Geschäft: Keine Verjährungsfristen für Schwerstverbrecher

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer41.18.03
TitelKeine Verjährungsfristen für Schwerstverbrecher
ArtKR Standesbegehren
ThemaZivilrecht, Strafrecht, Rechtspflege
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung11.6.2018
Abschluss7.1.2019
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
AntragAntrag der Regierung vom 14. August 2018
VorstossWortlaut vom 11. Juni 2018
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Person27.6.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
28.11.2018Gutheissung67Zustimmung25Ablehnung28
28.11.2018Eintreten64Zustimmung28Ablehnung28
Statements
DatumTypWortlautSession
28.11.2018Wortmeldung

(im Namen der CVP-GLP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Die CVP-GLP-Fraktion anerkennt, dass seit der Kodifizierung der Verjährungsfristen erhebliche technische Neuerungen eingetreten sind und spricht sich für das Standesbegehren aus. Ob und wer das dann einbringt und ob das zustande kommt, werden wir noch sehen. Der Verweis auf die anderen Rechtsordnungen wie Österreich und Deutschland, ist insofern irreführend, dass da die Voraussetzung für Mord jeweils verschieden sind. Nichtsdestotrotz wäre es aber unerträglich, wenn man wüsste, dass neue Erkenntnisse an den Tag gekommen sind, allenfalls ein Täter ermittelt werden kann und dann aus Verjährungsgründen keine Strafverfolgung, in welcher Art auch immer, stattfinden kann.

Session des Kantonsrates vom 26. bis 28. November 2018
28.11.2018Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Die Regierung hält in ihrer Stellungnahme fest, es herrsche heute breite Übereinstimmung, dass Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unverjährbar sind. Weiter wären Verbrechen, die das Leben vieler Menschen in Gefahr brachten oder zu bringen drohten bspw. Terrorismus, aber auch sexuelle Handlungen und Nötigungen, Vergewaltigung oder Schändung (wenn Kindern unter 12 Jahren betroffen sind) zu erwähnen. Interessanterweise sieht die Regierung letztlich aber keine Notwendigkeit, die Verjährungsfrist für Taten, für die als Höchststrafe eine lebenslängliche Freiheitsstrafe von 30 Jahren vorgesehen ist, auf unverjährbar anzuheben. Die Regierung begründet dies mit dem Recht auf Vergebung und Vergessen.

Ich möchte betonen, dass Vergebung mit dem Allmächtigen in Einklang zu bringen ist und kein irdisches, staatspolitisches Recht seitens des Straftäters darstellen kann. Aus juristischer Sicht steht das Instrument der Begnadigung zur Verfügung. Auch das Argument des Ansporns der Strafverfolgungsbehörden zur raschen Handlungen greift zu kurz. Dank dem technischen Fortschritt, wie DNA-Analysen, können Täter mittlerweile auch Jahrzehnte nach der Straftat überführt werden. Manchmal hilft auch der «Kommissar Zufall» mit. Es ist auch nicht so, dass sich das Standesbegehren auf jegliche Straftaten beziehen soll. Es bezieht sich ergänzend zur bestehenden Unverjährbarkeitsregelung lediglich auf Straftaten, welche lebenslängliche Strafen nach sich ziehen.

Session des Kantonsrates vom 26. bis 28. November 2018
28.11.2018Wortmeldung

(im Namen der SP-GRÜ-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Ich möchte mich hier nicht inhaltlich zur Motion äussern. Man kann über die Frage der Verjährbarkeit mit Fug und Recht unterschiedliche Auffassungen haben. Wichtig ist aber auch zu sagen, dass man mit dem Verweis auf die Unverjährbarkeit nicht zu viele Hoffnungen wecken darf, dass ein Verbrechen dann wirklich nach 20 oder 30 Jahren noch aufgedeckt werden kann. Obwohl ich die Argumente nachvollziehen kann, möchte ich Sie bitten, dieses Standesbegehren hier nicht zu unterstützen. Egger-Berneck hat darauf hingewiesen, dass man das in Bundesbern unterbreiten müsse. Die im Wesentlichen gleich wie dieses Standesbegehren lautende Motion 16.3059 «Änderung der Verjährungsfristen im Strafgesetzbuch» wurde letztes Jahr vom Nationalrat abgelehnt. Ich glaube, es ist nicht notwendig, dass wir hier etwas nachschieben. Zudem wird Egger-Berneck bald selber im Nationalrat sein und dort dieses Anliegen selber wieder einbringen können.

Session des Kantonsrates vom 26. bis 28. November 2018
28.11.2018Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf das Standesbegehren.

Session des Kantonsrates vom 26. bis 28. November 2018
28.11.2018Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Eintreten wird bestritten.

Session des Kantonsrates vom 26. bis 28. November 2018
28.11.2018Wortmeldung

Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Mord darf nicht verjähren, das finde nicht nur ich, sondern neben mir 31 Mitunterzeichnende aus diesem Parlament. Auch ein ehemaliger Kantonsrichter des Kantons Glarus, Walter Hauser, ist dieser Überzeugung. Dass die Notwendigkeit für eine Anpassung des Strafgesetzes auf nationaler Ebene in dieser Sache besteht, zeigt Walter Hauser in seinem aktuellen Buch «Hoffen auf Aufklärung. Ungelöste Morde in der Schweiz zwischen Verfolgung und Verjährung», das kürzlich auf eine beeindruckende Art und Weise vorgestellt wurde. Dass das Buch primär um ungelöste und verjährte Mordfälle aus der Schweiz handelt, ist für mich ein weiteres Indiz, dass Handlungsbedarf in dieser Sache besteht.

Die Regierung des Kantons St.Gallen sieht gemäss vorliegender Antwort keine Notwendigkeit, im Bereich der Verjährungsfristen für Schwerstverbrechen etwas zu unternehmen. Die Regierung belehrt uns folgendermassen: «Das Institut der strafrechtlichen Verjährung ist in den meisten Rechtsordnungen vorgesehen. Es beruht in erster Linie auf dem Recht auf Vergebung und Vergessen und auf die heilende Wirkung des Zeitablaufs.» Das ist schlicht und einfach zynisch. Persönlich kann ich mich für eine solche Antwort bei den Angehörigen von Opfern, bei denen das Verbrechen verjährt ist, nur entschuldigen. Mit dieser Aussage wird klar gemacht, dass die Regierung des Kantons St.Gallen den Täterschutz dem Opferschutz vorzieht. Bezüglich der nicht gegebenen Notwendigkeit, welche die Regierung als mut- und lustloses Hauptargument gegen die Ihnen vorliegende Standesinitiative ins Feld führt, erinnere ich in diesem Rat an den Kristallhöhlen-Mord im Jahr 1982 oder an den zwar noch nicht verjährten, aber ebenfalls nicht geklärten Zoo-Mord in Bad Ragaz aus dem Jahr 2012. Beide Fälle zeigen für mich auf eine eindrückliche Art und Weise auf, dass Handlungsbedarf und somit eine Notwendigkeit besteht, hier eine Anpassung vorzunehmen. Für mich ist klar, dass ein Mord an einer Person niemals, mit Betonung auf «niemals», vergessen werden darf. Dies sind wir als Rechtsstaat nicht nur dem Opfer sondern auch den Angehörigen schuldig.

Dass eine Verjährung bei Schwerstverbrechen eher atypisch ist, zeigen unserer europäischen Nachbarländer. So ist in Deutschland Mord unverjährbar, in Österreich und Lichtenstein geht das Strafgesetz noch weiter, so können dort Freiheitsstrafen von 10 bis 20 Jahren oder mit lebenslange Freiheitsstrafen nicht verjähren, wobei allerdings 20 Jahren nach der Tat nur noch eine Höchststrafe von 20 bzw. 10 Jahren verhängt werden kann. Die Regierung unterlässt es, darauf hinzuweisen, dass mit der DNA-Technik auch nach Jahrzehnten Kriminalfälle noch aufgeklärt werden können. Das hat sich in den letzten Jahren in Deutschland eindrücklich gezeigt: Dort konnte die Polizei in Hamburg einen Mordfall aus dem Jahr 1981 dank der rasant weiter entwickelten Kriminaltechnik lösen und den Täter zur Rechenschaft ziehen. Für mich ist eine Aufklärung auch nach 30 Jahren notwendig, heilende Wirkung mit Zeitablauf hin oder her. Dies ist der Rechtsstaat den Angehörigen schuldig.

Ein ehemaliger und langjähriger Kripobeamter, der mich bei diesem Vorstoss unterstützte, gab mir wörtlich für diesen Rat zu Protokoll: «Mord darf nicht verjähren, ganz klar. Es ist ein Schlag ins Gesicht für die Angehörigen von Mordopfern, wenn nach Ablauf der Verjährungsfrist sämtliche Ermittlungen eingestellt werden oder sogar Täter nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden können. Auch sollte die Tatsache nicht ausgeblendet werden, dass kriminaltechnische und gerichtsmedizinische Methoden jährlich enorm verbessert werden. Dadurch kann auch altes Spurenmaterial ganze nach neuen Gesichtspunkten ausgewertet werden und zur Ermittlung von Tätern führen. Die Verjährung muss unbedingt aufgehoben werden, wenn wir Gerechtigkeit wollen.»

Nach diesen für mich eindrücklichen Argumenten bitte ich Sie, ein Zeichen gegen die Täter und für die Opfer zu setzen. Stimmen Sie dem Standesbegehren zu, damit wir die Chance bekommen, in Bern auf einen schwerwiegenden Gesetzesmissstand hinzuweisen und diesen auch zu beheben.

Session des Kantonsrates vom 26. bis 28. November 2018