Geschäft: Rationierungen in der Gesundheitsversorgung

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer40.16.07
TitelRationierungen in der Gesundheitsversorgung
ArtKR Bericht
ThemaGesundheitspflege, Sozialversicherung, Sozialhilfe
FederführungGesundheitsdepartement
Eröffnung21.9.2016
Abschluss21.2.2017
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
BotschaftBericht der Regierung vom 27. September 2016
MitgliederlisteAktuelle Mitgliederliste Stand: 21. Dezember 2016
AntragKommissionsbestellung vom 28. November 2016
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Statements
DatumTypWortlautSession
21.2.2017Wortmeldung

(im Namen der SP-GRÜ-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Die öffentliche Diskussion übe die Rationierung findet nur wenig statt, man weicht ihr völlig aus, obwohl die Rationierung in unserer Medizin, unserem Spitälern und Altersheimen immer wieder vorkommt. Umso wichtiger ist es, dass wir nun eine Vorlage haben. Das heisst, es ist um so wichtiger und notwendig, dass auch dieser Rat sich eine Meinung bilden und auch sagen kann, wie man hier weitergehen soll. Ob wir es bequem finden oder nicht, wir müssen, und das wurde auch von meinen Vorrendern auch erklärt, uns auch der Sinnfrage stellen, wie auch der Unisinnfrage, was macht Sinn, was soll unternommen werden, was wird in den Spitälern angeboten, wie die Leute versorgt werden. Das ist anspruchsvoll und es trifft uns alles weit innen. Letztendlich geht es um die Frage der Akzeptanz der Endlichkeit des Lebens überhaupt.

Wir sind uns hier in diesem Saal alle übereinstimmig einig, dass die Rationierung im Grundsatz vermieden werden sollte. Die Vorredner haben bereits vieles ausgeführt, ich möchte hier nur auf die Empfehlungen eingehen. Es ist nachvollziehbar, wenn in der Vorlage ausgeführt wird, dass die wirklich nachhaltigste Massnahme ist, wenn man die Leute ausbildet. Wir meinen, das Ausbilden allein ist eine Sache, ebenso wichtig ist, dass die Leute motiviert sind. Und motivierte Leute, die sind nicht einfach so da, es braucht Mittel dafür und es nützt überhaupt nichts, wenn wir jetzt sagen, dass wir das wollen, aber wenn es um die Finanzen geht, dann wollen wir von dem nichts mehr wissen.

Die SP-GRÜ-Fraktion findet, dass die Empfehlungen, so wie sie formuliert werden, sehr gut sind. Aber Empfehlungen, mit denen man nichts weiter unternimmt, sind eigentlich für nichts da. Wir erwarten, dass wir an den Empfehlungen, so wie sie formuliert sind, weiter arbeitet, und dass man sie so umsetzt, dass alle Leute diese Möglichkeiten beziehen können.

Session des Kantonsrates vom 20. und 21. Februar 2017
21.2.2017Wortmeldung

Kommissionspräsident: Auf die Vorlage ist einzutreten.

Die vorberatende Kommission beriet den Postulatsbericht «Rationierungen in der Gesundheitsversorgung» im Spital Grabs.

An der Sitzung nahm auch der Kantonarzt Markus Betschart teil. Auf externe Referenten wurde verzichtet.

Das Postulat mit den Erstunterzeichnern Mächler-Zuzwil, Kaufmann-St.Gallen und Hartmann-Flawil wurde von 52 Kantonsräten in der Septembersession 2004 eingereicht. Heute sind noch deren acht im Kantonsrat Mitglied.

Das Thema Rationierung im Gesundheitswesen ist ein aktuelles Thema, das auch in den Medien aufgegriffen wird. So am letzten Freitag im Morgenjournal, wo über die Rationierung von Medikamenten bei Hepatitis-Patienten berichtet wurde.

Der Kantonsrat kann den Umgang mit Rationierungstendenzen, sei es impliziter bzw. expliziter Art, nur bedingt beeinflussen. Denn der

Leistungskatalog wird auf Bundesebene erlassen und wir können uns auf Haltungsfragen in den eigenen Institutionen, wie Spitäler und Heime,

sowie der ambulanten Pflege beschränken. Letztlich steht immer wieder der Einzelfall im Vordergrund.

Mit der impliziten, d.h. versteckt, meist auf Mikroebene, und der expliziten (nach Kriterien erfolgten) Rationierung sind Mechanismen

umfasst bzw. gemeint, die dazu führen, dass einer Person eine nützliche Leistung im Rahmen der Gesundheitsversorgung nicht zur Verfügung

steht. Rationierung bedeutet somit, dass medizinische, pflegerische und/oder therapeutische Leistungen verweigert werden, obwohl sie für

die Betroffenen nachweislich von Nutzen wären. Nun kann eine Mittelzuteilung nach zwei Entscheidebenen erfolgen: Wo werden wie

viele Mittel eingesetzt bzw. aufgrund welcher Regeln werden die Mittel zugeteilt?

Die Kommission ist einhellig der Meinung, dass die Diskussion um Rationierungsmassnahmen und der Mittelverwendung in unserer

Gesellschaft geführt werden müssen, bevor diese im Einzelfall verdeckt erfolgen.

Die Kommission hat sich auch mit der Thematik der unnötigen Behandlungen befasst, d.h. Patienten erhalten Leistungen, die keinen

Nutzen haben oder deren Behandlungsrisiken den potenziellen Nutzen übersteigen.

Die Diskussion hat deutlich gezeigt, dass der Grat zwischen Verzicht auf eine Untersuchung und möglicher Konsequenzen für den Patienten und/oder auch haftpflichtrechtlichen Überlegungen durch den Arzt sehr schmal sind. Fakt ist auch, dass die Eigen- und Mitverantwortung der Patienten zur Vermeidung von unnötigen Behandlungen beiträgt. Die Hausärzte sind hier wichtige Ansprechpartner der Patienten.

Interessant war eine Darstellung der Gesundheitsversorungskosten am Lebensende. Diese liegen je westlicher die Kantone liegen um Faktoren höher als in der Ostschweiz.

Ein weiterer Beratungspunkt war der Fachkräftemangel, der in der Pflege sich weiter manifestieren wird. Gegensteuer können sämtliche Akteure

geben, indem sie Aus- und Weiterbildungsplätze selbst anbieten und hierfür die notwendigen Mittel bereitstellen.

Die Kommission beantragt, mit 15:0 Stimmen auf den Bericht einzutreten.

 

Session des Kantonsrates vom 20. und 21. Februar 2017
21.2.2017Wortmeldung

Ratspräsident, stellt Kenntnisnahme des Berichts fest.

Session des Kantonsrates vom 20. und 21. Februar 2017
21.2.2017Wortmeldung

(im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Es wurde bereits vom Kommissionspräsidenten darauf hingewiesen, dass wir heute einen Bericht behandeln, der vor 14 Jahren vom Kantonsrat als Postulat gefordert und überwiesen wurde. Bereits damals wurde eine Debatte zur Rationierung im Schweizer Gesundheitswesen gefordert.

Was damals auch von den Postulanten (unter anderem unserem heutigen Regierungsrat Marc Mächler) als wichtig angesehen wurde, nämlich die

dringend erforderliche Unterscheidung zwischen Wünschbarem und Machbarem im Gesundheitswesen hat sich seither noch akzentuiert. Unser

Gesundheitswesen kommt mit der permanenten Kostensteigerung immer schneller an die Grenzen. Rationierung wird damit zur Kernfrage im

Gesundheitswesen.

Trotz missverständlichen Bemerkungen im Bericht ist eine Rationalisierung rechtlich nicht unmöglich. Ob sie politisch geboten ist, ist eine andere

Frage. Die Grundrechte eines Menschen werden im Kerngehalt durch eine allfällige Rationierung nicht automatisch angetastet – diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man den Bericht liest. Rationalisierung ist auch kein Widerspruch zum Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit und verstösst auch nicht gegen das Gebot der Gleichheit der Behandlung; es verletzt auch das Diskriminierungsverbot nicht, weil aus all diesen

Ansprüchen keine staatliche Leistungsverpflichtung abgeleitet werden kann. Rationierung ist auch kein Verstoss gegen das Recht auf das

Existenzminimum oder das Recht einer medizinischen Basisbehandlung, die als jene Behandlung definiert wird, die zur Wahrung der

Menschenwürde notwendig ist.

Angesichts der Tatsache, dass Ressourcen endlich sind, kommt die Gesellschaft nach Meinung der FDP-Fraktion nicht um die Aufgabe herum, auch im Gesundheitswesen Leistungs-Grenzen anzuerkennen. Das anerkennt zwar auch die Regierung, sie vermeidet es dann aber leider, konkrete Ausführungen hierzu zu machen. Damit bleibt der Bericht wenig aussagekräftig und teilweise auch widersprüchlich.

Das Bundesgericht hat in einem wegleitenden Entscheid vom 23. November 2010 zu den grundsätzlichen Fragen des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von medizinischen Massnahmen, der Rationierung und der Grenzen der Finanzierung im Bereich des Gesundheitswesens Stellung genommen. Dabei umschreibt es klar die finanziellen Spielräume der Gesellschaft und die zumutbaren Kosten in Bezug auf den Erhalt eines Menschenlebens. Der Entscheid wird im Bericht zwar erwähnt; eine inhaltliche Auseinandersetzung findet aber nicht statt.

Generelle Aussagen zur Rationierung im Einzelfall sind sicher heikel. Das müsste im Falle konkreter Handlungsanweisungen, z.B. durch die

Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften oder die Eidgenössische Kommission für allgemeine Leistungen und

Grundsatzfragen (KVG), die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK) und andere beratende Gremien geschehen, wie dies

FDP-Nationalrat Ignazio Cassis bereits 2011 in einem Postulat auf Bundesebene gefordert hat.

Man wird bei der generellen Festlegung, was welche Kranken- und Unfallversicherung generell tragen muss nicht darum herumkommen, den

Leistungskatalog der Grund und Zusatzversicherungen zu überprüfen.

Medizinische Leistungen werden heute generell zu stark als Konsumartikel angesehen und teilweise damit auch missbraucht. Man kümmert sich auch immer weniger um die Anbindung an eine Grundversorgung, sondern marschiert zu Unzeit und jederzeit in die Spitäler mit ihren

Notfallabteilungen, wo zwar sehr gute, aber auch eine sehr teure Medizin betrieben wird. Nur eine Knieuntersuchung z.B. genügt heute dem

Durchschnittspatienten nicht mehr, ein MRI ist beinahe Selbstverständlichkeit.

Die FDP-Fraktion verweist auch auf die Eigen- und Mitverantwortung der Patienten. Solange die Patienten die Medizin als Konsumartikel missbrauchen, wird sich gar nichts ändern. Das sind Fehlentwicklungen auf der Basis des grassierenden Egoismus und der Gesellschaft: «Alles, sofort, immer!». Nur schon der Umstand, dass beim Spitaleintritt eine Patientenverfügung vorgewiesen werden sollte, würde zu grosser Klarheit und zu vielen Einsparungen führen – selbstverständlich nur bei einem Wahleingriff.

Aus liberales Sicht muss schliesslich leider auch gesagt werden, dass der grosse Wettbewerb unter den Anbietern medizinischer Leistungen (den wir ja grundsätzlich begrüssen) auch Anreize für Überbehandlungen schaffen kann. Wenn Kliniken in ihren Businessplänen ohne medizinischen Grund eine Verdoppelung gewisser Behandlungen anstreben, dann ist auch das kostentreibend. So haben wir in der Ostschweiz z.B. ein klares

Überangebot an Orthopäden. Die neusten Entwicklungen im Kanton Appenzell Ausserrhoden (gemeint ist nicht der Spital Heiden) hat leider

nicht immer nur mit Gesundheitsversorgung sondern auch mit falsch verstandener Wirtschaftsförderung zu tun. Wenn Sie die heutige «NZZ» lesen, dann finden Sie auf S. 15 einen Artikel mit dem Titel «Wenn Patienten immer nur das teuerste wollen». Das ist ein sehr guter Artikel, weil Innovation und Forschung ist etwas ganz Wesentliches und für die Schweiz ein wichtiger Standortfaktor, aber auch dieser Aspekt hat durchaus je nachdem kostentreibende Element. Die «NZZ» spricht von einer Null-Preis-Illusion und davon, dass nicht jede Innovation, die vielleicht erforscht wird oder auf den Markt gebracht wird, es dann auch bringt.

Wer nicht bereit ist, die explizite Rationierung endlich in allen Aspekten zu diskutieren und Massnahmen zu beschliessen, die politisch nicht so populär sind, riskiert, dass es immer mehr zu einer heikel zu erfassenden, ethisch komplexen impliziten Rationierung am Krankenbett kommt.

Session des Kantonsrates vom 20. und 21. Februar 2017
21.2.2017Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Der Begriff Rationierung hat verschiedene Definitionen: Rationierung umfasst implizite oder explizite Mechanismen, die dazu führen, dass einer Person eine nützlicher Leistung im Rahmen der Gesundheitsversorgung nicht zur Verfügung steht. Rationierung bedeutet also die Verweigerung von medizinischen, pflegerischen und/oder therapeutischen Leistungen, obwohl sie für die Betroffenen nachweislich von Nutzen wären. Die Nützlichkeit ist aber nicht so einfach zu definieren. Noch schwieriger ist es zu klären, wer über die Nützlichkeit zu entscheiden hat und wie hoch die Wahrscheinlichkeit sein muss, dass die Leistung noch als nützlich angesehen wird.

Der gegenständliche Postulatsbericht fokussiert sich korrekterweise – wie gefordert – primär auf Rationierungen im Gesundheitswesen, wirft aber gleichzeitig einen weitsichtigen Blick ins Gegenteil: Die Überbeanspruchung oder neudeutsch «overuse» genannt.

Ein Bericht ist nur wenig wert, wenn dieser nach erfolgter Behandlung schubladisiert wird. Ein solches Vorgehen ist glücklicherweise nicht zu befürchten. Regierung und Verwaltung sind gewillt, Rationierungstendenzen frühzeitig zu erkennen und im Bedarfsfall mit entsprechenden Massnahmen einzugreifen.

Gleichwohl darf das bewährte Augenmass nicht verloren gehen. Die gesamtschweizerischen Gesundheitsausgaben haben sich zwischen 2004 und 2014 von 51,0 auf 71,2 Mrd. Franken erhöht. Das entspricht einer Zunahme um 39,5 Prozent bzw. einer jahresdurchschnittlichen Zunahme von 3,4 Prozent je Jahr. Der Kanton St.Gallen ist von dieser Tendenz grossmehrheitlich ebenso betroffen.

Das Beratungsunternehmen Ernst & Young hielt in einer kürzlich veröffentlichen Studie fest, dass sich die Krankenkassenprämien bis 2030 mehr als verdoppeln und damit für weite Teile der Bevölkerung nicht mehr tragbar sein werden. Diese massive Kostensteigerung reduziert die Kaufkraft der privaten Haushalte signifikant. Ein Grossteil der Bevölkerung kann dann die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung nicht mehr tragen. Auch werden sich nur noch wenige Menschen Zusatzversicherungen leisten können. Ohne einschneidende Gegenmassnahmen ist ein finanzieller Kollaps der Grundversicherung mittelfristig nicht ausgeschlossen. Es drohen weitere staatliche Interventionen bis hin zu einem erneuten Aufflammen der Debatte um die Einheitskasse.

Gewiss, in der Kostenentwicklung spielen etliche Faktoren ihre Rolle, wobei die Eindämmung von Rationierungen eher weitere Kostensteigerungen zur Folge haben wird. Insofern darf es kein Tabu sein, auch den «overuse» – eben die Überbeanspruchung – stets zu thematisieren. Diesbezüglich gibt der Postulatsbericht konkrete Anhaltspunkte: Rund 10 Prozent der Leistungen bzw. der Gesamtkosten im Gesundheitswesen entfallen auf Leistungen, die den Patienten nichts nützen oder falsch verteilt wurden.

Unter dem Aspekt, dass Overuse

  1. die Qualität der medizinischen Versorgung vermindert;

  2. die Patientensicherheit durch die Risiken unnötiger Tests, Untersuchungen und Behandlungen gefährdet und

  3. die finanziellen und personellen Ressourcen vermindert,

ist dieser Thematik nicht minder Rechnung zu tragen.

Auch dürfen gewisse Rationierungen – gerade bei teuren Medikamenten und alternativen Behandlungsformen – wie auch Rationalisierungen kein Tabu sein, zumal sie in Einzelfällen durchaus Sinn machen können.

Session des Kantonsrates vom 20. und 21. Februar 2017
21.2.2017Wortmeldung

(im Namen der CVP-GLP-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Die rasch fortschreitende Kostenentwicklung im Gesundheitswesen ist besorgniserregend. Wo können wir zum Sparen in der Gesundheitsversorgung ansetzen? Soll man deshalb Prioritäten bei den Pflegeleistungen im Spital setzen oder auf superteure Medikament oder Untersuchungen für hochbetagte Patienten verzichten? Oder schaffen wir es, die Kosten in den Griff zu bekommen durch die Spitalplanung und die Beschränkung medizinischer Spitzenleistungen auf bestimmte Zentren?

Die Diskussion über die Rationierung medizinischer Leistungen ist heikel, jedoch aus unserer Sicht im Sinne einer fairen Mittelverteilung im Gesundheitswesen überfällig. Das Kostenproblem liegt in den grossen Begehrlichkeiten aller Beteiligten, d.h. Patienten und Patientinnen wie auch den Ärzten, Spitälern und nicht zuletzt die medizintechnische und chemische lndustrie.

Wir sind der Überzeugung, dass es eine minimale Steuerung des Systems braucht, auch damit nicht weiterhin die prestigeträchtigen hochtechnologischen Bereiche der Spitäler ausgebaut werden, während in der geriatrischen Pflege schleichend weiter abgebaut wird.

Viele Entscheide bezüglich einer möglichen Kosteneinschränkung im Gesundheitswesen werden jedoch auf nationaler Ebene gefällt, so zum Beispiel jene bezüglich des Umfangs des Leistungskatalogs der Grundversicherung.

Seit der Beauftragung des Berichtes durch das Parlament sind einige Jahre ins Land gezogen. Zudem gab es diverse Systemwechsel, insbesondere die Revision der Spitalfinanzierung und die Einführung der Fallpauschale und auch die ganze kantonale Spitalplanung sowie eine medizinische Weiterentwicklungen. Wir leben heute medizinisch gesehen in einer ganz anderen Zeit als jene, in der der Bericht ausgelöst wurde. Rein inhaltlich sind aufgrund dieser fundamentalen Änderungen im Gesundheitssystem Studien und Umfragen interessant, welche nach dem Januar 2012 durchgeführt wurden – dies wird im Bericht zu wenig klar dargestellt.

Der Bericht zeigt, dass Rationierungstendenzen, insbesondere seit der Einführung der Fallpauschalen (DRG), in der Pflege festzustellen sind. So werden z.B. Patienten, insbesondere betagte Menschen buchstäblich aus der Akutmedizin abgeschoben in eine andere lnstitution, sobald sie den DRG aufgebraucht haben. Dass es für Spitäler aus wirtschaftlichen Gründen attraktiv ist, auf gewisse Pflegeleistungen zu verzichten, ist gefährlich. ln anderen Bereichen führt die Fallpauschale leider zu einem «Overuse». Aus unserer Sicht sollte insbesondere hier angesetzt werden, damit die Kosten der Gesundheitsversorgung auch in Zukunft tragbar sind.

Ein weiterer Punkt neben den mit der Finanzierung verbundenen Problemen, welcher zu Rationierungstendenzen im Pflegebereich führt, ist die Verfügbarkeit von genug Pflegepersonal. Hier ist mit Engpässen zu rechnen in der Zukunft. Der Bericht zeigt dies gut auf und auch, was dagegen unternommen werden kann.

Übers Ganze gesehen ist der Bericht für uns aber eher wenig aussagekräftig und hilft uns in der aktuellen Situation wenig. Wir werden das wichtige Thema der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen auf jeden Fall weiterverfolgen.

Session des Kantonsrates vom 20. und 21. Februar 2017
21.2.2017Wortmeldung

ln Umkehr bzw. in Anlehnung an den berühmten Satz von Ludwig Wittgenstein: «Worüber Du nicht schweigen kannst, darüber musst du reden.», kann ich nicht anders, als zur Problematik der Rationierung einige Gedanken loszuwerden.

Rationierungsgedanken haben mit Kosten zu tun, mit zu hohen Kosten. Das Gesundheitswesen kostet, es kostet viel, es kostet immer mehr. Die Schatten werden immer länger, die Sorgenfalten tiefer, die Portemonnaies gewisser Bevölkerungsteile leerer.

Immer mehr Stellen müssen geschaffen werden, im Spital wie im Pflegebereich. Es wäre ein eigentliches Jobwunder, ja es werden zig zehntausend Stellen in den nächsten Jahrzehnten zu schaffen sein. Das Jobwunder hat natürlich eine wesentliche Kehrseite, denn es wird mit den vielen

neuen Stellen damit ja eigentlich kein eigentlicher Mehrwert geschaffen im Sinne einer Produktivität.

Der Verteilungskampf über die begrenzten Mittel ist bereits voll entbrannt und betrifft in den Einschränkungen und damit Rationierungen die Spitex, die Rehabilitation, die Physiotherapie, die Ergotherapie, die Logopädie, die Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Pädiatrie und die Pflegeinstitutionen.

Insgesamt wird die Arbeit mit und am Patienten, dies betrifft auch die Spitäler, zunehmend eingeschränkt und durch viele unnötige Zwangsarbeiten verlangt durch die Krankenkassen und durch den Staat zusätzlich belastet.

Grotesk sind die zeitlichen, wie finanziellen Aufwendungen für die sogenannten Qualitätskontrollen, als ob Menschen und deren Betreuung wie die Herstellung von Zahnbürsten einem Zertifizierungswahn unterworfen werden könnten. Dies nützt ausschliesslich den Zertifizierungsfirmen und haben einen Beweis zur Wirksamkeit noch nie angetreten. Denn wer und noch weniger wie kann schon gewonnene Lebensqualität bzw. Gesundheit gemessen werden. Der Kontroll- und Qualitätsnachweiswahn ist nur der Ausdruck eines riesigen Misstrauens gegenüber den im Gesundheitswesen tätigen Personen.

Rationierungsgedanken sind die Folge der Kostensteigerungen im Gesundheitswesen. Sehr viele sogenannte Rezepte werden dargeboten, meistens von selbst ernannten Gesundheitspolitikern und Gesundheitspäpsten aus der Gilde der Ökonomen. Aber wir wissen alle, dass die

Wirtschaftswissenschaft eine ungenaue ist und näher der Philosophie als den ernsthaften technischen Wissenschaften steht. Der Vorschläge der Sparmöglichkeiten sind sehr viele. DRG soll helfen, der Beweis steht noch bei Weitem aus. Mehr ambulant statt stationär heisst es auch. Damit können zwar die Kantone sparen, nicht jedoch die Betroffenen. Effizienzsteigerung in den Spitälern wird empfohlen, d.h. weniger Zeit für den Patienten mit weniger Personal. Ob das Qualität bringen wird, darf mindestens angezweifelt werden. Man soll zu erst zum Hausarzt gehen heisst es auch, nur sterben dieser infolge schwerer politischer Versäumnisse aus und werden bald zur prospecierara gehören und ausgestopft im Dorfmuseum oder im neuen Naturkundemuseum der Stadt St.Gallen angesehen werden können.

Vorschläge zur Kosteneindämmung gäbe es noch viele. Alle haben eines gemeinsam, der Beweis der Wirksamkeit steht aus. Und Sie merken, wie bei vielen Dingen, man sucht die sogenannte Lösung oder die Schuldigen bei allen andern nur nicht bei sich selbst. Die Sache wäre sehr einfach. Der urliberale Grundsatz der Selbstverantwortung ist das Stichwort und dazu gehört auch die Mitverantwortung für unser Gesundheitswesen.

Mein Vorredner hat es schon gesagt, unser Gesundheitswesen ist zu einem Konsumartikel geworten, von einer Gesellschaft, deren Mitglieder unter dem Motto «ich, sofort alles, funktionieren».

Gesundheitswesen auf der Basis von Solidarität von krank und gesund ist zunehmend Reparaturwerkstätte der Vergnügungs- und Selbstverwirklichungsgesellschaft geworden. Auch die Anspruchshaltungen sind gross. Schliesslich zahlt man ja hohe Krankenkassenprämien und dafür will man auch etwas. Weil man keinen Hausarzt hat oder findet, sucht man die Ambulatorien der Spitäler auf, die eine viel teurere Medizin betreiben müssen aufgrund ihrer Kostenstruktur. Tausende von unnötigen Checkups werden gemacht, die noch nie den Beweis der Wirksamkeit erbracht haben. Es werden unsinnige Freizeitsportarten gemacht, die dann wieder auf Kosten der Allgemeinheit geflickt werden müssen – normal ist zu wenig. Zur persönlichen Gesundheit wird wenig Sorge getragen, es wird geraucht, getrunken, zu viel gegessen, die Bewegung fehlt. Und so verschwinden die Gelder für etwas, was nicht nötig wäre und stehen dann nicht mehr oder zu wenig zur Verfügung für jene Menschen, die

wirklich krank sind. Und wer vom Saal hat schon seine Patientenverfügung gemacht? Auch das würde zur Kostenreduktion führen. Und Firmen, die ein Arztzeugnis schon am ersten Tag verlangen, müssten einen solchen lrrsinn selber berappen.

Rationierungen sind möglich und nötig. Dies muss aber jeder selber entscheiden, selbstverantwortlich mit der Patientenverfügung,selbstverantwortlich in der massvollen Beanspruchung der medizinischen Leistungen. Es würden so Milliarden frei, frei für die wirklich Kranken. Nicht die Franchise muss man erhöhen sondern die Selbstverantwortung. Es ist höchste Zeit, sich wieder diesen liberalen Grundsätzen des

autonomen, selbst- und mitverantwortlichen Menschen zuzuwenden. Und auf diesen Gesichtspunkt und nur darauf müsste jede Diskussion im Geschrei der zunehmenden Kosten gerichtet werden.

Session des Kantonsrates vom 20. und 21. Februar 2017
21.2.2017Wortmeldung

Ratspräsident, stellt Eintreten auf die Vorlage fest.

Session des Kantonsrates vom 20. und 21. Februar 2017
21.2.2017Wortmeldung

Regierungsrätin: Ammann-Waldkirch, ich versuche jetzt wieder ein bisschen Lichtblicke in dieses düstere Bild zu bringen, das da und dort natürlich tatsächlich Sachen anspricht, die uns alle etwas angehen, aber ich kann Ihnen versichern, wir tun alles daran, dass wir Sie nicht im Naturhistorischen Museum besuchen müssen – das wäre wirklich schade, das möchte ich nicht.

Jetzt aber konkret zur Sache, zum Thema: Ich habe die Diskussion in dieser vorberatenden Kommission sehr geschätzt. Man hat offen diskutiert, interessante Punkte angesprochen, es wurde aber mehrheitlich auch darauf hingewiesen, dass es klar ist, dass nicht ein Kanton bei dieser Thematik jetzt einfach Zeichen setzen kann. Ich bringe ein Beispiel: England, lange Wartelisten, was löst man damit aus? Diejenigen, die Geld haben, die verreisen und holen dann die Behandlung dann an einem anderen Ort. Bei uns wäre es dasselbe, die Patientinnen und Patienten haben die freie Spitalwahl. Sie wissen, seit der neuen Spitalfinanzierung erhält man die Behandlung nicht, und da haben Ärzte auch darauf hingewiesen, dann werden die Behandlungen in einem andern Kanton geholt. Der Kanton selbst zahlt trotzdem 55 Prozent an jede stationäre Behandlung oder die Versicherung zahlt, und damit wäre gar nichts gewonnen. Man hätte einfach eine Angebots- oder Nachfrageverschiebung damit provoziert, und das wollen wir ebenfalls nicht.

Die lange Bearbeitungszeit wurde angesprochen – zu Recht. Dafür gibt es aber auch Erklärungen. Sie wurden ebenfalls auch schon dargelegt 2005 bis 2007 wurde der Bericht bereits bearbeitet, dann wurde der Entscheid gefällt, dass die neue Spitalfinanzierung eingeführt werden soll auf 2012. Und das hat dann dazu geführt, dass die Angst grassiert hat, es komme zu diesen blutigen Entlassungen und Rationierung sei dann ein anderes und noch bedeutenderes Thema. Selbstverständlich haben wir das mit dem Postulanten abgesprochen und es wurde dann entschieden, dass wir warten sollen, bis die neue Spitalfinanzierung eingeführt und etabliert ist, und wir dann konkretere, bessere Aussagen machen können. Das haben wir mit dieser Umfrage getan. Ich gebe Ihnen natürlich Recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass man noch konkretere Punkte herausgeschält haben möchte. Dafür, da sind wir uns wahrscheinlich auch einig, bräuchte es aber ganz klar eine wissenschaftliche Studie. Für eine solche Studie müsste man dann auch bereit sein, die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung zu stellen.

Wir haben darauf hingewiesen, präventive Massnahmen, die tatsächlich am Ort einsetzen, an dem sie wirken, Qualität, genügend Fachpersonal bei der Pflege oder auch bei den Medizinerinnen und Medizinern. Damit muss und sollte auch weiterhin sichergestellt werden, dass eine faire Mittelverteilung für alle gewährleistet werden kann. Aber da sind auch wieder alle gefordert, natürlich die Politik, aber nicht nur die Politik, sondern auch die Medizin, die Pharmaindustrie sowie die Patientinnen und Patienten.

Es wurde darauf hingewiesen, und ich empfehle Ihnen, dieses Papier einmal anzusehen. Es ist interessant, wie die Kosten eines Menschen am Lebensende geografisch in der Schweiz verteilt sind. Und da sieht man, dass wir in der Ostschweiz an einem günstigeren Ort stehen, wie im Westen. Die Kosten am Lebensende nehmen zu je weiter man westlich reist. Womit das zu tun hat? Das wäre auch einmal interessant abzuklären. Könnte man nämlich die Kosten auf unser Niveau bringen, wäre schon sehr viel eingespart und ohne damit Qualität zu verlieren. Wir sind überzeugt, dass wir hohe und gute Qualität liefern und leisten, auch wenn die Kosten auf dieser geografischen Verteilung so gestaltet sind, dass wir offensichtlich am Lebensende günstiger arbeiten.

Die Frage ist auch immer wenn man rationieren will, wann ist das letzte Lebensjahr? Diese Frage hat Herr Felder vor etwa drei Wochen in der «Sonntagszeitung» aufgeführt hat. Und heute ist das Alter sehr unterschiedlich, wohl zahlenmässig das Gleiche. Jemand mit 60 Jahren ist vielleicht gesundheitlich weniger gut in Form, als jemand mit 70 oder 75 Jahren. Sie kennen das selber aus Ihrer nächsten Nähe wahrscheinlich ebenfalls.

Wenn rationiert werden muss, soll das gesamtschweizerisch diskutiert werden. Das muss öffentlich und demokratisch erfolgen, das heisst, es muss eine explizite Rationierung sein und es darf keine implizite Rationierung geben – also eine willkürliche Rationierung.

Wenn ich höre, dass Rationierung nicht diskriminierend usw., dann möchte ich gerne darauf hinweisen, dass es darauf an kommt, wie diese Rationierung ausgestaltet wird. Wir wissen heute schon, dass es vulnerable Bevölkerungsgruppen gibt, die sich heute schon in einem Graubereich bewegen müssen. Da muss Klarheit herrschen, da soll Transparenz Einzug halten und deshalb ist sicher wichtig, diese Thematik zu diskutieren. Ich kann und darf aber noch darauf hinweisen: Wir werden einmal jährlich mit den Qualitätsverantwortlichen der Spitäler die Rationierungstendenzen systematisch ansehen, monitorisieren und dementsprechend daraus auch Resultate ziehen.

Ammann-Waldkirch, wenn Sie sagen, ja Qualifizierung und diese «Lebelitis» oder wie man dem sagen möchte, ich bin eigentlich auch keine Freundin davon, aber wenn man Resultate haben will, dann muss man hier irgendwo diesen Spagat machen, um dann auch zu Fakten und Aussagen zu kommen.

Übrigens sind die Akkutspitäler auch verpflichtet, Patientenzufriedenheit zu erheben und aus diesen Antworten ergeben sich indirekt ebenfalls Hinweise, ob Rationierungstendenzen vorhanden sind oder nicht.

Ich danke Ihnen für das wohlwollende Aufnehmen dieser Thematik und ebenfalls für die konstruktive Diskussion.

Session des Kantonsrates vom 20. und 21. Februar 2017