ein mittelloser Flüchtling hat meistens keine Chance, sich einer Schweizer Botschaft zu nähern, geschweige denn, dort für ein Gespräch empfangen zu werden. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass die meisten Länder diese Möglichkeit bereits abgeschafft hatten, bevor diese die Schweiz auch getan hat.

Es geht bei diesem Standesbegehren um etwas anderes, nämlich dass Asylgesuche grundsätzlich in den von Konflikten betroffenen Ländern oder in deren Nachbarländern gestellt werden müssen und nicht mehr direkt in der Schweiz. Vertreter des Staatssekretariats für Migration, in Zusammenarbeit mit dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge prüfen die Gesuche direkt vor Ort. Nur solche Asylbewerber, deren Gesuch positiv entschieden werden, können in die Schweiz ausreisen. Bereits heute wird diese Methode für die sogenannten Kontingentsflüchtlinge aus Syrien angewendet und sie funktioniert. Die Anträge werden von Personen gestellt, die in die Nachbarländer, allen voran in die Türkei geflüchtet sind und sie werden dort auch geprüft und entschieden. Damit müssen sie sich nicht in die Hände der Schlepper begeben und diesen viel Geld für eine gefahrvolle Reise nach Europa bezahlen. Mit diesem System würde das Asylwesen entlastet denn heute müssen mit grossem Aufwand in der Schweiz die berechtigten von den unberechtigten Gesuchen getrennt werden, was die Verfahren für alle Gesuchsteller in die Länge zieht. Auch würden die Kosten sinken, da nur noch wirklich schutzbedürftige Personen aufgenommen werden. Die eingesparten Mittel könnten in den betroffenen Gebieten viel effizienter eingesetzt werden, was wiederum dazu beitragen würde, dass weniger Personen aus wirtschaftlichen Gründen ihre Länder verlassen werde.

Ich habe das Standesbegehren am 15. September eingereicht, zu einem Zeitpunkt, als die grossen Migrationsströmen Richtung Europa angefangen haben. Und auch dieses Jahr werden wir hier keine Verbesserung verspüren, ich denke im Gegenteil.

Aufgrund dieser Fakten und der Zurückhaltung bzw. Weigerung einiger EU-Länder, Asylbewerber aufzunehmen ist ein grundsätzlicher Neubeginn der Asylpolitik notwendig und dringend. Somit ist es auch nicht überraschend, dass auch die EU neue Wege sucht, um die Problematik wieder in den Griff zu bekommen. Bereits gibt es Überlegungen, sogenannte Hotspots ausserhalb Europas zu schaffen, wo die Asylgesuche geprüft werden. Mit anderen Worten: Die EU sucht Alternativen zum heutigen System, das nicht mehr funktioniert, weil jeder Staat für sich selber schaut.

Aus diesem Grund täte die Schweiz gut daran, auf Initiative des Kantons St.Gallen neue konstruktive Lösungen zu prüfen, die den Menschen auf der Flucht helfen, anstatt die schmutzigen Geschäfte der Schlepperorganisationen zu fördern.

Session des Kantonsrates vom 29. Februar bis 2. März 2016, ausserordentliche Session vom 3. März 2016
1.3.2016Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf das Standesbegehren.

Session des Kantonsrates vom 29. Februar bis 2. März 2016, ausserordentliche Session vom 3. März 2016
1.3.2016Wortmeldung

Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Die lange Führung im Asylwesen und die hohe Attraktivität der Schweiz für Scheinflüchtlinge haben dazu geführt, dass die Asylgesuche in den letzten Jahren massiv zugenommen haben. Die Schweiz gehört weltweit zu den Ländern mit den meisten Gesuchen je Einwohner; und die Situation spitzt sich zu. lmmer mehr lllegale und Wirtschaftsmigranten gelangen durch Schlepper in die Schweiz, obwohl sie nicht an Leib und Leben bedroht sind. Die Kosten im Asylbereich explodieren. Die belastenden Folgen in verschiedensten Bereichen trägt die Allgemeinheit. Vorerst vorwiegend der Bund, längerfristig die Gemeinden. Die einheimische Bevölkerung ist zunehmend verunsichert.

Die Schweiz hat eine lange Tradition der Aufnahme von Flüchtlingen, die an Leib und Leben bedroht sind. Diese Asyltradition wird jedoch untergraben, wenn jeder, der in die Schweiz kommt, auch hier bleiben darf, egal ob er Anspruch auf Asyl hat oder einfach ein besseres Leben sucht. Genau das geschieht seit einiger Zeit und führt je länger je mehr zu Unmut, Unfrieden und Spannungen im Land. Über die offenen Grenzen gelangen zunehmend Personen in die Schweiz, welche in erster Linie von den hohen Sozialleistungen, der guten Sicherheitslage und der ausgezeichneten medizinischen Versorgung profitieren möchten. Die Sogwirkung dieser verfehlten Politik ist enorm. Die Folgen sind zunehmend untragbar:

  • Zwei Drittel aller Asylsuchenden werden als Flüchtlinge anerkannt oder werden vorläufig aufgenommen (2013 war es noch nicht einmal 1/3). Dies, obwohl sich die Situation in den wichtigsten Herkunftsländern kaum verändert hat.

  • Die meisten Asylsuchenden stammen aktuell aus Eritrea, Afghanistan, Syrien, lrak, Sri Lanka, Somalia, Nigeria, Gambia, lran und Äthiopien. Von all diesen Ländern figurieren Eritrea, Sri Lanka, Gambia und lran nicht mal auf der Liste der Krisengebiete des weltweit zweitgrössten Rückversicherers Swiss Re. Und auf diese Liste kommt man relativ schnell; gar Bangladesch, lsrael und Kenia sind auf dieser Liste aufgeführt. Viele Asylsuchende kommen also nicht aus Krisen- oder Kriegsgebieten wie beispielsweise Syrien, wie häufig behauptet wird.

  • Die Schweiz hat in den letzten 30 Jahren im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viele Gesuche verzeichnet und war damit wesentlich stärker belastet mit Asylsuchenden als die meisten europäischen Staaten.

  • Die Kosten der Asyl- und Entwicklungshilfeindustrie sind inzwischen auf rund 6 Mrd. Franken angewachsen.

  • Davon sind je länger, je mehr auch die Gemeinden betroffen, welche bereits nach wenigen Jahren die vollen Kosten – insbesondere der Sozialhilfe – zu tragen haben.

  • Es gibt viel zu viele Missbräuche: Während Personen im Asylbereich rund 0,6 Prozent der Bevölkerung ausmachen, wurden im letzten Jahr 4 Prozent aller Verstösse gegen das Strafgesetzbuch von ihnen verübt.

Ein Neubeginn in der Asylpolitik drängt sich geradezu auf, vor allem, wenn man sich die völlig missratene Asylgesetzrevision vor Augen führt.  

Session des Kantonsrates vom 29. Februar bis 2. März 2016, ausserordentliche Session vom 3. März 2016
1.3.2016Wortmeldung

Regierungsrat: Wenn ich jetzt auf all die Argumente, die in dieser Debatte jetzt auf all die Argumente, die in dieser Debatte angestossen wurden, eingehen wollte, dann müssten wir diese Session wahrscheinlich verlängern. Das ganze Asylwesen ist ein hoch komplexer Prozess, das ist einzuräumen. Es trifft aber nicht zu, dass die Schweiz in diesem Thema nichts macht. Die Schweiz hat in den letzten vier Jahren zwei Asylkonferenzen durchgeführt, an diesen Asylkonferenzen waren sämtliche Sicherheits- und Sozialdirektorinnen und -direktoren der Schweiz anwesend. Unter diesen Sozial- und Sicherheitsdirektorinnen und -direktoren hat es auch relativ viele Mitglieder der SVP, und diese zwei Konferenzen haben zwei Mal einstimmig beschlossen, diesen nun eingeschlagenen Weg der Asylgesetzrevision einzuschreiten und dafür zu sorgen, dass unsere Verfahren endlich schneller abgewickelt werden und dazu sind gewisse Investitionen nötig und auch das Verfahren muss so ausgestaltet werden, dass es trotzdem fair bleibt.

Die ganze Welt schaut auf diese Revision, wir erhalten Besuche aus Deutschland und aus ganz Europa, welche sich über diese Revision orientieren wollen, weil das ein Weg scheint in diesem komplexen System, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die verfolgt sind, möglichst bald Schutz erhalten, und dass diejenigen, welche diesen Schutz nicht nötig haben im Sinne unserer Gesetzgebung, die Schweiz möglichst bald wieder verlassen müssen. Einhellig und einstimmig haben alle verantwortlichen Regierungsmitglieder der Schweiz das zwei Mal bestätigt.

Die SVP-Fraktion ergreift nun das Referendum gegen diese Vorlage, behauptet das sei alles falsch und man müsse alles ganz anders machen. Es wird jetzt behauptet, dass das was die Schweiz in den letzten Jahren gemacht hat nicht wirkt. Es wird darauf verwiesen, 2013 habe die Bleibequote, also anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene noch einen Drittel betragen und jetzt seien es bereits zwei Drittel. Das wird als Beweis für die Wirkungslosigkeit der Massnahme, welche die Schweiz getroffen hat, aufgeführt.

Genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn zwei Drittel die strengen Voraussetzungen unseres Asylgesetzes erfüllen, hier bleiben zu dürfen, dann heisst das, dass die Richtigen kommen, und dass die Mär, dass in erster Linie Wirtschaftsflüchtlinge oder Armutsflüchtlinge, wie man besser sagen würde, in die Schweiz kommen, unzutreffend ist. All die Massnahmen, die greifen offensichtlich. Es ist nicht so, dass da jetzt einfach die Gerichte ihre Rechtsprechung angepasst haben und deshalb mehr Menschen hier bleiben können, sondern die Gesetzgebung ist immer noch dieselbe. Wenn man etwas machen will, dann muss man dafür sorgen, dass diese Asylgesetzrevision wirklich auch rechtskräftig wird und umgesetzt werden kann.

Die Grundidee von Egger-Berneck, dass wir eine Gelegenheit schaffen, dass man auch in den Herkunftsländern ein Asylgesuch stellen kann, die unterstütze ich, und es wäre auf diesem Weg auch tatsächlich möglich, dieses unwürdige Schlepperwesen zu umgehen und dafür zu sorgen, dass die Fluchtwege sicher werden. Das ist erbärmlich, dass wir in der Schweiz zwar jenen, die es schaffen bis zu uns kommen Asyl gewähren, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, es aber irgendwie in Kauf nehmen, dass ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil auf dem Fluchtweg, auf dem Mittelmeer, ihr Leben lassen müssen. Das ist ansich ein absolut inhumaner Zustand, der korrigiert werden muss.

Ich bin mir aber nicht so sicher, Egger-Berneck, wenn jetzt die Schweiz in Syrien sagen würde: «Wir Schweizer geben euch die Gelegenheit bei uns ein Asylgesuch zu stellen, wenn ihr verfolgt seid, könnt ihr in die Schweiz kommen – wir als einziges Land der Welt. In Syrien sind, glaube ich, im Moment 10 Millionen Asylsuchende im Land selber auf der Flucht, und wenn die alle bei Ihren Beamten ein Asylgesuch stellen,würden? Das diese verfolgt sind, das ist ja im Moment keine grosse Diskussion, ich weiss nicht, ob dieser Ansatz funktionieren kann, dass wäre etwas, das man gesamteuropäisch wahrscheinlich organisieren müsste. Ich bitte Sie, sich für die Revision des Asylgesetzes einzusetzen, wenn Sie in diesem Thema etwas wollen. Ich habe nichts dagegen und würde es sogar begrüssen, wenn die EU zusammen mit allen europäischen Staaten Möglichkeiten schafft, auch die Gelegenheit zu geben, ein Gesuch in den Herkunftsländern stellen zu können.

Session des Kantonsrates vom 29. Februar bis 2. März 2016, ausserordentliche Session vom 3. März 2016
1.3.2016Wortmeldung

Zu Regierungsrat Fässler: Ich erfinde das nicht neu. Die USA hat bereits ein ähnliches System, die USA regiert bereits so und in den USA funktioniert dieses System. Warum kann nicht auch die Schweiz so etwas machen? Wir sind nicht die einzigen.

Session des Kantonsrates vom 29. Februar bis 2. März 2016, ausserordentliche Session vom 3. März 2016