Geschäft: XIX. Nachtrag zum Volksschulgesetz

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer22.17.01
TitelXIX. Nachtrag zum Volksschulgesetz
ArtKR Gesetzgebungsgeschäft
ThemaErziehung, Bildung, Kultur
FederführungDepartement des Innern
Eröffnung24.3.2017
Abschluss1.8.2018
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
ProtokollauszugFestlegung des Vollzugsbeginns vom 6. Februar 2018
AntragKommissionsbestellung vom 12. Juni 2017
ProtokollProtokoll der vorberatenden Kommission vom 5. Juli 2017
AntragAnträge der Redaktionskommission vom 27. November 2017
ErlassReferendumsvorlage vom 28. November 2017
ErlassIn der Gesetzessammlung veröffentlicht im Juli 2018
ErlassErgebnis der 1. Lesung des Kantonsrates vom 18. September 2017
AllgemeinDokumenten-Attrappe zur Sammelbotschaft
AntragAnträge der vorberatenden Kommission vom 5. Juli 2017
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
28.11.2017Schlussabstimmung106Zustimmung4Ablehnung10
Statements
DatumTypWortlautSession
27.11.2017Wortmeldung

Präsident der vorberatenden Kommission: Die vorberatende Kommission verzichtete auf eine Sitzung zur Beratung des Ergebnisses der ersten Lesung des Kantonsrates. Sie beantragt, auf die Vorlage in zweiter Lesung einzutreten.

Session des Kantonsrates vom 27. und 28. November 2017
27.11.2017Wortmeldung

Ratspräsident: Die Vorlage ist in zweiter Lesung durchberaten und geht zur Vorbereitung der Schlussabstimmung an die Redaktionskommission.

Session des Kantonsrates vom 27. und 28. November 2017
18.9.2017Wortmeldung

Regierungsrat: Ich wurde höflich von meinem Kollegen darauf hingewiesen allenfalls zu ergänzen, wenn es auch Sinn macht.

Ich möchte nichts zu den Bekleidungsvorschriften sagen. Ich glaube, dazu wurden genügend Ausführungen gemacht. Ich möchte auch nichts sagen zur Mitwirkungspflicht der Eltern, dies wurde erwähnt. Was aber meiner Meinung nach ungenügend erwähnt wurde, das sind Fragen die ebenfalls im Zusammenhang mit der Dispensation vom Unterricht in den Motionen gestellt wurden. Wenn in einem Dispensations- und Urlaubsgesuche religiöse Gründe vorgebracht werden, geht es bei der Beurteilung des Gesuchs um die Frage, zu welchen Konzessionen die Schule gegenüber Eltern bezüglich Modalitäten des Schulbesuchs bereit sein darf und muss. Es geht also darum, im Sinne der Verhältnismässigkeit die Religionsfreiheit einerseits und den Anspruch des Schulkindes auf Grundschulunterricht bzw. die verfassungsmässige Pflicht diesen zu besuchen, gegeneinander abzuwägen.

Diese Rechte und Pflichten stehen alle auf der gleichen verfassungsmässigen Stufe und keines geniesst per se Vorrang. Dies ist immer eine Einzelfallbeurteilung gestützt auf die konkreten Umstände, wie auch die bundesgerichtliche Rechtsprechung dazu zeigt. Mit einem neuen Art. 49bis des Volksschulgesetzes sollen den Schulträgern im Kanton St.Gallen klare Leitplanken beim Entscheid über Urlaubs- und Dispensationsgesuche gegeben werden, als dies heute der Fall ist. Es soll insbesondere klargestellt werden, das mit Blick auf die verfassungsmässige Schulpflicht Dispensations- und Urlaubsgesuche nur mit Zurückhaltung zu bewilligen sind. Heute ist in der Verordnung über den Volksschulunterricht lediglich festgehalten, dass der Schulrat über entsprechende Gesuche zu befinden hat. Neu soll im Volksschulgesetz auch der Grundsatz ausdrücklich festgehalten werden, dass die Schülerinnen bzw. der Schüler alle obligatorischen Fächer und Unterrichtsveranstaltungen zu besuchen hat. Eine Dispensation soll nur dann möglich sein, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und die Schülerin bzw. der Schüler trotz Dispensation noch einen ausreichenden Grundschulunterricht bekommt.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2017
18.9.2017Wortmeldung

Ratspräsident: Die Vorlage ist in erster Lesung durchberaten und geht zur Vorbereitung der zweiten Lesung zurück an die vorberatende Kommission.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2017
18.9.2017Wortmeldung

Ratspräsident, stellt Eintreten auf die Vorlagen fest.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2017
18.9.2017Wortmeldung

(im Namen der CVP-GLP-Fraktion): Auf die Vorlagen ist einzutreten.

Der rechtstheoretische Überblick gibt eine gute Gesamtschau über die Grundrechte und die Voraussetzungen, für deren Einschränkungen. Sie zeigt aber auch auf, dass ein Dissens im geltenden Recht zwischen Kantons- und Bundesrecht besteht. Vor diesem Hintergrund muss man kein Prophet sein, um zu erkennen, dass dieses Thema mit der heutigen Diskussion nicht abgeschlossen sein wird, sondern auch weiter für Gesprächsstoff sorgen wird. Die CVP-GLP-Fraktion begrüsst, dass in der Botschaft nebst den Grundrechten auch die anderen Themenkomplexe über die Bekleidungsvorschriften in der Schule sowie die Ausdehnung des geltenden Vermummungsverbots auf ein Gesichtsverhüllungsverbot im Detail erörtert werden.

Die Regierung hat in der Botschaft die Anliegen der vier Motionen aufgenommen und umfassend abgehandelt. Ebenso geben die Ausführungen zumindest ansatzweise eine Antwort auf die weiteren Vorstösse (einfache Anfragen / Interpellationen) zu diesen Themen. Die CVP-GLP-Delegation ist für Eintreten auf die Vorlagen, wobei sich aus unserer Sicht die Regierung hier deutlicher hätte ausdrücken, um eine klare Strategie zur Beraten hätte vorlegen können.

Zum Nachtrag zum Volksschulgesetz: Nach Meinung der CVP-GLP-Fraktion ist es unabdingbar, dass die Frage nach Bekleidungsvorschriften gründlich geklärt wird. Unter Einbezug der Fragestellungen mit grundrechtlichem Bezug soll mit einer Konkretisierung der Bekleidungsvorschriften das vorhandene Problempotential, das ist nicht nur auf ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger gemündet, gemindert werden. Wie in Art. 36 PV (??) vorgesehen, gilt die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht absolut und kann eingeschränkt werden. Selbst die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) lässt bei der Interpretation der Glaubens- und Gewissensfreiheit gewissen Spielraum offen.

Wie bereits in der Interpellation einem 51.16.26 «Integration statt religiöse Sonderregelungen» gefordert, gilt für die CVP-GLP-Fraktion der Grundsatz: Integration statt religiöse Sonderregelungen bei den Überlegungen zur Konkretisierung der Bekleidungs- und Verhaltensvorschriften. Die CVP-GLP-Fraktion teilt die Meinung des Bundesgerichtes, dass kein ausreichendes öffentliches Interesse an einem generellen Verbot religiös motivierter Kopfbedeckungen besteht. Dies natürlich unter dem Aspekt, dass damit die Erfüllung des Bildungsauftrags durch die Schule nicht gefährdet wird. Die Diskussion rund um die Bekleidungsvorschriften im Allgemeinen und Kopfbedeckungsverbote in der Volksschule im besonderen bzw. die damit verbundenen Rechtsstreitigkeiten zeigen, dass die gesellschaftliche Dimension dieses Themas gesamtkantonal relevant ist und demzufolge zu regeln ist.

Aufgrund der sehr emotionalen Thematik sowie auch der Verbindlichkeiten ist das VSGE (??) in Art. 54bis neu so auszugestalten, dass sich die Schulgemeinden in dieser Frage auf klare Vorgaben abstützen können. Dies hat auch eine Basisbefragung bei der CVP-GLP-Mitgliedern ergeben, drei Fünftel sind für die Einführung von Bekleidungsvorschriften. Die CVP-GLP-Delegation begrüsst ausdrücklich die herrschende restriktive Praxis bei der Erteilung von Dispensationen. Was hier leider in der Botschaft nicht berücksichtigt wurde, ist der Handschlag-Fall von Therwil. Gerade solche grundlegenden Fragen müssen jedoch geklärt werden, weil die Volksschule diese Grundregeln konsequent durchsetzen sollte. Der respektvolle Umgang zwischen Lehrpersonen und Schülern darf nicht durch eine religiös motivierte Verhaltensweise gestört werden. Die CVP-GLP-Fraktion ist für Eintreten auf die Vorlage und unterstützt die Vorschläge der vorberatenden Kommission auf dem gelben Blatt. Ebenso, hier spreche ich im Namen der CVP, unterstützen wir die Anträge der vorberatenden Kommission in Bezug auf das Übertretungsstrafgesetz.

Gesichtsverhüllungen und Ganzkörperverschleierungen passen nicht in unseren Kulturkreis. Vor diesem Hintergrund ist in grossen Teilen der Bevölkerung ein Unbehagen gegenüber Personen mit Ganzkörperverschleierungen festzustellen, insbesondere aus Sicherheitsgründen und religiösen Gründen sowie auch aus Gründen der Gleichstellung zwischen Mann und Frau und der Integration. In dieser Hinsicht geht der Vorschlag der Regierung nicht weit genug. Es ist wenig zielführend anstelle eines allgemeinen Verhüllungsverbots im öffentlichen Raum mit irgendwelchen punktuellen Verboten, eine Gesichtsverhüllung in bestimmten Situationen und an bestimmten Orten eine Verschärfung herbeizuführen.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2017
18.9.2017Wortmeldung

(im Namen der SP-GRÜ-Fraktion): Auf die Vorlagen ist einzutreten.

Die heute zu beratende Vorlage ist Ausfluss verschiedener Motionen, welche die SP-GRÜ-Fraktion in deren Namen ich spreche, allesamt abgelehnt hat. Wir waren und sind der Meinung, dass es im Bereich der Bekleidungsvorschriften keinen zusätzlichen Regelungsbedarf gibt, weil die wesentlichen Grundpfeiler bereits durch Verfassung und Gesetze auf Kantons- und Bundesebene sowie durch die Rechtsprechung abgesteckt sind.

Wir wollen keine Gesetze schaffen, die niemand braucht. Trotzdem verschliessen wir uns der heutigen Diskussion nicht und sehen, dass in der Öffentlichkeit durchaus gewisse Erwartungen bestehen. Vor diesem Hintergrund anerkennen wir die Bemühungen der Regierung, in den sich zu stellenden Fragen Kompromisse vorzuschlagen und nicht ganz untätig zu bleiben. Die Idee der Regierung, dass man sich zur Bedeutung der Grundrechte im Zusammenhang mit Bekleidungsvorschriften zuerst grundsätzliche Überlegungen machen sollte, bevor man sofort eine Gesetzesgrundlage schafft, begrüssen wir. Wir danken der Regierung und der Verwaltung deshalb insbesondere auch für die im vorliegenden Bericht sorgfältig zusammengetragenen theoretischen Grundlagen zu den Grundrechten und ihren Einschränkungsvoraussetzungen.

Ich komme zum XIX. Nachtrag zum Volksschulgesetz: Wir sind für Eintreten auf den Nachtrag und sind mit den Änderungen der vorberatenden Kommission einverstanden. Eigentlich sehen wir bei den Bekleidungsvorschriften an der Schule keinen dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf, weil die Schulgemeinden bereits mit den bestehenden gesetzlichen Grundlagen zurecht gekommen sind und dies nicht zu nennenswerten Konflikten geführt hat. Mit den vorgeschlagenen Ergänzungen des Volksschulgesetzes können wir aber Leben. Wir begrüssen es und finden es wichtig, das auch mit den neuen gesetzlichen Grundlagen ein Kopftuchverbot aus religiösen Gründen für muslimische Mädchen an öffentlichen Volksschulen nicht möglich ist und auch kein Thema mehr ist.

Zum III. Nachtrag zum Übertretungsstrafgesetz: Beim Nachtrag zum Übertretungsstrafgesetz ist die vorberatende Kommission unserer Meinung nach weit über das Ziel hinausgeschossen. Die Regierung hat eine Regelung vorgeschlagen, die den Wunsch nach einer Handhabe um gegen Gesichtsverhüllungen vorgehen zu können, erfüllt. Auch wenn wir der Meinung sind, dass es eigentlich gar keine neue Regelung braucht, weil die entsprechenden rechtlichen Grundlagen bereits bestehen, ist das von der Regierung vorgeschlagene Gesichtsverhüllungsverbot im Umgang mit Behörden und Amtsstellen vertretbar und macht auch Sinn.

Ein generelles Gesichtsverhüllungsverbot im öffentlichen Raum, wie es nun die vorberatende Kommission vorschlägt, ist aber weder sinnvoll noch durchsetzbar. Obwohl es eigentlich niemand aussprechen will, zielen die Befürworter des umfassenden Gesichtsverhüllungsverbots auf muslimische Frauen mit Gesichts- oder Ganzkörperschleiern. Hier muss man aber sehen, dass es im Kanton St.Gallen nur sehr wenig bis gar keine Frauen gibt, die sich derart verhüllen. Das von der Kommission vorgeschlagene generelle Gesichtsverhüllungsverbot ist faktisch nicht durchsetzbar. Bestraft werden soll, wer durch die Verhüllung die öffentliche Sicherheit oder den religiösen oder gesellschaftlichen Frieden bedroht oder gefährdet. Eine Person, die ihr Gesicht bedeckt, stellt aber allein durch ihre Bekleidung keine Gefahr und keine Bedrohung der Rechtsordnung oder des öffentlichen Friedens dar. Auch ich finde es befremdlich, wenn sich Frauen bis zur Unkenntlichkeit verhüllen. Der Anblick ist mir unangenehm und er gehört nicht in unseren Kulturkreis. Aber nur weil wir dieses Verhalten als gesellschaftlich störend oder moralisch verwerflich empfinden, ist es nicht gerechtfertigt, dies unter Strafe zu stellen, solange ist keine schädlichen oder gefährlichen Auswirkungen hat.

Aus diesen Gründen, und auch weil ein solches Verbot das Gegenteil von dem bezweckt, was wir mit unseren Integrationsbemühungen erreichen wollen, lehnen wir ein generelles Gesichtsverhüllungsverbot im öffentlichen Raum ab. Wir wollen keine Symbolpolitik machen und sind deshalb für Eintreten und Festhalten am Entwurf der Regierung.

Lassen Sie mich zum Schluss aus der Stellungnahme die Staatsrechtlers, Professor Kälin, im Bericht zu den Grundrechten zitieren: «Kulturelle Vielfalt ist ein wesentliches Element jeder freiheitlichen Ordnung und deshalb zu achten und zu schützen. Der Staat darf nicht das Recht beanspruchen, für alle Menschen festzulegen, was die richtige Lebensführung ist. Mit anderen Worten, es ist unsere Verfassungsordnung, welche rechtlich kulturelle Pluralität ermöglicht und auch dann schützt, wenn die Mehrheit sie nicht als bereichernde Vielfalt sondern als Belastung empfindet.» Ich finde, daran sollen und wollen wir uns orientieren und in diesem Sinne freue ich mich auf eine sachliche Diskussion.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2017
18.9.2017Wortmeldung

Präsident der vorberatenden Kommission: Auf die Vorlage ist einzutreten.

Ich darf über die Ergebnisse der Beratungen am Mittwoch 5. Juli 2017 im Tafelzimmer berichten.

In der vorberatenden Kommission haben wie die Vorlage als drei einzelne Geschäfte behandelt. Zum ersten den Bericht 40.17.03 «Bedeutung der Grundrechte und deren Einschränkung im Zusammenhang mit Schulbesuch, Bekleidungsvorschriften und Vermummungsverbot», gefolgt von 22.17.01 «XIX. Nachtrag zum Volksschulgesetz» und zuletzt 22.17.02 «III. Nachtrag zum Übertretungsstrafgesetz». Jede Vorlage haben wir mit einem eigenen Eintreten und separaten Abstimmung beraten, im Gegensatz zu heute, wo diese Vorlage als Einheit und nur mit einem Eintreten auf alle Bereiche behandelt wird.

Die vorliegende Botschaft basiert auf vier im Kantonsrat gutgeheissenen Motionen. Dies sind 42.13.13 «Öffentliche Schule und Freiheitsrechte» vom 16. September 2013 von der damaligen CVP/EVP-Fraktion, 42.13.15 vom 17. September 2013 der SVP-Fraktion, 42.14.06 vom 2. Juni 2014 von Egger-Berneck, beide mit dem gleichen Wortlaut «Volksschule: Bekleidungsvorschriften klar regeln» und zum Schluss 42.13.20 «Vermummungsverbot» vom 25. November 2013 der SVP-Fraktion. Um das ganze Themenfeld rund um diese gutgeheissenen Motionen aufzuzeigen, hat die Regierung einleitend einen Bericht mit dem Titel: «Bedeutung der Grundrechte und deren Einschränkungen im Zusammenhang mit Schulbesuch, Bekleidungsvorschriften und Vermummungsverbot» verfasst. Zu deren Beratung der gesamten Botschaft waren Regierungsrat Martin Klöti, der Generalsekretär Davide Scruzzi sowie Claudia Nef, Abteilungsleiterin Kompetenzzentrum Integration und Gleichstellung, in der Kommission anwesend. Fachlich und rechtlich wurde die Kommission weiter von Franziska Gschwend, Leiterin Dienst für Recht und Personal, aus dem Bildungsdepartement, sowie von Frau Brigitte Grob, juristische Mitarbeiterin ihm Rechtsdienst des Sicherheits- und Justizdepartementes unterstützt.

Im vorliegenden Bericht zeigt die Regierung auf, was unter Grundrechte aus ihrer Sicht zu verstehen ist. Dabei bezieht Sie sich auf eine Publikation von Regina Kiener und Walter Kälin. Weiter erläuterte Frauen Nef den Kommissionsmitgliedern die verschiedenen Arten der Verschleierungen. Die Diskussionen in der Kommission zeigten auf, wie verschieden diese Grundrechte von politisch links bis politisch rechts interpretiert werden können. Ganz klare unterschiedliche Haltungen waren in der Kommission zum Thema Verschleierungen zu hören. Mit einer Verschleierung bringt eine weibliche Person eine Art ihrer religiösen Grundhaltung zum Ausdruck, ob dies immer freiwillig getragen wird oder nicht, wurde in der Kommission ebenfalls kontrovers diskutiert.

Die vorberatende Kommission beantragt dem Kantonsrat Eintreten auf den Bericht.

Im zweiten Teil unserer Beratungen am 5. Juli 2017 hat die vorberatende Kommission den XIX. Nachtrag zum Volksschulgesetz behandelt. Zu diesem Teil der Beratungen kam Regierungsrat Stefan Kölliker dazu. Mit den einleitend erwähnten überwiesenen Motionen wurde die Regierung beauftragt, je eine Regelung zur Bekleidung während den Schulunterricht sowie die Dispensation vom Unterricht ins Gesetz aufzunehmen. Die Regierung kommt diesem Auftrag mit Gesetzesanpassungen in Art. 49, 54 und 96 im Volksschulgesetz nach. Die Beratung in der vorberatenden Kommission zeigt, dass die vorgeschlagene Gesetzesanpassung über alle Fraktionsdelegationen eine grundsätzliche Zustimmung gefunden haben. Die Diskussionen um Art. 49bis ergaben, dass die Kommission ihn der Mehrheit nebst der Dispensation auch den Urlaub nur in wichtigen Gründen ermöglichen soll. Unsere Anpassungen zu diesem Artikel finden Sie auf dem gelben Blatt.

Die Beratungen um Art. 54bis im Zusammenhang mit den Bekleidungsvorschriften haben in der vorberatenden Kommission ergeben, dass in diesem Artikel festgehalten sein soll, dass der Regierungsrat Ausführungsbestimmungen zu erlassen hat. Der Gesetzestext «...erlässt nähere Vorschriften zur Bekleidung in der Schule» war der vorberatenden Kommission etwas zu schwammig. Hier verlangt die vorberatende Kommission auf dem gelben Blatt eine neue Fassung.

Auch in Art. 96 des Volksschulgesetzes haben die Diskussionen der vorberatenden Kommission eine Anpassung des Gesetzestextes ergeben. Mit den auf dem gelben Blatt beantragten Änderungen sollen die Eltern zusätzlich in die Pflicht genommen werden, dass sie nebst der Wahrung des Schulfriedens und der korrekten Kleidung auch die Schulordnung zu befolgen haben.

Am 5. Juli 2017 befasste sich die Kommission mit dem III. Nachtrag zum Übertretungsstrafgesetz. Zu diesen Beratungen durfte die Kommission Regierungspräsident Fredy Fässler zusätzlich in der Kommission begrüssen.

Mit der Überweisung der Motion 42.13.20 am 25. November 2013 bekam die Regierung folgenden Auftrag. Ich zitiere: Vermummungsverbot: Die Regierung wird eingeladen, dem Kantonsrat eine gesetzliche Regelung zur Ergänzung des bestehenden Vermummungsverbots vorzulegen, welche die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu Einschränkung der Grundrechte, insbesondere das Erfordernis der Verhältnismässigkeit berücksichtigt. Die Vorlage ist zusammen mit der Vorlage zur Erfüllung der Motionen 42.13.15 und 42.15.06 dem Parlament vorzulegen. Dies beraten wir heute in dieser Form. Um diesen Auftrag dieser überwiesenen Motion zu erfüllen, schlägt die Regierung in der Botschaft eine Ausdehnung des Vermummungsverbots auf den Kontakt mit Behörden und Amtstellen vor.

In der Diskussion in der Kommission wurden folgende Fragen debattiert: Ist mit dem Vorschlag der Regierung der Wille der Motionäre umgesetzt? Da waren die Meinungen geteilt. Für die einen richtig für die anderen geht dieser Vorschlag zu wenig weit. Das Vermummungsverbot ist faktisch ein Burkaverbot. Sind Frauen mit einer Vollverschleierung ein Problem in unserer Gesellschaft? Die Zahl der Frauen, welche in der Schweiz ein Burka tragen, sind klein. Somit ist es eine kleine Gruppe, und für die einen in der Kommission somit kein Problem, dass dieses gesetzlich geregelt werden müsste. Für die anderen in der Kommission geht es um den Grundsatz, dass eine Vollverschleierung nicht zu unserem Kulturkreis gehört, oder, dass Frauen in unserem Land nicht gezwungen werden können, eine Vollverschleierung tragen zu müssen.

Die Debatte in der vorberatenden Kommission zeigte, dass eine knappe Mehrheit für eine Ausdehnung des Vermummungsverbotes auf den gesamten öffentlichen Raum war. In der Folge wurden viele verschiedene Varianten für einen möglichen Gesetzestext diskutiert und ein Antrag gegenübergestellt. Nach verschiedenen Abstimmungen folgte ein Rückkommen. Am Schluss einigte man sich in der vorberatenden Kommission mit dem Stimmenverhältnis von 7:7 Stimmen bei 1 Enthaltung und dem Stichentscheid vom Präsidenten für folgenden Vorschlag: Wer sich die im öffentlichen Raum sowie an Orten, die öffentlich zugänglich sind, durch Verhüllung des Gesichts unerkenntlich macht und dadurch die öffentliche Sicherheit oder den religiösen Frieden oder gesellschaftlichen Frieden bedroht oder gefährdet, wird mit Busse bestraft.

Mit dem gleichen Stimmenverhältnis beantragt Ihnen die vorberatende Kommission Eintreten auf die Vorlage.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2017
18.9.2017Wortmeldung

Regierungsrat: Auf die Vorlage ist einzutreten.

Sie diskutieren heute über einen Bericht und zwei Gesetzesvorlagen, die Sie in Auftrag gegeben haben. Ich freue mich auf eine spannende und sachliche Diskussion. Auch ich habe ganz aktuell belesen – Egger-Berneck. Betroffen ist mit dem Übertretungsstrafgesetz ein Bereich des Sicherheits- und Justizdepartementes und mit dem Volksschulgesetz ein Bereich des Bildungsdepartementes. Mein Departement, das Departement des Innern, hat hier eine koordinierend federführende Funktion erfüllt und zudem insbesondere den Bericht verantwortet, auch weil es jeweils um Integrationsaspekte geht. Mit anderen Worten, wir haben sozusagen das Dach konstruiert, in der Architektur Sprachen gesprochen. Wichtig ist, unser Gestaltungsspielraum ist in diesen Bereichen nicht sehr gross, weil Grundrechte tangiert sind. Grundrechte sind das Fundament unseres Rechtsystems. Mehr noch, sie sind zentrale Merkmalen unseres heutigen wird Systems. Eine Einschränkung der Grundrechte muss Bedingungen erfüllen, so steht es auch in der Verfassung. Was sind diese Bedingungen? Sie sind im Bericht ausgeführt. Klar ist, dass eine Grundrechtseinschränkung eine ausreichende gesetzliche Grundlage braucht. Dann müssen zwei wichtige Kriterien erfüllt sein: Es muss ein öffentliches Interesse darin bestehen, das Grundrecht eines Individuums einzuschränken, oder es wird bei Unterlassung der entsprechenden Massnahme ein Grundrecht eines Dritten eingeschränkt und zwar ganz konkret und nicht abstrakt.

Bei den öffentlichen Interessen geht es um gewichtige Dinge, z.B. um Polizeigüter wie öffentliche Sicherheit, Schutz der öffentlichen Gesundheit usw. Dann müssen Juristen, und in diesem Fall Politiker, abwägen, ob ein angedachter Eingriff verhältnismässig ist oder nicht. Da geht es zum einen darum zu Fragen, ob die Einschränkung überhaupt geeignet ist, das Ziel zu erreichen. Man muss sich Fragen, ob es nicht noch ein milderes Mittel gibt, und schliesslich muss das Mittel zumutbar sein. Also die Interessen der Dritten für eine Grundrechtseinschränkung müssen so gross sein, dass die Einschränkung für den Betroffenen angemessen erscheint.

Für mich als Integrationsminister eine erfreuliche Erkenntnis. Gerade die juristisch sorgfältige Abwägung auf der Basis unserer abendländisch-westlich geprägten Grundrechtstradition sorgt dafür, dass wir einen konkreten Ausgleich finden zwischen religiös-kultureller Autonomie – also der Freiheit, oder gleiche Rechte und Pflichten für alle – der Gleichheit und damit die Integration.

Im Bildungsbereich zielt die Regierung mit einem Nachtrag zum Volksschulgesetz im Wesentlichen auf die Kleidungsvorschriften, aber auch auf das Absenzenwesen und den allgemeinen Schulfrieden hin. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung werden die Schülerinnen und Schüler neu unmissverständlich verpflichtet, korrekt bekleidet zum Unterricht zu erscheinen. Und auch die Eltern sind in der Pflicht, zulässig sind im Schulbereich Vorschriften, die im Zusammenhang mit der Konzentration auf den Unterricht oder der allgemeinen Ordnung stehen, beispielsweise Verbote von salopper Kleidung (Kappe im Unterricht oder aufreizende Bekleidungsstücke). In diesem Bereich steht es nun dem Erziehungsrat zu, Ausführungsbestimmungen zu erlassen, damit nicht in jeder Gemeinde etwas anderes gilt. Gemäss Bundesgericht ist aber nicht zulässig, Verbote von Kleidungsstücken mit religiöser Konnotation zu erlassen, konkret auch des muslimischen Kopftuchs, solange die Umstände, unter denen sie getragen werden, den Schulunterricht nicht stören bzw. den Schulfrieden nicht zu gefährden. Die vorberatende Kommission beantragt zu dieser Gesetzesanpassung kleine Änderung, die von der Regierung akzeptiert werden. Regierungsrat Kölliker wird möglicherweise im Detail noch darauf eingehen.

Im Bereich «öffentlicher Rahmen» legt die Regierung eine Änderung im Übertretungsstrafgesetz vor. Als pragmatischer Kompromiss legt die Regierung ein eingeschränktes Gesichtsverhüllungsverbot vor, nämlich ein solches für den direkten persönlichen Kontakt mit Behörden und Amtsstelle. Es kommt erst zur Anwendung, wenn sich eine Person trotz Aufforderung weigert ihr Gesicht offen zu zeigen, um etwa, wenn es nötig ist, von Angesicht zu Angesichts sprechen zu können. Ich gebe zu, im Bereich Verhüllung im öffentlichen Raum gibt es unter den Juristen in Europa gegenteilige Haltungen darüber, was grundrechtskonform sein kann und was nicht. Wir stützen uns aber in unserer Argumentation stark auf die bisherige schweizerische Rechtsprechung und auf die Situation in der Schweiz und im Kanton St.Gallen – alles gemäss ihrem Antrag.

Sie haben es gesehen, die vorberatende Kommission schlägt eine andere Lösung vor und wünscht weitergehende Eingriffe. Die Regierung lehnt das ab. Warum? Ganz einfach, weil es das in unserer Auffassung nicht braucht. Und seien Sie vorsichtig, machen Sie keine Angstpolitik auf Vorrat. Regierungsrat Fässler wird im Detail möglicherweise auch da noch tiefer darauf eingehen.

Meinerseits nur so viel: Ein solches Gesichtsverhüllungsverbot braucht es weder zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit oder der Strafverfolgung noch aus anderen Gründen, wie hiesigen Wertvorstellungen, einem offenen zwischenmenschlichen Kontakte, dem gesellschaftlichen oder religiösen Frieden oder mit Blick auf das Staatsziel, der sozialen Integration. Es ist also keine Frage der Religion. Wir müssen zwar zugeben, hinter diesen Motionen, die zur heutigen Vorlage geführt haben, und auch hinter dem Antrag, der vorberatenden Kommission zum Übertretungsstrafgesetz, steht durchaus eine bestimmt gut gemeinte Idee von Zusammenleben. Und in diesem Zusammenleben wirken gewisse Kleidungsstücken auf den ersten Blick störend, weil sie die Kontaktaufnahme verhindern oder an weil sie an Länder oder Unrechtsregime erinnern, von den wir uns gerne abgrenzen und abgrenzen dürfen, und dies zu recht. Eine Abgrenzung im Strafrecht ist kontraproduktiv. Die Stossrichtung des Antrages der vorberatenden Kommission zum Übertretungsstrafgesetz sowie die ursprünglichen Motionen zielen halt eher auf erzwungene Assimilation statt auf Integration. Und es gibt auch ganz praktische Argumente, die Sie beachten müssen: Sie haben gesehen, wie sich die Tessiner Polizei schwer tut mit dem Burkaverbot.

Es ist ja des weiteren sicher nicht sinnvoll, wenn Mädchen des islamischen Glaubens am Schluss aus den öffentlichen Schulen verdrängt werden und sich neue Privatschulen bilden. Es ist überhaupt auch nicht sinnvoll, wenn auch die wenigen Burka Trägerinnen, die es gibt, in ihren Häusern bleiben und gar nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen würden, zumal die Burka in der Schweiz nicht ein grosses sondern eher ein Randphänomen darstellt.

Wozu also ein Gesetz, wenn es am Schluss wirklich nur eine Handvoll Touristinnen betrifft. Wovor haben wir den hier heute Angst? Es ist wichtig, eine reale Gefahr von einem Unbehagen zu unterscheiden. Wegen eines Unbehagens ritzen wir sicher nicht die Grundrechte und strapazieren das Strafrecht nicht mit unnötigen Bestimmungen.

Und wenn Zwang ausgeübt würde, dann kennt die Justiz andere Mittel zum Schutz der betroffenen Frauen. Und wenn wir grundsätzlich zur Integration von muslimischen Frauen beitragen wollen, dann haben wir gesehen, dass es wirksamere Massnahmen gibt, z.B. Sprachschulen, Frauentreffs, Familienzentren, Begegnungsanlässe bis hin zum interreligiösen Dialog. Das sind alles Bereiche wo mein Departement erfolgreiche Impulse gibt.

So möchte ich sie einladen, just weil die hier im Hintergrund stehenden Themen medial also aufgeheizt sind, sich auf eine rationale Ebene zu begeben und heute Gesetze in Anlehnung an die Vorlage der Regierung zu entscheiden. Gerade in politisch heiklen Themen geben die in einer langen philosophischen und juristischen Tradition unseres Landes und der gesamten westlichen Zivilisation geprägten Grundrechte Halt.

Zum Schluss noch dies: In diesem Saal haben sich letzte Woche Vertreterinnen und Vertreter der Regierung und der Religionsgemeinschaften getroffen, um Aspekte des Verhältnisses zwischen Religion und Staat zu erörtern. Es ging um das Thema Sicherheit. Die Beteiligung war eindrücklich. Dabei war immer wieder die St.Galler Erklärung erwähnt, in der sich alle Religionen und auch der Kanton zu den Menschenrechten und damit auch zu den Grundrechten sowie zu den Aspekten von Vielfalt und Toleranz bekennen. Ich fordere sie daher gerne auf, sorgen sie heute dafür, dass auch der Kanton auf diesem Wege bleibt. In Sachen interreligiöser Dialog und Verhältnis zu anderen Religionen, haben wir hier eine schöne Tradition, die wir nicht voreilig über Bord werfen sollen. Andere Kantone und Länder müssten sich an uns ein Vorbild nehmen, sicher nicht umgekehrt. Und wenn jetzt die Burka-Initiative auf Bundesebene zustande gekommen ist, heisst das noch lange nicht, dass wir uns hier im voreiligen Gehorsam bereits daran halten müssen. 

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2017
18.9.2017Wortmeldung

(im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Vorlagen ist einzutreten.

Wir können uns heute mit einer guten und sorgfältig erarbeiteten Vorlage befassen. Die Vorlage ermöglichte, die Gesamtzusammenhänge zu erfassen und sachlich abzuwägen, welche neuen gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden sollen. Sie basiert nicht auf Emotionen und Einzelfällen, welche Ursprung der zugrundeliegenden Vorstösse waren. Die Vorlage setzt sich ausführlich mit unseren in der Bundesverfassung und Kantonsverfassung verankerten Freiheit und Grundrechte auseinander. Diese Grundrechte bilden die Werte unsere schweizerischen Gesellschaftsordnung. Diese gesellschaftlich anerkannten Werte sind entsprechend zu schützen. Die zu schaffenden gesetzlichen Grundlagen sollen also unsere liberale Gesellschaftsordnung schützen. Sie sollen sichtbar machen, wo die Grenzen der individuellen Freiheit sind, um unsere schweizerischen Werte und unsere gesellschaftliche abendländisch geprägte Kultur zu wahren. Dabei ist es aber wichtig, dass die Schaffung neuer Rechtssätze nicht für eine symbolpolitisch geführte Debatte missbraucht wird. Gesetze müssen umsetzbar sein.

Zum XIX. Nachtrag zum Volksschulgesetz: Es besteht heute ein verstärktes öffentliches Interesse, die Grundrechtsbeschränkungen in der Volksschule auf kantonaler Ebene gesetzlich abzustecken. Durch die steigende Vielfalt der kulturellen, gesellschaftlichen und familiären Hintergründe der Schülerinnen und Schüler ist es wohl durchaus normal, dass diese nicht immer das selbe Verständnis für die Schule und deren Regeln mitbringen. Deshalb ist es aus unserer Sicht notwendig, einzelne Bereiche genauer zu regeln. Die FDP-Fraktion unterstützt den XIX. Nachtrag zum Volksschulgesetz mit den Änderungsanträgen der vorberatenden Kommission. Die beantragten Änderungen sind stufengerecht und geben sowohl dem Erziehungsrat als auch den Gemeinden und den kommunalen Schulräten die notwendige Verantwortung und den dazugehörigen Ermessensspielraum.

Zum III. Nachtrag des Übertretungsstrafgesetzes: Die FDP-Fraktion unterstützt den Antrag der Regierung. Er ist sachgerecht und entspricht dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Das von der vorberatenden Kommission vorgeschlagene generelle Gesichtsverhüllungsverbot im öffentlichen Raum zielt in die falsche Richtung. Es dient nicht zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und der Strafverfolgung. Bei Situationen und Grossveranstaltungen mit Gewaltpotential, die eine Gefährdung der Sicherheit bedeuten, besteht das bereits geltende Vermummungsverbot. Allein durch die Verhüllung des Gesichts wir noch kein konkretes Rechtsgut unmittelbar bedroht. Der Antrag der vorberatenden Kommission hebt sogar auch die Bussensprechung im Verkehr mit Behörden auf.

Die FDP-Fraktion wird deshalb die Regierung unterstützen. Sie ist aber der Meinung, dass die Bestrafung alleine doch eine Busse nicht genügend ist, sondern eine Verschärfung in Form der Verweigerung der angefragten Dienstleistung durch Behörden möglich sein muss. Es bedarf deshalb einer gesetzlichen Grundlage mit dem Ziel, eine staatliche Dienstleistung bei nicht Befolgung des Gesichtsverhüllungsverbotes im Kontakt mit Behörden oder Amtsstellen zu verweigern. In der Spezialdiskussion wird ein entsprechender Antrag gestellt werden.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2017
18.9.2017Wortmeldung

Ich spreche im Namen der GLP-Fraktion und nur zum III. Nachtrag zum Übertretungsstrafgesetz, weil wir hier anderer Meinung sind, als unsere Fraktionskollegen: Auf die Vorlage ist einzutreten.

Das Vermummungsverbot wird seit dem Jahr 2008 strafrechtlich über das kantonale Übertretungsstrafgesetz durchgesetzt und dort mit Busse belegt. Das Verbot bezweckt, das bei einer Versammlung oder Demonstration inhärente Gefahrenpotential möglichst klein zu halten. Es soll verhindern, dass jemand aus der Anonymität heraus d.h. unter dem Schutz der Vermummung unerkannt Straftaten begeht und sich damit leichter einer Strafverfolgung entziehen kann. Das Vermummungsverbot dient also der Prävention von Straftaten. Es hat damit klar polizeilichen und strafrechtlichen Charakter. Das Übertretungsstrafgesetz soll nach der vorberatenden Kommission ergänzt werden mit einem allgemeinen Gesichtsverhüllungsverbot im öffentlichen Raum. Die Kommission lehnt damit den Vorschlag der Regierung ab, welcher anstatt eines Verhüllungsverbotes den Behörden das Recht gibt zu verlangen, das in direktem Kontakt mit Behörden und Amtsstellen die Gesichtsverhüllung abzulegen ist.

Diese Ausdehnung des Vermummungsverbots durch ein Gesichtsverhüllungsverbot zielt dabei klar auf die religiös motivierte Gesichtsverschleierung von Frauen muslimischen Glaubens. Aus Sicht der GLP tangiert ein solches Verbot die Grundrechte und ist zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit oder der Strafverfolgung nicht notwendig. Weder verhüllt sich eine Vielzahl von Personen mit dem Ziel, mit verdecktem Gesicht Straftaten zu begehen oder sich dadurch der Strafverfolgung zu entziehen, noch lassen sich umgekehrt potentielle Straftäter durch ein derartiges Verbot davon abhalten. Was die religiös motivierte Gesichtsverhüllung betrifft, ist zu berücksichtigen, dass sich von den in der Schweiz lebenden muslimischen Frauen nur eine ganz kleine Minderheit als religiösen Motiven im öffentlichen Raum das Gesicht verhüllt, und bei den betroffenen Frauen handelt es sich meist um Touristinnen. Zudem sind bisher keine Fälle bekannt, bei denen Frauen aufgrund ihrer Verschleierung zu polizeilichen Problemen geführt haben.

Das Gesicht zu verhüllen ist somit grundsätzlich kein gefährliches Verhalten, höchstens ein gesellschaftliches Problem. Durch eine strafrechtliche Ausdehnung des Vermummungsverbots, so dass es auch die religiöse Gesichtsverhüllung umfasst, soll ein gesellschaftliches Problem mit einem polizeilichen bzw. strafrechtlichen Mittel gelöst werden. Das Strafrecht dient aber nicht dazu, ein gesellschaftlich erwünschtes Verhalten zu fördern, sondern einzig dazu, schädliches Verhalten zu verhindern oder zu sanktionieren. Mit Blick auf die Verhältnismässigkeit darf das Strafrecht nur dort als Mittel zur Erreichung eines gewünschten Verhaltens eingesetzt werden, wo andere Massnahmen versagen. Aus Integrationspolitischer Sicht steht die soziale Teilhabe der betroffenen Frauen im Zentrum. Wirkungsvollstes Mittel dazu ist eine erfolgreiche Integration. Strafrechtlicher Zwang ist in diesem Zusammenhang weder verhältnismässig noch zielführend. Dies ist gerade dort völlig ungeeignet, wo Verhalten verändert werden will, das aus religiöser Überzeugungen den Tag gelegt wird. Sieht man in der Gesichtsverhüllung der muslimischen Freiwahl allenfalls ein Symbol der Unterdrückung des weiblichen Geschlechts, wird durch den Gesetzesvorschlag der Kommission mit der verhüllten Frauen, die unterdrückte Person, also das Opfer, gebüsst. Ein generelles Verbot, wie vorgeschlagen, würde für die betroffenen Frauen somit bewirken, dass sie sich nicht mehr im öffentlichen Raum bewegen könnten, was der sozialen Integration geradezu entgegen liefe und auch dieses Argument widerlegt.

Aus Sicht der GLP ist es wichtig, eine real drohende Gefahr von einer Belästigung oder einem blossen Unbehagen zu unterscheiden. Allgemein gültige Verbote der Gesichtsverhüllung lediglich aufgrund eines nicht näher zu beschreibenden Unbehagens in der Bevölkerung gegenüber Einzelpersonen, die sich dem gesellschaftlichen Leben durch ihre Verschleierung teilweise hinziehen, sind mit einem liberalen und freiheitlichen Rechtsstaat nicht vereinbar.

Die GLP lehnt deshalb den Vorschlag der vorberatenden Kommission ab und unterstützt die Version der Regierung.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2017
18.9.2017Wortmeldung

Ratspräsident: Das Präsidium sieht eine gemeinsame Eintretensdiskussion vor.

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2017
18.9.2017Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Vorlagen ist einzutreten. Das gelbe Blatt der vorberatenden Kommission ist gutzuheissen.

Wir dürfen für uns beanspruchen, dass die Thematik und die Fragen, die jetzt per Gesetz gelöst werden sollen, massgeblich auf unsere politischen Bemühungen zurückzuführen sind.

Auf der parlamentarischen Ebene sind von unserer Seite die folgenden Vorstösse eingereicht worden: Motionen von 17. September 2013 und vom 2. Juni 2014 zu den Bekleidungsvorschriften in der Volksschule. Motion vom 25. November 2013 zum Vermummungsverbot. Verschiedene einfache Anfragen zum gleichen Thema. Im Sinne einer allgemeinen Bemerkung müssen wir feststellen, dass die Regierung sehr lange gebraucht hat, um die entsprechenden Vorlagen auszuarbeiten. Zwar hat auch das Bundesgerichtsurteil vom Dezember 2015 zum Fall des kopftuchtragenden Mädchens aus St.Margrethen dabei eine Rolle gespielt, aber von Anfang an war klar, dass der politische Wille der Regierung kaum vorhanden war, um die Thematiken anzugehen. Diese sind ihr offensichtlich unangenehm und sie hat eine Art Vogel-Strauss-Politik praktiziert, indem sie nicht wahrhaben will, welche gesellschaftlichen Entwicklungen am Laufen sind. Es gilt, unsere Werte zu schützen und einzustehen für die freiheitliche Grundordnung, die von allen in diesem Land lebenden Personen respektiert werden muss. Um diese Freiheit zu gewährleisten, ist es notwendig, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der klar aufzeigt, was erlaubt ist und was nicht. Das Vermummungsverbot gehört dazu, denn wer sein Gesicht nicht zeigt, hat entweder unlauter Absichten oder wird dazu gezwungen, sei es von einer mittelalterlich ausgelegten Form eines Glaubens oder von einem Ehemann, der seine Frau von der Umwelt abschotten will.

Gerade bei den fortschrittlich denkenden Frauen sollte diese Art von frauenfeindlicher Unterdrückung eigentlich einen Proteststurm auslösen. Für die umfangreiche Botschaft der Regierung könnte der Spruch gelten: «Der Berg hat eine Maus geboren», denn der Umfang der wortreichen Vorlage steht in einem umgekehrten Verhältnis zum greifbaren und substantiellen Inhalt. Beim Bericht über die Bedeutung der Grundrechte und deren Einschränkungen im Zusammenhang mit Schulbesuch, Bekleidungsvorschriften und Vermummungsverbot soll ein Überblick zur aktuellen Thematik geschaffen werden. Leider lässt sich aber bereits hier die politische Haltung zum Thema herauslesen, was für uns ein wenig enttäuschend ist. Der Entwurf für die Änderung des Volksschulgesetzes wurde immerhin in Richtung Motionsauftrag entwickelt. Dank des Auftrages werden die Schülerinnen und Schüler verpflichtet, auf eine Bekleidung zu verzichten, die den Unterricht oder den Schulfrieden stören. Weiter wird dem Erziehungsrat die Kompetenz erteilt, kantonale Ausführungsbestimmungen zur Bekleidung in der Schule zu erlassen – dies stimmt unsere Fraktion sehr positiv.

Der Nachtrag zum Übertretungsstrafgesetz ist hingegen absolut inakzeptabel. Er setzt den klar und eindeutig formulierten Motionsauftrag überhaupt nicht um, sondern enthält ein unbrauchbares Pseudovermummungsverbot. Die Vorstellung, dass eine Frau zum Beispiel bei einem Einwohneramt auftaucht, um sich anzumelden, ohne ihr Gesicht zu zeigen, ist völlig absurd. Dennoch will die Regierung allen Ernstes diese Vorschrift so ins Gesetz schreiben lassen, weil sie offensichtlich nicht den Mut zu einem konsequenten Verhüllungsverbot hat.

Ein unmissverständliches Verbot ist jedoch wichtig, um ein Zeichen zu setzen gegen den frauenfeindlichen, religiösen Extremismus. Dieser ist in ganz Europa auf dem Vormarsch, was bereits Frankreich und Belgien veranlasst hat, Burkaverbote zu erlassen. Und in unserem Nachbarland Österreich gilt ein Verhüllungsverbot ab dem 1. Oktober 2017. Gerne möchte ich Ihnen einen Auszug aus dem heutigen Tagblatt vortragen, auf S. 6: «Nichts ist an einer Burka oder einem Niqab liberal, und es ist auch nichts progressiv an jenen, die sie verteidigen oder den Niqab als religiöses und kulturelles Recht verklären. Der Niqab ist nicht nur eine kulturelle und religiöse Tradition, sondern auch ein Symbol der geschlechterspezifischen Diskriminierung. Wer wundert sich nicht während der Sommerferien in der Züricher Luzerner Bahnhofstrasse über jene Frauen in Niqabs, die von ihren Männern in Markenjeans und -T-Shirts begleitet wurden. Die Vernunft sagt, dass dies klar ein Werkzeug der absoluten Diskriminierung ist, basierend auf dem Geschlecht. Einerseits ein Recht für den Mann andererseits ein Recht für die Frau. Solche Gepflogenheiten dürfen in Ländern, in denen die Gleichstellung von Mann und Frau eine der wichtigsten Säule einer liberalen Gesellschaft ist, nicht geduldet werden.» Diese Aussage stammt nicht von einem Rechtspolitiker sondern von einem marokkanischen Repräsentant der internationalen humanitären und ethischen Union am Uno Menschenrechtsrat in Genf.

Sein Gesicht zu zeigen, ist für unser kulturelles Verständnis selbstverständlich und ein Teil der verschiedenen ungeschriebenen Regeln die Voraussetzung, Regierungsrat Klöti, für das friedliche Zusammenleben der Gesellschaft sind. Nun sind wir aber, wie andere Länder, an einem Punkt angekommen, wo die ungeschriebenen Regeln nicht mehr von allen befolgt werden, und daher ist es notwendig, sie durch geschriebene Regeln, d.h. mit einer Gesetzesergänzung zu ersetzen um ihnen Nachdruck zu verleihen. Genau aus diesem Grund hat der Kanton Tessin das Verbot, einen Gesichtsschleier zu tragen, in seiner Kantonsverfassung verankert, was mittlerweile vom Bund als zulässig anerkannt wurde. Das Argument, man hätte im Kanton St.Gallen noch nie eine Frau mit vollständig verhülltem Gesicht gesehen und darum sei ein Verbot unnötig, ist wirklichkeitsfremd. Die religiöse Radikalisierung ist eine Tatsache und ein präventives Verbot macht Sinn. «Gute Politik» heisst vorausschauend zu handeln und genau das ist es, was sie mit einem glaubwürdigen Vermummungsverbot erreichen wollen.

Um in den Worten von Konfuzius abzuschliessen: «Wer nicht an die Zukunft denkt, wird bald grosse Sorgen haben.»

Session des Kantonsrates vom 18. bis 20. September 2017