Geschäft: Kostendeckende Finanzierung der Kinderspitäler und Kinderkliniken

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer41.18.01
TitelKostendeckende Finanzierung der Kinderspitäler und Kinderkliniken
ArtKR Standesbegehren
ThemaGesundheitspflege, Sozialversicherung, Sozialhilfe
FederführungGesundheitsdepartement
Eröffnung20.2.2018
Abschluss4.6.2018
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
AntragAntrag der Regierung vom 20. März 2018
VorstossWortlaut vom 20. Februar 2018
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
23.4.2018Gutheissung112Zustimmung0Ablehnung8
Statements
DatumTypWortlautSession
23.4.2018Wortmeldung

(Im Namen der SP-GRÜ-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Bei der Behandlung des Geschäfts 37.17.01 «Kantonsratsbeschluss über die Gewährung eines zusätzlichen Darlehens an die Stiftung Ostschweizer Kinderspital für den Neubau des Kinderspitals auf dem Areal des Kantonsspitals St.Gallen» zeigte sich sowohl in der vorberatenden Kommission wie in der Debatte im Kantonsrat die Problematik der Unterfinanzierung eigenständiger Kinderspitäler bei Tarmed und SwissDRG. Warzinek-Mels hat das jetzt detailliert ausgeführt und man kann dazu auch noch im Wortlaut des Standesbegehrens und in der Begründung der Regierung Genaueres lesen. Das Problem kann nur auf der Bundesebene gelöst werden, und eine Lösung ist notwendig und dringend. Unsere Fraktion stellte im Rahmen der Beratung des erwähnten Kantonsratsbeschlusses den Antrag, der Regierung den Auftrag zu erteilen, zusammen mit den Trägern des Ostschweizer Kinderspitals sowie weiteren Standortkantonen von spezialisierten Kinderkliniken auf allen Ebenen auf eine Verbesserung der Tarifgestaltung hinzuwirken. Der Kantonsrat hiess diesen Auftrag gut. Dieses Standesbegehren weist in dieselbe Richtung und ist damit eine Verstärkung des Anliegens und erhöht den politischen Druck.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2018
23.4.2018Wortmeldung

(im Namen der CVP-GLP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Warum diese Standesinitiative? Der Kanton St.Gallen ist Standortkanton des Ostschweizer Kinderspitals, das mit den beiden anderen eigenständigen Kinderspitälern in Basel und Zürich Höchstleistungen in der Kinder- und Jugendmedizin erbringt. Zusammen bilden die drei Spitäler «AllKidS – Allianz Kinderspitäler der Schweiz». Diese Kinderspitäler leiden unter einer strukturell defizitären Finanzierung. Ich verweise auf das in der aktuellen Sessionen in zweiter Lesung behandelte Geschäft über die Gewährung eines zusätzlichen Darlehens an die Stiftung «Ostschweizer Kinderspital». In der Botschaft wird die Tarifsituation des Ostschweizer Kinderspitals im Kapitel 1, Punkt 3 treffend dargestellt. Die Regierung hält fest, das sowohl im ambulanten wie im stationären Bereich die Tarife nicht kostendeckend sind. Für die Anschaffung von Mobilien und medizintechnischen Geräten werden rund 35 bis 40 Mio. Franken veranschlagt. Daran kann die Stiftung selber rund 15 Mio. Franken beisteuern. Die St.Galler Regierung erklärt sich bereit, als Standortbeitrag ein zusätzliches Darlehen von 12,5 Mio. Franken zu gewähren.

Somit stehen im Ostschweizer Kinderspital und 27,5 Mio. Franken für die Beschaffung der Geräte und Mobilien zur Verfügung. Das heisst aber auch – und ich bitte Sie, diesem Aspekt besondere Beachtung zu schenken – der Rest, also 7,5 bis 12,5 Mio. Franken, soll oder muss über Spenden beschafft werden. Dabei sprechen wir über ein Endversorgerspital für Kinder in der Schweiz. Kann es richtig sein, dass ein solches Spital, um funktionieren zu können, zwingend auf Spenden in Millionenhöhe angewiesen ist? Da die drei Kinderspitäler einen Versorgungsauftrag der Standort- bzw. Trägerkantone erfüllen, stehen diese Kantone in der Pflicht, die Defizite zu decken. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die Antwort der Regierung zur Interpellation 51.15.63 «Inakzeptables Verhalten der Invalidenversicherung (IV) gegenüber dem Ostschweizer Kinderspital – eine nicht gerechtfertigte Zusatzbelastung für den Kanton St.Gallen» vom 20. Oktober 2015. Darin stellt die Regierung dar, dass die Ertragsausfälle, die aufgrund des Verhaltens der IV entstehen, vorerst durch den Kanton vergütet werden. Für den Kanton St.Gallen belaufen sich allein diese zusätzlichen Belastungen auf rund 1 Mio. Franken je Jahr. Diese Unterfinanzierung im stationären wie im ambulanten Bereich ist seit Jahren bekannt, dennoch blieb und bleibt alles beim Alten. Aktuell hat keines der eigenständigen Kinderspitäler einen Vertrag mit der IV, und das Ostschweizer Kinderspital hat auch mit der Mehrheit der Krankenversicherer, den Mitgliedern von Santésuisse, keinen Vertrag. Die Lage für unser Ostschweizer Kinderspital ist somit ausserordentlich schwierig.

Die WZW-Kriterien definieren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit. Das Ostschweizer Kinderspital und die beiden weiteren AllKidS-Spitäler arbeiten auf Basis dieser weht WZW-Kriterien wirtschaftlich und effizient. Sie sind gut geführt. Dies bestätigt die neue Studie eines unabhängigen Institutes im Auftrag von SwissDRG, die so genannte Polynomics-Studie aus dem Jahr 2017. Zur Klärung: SwissDRG ist die Organisation, die für stationäre Tarife verantwortlich zeichnet, Mitglieder von SwissDRG sind die Ärzteschaft, Spitäler, Versicherer und Kantone. SwissDRG ist konkret verantwortlich für die korrekte Erarbeitung der Tarifstruktur. Auf der Basis dieser Tarifstruktur sollten dann die Tarifpartner, also Spitäler und Versicherer, einen angemessenen Tarif, also den richtigen Preis verhandeln.

Weiter erscheint wichtig, dass die Konsolidierung der Kinderspitäler in der Schweiz bereits weit fortgeschritten ist. Es gibt keine Überkapazitäten, wie dies oft in Bezug auf das Spitalwesen sonst diskutiert wird. Die spezialisierte bzw. hochspezialisierte Kinder und Jugendmedizin konzentriert sich in unserem Land auf ein paar wenige Kliniken. Neben den AllKidS-Spitälern gehören dazu die Universitätsspitäler Bern, Genf und Lausanne sowie die Kantonsspitäler Aarau und Luzern. Im Vergleich zu beispielsweise Deutschland leistet sich die Schweiz wenig Spitäler mit spezialisierter Kinder- und Jugendmedizin. Den Zeichen der Zeit gehorchend, werden zudem die Kinder in der Schweiz vorbildlich, d.h. in der Mehrheit ambulant behandelt. 95 Prozent der Behandlungen in den Kinderspitälern erfolgen ambulant, obwohl es sich dabei teilweise um hochspezialisierte Medizin handelt – das ist zeitgemäss. Im Unterschied zu diesen Behandlungszahlen entfallen in den Kinderspitälern aber nur 30 Prozent der Erlöse auf ambulante Behandlungen. 70 Prozent stammen aus dem stationären Bereich. Im stationären Bereich liegt der Kostendeckungsgrad der Kinderspitäler unter 95 Prozent, im ambulanten Bereich sogar nur bei 70 Prozent und in St.Gallen sogar noch tiefer. So will es die gültige Tarifstruktur. Mit dem aktuellen Tarifeingriff des Bundesrates droht nun eine weitere Verschlechterung des Deckungsgrads.

Was sind die speziellen Herausforderungen der Kinderspitäler und Kinderkliniken sind? Die Kinderspitäler sind Endversorger, d.h. sie haben hohe Vorhalteleistungen und einen hohen Spezialisierungsgrad, vergleichbar mit einem Universitätsspital. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Nach der Verlegung eines Kindes in ein AllKidS-Spital gibt es nichts mehr, was menschlich-fachlich für das Kind machbar wäre, danach kommt nur noch der Himmel. Im Gegensatz zur Erwachsenenmedizin gibt es in der Kinder- und Jugendmedizin fast keine Spezialistinnen und Spezialisten im ambulanten Bereich. Die Spezialistinnen und Spezialisten arbeiten in den Spitälern und kümmern sich dabei mehrheitlich um so genannt seltene Krankheiten. Jedes dritte Kind in einem Kinderspital bzw. in einer Kinderklinik hat eine seltene Krankheit kleiner 1:2'000. Seltene Krankheiten sind in Abklärung und Therapie hoch aufwändig und werden über SwissDRG und Tarmed nicht angemessen abgegolten. Das liegt daran, dass das Tarifsystem auf Normal- bzw. Durchschnittsfälle ausgerichtet ist. In Kinderspitälern aber bilden Normalfälle die Ausnahme. Das Tarifsystem wird der Kinder- und Jugendmedizin in Spitälern somit nicht gerecht. Dazu kommt, dass Kinderspitäler einen grossen Überhang an schwierigen und aufwändigen Fällen haben. Speziell ist die Liste der Geburtsgebrechen, die über die Invalidenversicherung abgegolten werden. Es handelt sich um eine Ansammlung von in jeder Hinsicht aussergewöhnlichen Erkrankungen. Hier leiden die Kinderspitäler insbesondere an einer fehlenden Kooperationsbereitschaft der IV, die für die Kinderspitäler von höchster Bedeutung ist, denn 50 Prozent ihrer stationären Patienten sind IV-Fälle. Wie in der bereits erwähnten Interpellation zum Gebaren der IV von der Regierung in ihrer Antwort dargelegt, ist ein juristischer Weg derzeit aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen nicht möglich.

Eine weitere Hypothek: In der Kinder- und Jugendmedizin gibt es kaum Privat- und Halbprivat versicherte Patientinnen und Patienten. Ihr Anteil beschränkt sich auf eine einstelligen Prozentbereich. Eine Querfinanzierung wie in den Erwachsenen-Spitälern üblich, fehlt weitgehend. Um ein Spital mit einer betriebswirtschaftlich ausgeglichenen Rechnung zu führen, sind etwa 30 Prozent Zusatzversicherte nötig. Und schliesslich ist die Kinder- und Jugendmedizin auf modernste Technik angewiesen. Damit die Kinder in Wachstum und Entwicklung nicht geschädigt werden, braucht es z.B. Computertomographie mit minimaler Strahlenbelastung, da diese im Kindesalter eine deutlich grössere Bedeutung hat wie im Erwachsenenalter. Zudem ist die Kinder- und Jugendmedizin von einer grossen Diversifizierung geprägt. Behandelt werden Menschen in einer Grösse von 25 Zentimeter bis 2 Meter sowie mit einem Gewicht von 300 Gramm bis 120 Kilogramm, das entspricht einem Faktor 400. Die Geräte und das Instrumentarium der Kinderspitäler müssen entsprechend ausgelegt sein. Das bedingt auch einen grösseren Gerätepark mit entsprechenden Kostenfolgen. Einen überdurchschnittlich hohen Aufwand zieht auch die Betreuung der Patientinnen und Patienten nach sich. Ein Kinderspital bzw. eine Kinderklinik betreut in der Regel nicht nur eine oder einen kleinen Patienten sondern meist eine ganze Familie und das teilweisen ausgesprochenen Ausnahmesituationen. Ein krankes Kind stellt einen besonderen Stress dar, umso mehr, wenn es sich um ein Geburtsgebrechen oder eine seltene Krankheit handelt.

Was ist nun das Ziel dieser Standesinitiative? Es geht darum, politischen Druck zu Gunsten einer fairen Entschädigung der Kinder- und Jugendmedizin zu schaffen. Es sollen gesetzgeberische Grundlage geschaffen werden, damit auch IV-Fälle entsprechend ihrer Schwere und Komplexität angemessen durch die dafür vorgesehene Sozialversicherung finanziert werden. Es stellt sich auch die Frage nach einem eigenen Tarifsystem für Kinder- und Jugendmedizin. Kinder, immerhin 20 Prozent unserer Population und notabene unsere Zukunft. Der Bundesrat soll aufgefordert werden, seinen Spielraum, den er hat, auszuschöpfen, um eine richtige Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin zu ermöglichen, ohne diese auf dem Buckel einzelner Kantone, wie St.Gallen, auszutragen. Die Leistungen unserer Kinderspitäler und Kinderkliniken müssen, wie gesetzlich vorgesehen, durch die Versicherer abgegolten werden. Alles andere ist systemwidrig. Darüber hinaus muss der Bundesrat aufgefordert werden, weitere Eingriffe zu unterlassen, welche die Kinder- und Jugendmedizin schwächen und deren Weiterentwicklung verhindern. Es ist Aufgabe der Bundesversammlung, sich dieses Missstandes anzunehmen, dies im Interesse unserer Kleinsten und deren Familie, und es ist unsere Aufgabe als Kantonsrat eines betroffenen Standortkantons die Bundesversammlung dazu aufzufordern.

Ich bitte Sie dringend, diese Standesinitiative zu unterstützen. Sie ist nicht nur wichtig für unseren Kanton mit seinem Ostschweizer Kinderspital, sondern für alle Kinder- und Jugendlichen in der Schweiz.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2018
23.4.2018Wortmeldung

Vizepräsidentin, stellt Eintreten auf das Standesbegehren fest.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2018
23.4.2018Wortmeldung

Vizeratspräsidentin: Die Regierung beantragt Gutheissung.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2018