Geschäft: Armutsbericht für den Kanton St.Gallen

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer43.18.03
TitelArmutsbericht für den Kanton St.Gallen
ArtKR Postulat
ThemaGesundheitspflege, Sozialversicherung, Sozialhilfe
FederführungDepartement des Innern
Eröffnung23.4.2018
Abschluss17.9.2018
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 23. April 2018
AntragAntrag der Regierung vom 15. Mai 2018
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
17.9.2018Eintreten29Zustimmung70Ablehnung21
Statements
DatumTypWortlautSession
17.9.2018Wortmeldung

(im Namen der CVP-GLP-Fraktion): Auf das Postulat ist nicht einzutreten.

Die Kantonsverwaltung erstellt eine Flut an Berichten zu Handen der Regierung und des Kantonsrates. Mit dem Armutsbericht soll ein weiterer Bericht folgen. Dies ist unnötig und zwar aus folgenden Gründen: Über die ehrliche Sozialhilfestatistik wird bereits heute umfassendes Zahlenmaterial erfasst und aufbereitet, d.h. der entsprechende Bericht liegt bereits vor. Die kantonalen Unterschiede in diesen Statistiken sind überschaubar. Das heisst, die Probleme können erkannt werden, ohne dass ein weiterer grosser Aufwand betrieben wird.

Zur Sozialhilfestatistik: Der Kanton St.Gallen verlangt bei der Sozialhilfestatistik eine Vollerhebung, d.h. jede Gemeinde ist verpflichtet, dass umfassendes Zahlenmaterial aufwändig aufbereitet wird. Dadurch sind sehr umfassende und fundierte Zahlen vorhanden, aber auch der Aufwand ist riesig. Es stellt sich diesbezüglich eher die Frage, ob dieser grosse Aufwand auch künftig betrieben werden soll. Eine fachlich korrekte Teilerhebung, wie es viele andere Kantone machen, würde zu gleichen Resultaten führen, d.h. statt Mehraufwand zu betreiben mit einem Armutsbericht, könnte hier Verwaltungsaufwand in der Breite stark reduziert werden.

Zur Vergleichbarkeit mit anderen Kantonen: In der Antwort der Regierung wird auf die Entwicklungen in andern Kantonen hingewiesen, und dass mehrere Kantone solche Berichte ausstellen. Im Wesentlichen geht es bei der Erstellung solcher Berichte darum, die Herausforderungen und notwendigen Massnahmen zur erkennen. Dafür können auch Berichte anderer Kantone beigezogen werden oder die umfassende Berichterstattung des Bundes. Die Unterschiede zwischen den Kantonen sind überschaubar. Ein separater Bericht ist schlichtweg nicht gerechtfertigt. Die Armutsrisiken sich unlängst bekannt und werden laufend unterstrichen durch Studien, Analysen, Expertisen, Forschungsarbeiten von Hochschulen, Fachorganisationen, soziale Institutionen usw. Ein zusätzlicher Armutsbericht ist überflüssig und brächte keine wesentlichen neuen Erkenntnisse.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018
17.9.2018Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf das Postulat ist nicht einzutreten.

Wie die Regierung bereits letztes Jahr in ihrer Antwort zur Interpellation zum gleichen Thema erwähnt hat, wurde im Rahmen der Botschaft vom 6. September 2016 zum IV. Nachtrag zum Sozialhilfegesetz eine umfassende Bestandesaufnahme über die offene Armut gemacht. Die Sozialhilfestatistik, die dazu als Basis herangezogen wurde zeigt, welches die Risikofaktoren für die Unterstützungsbedürftigkeit sind. Ebenso zeigte die Botschaft auf, wie vielfältig das private Engagement zur Bekämpfung von Armut ist. Neben den Kirchen, der Caritas, der Winterhilfe, dem roten Kreuz und Pro Juventute gibt es zahlreiche andere Organisationen, die sich dem Thema widmen und Hilfestellung leisten. Der Kanton leistet bei Armutsgefährdung Unterstützung mit Ergänzungsleistungen, Stipendien, Elternschaftsbeiträgen, Steuerfreiheit, individuelle Prämienverbilligungen usw. Die Studie von Ecoplan aus dem Jahr 2012 mit dem Titel «Verbesserung der sozialen Sicherheit von Familien», die der Kanton in Auftrag gegeben hat, behandelt das Thema ebenso ausführlich.

Ebenfalls der Armutsbekämpfung dient die Strategie frühe Förderung 2015 bis 2020. Sie enthält vielfältige Massnahmen auf kommunaler und kantonaler Ebene. Der Kanton unterstützt auch den Aufbau und die Weiterentwicklung von Familienzentren, in denen Familien niederschwellig Zugang zu relevanten Informationen von Beratungsstellen erhalten, um z.B. der Vererbbarkeit von Armut vorzubeugen und die Startchancen armutsbetroffener Kinder zu verbessern. Daneben unterstützt der Kanton diverse Angebote mit integrativem Charakter, die sich besonders an Migrantenfamilien richten. Auch die Strategie der Kinder- und Jugendpolitik hat Verbesserung zum Ziel vor allem in der ausserschulischen und niederschwelligen Jugendarbeit.

Das zeigt, der Kanton St.Gallen unternimmt bereits sehr viel, um die Armut direkt oder indirekt zu bekämpfen oder ihr vorzubeugen. Ein zusätzlicher Bericht darüber ist schlicht und einfach unnötig. Unter diesen Voraussetzungen sind wir sehr erstaunt, dass die Regierung Gutheissung des Postulats beantragt. Damit stellt sich die Frage des Mitteleinsatzes und insbesondere ob das Departement des Innern seine Prioritäten richtig setzt.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018
17.9.2018Wortmeldung

Eine Feststellung ist erlaubt: In der Schweiz stellen wir fest, dass die Einkommens- und Vermögensunterschiede ansteigen. Wenn Sie die Armutsberichte der Schweiz oder im Kanton St.Gallen gelesen haben, dann lässt sich festhalten: Armut ist eine Realität.

Wenn ich jetzt von Ihnen, z.B. von der CVP-GLP-Fraktion oder SVP-Fraktion höre, dass man keine Zahlen mehr möchte, auch keine Berichte darüber und keine Massnahmen dagegen, das gar nicht mehr hören will, was tatsächlich abläuft in verschiedenen Familien, dann finde ich das ausserordentlich bedauerlich, wenn nicht gar verwerflich.

Damit, dass Sie sich diesen Zahlen nicht mehr stellen, verhindern sich kein einziges Abgleiten in die Armut. Wenn Sie hingegen wissen, wie viel davon betroffen sind, insbesondere Kinder oder Familien, dann haben Sie wenigstens die Möglichkeit, mit einem christlichen Hintergrund Massnahmen zu ergreifen gegen Zustände, die in der Schweiz und im Kanton St.Gallen nicht akzeptierbar sind.

Ich bitte Sie auch zur Kenntnis zu nehmen, dass diese Realität der steigenden Unterschiede und der Armutsbetroffenen, dass diese eine soziale Unzufriedenheit auslösen werden. Heute Nachmittag hat jemand gesagt, dass wir das in Deutschland sehen. Wir sehen das auch in andern Ländern. Vielleicht ist man interessiert an dieser sozialen und politischen Unrast, die ausgelöst wird durch das Befinden weiter Teile der Bevölkerung, dass sie am Vorwärtskommen nicht teilhaben können, oder dass sie von Armut betroffen sind. Wenn Sie das wollen, dass müssen Sie Verweigerung betreiben, wie Sie das jetzt ausgeführt haben. Dann müssen Sie sagen, wir möchten keine Zahlen wissen wir möchten nicht wissen, wie viele Kinder in Armut aufwachsen. Das finde ich tatsächlich verwerflich. Wenn Sie dem gesellschaftlichen Zusammenhang in der Schweiz und auch im Kanton St.Gallen Bedeutung zumessen und an einer gemeinsamen Entwicklung der Gesellschaft, dann müssen Sie auch dem Postulat zustimmen und die Regierung unterstützen. Es macht Sinn, dass wir wissen, wie sich die Gesellschaft im Kanton St.Gallen entwickelt. Wir müssen wissen, wie wir dagegen ansteuern können, dann wissen wir nämlich auch, wie wir politischem Extremismus, sozialer Unrasse usw. entgegentreten können.

Ich bitte Sie, halten Sie nicht ein dieser Verweigerungshaltung fest, unterstützen Sie das Postulat und die Unterstützung durch die Regierung.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018
17.9.2018Wortmeldung

(im Namen der SP-GRÜ-Fraktion): Auf das Postulat ist einzutreten. Das Postulat ist gutzuheissen.

Wir sind erfreut, dass die Regierung das Postulat gutheissen will, das einmal je Amtsdauer ein Bericht zum Ausmass der Armut und zu den Massnahmen zur Armutsbekämpfung verlangt.

Wir bitten sie dem Antrag der Regierung auf Gutheissung zu folgen. Alle Indikatoren zeigen, dass Armut und Armutsgefährdung im Kanton St.Gallen zugenommen haben. Wie den Zahlen des Bundesamtes für Statistik zu entnehmen ist, leben in der Ostschweiz rund 135 armutsgefährdete Personen bzw. Personen, die sich nur dank Sozialtransfers knapp über der Armutsgrenze halten können. Caritas Schweiz hat gerade kürzlich in Anbetracht der wachsenden Zahlen mit Nachdruck eine landesweite Strategie zur Armutsbekämpfung geforderten und auch die Kantone dazu aufgefordert, sich stärker zu engagieren. Angesichts dieser Entwicklung muss der Kanton St.Gallen der Armutsbekämpfung mehr Gewicht geben. Armutsbekämpfung bedeutet Einsatz für die Chancengleichheit von Menschen in Not.

Wir erwarten, dass der Armutsbericht sowohl die politisch Verantwortlichen wie auf die bereiten Bevölkerungsschichten für die Situation der Betroffenen sensibilisiert und über das Leben in Armut informiert. Es ist wichtig, dass alle relevanten öffentlichen, gemeinnützigen und wirtschaftlichen Akteure an einen Tisch gebracht werden und ihr Know-how für die gezielte und wirksame Armutsbekämpfung genutzt wird.

Rund die Hälfte der Kantone veröffentlichen gemäss dem nationalen Programm gegen Armut bereits heute regelmässig Sozial- und Armutsberichte. Sie leisten also ein regelmässiges Monitoring über die Armutsbekämpfung. Im Kanton St.Gallen fehlt bislang eine regelmässige Berichterstattung. Diese Lücke gilt es zu schliessen und politische Instrumente zur Verhinderung und Bekämpfung von Armut zu entwickeln. Ich bitte Sie, dem Antrag der Regierung auf Gutheissung zu folgen.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018
17.9.2018Wortmeldung

(im Namen der FDP-Fraktion): Auf das Postulat ist nicht einzutreten.

Die FDP-Fraktion bekämpft diesen Armutsbericht ebenfalls, dieser ist nicht notwendig. Wir erstellen jedes Jahr umfassend einen Bericht über die Sozialhilfe im Kanton St.Gallen. Und am Rande bemerkt: Wahrscheinlich würden wir gut daran tun, anstelle eines Armutsberichts einmal einen Bericht über die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Kantons St.Gallen zu erstellen, das würde uns mehr bringen als Analysen über die Armut.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018
17.9.2018Wortmeldung

Regierungsrat: Wegschauen geht nicht. Jede Gesellschaft gibt sich ein Zeugnis ab, wie sie mit Minderheiten und Bedürftigen umgehend. Wenn wir hier einen Bericht machen, dann häufen wir nicht Zahlen an. Es wird hier keine Bürokratie betrieben, sondern wir wollen mit Empathie und Intelligenz aufzeigen, wo unsere Probleme liegen, und Sie müssen sie kennen. Wenn sie politische Interventionen machen wollen, müssen sie wissen was Sache ist, sonst wird hier irgend etwas erzählt und wir tappen im Dunkeln.

Ich möchte deswegen nochmals unterstützen. Die Regierung wird einem solchen Bericht Unterstützung leisten. Mein Departement kann das, es geht nicht an, dass man sozusagen unterstellt, wir hätten nichts anderes zu tun, sondern wir würden hier klar aufzeigen, wo in unserem Kanton die Probleme liegen. Ich fordere Sie deshalb auf, dieser Motion eine Gutheissung zu geben.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018
17.9.2018Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Gutheissung des Postulats.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018