Geschäft: Nicht noch mehr Arbeitslosengelder für Grenzgänger

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer41.18.04
TitelNicht noch mehr Arbeitslosengelder für Grenzgänger
ArtKR Standesbegehren
ThemaArbeit und Gewerbe
FederführungVolkswirtschaftsdepartement
Eröffnung17.9.2018
Abschluss28.11.2018
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
AntragAntrag der Regierung vom 30. Oktober 2018
VorstossWortlaut vom 17. September 2018
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
28.11.2018Eintreten38Zustimmung64Ablehnung18
Statements
DatumTypWortlautSession
28.11.2018Wortmeldung

zu Hartmann-Flawil: Sie haben einige Punkte aufgegriffen, die es meines Erachtens doch zu entgegnen gilt.

Zuerst muss ich ihm vielleicht doch recht geben, es ist natürlich klar, die Schweiz profitiert von Grenzgängerinnen und Grenzgängern. Es kurbelt die Konjunktur zusätzlich an, wenn wir Fachkräfte rekrutieren und anstellen können. Es ist klar, wir sind auf diesen Fachkräftezuwachs in die Schweiz irgendwie auch angewiesen.

Er hat dann aber die momentane Unsicherheit bezüglich Gültigkeit, die bei diesem ganzen EU-Vorkommen noch nicht vorhanden ist, angesprochen. Ich möchte dazu einfach sagen, dass es manchmal auch wichtig sein kann, so wie es vorhin erwähnt wurde, ein Signal zu senden, um so allenfalls auch eine Verhandlung noch in diese oder in die andere Richtung beeinflussen zu können.

Es wurde weiter gesagt, dieses Wohlstandsgefälle, das wir innerhalb der EU haben, und ich glaube, das ist genau das Problem, welches die EU beschäftigen muss und welches sie zu kümmern hat. Da können wir nichts daran ändern. Aber es zeigt, dass ein dermassen gewaltiger Apparat mit einer dermassen grossen Divergenz innerhalb dieser Vereinigung kaum oder nicht funktionieren kann.

Ich möchte noch sagen, dass es wichtig ist, dass wir sehen, was wir diesen Ländern auch abnehmen können bzw. unseren Grenzgängerinnen und Grenzgängern bieten. Sie haben hier ein massiv höheres Gehalten, und können dieses höhere Gehalte zu deutlich tieferen Lebenshaltungskosten in ihrem Heimatland ausgeben. Ausserdem sind selbst die direkt betroffenen Länder wahrscheinlich froh, wenn sie gewisse Arbeitskräfte an uns abgeben können, die sie im eigenen Staat vielleicht gar nicht beschäftigen könnten.

Session des Kantonsrates vom 26. bis 28. November 2018
28.11.2018Wortmeldung

(im Namen der CVP-GLP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Die Europäische Union plant einen Paradigmawechsel bei der Unterstützung von arbeitslos gewordenen Grenzgängerinnen und Grenzgängern. Neu sollen diese nicht mehr von ihrem Wohnsitzstaat unterstützt werden, sondern dort, wo sie zuletzt Beiträge in das Sozialversicherungssystem einbezahlt haben. Wir haben das soeben von den Motionären gehört.

Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine Bestimmung, welche die Übernahme der Entschädigung der Grenzgängerinnen und Grenzgängern durch den Beschäftigungsstab vorsieht, in der Schweiz nicht ohne weiteres anwendbar wäre. Eine Übernahme allfälliger neuer Bestimmungen im Anhang 2 des Freizügigkeitsabkommens (FZA) zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit muss vom gemischten Ausschuss zum FZA beschlossen werden. Ein solcher Beschluss ist nur mit der Zustimmung beider Parteien und nach Abschluss der jeweiligen internen Verfahren möglich. Der Bundesrat wird die Frage zum gegebenen Zeitpunkt prüfen.

Die CVP-GLP-Fraktion anerkennt die Sorge der Motionäre für eine Praxisänderung und die Befürchtung um einen massiven Kostenanstieg bei den Sozialversicherungsbeiträgen und insbesondere bei den Arbeitslosengeldern für Grenzgängerinnen und Grenzgänger.

Die Regierung hat jedoch in ihrem Roten Blatt darauf hingewiesen, dass das Standesbegehren das falsche Mittel sei. Es ist deshalb unsere Aufgabe, die National- und Ständeräte unseres Kantons zwecks Beeinflussung der laufenden Verhandlungen auf diese Problematik zu sensibilisieren und aufzufordern, unser Anliegen mit Nachdruck im nationalen Parlament zu vertreten. Ein solches baldiges Mitglied sitzt bekanntlich aktuell noch in diesem Rat und kann den Auftrag somit schon einmal in die Matte packen.

Session des Kantonsrates vom 26. bis 28. November 2018
28.11.2018Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf das Standesbegehren.

Session des Kantonsrates vom 26. bis 28. November 2018
28.11.2018Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Gemäss der Grenzgängerstatistik des Bundesamtes für Statistik hat die Zahl der Grenzgängerinnen und Grenzgänger im Kanton St.Gallen seit dem Jahr 2005 kontinuierlich zugenommen. Waren es im Jahr 2002 noch 6'319 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, so hat sich diese Zahl im Jahr 2017 auf 8'976 Arbeitnehmende im Kanton St.Gallen mit Wohnsitz im grenznahen Ausland verändert.

Die bei uns arbeitende Anzahl an Grenzgängerinnen und Grenzgängern ist eng verknüpft mit der von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängigen Nachfrage unseres Kantons nach Arbeitskräften. Insofern kann diese Entwicklung im Grundsatz als positiv betrachtet werden.

Als Wermutstropfen in diesem Zusammenhang kann die Tatsache ins Feld geführt werden, dass diese Zunahme im Wesentlichen auf den Bereich der Hilfsarbeitskräfte zurückzuführen ist. Also wahrscheinlich auch auf diesen Bereich, welcher von einer wirtschaftlich schwierigen Zeit wohl am schnellsten und stärksten von einer erhöhten Arbeitslosigkeit betroffen sein wird.

Im heutigen System müssen Grenzgängerinnen und Grenzgänger ihre Ansprüche auf Arbeitslosenentschädigungen in ihren Wohnsitzland geltend machen. Wird heute einer der 320'000 in der Schweiz arbeitenden Grenzgängerinnen und Grenzgänger arbeitslos, ist für ihn nicht die schweizerische Arbeitslosenversicherung zuständig, sondern deren Pendant im jeweiligen Wohnsitzstaat.

Da Grenzgängerinnen und Grenzgänger während der Dauer ihrer Tätigkeit in der Schweiz jedoch auch in die Schweizer Arbeitslosenkasse einzahlen, entrichtet die ALV bis zu fünf Monate eine Ausgleichszahlung an den Wohnsitzstaat der Grenzgängerinnen und Grenzgänger.

Die Grenzgängerinnen und Grenzgänger wiederum erhalten die Arbeitslosenentschädigung von ihrem Wohnsitzstaat nach dessen Ansätzen ausbezahlt. Der Abgeltungsbetrag an die EU-Staaten belief sich im Jahr 2015 auf knapp 200 Mio. Franken. Am 21. Juni 2018 haben die Arbeitsminister der EU-Staaten beschlossen, die Regeln für die Zahlung von Arbeitslosengeldern an Grenzgängerinnen und Grenzgänger zu ändern. Die neuen Regeln müssen noch dem europäischen Parlament zur Genehmigung vorgelegt werden. Jedoch dürfte es sich hierbei um eine reine Formsache handeln. Das bedeutet, dass den Grenzgängerinnen und Grenzgängern dann der reguläre Ansatz des Arbeitslandes ausbezahlt werden muss, auch wenn sie in einem Land wohnen, dessen Lebenshaltungskosten weit tiefer liegen als in unserem. Mit dieser Neuregelung wird es künftig noch attraktiver im Ausland zu wohnen und in der Schweiz zu arbeiten. Ausserdem wäre es äusserst schwierig zu kontrollieren, ob im Ausland wohnhaften Personen, die hier bei hiesigen Stellenvermittlungsbüros gemeldet sind, auch tatsächlich deren notwendigen Bedingungen und Auflagen erfüllen. Insgesamt würde das System der Arbeitslosenversicherung also total aus den Fugen geraten, wenn sich dieses unsägliche EU-Vorhaben durchsetzt.

Dabei ist klar, wer das am Schluss berappen muss. Die Steuerzahler in der Schweiz. Diese wären dann doppelt benachteiligt, weil es ihnen mit mehr Grenzgängerinnen und Grenzgängern noch schwerer fallen würde, selber eine Arbeit zu finden. Solch unschöne Entwicklungen dürfen wir nicht noch weiter künstlich befeuern. Würden die neuen Regelungen auch hierzulande übernommen, käme das die Schweiz teuer zu stehen. Wir stünden vor einem finanziellen Fass ohne Boden.

Gemäss Schätzungen des Staatssekretariates für Migration würde sich die Summe der neuen Regelung um mehrere 100 Mio. Franken erhöhen. Laut Angaben des Bundesrates ist die Schweiz allerdings nicht verpflichtet, das neue Zahlungsregime auch tatsächlich zu übernehmen.

Wir beantragen Ihnen, bei der Bundesversammlung eine Standesinitiative mit folgendem Inhalt einzureichen: «Der Kantonsrat lädt die Bundesversammlung ein, den Bundesrat aufzufordern, dass er im gemischten Ausschuss mit der EU klar kommuniziert, dass die Schweiz nicht gewillt ist, die neuen EU-Regelungen bezüglich Arbeitslosenunterstützung für Grenzgängerinnen und Grenzgänger einfach so zu übernehmen. Der Grosse Rat des Kantons Aargau ist bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. Mit 77:50 Stimmen stimmte dieser einer Standesinitiative zu und hat somit eine gleich lautende Initiative grossmehrheitlich gutgeheissen. Andere Kantone haben eben solche Vorstösse in der Pipeline. Übrigens, und das ist vielleicht noch interessant, ist diese Regelung selbst innerhalb der EU höchst umstritten. Acht EU-Mitgliedstaaten. darunter unser östlicher Nachbar Österreich, werden diese EU-Regelung nicht übernehmen, selbst als Mitgliedstaaten der EU.

Es gibt deshalb keinen ersichtlichen Grund, der fragwürdigen und rein formaljuristischen Argumentation der Regierung zu folgen und nicht auf unser Standesbegehren einzutreten.

Session des Kantonsrates vom 26. bis 28. November 2018
28.11.2018Wortmeldung

Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Ich danke Broger-Altstätten für diesen Input, aber ich möchte Sie trotzdem bitten, dieses Standesbegehren zu unterstützen. Ich werde mein Bestes in Bern geben, diese Sache anzubringen, da können Sie sich sicher sein. Aber ein bisschen Rückenwind und ein bisschen Impuls von den Kantonen würden mir helfen Erfolg in Bern zu haben.

Session des Kantonsrates vom 26. bis 28. November 2018
28.11.2018Wortmeldung

(im Namen der SP-GRÜ-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten. Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

In der Begründung von Wasserfallen-Goldach kann man sagen, sie hat drei falsche Teile enthalten:

  1. Das vorgeschlagene Standesbegehren erfüllt die Voraussetzungen für ein Standesbegehren nicht. Ich verweise hierzu auf die Ausführung auf dem roten Blatt durch die Regierung.

  2. Allfällige neue Regelungen der EU in Bezug auf die Entschädigung arbeitslos gewordener Grenzgängerinnen und Grenzgänger befinden sich erst in einer Phase der Beratungen zwischen der EU-Mitgliedstaaten. Bereits vorher haben wir gehört, dass es hier gemäss Zeitungsberichten, wir sind ja kein EU-Mitglied und haben keinen direkten Draht, dass es hier durchaus unterschiedliche Meinungen gibt. Wir wissen noch gar nicht ob und in welcher Form diese Regelungen dann tatsächlich zwischen den EU-Staaten Gültigkeit haben werden.

  3. Das Begehren ist falsch, weil es ein weiteres Mal eine schwierige Seite der wirtschaftlich starken Länder zeigt. Wir gehören ja auch dazu, und wenn Sie die Zeitungsberichte zu den Diskussionen innerhalb der EU verfolgt haben, dann haben Sie auch gesehen, dass hier Differenzen bestehen zwischen wirtschaftlich starken und wirtschaftlich schwächeren Ländern. Es geht ja darum, wer die Arbeitslosenkasse übernimmt und wer bezahlen muss. Hier haben wir die Regelung, dass die Schweiz während maximal fünf Monaten die Arbeitslosengelder übernimmt und anschliessend die Herkunftsländer in der Verantwortung sind.

Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten die Situation, dass wir diese Grenzgängerinnen und Grenzgänger übernehmen müssten. Sie wehren sich immer gegen die sogenannte Einwanderung in die Sozialsysteme. Jetzt verlangen Sie aber, dass wir hier in der Schweiz die Sozialabzüge vollständig auf der Basis dieser höheren Löhne kassieren, und hier die Sozialsystem auch finanzieren, und zwar sehr gut finanziere. Und anschliessend, wenn diese Leute arbeitslos werden, dann wollen wir, dass sie zurückkehren. Wir zahlen auf dem Niveau der Herkunftsländer und nur während fünf Monaten, anschliessend müssen die Herkunftsländer das übernehmen - das geht doch nicht. Wenn wir bei den Vorstössen lesen, wie viele Mehrkosten das sind, dann stimmt es, es gäbe Mehrkosten, wenn man diese Lösung übernehmen würde, oder wenn eine solche Lösung anschliessend tatsächlich kommt.

Aber bitte machen Sie die Rechnung vollständig. Sagen Sie auch, wie viel in die Sozialsystem durch diese 322'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger eingezahlt wird. Das heisst, wie viel die Schweiz netto profitiert, unsere Sozialsysteme.

Ich bitte Sie einfach zur Kenntnis zu nehmen, was wir nicht gerne haben, dass die Leute in unsere Sozialsysteme einwandern, das haben auch unsere Nachbarländer nicht gerne. Dass diese Leute bei uns arbeiten und anschliessend müssen sie diese Arbeitslosenkassengelder oder diese Finanzierung / Beratung übernehmen.

Ich bitte Sie, setzen Sie gleichen Ellen, wenn es darum geht, den Vergleich mit den rundum liegenden Ländern auch herzustellen.

Session des Kantonsrates vom 26. bis 28. November 2018