Geschäft: Mehr Bürgerfreundlichkeit beim Bürgerrechtsgesetz

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.18.08
TitelMehr Bürgerfreundlichkeit beim Bürgerrechtsgesetz
ArtKR Motion
ThemaGrundlagen und Organisation
FederführungDepartement des Innern
Eröffnung23.4.2018
Abschluss17.9.2018
Letze Änderung28.8.2024
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
Wortlaut vom 23. April 2018
AntragAntrag der Regierung vom 14. August 2018
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
17.9.2018Eintreten36Zustimmung73Ablehnung11
Statements
DatumTypWortlautSession
17.9.2018Wortmeldung

(im Namen der SP-GRÜ-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Die besondere Natur des Einbürgerungsverfahrens bringt es mit sich, dass dem Anliegen der Motion aus rechtlichen Gründen nicht Entgegengekommen werden kann, die Anliegen können nicht umgesetzt werden und zwar aus einfachen rechtlichen Gründen: Die Regierung hat diese auf ihrem roten Blatt sehr schön aufgezeigt.

Die SVP-Fraktion möchte, dass in den Unterlagen die Religionszugehörigkeit und der Beruf der gesuchstellenden Personen genannt wird. Das ist aus Gründen des Datenschutzes nicht zulässig, weil wir es hier mit besonders schützenswerten Personendaten zu tun haben.

Im Übrigen sind die Angaben in den meisten Fällen auch nicht erforderlich, vor allem beim Beruf.

Zur Frage der Akteneinsicht und der Anhörungsmöglichkeit für die Bürgerversammlung oder für eine Kommission des Gemeindeparlaments: Auch hier ist es so, dass solche Instrumente nicht mit den Anforderungen eines rechtmässigen, effizienten Verfahren vereinbar wären.

Schliesslich fördert die SVP-Fraktion eine Rekursmöglichkeit für Einsprecherinnen oder Einsprecher. Da diese jedoch keine Parteistellung haben, darf Ihnen auch keine Rekursmöglichkeit zugestanden werden.

Wir teilen die Ansicht der SVP-Fraktion, dass der Fall Wil exemplarisch einige Schwächen des heutigen Systems des Einbürgerungsverfahrens offenbart hat. Jedoch sehen wir diese an ganz anderer Stelle als die SVP-Fraktion und hierzu verweise ich auf die Motion 42.18.05 «Sachliche und diskriminierungsfreie Einbürgerungsentscheide», die wir im Anschluss diskutieren werden.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018
17.9.2018Wortmeldung

(im Namen der CVP-GLP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Wir lehnen die Motion ab. Gleicher Meinung ist mit etwas anderer, aber zirkelschlüssiger Begründung auch die Regierung, wie Sie dem roten Blatt entnehmen können.

Die vorliegende Motion der SVP-Fraktion krankt etwa im selben Spital wie diejenige Motion der SP-GRÜ-Fraktion. Sie verkennen beide die verfassungsmässige bundesrechtliche Natur der Einbürgerung. Dies ist weder Fisch noch Vogel, sondern ein Vogelfisch. Und dieses Wesen ist als Bundesrecht vom kantonalen Gesetzgeber nicht in Frage zu stellen.

Was die Regierung zu den Mitwirkungsrechten der Stimmberechtigen im Einbürgerungsverfahren ausführt ist indes zirkelschlüssig und damit nicht stichhaltig. Wer sich im Gesetzgebungsverfahren auf die Legitimation beruft, um eine Parteistellung mangels eigener schutzwürdiger Interessen zu verneinen, nimmt der Gesetzgeber nicht ernst. Ob und was schutzwürdige Interessen sind bestimmt ja gerade das Gesetz und nicht irgendwelche Zitate Dritter aus Werken, die wiederum nur das Gesetz kommentieren. Wie Sie sehen, die Haltung der Regierung nützt nichts, sie schadet aber auch nicht, denn das Bundesgericht hat das Wesentliche zum Rechtsinstitut der Einbürgerung festgehalten. Es liegt eine Doppelnatur als Verfügung und als politischer Akt vor. Diese Vorgaben sind auch im Kanton St.Gallen einzuhalten.

Nach der Motion soll unter anderem das Gutachten des Einbürgerungsrates «Religionsuugehörigkeit und Berufstätigkeit» angeben. Ausgangspunkt war ein Vorgang in der Stadt Wil, der diese Motion wohl initiiert hat. Die Einbürgerung, wie darin zitiert wird, des mazedonischen Staatsbürgers aus Wil. Presse und SVP-Motionäre wissen indes, es handelt sich erstens um einen Mann mit dem Beruf des Imams. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist dieser Imam auch noch muslimisch. Damit liegen ja auch den Motionären die geforderten Informationen über den Gesuchsteller bereits vor, damit sie sich als Stimmbürger ein Urteil bilden können. Eine Änderung des Bürgerrechtsgesetzes brächte hier gar nichts.

So wenig wie sich die SVP-Fraktion die Einbürgerung als rein politischer Akt vorstellt, als verfassungsmässiges Recht in Art. 34 Abs. 2 der Bundesverfassung anerkannten Wahl- und Abstimmungsfreiheit aller Stimmbürger, so wenig kann sich auf der anderen Seite in ihrer Motion die SP-GRÜ-Fraktion auf einen rein politischen Akt berufen. Der Gesetzgeber hat die Schranken selbst gesetzt. Der Kanton St.Gallen bewegt sich nur in den Schranken des Bundesgesetzgebers.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018
17.9.2018Wortmeldung

Regierungsrat: Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Sie haben es gehört, jede politische Ebene hat im Einbürgerungsverfahren ihre Zuständigkeiten und abschliessende Kompetenz. Mit dem von den Motionären verlangten Ausbau der Auskunfts- und Mitwirkungsrechten des Gemeindeparlaments bzw. der Bürgerversammlung würde der politischen Einflussnahme im Einbürgerungsverfahren gegenüber heute mehr Bedeutung zukommen und das Einbürgerungsverfahren verstärkt zum politischen Akt. Das schreibt Ihnen die Regierung, Parlament und Bürgerversammlung würden im Fall einer Einsprache zu Verfahrensbeteiligten, wie Bucher-St.Margrethen gesagt hat, und deswegen geht das nicht. Das würde eindeutig der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und den Anforderungen an ein rechtmässiges und effizientes Verfahren zuwiderlaufen.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018
17.9.2018Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf die Motion.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018
17.9.2018Wortmeldung

(im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Entscheidend ist der Umstand, dass seit Jahren im Kanton St.Gallen die Einbürgerungsgesuche durch die zuständigen Einbürgerungsräte klaglos bearbeitet werden können, und wir müssen nicht wegen eines einzelnen Falls die Gesetzgebung anpassen. Wir haben uns lange Jahre mit dem heutigen geltende Bürgerrechtsgesetz auseinandergesetzt und deshalb wird die FDP-Fraktion beide Motionen ablehnen- ändern wir nicht Bewährtes.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018
17.9.2018Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten. Die Motion ist gutzuheissen.

Mit Erstaunen oder besser gesagt mit Befremden müssen wir feststellen, dass die Regierung auf unser Anliegen nicht eintreten will, um die Wahrung der Bürgerrechte aufrecht zu erhalten. Was die Motion will, die Informationspflicht bei einer Einsprache in einem Einbürgerungsverfahren auszubauen. Da es bei einer Einbürgerung um einen Menschen geht, der sich in unserem Land einbürgern lassen will, liegt es doch auf der Hand, dass sich die Bürger unseres Landes interessieren, woher dieser Mensch kommt und vor allem auch was diese Mensch aktuell tut. Da der Grund dieser Motion ein Einbürgerungsentscheid des Wiler Stadtparlamentes war, dass sich im Verfahrensablauf als unbefriedigend herausgestellt hat, beantragen wir lediglich das St.Galler Bürgerrechtsgesetz zu ergänzen, damit in einem Einspracheverfahren mehr Transparenz gewährleistet werden kann. Die Ergänzung wollen wir für folgende vier Punkte und würde wie gesagt nur bei einer Einsprache eintreffen:

  1. Das Gutachten des Einbürgerungsrates enthält Religionszugehörigkeit und Berufstätigkeit. Das ist doch bestimmt das Minimalste an Auskunftspflicht, was verlangt werden darf.

  2. Einer Kommission der Bürgerversammlung oder des Gemeindeparlamentes kann vollständige Akteneinsicht gewährt werden. Stellen Sie sich vor, Sie hätten als Kommission über eine Einbürgerung zu entscheiden und haben keine volle Akteneinsicht. Würden Sie da nicht auch hinterfragen, ob es wohl etwas zu verheimlichen gibt?

  3. Der Gesuchsteller sowie der Einsprecher können von einer Kommission der Bürgerversammlung oder des Gemeindeparlaments angehört werden. Im Moment ist es so, dass nur der Gesuchsteller angehört werden kann. Der Einsprecher bekommt keine Anhörung. Ist dies korrekt beziehungsweise gerecht?

  4. Der Einsprecher kann den Einbürgerungsbeschluss innert 14 Tagen seit der Eröffnung mit Rekurs beim zuständigen Departement anfechten. Im Moment ist es auch so, dass der Gesuchsteller den Beschluss anfechten kann, der Einsprecher jedoch nicht. Ist dies korrekt bzw. gerecht?

Da der Fall in Wil der erste war seit der Einführung des kantonalen Bürgerrechtsgesetzes, liegt es auf der Hand, dass sich das damalige Kantonsparlament nicht damit bis ins Detail befasst hat, was eine Einsprache auslösen kann in einer Gemeinde. Um so mehr kann unsere Fraktion nicht verstehen, dass die Regierung nicht auf unser Anliegen eintreten will. Aber so hoffen wir, eine Mehrheit der kantonalen Vertreter, die ja alle auch in einer Gemeinde wohnhaft sind, konnten sich überzeugen lassen und werden auf die Motion Eintreten. Denn genau das gleiche hätte sich in jeder anderen Gemeinde abspielen können oder kann sich in Zukunft auch mal abspielen.

Da die gesetzliche Ausgestaltung des Einspracheverfahrens ein politischer Kompromiss war, der sich bis zum Einspracheverfahren in Wil als gut herausgestellt hat, liegt es auch auf der Hand etwas das gut ist nun noch etwas besser zu machen, zumal das Bessermachen zugunsten des Bürgers unseres Kantons bzw. für den Bürger einer jeder Gemeinde ist. Stellen Sie sich vor, Sie wohnen in eine Gemeinde bei Ihnen und ein Ausländer, der sich einbürgern lassen will und diese Bürger hat nationale und internationale Bekanntheit. Und wer eine solche Bekanntheit hat, hat nicht nur Freunde, sondern auch Kritiker an seiner Seite wäre es für Sie nicht auch naheliegend, dass Sie vermehrte Informationen über diesen Menschen erfahren wollten?

Die SVP-Fraktion hält an der Motion fest und bittet Sie auch auf die Motion einzutreten. Haben Sie bei Ihrem Entscheid im Hinterkopf, wer bei uns im Kanton das Sagen haben soll, sollen dies vermehrt die Behörden sein, soll der Bürger als einzelner mehr und mehr entmachtet werden? Wir sind der Meinung, dass dem Bürger wieder vermehrt Rechte zugesprochen werden sollen. Darum ist das unserer Sicht gerade jetzt der richtige Zeitpunkt das Bürgerrechtsgesetz anzupassen.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018
17.9.2018Wortmeldung

Auf die Motion ist einzutreten. Die Motion ist gutzuheissen.

Einbürgerungen verkommen je länger je mehr zu einem reinen Verwaltungsakt. Kurz zum aktuell gültigen Ablauf: Die Einbürgerungsräte beschliessen über Einbürgerungsgesuche und veröffentlichen ihre Beschlüsse über die Erteilung des Gemeinde- und Ortsbürgerrechts im amtlichen Publikationsorgan der politischen Gemeinde. Stimmberechtigte der relevanten Gemeinde können gegen diese Einbürgerungsbeschlüsse Einsprache erheben.

Ihm Einsprachefall, klarerweise nur in solchen Fällen, treten heute die Bürgerversammlung oder das Gemeindeparlament in Aktion. Sie haben über das Einbürgerungsgesuch zu befinden. Diesem Entscheidungsgremium offenbart sich jedoch das Problem, als Ihnen derzeit gar kein Recht auf vertiefte Akteneinsicht zusteht. Die Bürgerversammlung bzw. das Gemeindeparlament soll soll nun also tatsächlich quasi vom Hörensagen über ein Einbürgerungsgesuch befinden. Soll das etwa eine bewährte Regelung darstellen - im Ernst? Ein Beispiel aus Wil zeigt geradezu klar und eindeutige auf, dass sich die aktuelle Handhabung nicht in allen Belangen bewährt hat und in Teilbereichen einer Justierung bedarf. Doch dieses Problem lässt sich lösen.

Die SVP-Fraktion setzt sich für mehr direktes, demokratisches Mitwirken der Bürger und somit des Souveräns ein. Die Forderungen der Motion sind denn auch nicht übertrieben und beziehen sich ausschliesslich auf Einsprachefälle d.h. für alle ein Einbürgerungsfälle. Das heisst, ohne Einsprache ändert sich rein gar nichts. Die gegenständliche Motion richtet sich also ausschliesslich auf nicht glasklare Einbürgerungsgesuche, welche aufgrund einer Einsprache auf eine Zusatzrunde geschickt werden. Auf dieser Zusatzrunde sollen die Entscheidungsträger, das soll wie gehabt, die Bürgerversammlung oder das Gemeindeparlament bleiben, mit den folgenden Informationen beziehungsweise Optionen bedient werden:

  1. das Gutachten des Einbürgerungsrates enthält Angaben über die Religionszugehörigkeit und die Berufstätigkeit des Einbürgerungswilligen;

  2. einer Kommission der Bürgerversammlung bzw. des Gemeindeparlaments kann vollständige Akteneinsicht gewährt werden;

  3. Gesuchsteller sowie der Einsprechen können von einer Kommission der Bürgerversammlung bzw. des Gemeindeparlaments angehört werden;

  4. nicht nur Einbürgerungswillige sondern auch der Einsprecher kann den Einbürgerungsbeschluss innert 14 Tagen seit Eröffnung mit Rekurs beim zuständigen Departement anfechten.

Das sind wahrlich keine schikanösen Zusatzrechte, denn seien wir uns bewusst, Schweizer zu werden ist kein Recht sondern ein Vorrecht, das man sich durch besondere Leistung verdient.

Auf jeden Fall muss jede Einbürgerung von den verantwortlichen Stellen vor Ort, und ich meine damit nicht Behörden, in den Gemeinden grünes Licht erhalten. Den Entscheidungsträgern sollen möglichst all jene Befugnisse zugestanden werden, welche es ihnen auch wirklich erlauben, über ein Thema fundiert befinden zu können, denn blosses «Im Trüben stochern» oder «Kaffessatzlesen» ist in solchen Themen schlicht keine Option.

Session des Kantonsrates vom 17. bis 19. September 2018