Geschäft: Bedeutung der Bilateralen Verträge I für den Kanton St.Gallen

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer51.15.35
TitelBedeutung der Bilateralen Verträge I für den Kanton St.Gallen
ArtKR Interpellation
ThemaGrundlagen und Organisation
FederführungVolkswirtschaftsdepartement
Eröffnung2.6.2015
Abschluss16.9.2016
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 2. Juni 2015
AntragAbstimmung Ordnungsantrag auf Diskussion
AntwortSchriftliche Antwort der Regierung vom 1. September 2015
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Statements
DatumTypWortlautSession
16.9.2015Wortmeldung

Als Präsident der Partei, die in den letzten Jahren offenbar soviel Ungemach über unser Land gebracht hat, dass es uns so schlecht geht und wir demnächst wahrscheinlich zu einer Bananenrepublik mutieren, sehe ich mich schon auch noch etwas herausgefordert, durch einige Voten meiner Vorredner. Vor allem die Aussagen von meinem geschätzten Kollegen Ammann-Rüthi, er hat den EWR erwähnt und quasi alt Bundesrat Blocher hätte den Beitritt der Schweiz zum EWR verhindert. Es war nicht alt Bundesrat Blocher, es war das Schweizer Volk, das den EWR klar abgelehnt hat. Ebenso blenden Sie aus, dass es nicht die SVP-Fraktion war, die die Massenzuwanderungsinitiative angenommen hat, sondern das Schweizer Volk. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wir haben heute eine Zuwanderung nach wie vor, ungebremst, auch zwei Jahre nach der Abstimmung, von rund 80'000 netto je Jahr, also mehr als die Stadt St.Gallen zählt. Es wird von qualifizierten Arbeitsplätzen gesprochen, von qualifizierten Arbeitnehmern, die in die Schweiz einreisen. Wissen Sie, wie viele von diesen 80'000 in das Erwerbsleben eintreten? Es sind genau 46 Prozent, das heisst 54 Prozent tragen nicht direkt zur Wertschöpfung in der Schweiz bei und gehören somit eben nicht zu diesen qualifizierten Arbeitnehmenden, die in die Schweiz einreisen. Ich hätte gerne von den Befürwortern dieser bilateralen Verträge die Frage beantwortet, wo ist für sie die Schmerzgrenze. Sollen es im Jahr 50'000 oder sollen es weiterhin 80'000 oder mehr als 100'000 sein, die einwandern in die Schweiz? Wir haben heute noch die Frage des Richtplans zu diskutieren. Exakt die selben Vertreter, die nachher den Richtplan schröpfen wollen und die Entwicklungsziele und Strategien des Kantons beschneiden wollen, die den Kulturlandverlust bedauern, exakt dieselben Leute sind diejenigen, die die Schleusen weiter offen halten wollen. Offensichtlich ist das bei Ihnen bis heute nicht angekommen, dass die Schweizer Bevölkerung hier Ängste plagen, und wenn Sie diese Ängste weiterhin auf die leichte Schulter nehmen, dann können Sie das gerne machen, Sie werden am 18. Oktober die Quittung dafür erhalten, da bin ich sehr zuversichtlich.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

Ich bin sehr gespannt, wie unsere SVP-Fraktion dann in Brüssel die Verträge neu aushandeln wird für die Schweiz. Egger-Berneck und Thalmann-Kirchberg scheinen darüber sehr gut Bescheid zu wissen. Ich möchte kurz noch auf einige Vorredner eingehen bzw. ich möchte nicht mehr viel dazu sagen. Es ist in diesem Rat unbestritten, dass die bilateralen Verträge und die Personenfreizügigkeit für die Schweizer Wirtschaft von eminenter Bedeutung ist, und dass wir diese Personenfreizügigkeit nicht aufgeben dürfen. Aber dann müssen wir uns auch die Frage stellen, wie erhalten wir die Akzeptanz zu diesen bilateralen Verträgen und zur Personenfreizügigkeit. Da habe ich von bürgerlicher Seite bis jetzt überhaupt nichts gehört. Es geht darum, dass in der Schweiz Schweizer Löhne bezahlt werden, und dass die flankierenden Massnahmen eingehalten werden.

Damit komme ich noch zu Böhi-Wil: Sie haben ausgeführt, die Gewerkschaften hätten mittlerweile selbst ein bisschen den Glauben in die flankierenden Massnahmen verloren. Dies ist natürlich überhaupt nicht der Fall. Die flankierenden Massnahmen, das war eine Errungenschaft für die Gewerkschaften, das wurde im Rahmen der bilateralen Verträge, im Rahmen dieser Abstimmung erkämpft durch die Gewerkschaften. Aber es geht auch darum, dass man den Willen hat, diese flankierenden Massnahmen auch tatsächlich umzusetzen. Und Böhi-Wil hat vorhin davon gesprochen, es seien Machtkräfte, gegen die man nicht ankomme. Aber dann bitte ich Sie, setzen Sie sich doch auch einmal dafür ein, dass diese Marktkräfte ein Einsehen haben, dass in der Schweiz Schweizer Löhne zu bezahlen sind, denn Sie sind unter anderem die Vertreter dieser Marktkräfte entgegen der im Volk zum Teil verbreiteten Meinung ist es nicht die Partei der kleinen Leute sondern die Partei der Unternehmen. Reden Sie mit den Unternehmen, setzen Sie sich ein dafür, dass in der Schweiz Schweizer Löhne bezahlt werden. Setzen Sie sich ein dafür, dass die Regierung sich dafür einsetzt, dass stärker kontrolliert wird, anstatt immer alles nur kaputt zu machen und gegen Ausländerinnen und Ausländer zu hetzen, tun Sie einmal etwas positives und setzen Sie sich dafür ein, dass in der Schweiz Schweizer Löhne bezahlt werden.

Zu Egger-Berneck: Sie haben davon gesprochen, der Fachkräftemangel sei selbstgemacht. Natürlich ist er selbst gemacht, natürlich bilden wir zu wenig Ärzte aus, natürlich bilden wir zu wenig Fachkräfte aus, aber das kostet etwas. Dann seien Sie bitte von Seiten der SVP-Fraktion auch bereit, die dafür notwendigen Mittel zu sprechen und nicht immer alles nur kostenneutral und ohne Aufwand erledigen zu wollen – das funktioniert nämlich nicht.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

Eine Auswertung der Volksabstimmung von Mai 2014 hatte ergeben, dass sich die Stimmenden absolut bewusst waren, dass eine Annahme zur Kündigung von bilateralen Verträgen führen kann, aber persönlich meine ich, immer noch nicht muss.

Wenn die Landesregierung mutig das Geschäft an die Hand genommen hätte, dann hätte man am dritten oder vierten Tag aufgrund der klaren Stellungnahmen aus Brüssel und einzelner Vertreter von EU-Ländern auch klären müssen, dass die Bilateralen bzw. die Freizügigkeit nicht verhandelbar wäre, dann hätte man ganz klar auch beispielsweise das Landverkehrsabkommen in die Diskussion einbringen müssen. Ich bin überzeugt, dass es verschiedene Anstösser gibt, die kein Interesse haben, dass auch dieses Abkommen aufgekündigt wird. Es kann nicht sein, da schliesse ich mich den Vorrednern aus meiner Fraktion an, dass wir uns weiterhin erpressen lassen.

Ich möchte Ihnen aber an dieser Stelle zwei Punkte mitteilen:

  1. Wir nehmen eine allfällige Kündigung nicht auf die leichte Schulter, aber es wäre die Konsequenz eines Volksentscheides;

  2. Es ist nicht der St.Galler Kantonsrat, der mit der EU neue Verträge und neue Lösungen suchen muss, es sollte dies auf höherer Ebene bereits laufen. Es läuft aber offenbar nicht gut. Wir könnten uns auch wieder unseren eigenen Themen widmen. Es ist ein wichtiges Thema, das akzeptiere ich, aber wir kommen in der Sache nicht weiter, weil Bern nicht auf unsere Empfehlungen gewartet hat.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

Ich bin etwas erstaunt über die Emotionalität dieser Debatte, und ich hätte eigentlich erwartet, dass man über ein so wichtiges Thema nicht so emotional diskutieren würde. Ich bin gerne bereit, Ihnen mein Votum zu mailen, damit Sie wirklich wissen, was ich gesagt habe und ich bitte Sie, nicht einzelne Dinge herauszupicken und das irgendwie auf ihre eigene Art und Weise zu interpretieren.

Ich möchte nochmals auf das Fürstentum Liechtenstein zu sprechen kommen: Das Fürstentum Liechtenstein ist Mitglied des EWR's, da heisst, es ist defacto EU-Mitglied. Für die EU ist die Frage der Personenfreizügigkeit sehr wichtig. Mein Punkt war, dass sogar ein Land, das defacto EU-Mitglied ist, Konzessionen erreichen konnte. Darum ist doch die Frage, was kann die Schweiz, als Nichtmitglied erreichen. Theoretisch könnte die Schweiz, wenn sie den politischen Willen hätte, genau so viel, wenn nicht mehr, als Liechtenstein erreichen. Vergessen wir nicht, auch Liechtenstein ist ein souveräner Staat, der Sachen bei der EU aushandeln konnte, die für die Schweiz ein Beispiel sind – das hat nichts mit der Grösse zu tun. Ich bin gerne bereit, Ihnen meine Stellungnahme zu schicken, damit Sie wirklich wissen, was ich gesagt habe.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

Ich stelle hier den Antrag auf Diskussion. Der Interpellant hat die Redezeit ausgenützt, auch andere Fraktionen und Parteien haben wahrscheinlich noch Wortmeldung zu diesem sehr wichtigen und wesentlichen Themen. Zum einen inhaltlich und auf der anderen Seite aber auch auf die Art und Weise, wie diese Interpellation beantwortet wurde.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

Gerne nehme ich zu zwei Punkten der Interpellation der CVP-EVP-Fraktion Stellung: Lassen Sie mir zuerst den kleinen Ärger loswerden, und zwar zum Vorgehen des zuständigen Regierungspräsidenten Würth bei der Präsentation dieser Interpellation in der Öffentlichkeit.

Wir haben zwar Wahlkampfzeiten, aber ich gehe davon aus, dass die Regierung sich an gewisse Grundsätze der Neutralität hält. Es ist stossend, wenn am Morgen in den Online-Kanälen der Präsident der CVP Schweiz zu den Bilateralen und zum Wert und der Bedeutung der bilateralen Verträge spricht und redet, und mittags der zuständige Regierungspräsident im Kanton St.Gallen da Schützenhilfe leistet. Ich finde das nicht richtig, es ist wichtig, dass man auch in diesen Zeiten kühlen Kopf bewahrt und sich eine notwendige Distanz zum Wahlkampfgetöse einhält.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

zu Votum Mächler-Zuzwil: Sie sagten, dass vor der Personenfreizügigkeit nur unqualifizierte Arbeitskräfte kamen. Das ist so falsch. In der Gastronomie kamen schon vor der Personenfreizügigkeit, also bei der damaligen Kontingentierung, Küchenchefs und Chef de Services in der Schweiz und Sie wollen ja nicht behaupten, dass das unqualifizierte Arbeitskräfte sind oder waren. Ich persönlich bin der Meinung, dass die Verträge mit der EU nicht gekündigt werden müssen, aber in der Frage der Personenfreizügigkeit müssen sie neu ausgehandelt werden. Da gibt es Wege und Möglichkeiten die Bedürfnisse der Schweiz und der EU abzustimmen. Gerne würde ich mithelfen, auf diesem Weg Lösungen mit der EU und der Schweiz zu finden.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

legt seine Interessenbindung offen als Verwaltungsratspräsident der DGS Druckguss Systeme AG (einem Automobilzulieferer mit über 900 Arbeitsplätzen, davon über 300 in St.Gallen und einem Exportanteil von über 90 Prozent sowie einem Anteil auch von ausländischen Arbeitskräften im Bereich Forschung und Entwicklung sowie Produktion). Mir liegt dieses Thema persönlich ebenfalls sehr am Herzen.

lch nehme nicht zur Fragestellung, ob das ein Wahlkampfvorstoss der CVP-EVP-Fraktion gewesen sei oder nicht. Ich bin dankbar, dass die CVP-EVP-Fraktion diesen Vorstoss eingereicht hat. Ich glaube, wir sind alle lange genug im Rat, um zu wissen, dass vor den Wahlen das eine oder andere von uns etwas instrumentalsiert wird.

Die bilateralen Verträge I sind nicht nur für den Kanton St.Gallen als Ganzes, sondern für viele lndustrieunternehmen (und damit abhängig: für Gewerbebetriebe und Dienstleistungsbetrieb) und damit auch für DGS lebensnotwendig.

St.Gallen ist der am zweitstärksten industrialisierte Kanton der Schweiz, nach Basel, nicht etwa Zürich, sondern St.Gallen, mit einer starken Industrie im Rheintal sowie im Fürstenland usw. Der bilaterale Weg funktioniert und hat unserem Land Wohlstand gebracht – ebenso wie der flexible Arbeitsmarkt.

Kommt es zu einer Kündigung, treten aufgrund der sogenannten Guillotine-Klausel auch die anderen sechs Abkommen der Bilateralen I automatisch ausser Kraft. Wir sprechen immer nur über die Personenfreizügigkeit, aber es sind auch die Forschungsabkommen, die Abkommen über die technischen Handlungshemmnisse usw., das muss man auch berücksichtigen, wenn man so leicht hin über diese Verträge hinweg fährt.

Die Folgen für die Schweizer und die St.Galler Wirtschaft wären gravierend. Das hat eine Studie des BAK Basel klar aufgezeigt, die im Auftrag der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie verfasst wurde. Die Auswertung der Studie findet sich unter anderem in der Handelszeitung vom 13. August 2015. Mehr als die Hälfte der Unternehmen würde die lnvestitionen in der Schweiz zurückfahren und stattdessen in der EU investieren, und das hat nichts mit der Frankenstärke zu tun. Fast die Hälfte der Unternehmen würde Unternehmensteile oder gar das gesamte Unternehmen in den EU-Raum verlagern, vor allem mittlere und grössere Unternehmen die bereits Standorte im Ausland haben. Nicht weniger stark würden die Folgen auf dem Arbeitsmarkt sein. Sieben von zehn lndustrieformen geben zu Protokoll, dass sie nach dem Verlust der Bilateralen gezwungen wären, einen Einstellungsstopp zu verfügen, soweit sie das nicht aufgrund der Frankenstärke bereits gemacht haben, oder Personal abzubauen. Bei den Grosskonzernen wäre das gar bei 85 Prozent der Fall. Am schmerzhaftesten würde sich dabei für die Unternehmen der Wegfall der Personenfreizügigkeit auswirken. Drei von vier befragten Grossunternehmen befürchten in diesem Fall Personalengpässe in der Forschung und Entwicklung, rund 60 Prozent im Management. Fallen die Bilateralen weg, befürchten die Unternehmen eine Zunahme bürokratischer Hürden. Zum einen würde der Wegfall der Personenfreizügigkeit zu einer Dokumentenflut in der Rekrutierung führen (Stichwort: Kontingentierung). Zum anderen rechnen drei Viertel der Unternehmen bei einem Wegfall des Abkommens über technische Handelshemmnisse mit mehr Bürokratie, weil Produkte dritt zertifiziert werden müssten. Das alles ist nachzulesen in dieser Studie und verkürzt in der Handelszeitung vom 13. August 2015.

Wenn Roger Köppel von einer «masochistischen Überschätzung der EU-Verträge» spricht, so irrt er. 54 Prozent der Exporte nur schon der MEM-lndustrie gehen in die EU. Die Hoffnungsmärkte China und USA sind keine ebenbürtige Alternative zu Europa.

Wie erwähnt: Der Kanton St.Gallen ist sehr stark auf die MEM-lndustrie angewiesen. An dieser Industrie wiederum hängen viele tausend Arbeitsplätze in Gewerbe und Dienstleitungen. Also trifft ein Wegfall der bilateralen Verträge die gesamt Wirtschaft und er würde auch den Staat über die wegfallenden Steuererträge treffen.

Und noch etwas: Die Zahl der Grenzgänger aus dem Ausland, die im Kanton St.Gallen arbeiten ist bedeutsam. Ende 2014 arbeiteten bei uns 8'700 Grenzgänger, 6'790 davon wohnen in Österreich, 1'542 in Deutschland. Das ist – insbesondere für den Rheintal – aber auch für den Grossraum St.Gallen und das Fürstenland sehr wesentlich. Auch dieser Erfolg wäre gefährdet.

Das hochbedeutende Technologieunternehmen SFS in Heerbrugg, das etwa 20 Teile für das i-Phone produziert, ist nicht nur auf hoch qualifizierte Fachkräfte, sondern auch solche, die bereit sind, im Schichtbetrieb zu arbeiten angewiesen. Das heisst, entweder um 5 Uhr morgens zu starten oder bis in den späten Abend hinein zu arbeiten. Aber gerade die gesuchten Arbeitskräfte, die hoch qualifiziert sind und über Berufserfahrung verfügen, würden auch eine andere Stelle finden, bei der sie nicht Schichtarbeit leisten müssen. So sind bei SFS von seinen 1'800 Angestellten in Heerbrugg 450 Grenzgänger.

Gleiches gilt für DGS.

Wir sind auf die bilateralen Verträge angewiesen, ob man das jetzt will oder nicht, ob einem das politisch passt oder nicht, und deshalb dürfen wir sie nicht gefährden. Da sind wir vollumfänglich einverstanden mit dem sehr guten Bericht der Regierung, der das aufzeigt.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

Ich fühle mich ein wenig provoziert. Ich frage ich schon, wer will die bilateralen Verträge künden? Ich glaube, wir von der SVP-Fraktion sind es nicht, aber wir wollen uns auch definitiv von der EU nicht bei jeder Gelegenheit erpressen lassen. Wir fordern eine offene Politik, das heisst auch, wir wollen Verträge weiter verhandeln.

Zu Locher-St.Gallen: Wir sprechen hier immer von qualifizierten Arbeitskräften die in unser Land einreisen und die wir dringend benötigen, dem stimme ich sogar zu. Aber wenn wir alleine beim Bundesamt für Statistik schauen, wie viele Ärzte im Jahre 2013/2014 in die Schweiz eingewandert sind, dann liegen wir bei ungefähr 1,4 Prozent. Vielleicht müsste man sich auch einmal die Frage stellen, warum haben wir einen Fachkräftemangel, beispielsweise bei den Ärzten? Vielleicht müsst einmal diskutiert werden, wieso dass in der Schweiz noch ein Numerus clausus besteht? Das sind Fragen, die wir als Politikerinnen und Politiker lösen müssen. Wir müssen schauen, dass wir genügend Fachkräfte ausbilden können und uns nicht bei jeder Gelegenheit von der EU erpressen lassen.

Ich muss Böhi-Wil Recht geben, wir müssen endlich beginnen zu verhandeln und nicht nach einer Abstimmung, der das Volk zugestimmt hat, sagen, dass wir uns entschuldigen. Das erwarte ich nicht von der Regierung, sondern die Regierung hat den Auftrag, die Volksinteressen zu vertreten und dementsprechend zu verhandeln. Und für alle, die es nicht glauben wollen: Gehen Sie einmal nach Brüssel und schauen Sie sich an, was dort abgeht, dann haben Sie eine andere Meinung.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

legt seine Interessenbindung als Stadtpräsident von Buchs sowie als Präsident des Vereins Aggloprogramm Werdenberg/Liechtenstein offen. In dieser Funktion habe ich viel mit liechtensteinischen Politikern zu tun.

Böhi-Wil, Sie haben ein Beispiel gebracht und darauf stelle ich jetzt die Frage in den Raum: Taugt Liechtenstein als Vorbild für die Schweiz im Bereich Masseneinwanderung? Ich habe mich da etwas provoziert gefühlt. Liechtenstein hat jährlich 56 Personen, die zuwandern können, das sehen Sie richtig. Es ist ein Kontingent, mit der EU vereinbart. Aber Liechtenstein konnte das im Rahmen der EWR-Verhandlungen aushandeln. Wer hat den EWR für die Schweiz verhindert?

Im Rahmen dieser Verhandlungen wurde Liechtenstein als ganz kleines Land behandelt. Ich höre ständig, dass eigentlich die Schweiz auf absolut gleicher Augenhöhe, als ganz starker Partner und als mächtiges Lande in diesem Sinne, mit der EU verhandeln solle, wenn es um die Bilateralen geht. Liechtenstein hat als ganz kleines Land seine Kontingentierung im Rahmen des EWR halten können und wir sind jetzt plötzlich auch wieder ein kleines Land, wenn es um die Verhandlung der Kontingente gehen soll, sofern die Analogie zu Liechtenstein stimmen sollte.

Diese Analogie Schweiz – Liechtenstein im Bereich der Kontingentierung taugt schlicht und ergreifend nicht. Ich bitte darum, dass man mit Beispielen etwas vorsichtiger umgeht, und vor allem, dass man etwas konsistenter mit der bisherigen, langjährigen Argumentation umgeht, die genau das Gegenteil gesagt hat in der Vergangenheit: Die Schweiz sei ein extrem starker Partner und plötzlich sind wir wieder auf Stufe Liechtenstein, ein kleines bemitleidenswertes Land, wo man die Einwanderung tief halten soll.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

Es freut mich ganz besonders, dass auch die anderen Fraktionen die Wichtigkeit dieser Frage und dieser Antworten der Regierung sehen, und wir werden die Diskussion nicht bekämpfen, sondern ihr zustimmen.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

Ich möchte kurz eingehen auf die SP-GRÜ-Fraktion und SVP-Fraktion, die ausgeführt haben, dass diese Fragen beim Volkswirtschaftsdepartement bestellt worden sind. Dazu möchte ich sagen: Parlamentarische Vorstösse sind immer politisch, und es steht auch in unserer Verantwortung als Politikerin und Politiker, dass wir aktuelle Themen aufnehmen. In der Länge dieser Debatten und auch in den sehr fundierten Ausführungen von FDP-Fraktion und SP-GRÜ-Fraktion sehen wir, dass das Thema brennend ist, dass die Politik hier gefordert ist und wir machen keine Angstmache, wie das von der SVP-Fraktion gesagt wurde, wir respektieren den Volksentscheid, diese Initiative wurde angenommen, aber es ist nicht so einfach, wie das von der rechten Ratsseite hier gesagt wird. Es wird auch gesagt, wir müssen neu verhandeln – dessen sind wir uns auch bewusst. Aber die Verhandlungen sind nicht so einfach und es wurde auch mehrmals gesagt, dass es bei Verträgen zwei Partner gibt und nicht nur einen.

Es geht auch nicht, dass wir nur die Personenfreizügigkeit neu regeln, es gibt eine Guillotine-Klausel, wenn ein Vertrag gekündigt wird, werden alle Verträge gekündigt. Es ist schon klar, das ist, so denke ich, auch der CVP-EVP- sowie der FDP- und SP-GRÜ-Fraktion bewusst, die die Wichtigkeit und die Bedeutung der bilateralen Verträge einsehen, klar, dass man hier einen Weg suchen muss. Aber das Ziel zu finden, ist nicht so einfach, wie Sie eben definiert haben. Ich möchte von Böhi-Wil, wenn er uns sein Votum mailt, auch die aktuellen, stark zugenommenen Arbeitslosenzahlen sehen, die er in der freien Zuwanderung wittert, die wir bis jetzt noch haben.

Ich danke Gut-Buchs, dass er auch noch das Bild der seinerzeitigen Bekämpfung des EWR-Beitritts der Schweiz durch alt Bundesrat Blocher im Rat und der SP-GRÜ-Fraktion hier vorgeführt hat, er war der, der gegen den EWR gekämpft hat. Wenn die Schweiz vermutlich im EWR wäre, dann müssten wir heute nicht die Diskussion in diese Richtung führen.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion):

Bei der vorliegenden lnterpellation hat sich die Regierung grösste Mühe gegeben, die vier Fragen auf insgesamt neun Seiten detailliert zu beantworten. Zudem wurde die Antwort der Regierung mittels einer Medienmitteilung veröffentlicht, was ein ausserordentlicher Vorgang ist.

Der Kantonsrat ist sich nicht gewohnt, dass seine lnterpellationen soviel Aufmerksamkeit seitens der Regierung bekommen, denn zu oft erhalten wir wenig aussagekräftige oder ausweichende Antworten.

Eigentlich müssten wir die Regierung für ihren Fleiss loben, den sie bei der Beantwortung dieser lnterpellation gezeigt hat. Der Haken dabei ist aber, dass die lnterpellation offensichtlich einem rein politischen Zweck dient.

Seit dem 9. Februar 2014, als die Masseneinwanderungsinitiative von Volk und Ständen angenommen wurde, ist eine systematische Angstkampagne im Gang, mit dem Ziel, den Untergang der Schweiz zu beschwören, sollte die lnitiative umgesetzt werden.

Die Kreise, welche die Kampagne orchestrieren sind die selben, die bereits im Abstimmungskampf aus allen Rohren auf die lnitiative geschossen haben.

Die Beantwortung der lnterpellation und ihre Veröffentlichung durch die Regierung passt perfekt ins Konzept dieser Kampagne. Und dass einige Wochen nach der Veröffentlichung eidgenössische Wahlen stattfinden ist ja wohl kein Zufall.

Das Ziel der lnitiative ist, die Zuwanderung zu regulieren. Es geht nicht etwa um die Kündigung der Bilateralen Verträge l, vielmehr um eine Neuverhandlung einzelner Verträge, falls dies notwendig sein sollte, vor allem natürlich jener über die Personenfreizügigkeit.

Es ist die unbeschränkte Personenfreizügigkeit, die Probleme schafft. Sie verursacht zunehmenden Lohndruck. Sie ist verantwortlich für die Verdrängung von älteren Arbeitnehmenden aus dem Arbeitsmarkt. Sie ist auch der Grund für die Zunahme der Zahl der Erwerbslosen (Arbeitslose und Ausgesteuerte zusammengenommen). Das sind logische Folgen der Personenfreizügigkeit, denn sie erhöht das Angebot an Arbeitskräften enorm. Da helfen auch die flankierenden Massnahmen wenig, die von Anfang an nur dazu dienten, die Gewerkschaften ins Boot der Personenfreizügigkeit zu holen. Aber auch den Gewerkschaften wird langsam klar, dass die flankierenden Massnahmen, allen voran die Lohnkontrollen, nur ein verzweifelter und letztendlich hoffnungsloser Kampf gegen starke Marktkräfte sind.

Wenn die Gesamtheit der bilateralen Verträge tatsächlich so wichtig für die Schweiz sind, wie oft behauptet wird, dann frage ich mich, warum die eigentlichen Verhandlungen mit der EU 1,5 Jahre nach der Volksabstimmung immer noch nicht begonnen haben und warum der Bundesrat erst vor kurzem ein Chefunterhändler für die EU ernannt hat. Worauf wartet man denn noch? Wahrscheinlich auf den 18. Oktober 2015.

Die lnterpellation enthält auch eine Frage zum Fürstentum Liechtenstein, und das gibt mir die Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass sich die Schweiz an Liechtenstein ein Beispiel nehmen könnte. lnwiefern? Nun, Liechtenstein ist Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums und ist somit de facto ein EU-Mitglied. Anders gesagt, seine Bindung an die EU ist enger als diejenige der Schweiz. Und trotzdem hat Liechtenstein erfolgreich mit der EU Beschränkungen der Personenfreizügigkeit verhandelt, genauer gesagt, eine Quote für EU-Bürger bei den Aufenthaltsgenehmigungen.

Wenn ein Land, das halb so viele Einwohner hat wie die Stadt St.Gallen Spezialkonditionen mit der EU aushandeln konnte, dann muss das auch für die Schweiz möglich sein.

Und damit wende ich mich an Regierungspräsident Würth, als Vertreter der Konferenz der Kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren, in der vom Bund eingesetzten Expertengruppe zur Umsetzung von Art. 121 Bst. a der Bundesverfassung, das heisst der Masseneinwanderungsinitiative.

Lassen Sie sich nicht von der EU einschüchtern, sondern nehmen Sie sich ein Beispiel an unserem kleinen, aber mutigen Nachbarn. Liechtenstein ist der Beweis dafür, dass wo es einen politischen Willen gibt, gibt es auch einen politischen Weg. lch bin überzeugt, dass dieser Grundsatz ebenfalls Gültigkeit hat für die zukünftige Ausgestaltung der bilateralen Abkommen zwischen der EU und der Schweiz.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

Es sind vor allem zwei Punkte, die mich beeindrucken in der Antwort der Regierung. Erstens, der schiere Umfang unserer Abhängigkeit vom europäischen Markt. Und zweitens, die Umfrage bei den Unternehmen in unserer Kanton.

Zu den Zahlen: 65 Prozent unseres Exports, das heisst 65 Prozent unseres Erfolgs auf den Weltmärkten betrifft den europäischen Markt. Ein Plus von 3 Mrd. Franken, von 8 Mrd. Franken auf 11 Mrd. Franken alleine im Kanton St.Gallen. Unsere St.Galler Unternehmen erwirtschaften mittlerweile das Dreifache unseres Kantonsbudgets dank den bilateralen Verträgen.

Diese Zahlen sind eine Wucht. Und ich befürchte, viele von uns erachten diese Erfolge mittlerweile als selbstverständlich. Eines ist völlig klar: Ohne Bilaterale gibt es keinen freien Marktzugang nach Europa und ohne freien Marktzugang nach Europa keine Exportindustrie in der Ostschweiz; keine Wertschöpfung, die uns den Wohlstand bringt; keine Arbeitsplätze, die eine Zukunft haben.

Wer die Bilateralen klein redet, Böhi-Wil, der muss sich angesichts dieser Fakten den Vorwurf gefallen lassen, aus ideologischer Verblendung die Realität nicht mehr sehen zu wollen. Wer das Erfolgsmodell Schweiz verteidigen will, bekennt sich zu den Bilateralen. Eigentlich eine Schande, dass dies nicht auch in Wahljahren Konsens ist in der Schweizer Politik.

Und wer den offiziellen Zahlen misstraut, soll wenigstens den Unternehmen zuhören. Die Umfrage bestätigt, dass die Bilateralen für die Unternehmen von überragender Bedeutung sind. Zum einen für den Marktzugang in unsere Nachbarstaaten, zum anderen – auch dies hören nicht alle gerne – für den Zugriff auf Fachkräfte, die nun einmal in einer hoch entwickelten Wirtschaft unverzichtbar sind.

80 Prozent aller Gewerbe- und Industriebetriebe haben heute schon Schwierigkeiten bei der Suche nach Fachpersonal. Eine alarmierende Zahl. Und wie reagiert die Politik: Sie haut auf die altbekannte Überfremdungspauke und fordert ein bürokratisches Monster namens Kontingentierung und Inländervorrang.

Das Potenzial an inländischen Arbeitskräften ist noch längst nicht ausgeschöpft. Aber wenn wir unseren Unternehmen diejenigen Fachkräfte verweigern, die für die Spitzenleistungen der Schweizer Wirtschaft sorgen, dann wird die Wohlstandsinsel Schweiz eine kurze Episode in der Weltgeschichte bleiben.

Kurz: Mit der Masseneinwanderungsinitiative pokert die Schweiz sehr hoch. Ich hoffe sehr, dass das gut geht. Denn eines darf uns auf gar keinem Fall passieren: Wir dürfen die Bilateralen nicht aufs Spiel setzen. Vor diesem Hintergrund bin ich gerne bereit, auch einmal eine etwas ausführlichere Antwort der Regierung auf eine Interpellation zu lesen, Böhi-Wil.

Die Regierung hat richtig entschieden, Hartmann-Flawil, die Bilateralen dermassen ins Licht zu stellen – und wenn das Parlament dies zum Anlass nimmt, ebenso ausführlich zu diskutieren, dann hat die Regierung ihr Ziel erreicht – zugunsten unserer Unternehmen, zugunsten unserer Arbeitsplätze.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

(im Namen der CVP-EVP-Fraktion): Die Interpellantin ist mit der Antwort der Regierung zufrieden.

In Sorge um Gefährdung der Bilateralen Verträge I mit der Umsetzung der vom Volk beschlossenen Masseneinwanderungsinitiative hat die CVP-EVP-Fraktion verschiedene Fragen zur Bedeutung und Einschätzung der Bilateralen I gestellt. Wir wurden gerade auch gestern, anlässlich unseres Fraktionsausfluges zur innovativen und internationalen CHT Bezema AG darin bestätigt, weil uns die Firmenverantwortlichen vor Augen geführt haben, was sie beschäftigt, nämlich die Weiterführung des bilateralen Weges sowie die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative bei diesem Unternehmen am Grenzort zwischen dem Kanton St.Gallen und Vorarlberg sowie dem süddeutschen Raum betreffend Grenzgängerkontingente.

Ich danke der Regierung im Namen der CVP-EVP-Fraktion für die sehr ausführlichen und handfesten Informationen. In Anbetracht der sehr essentiellen Bedeutung und von Wirtschaftsseiten immer wieder genannten absoluter Wichtigkeit ist die Antwort der Regierung in fundierter und auch in der Länge sehr positiv zu werten. Unsere Wirtschaft braucht Rechtssicherheit und Klarheit in der Frage der Bilateralen I und ist schon genug gefordert mit den Herausforderungen der Frankenstärke.

Zum Inhalt: Alle Studien zeigen positive Effekte auf, die sich aus der Bilateralen I ergeben haben. Die Umfrage, die das Volkswirtschaftsdepartement durchgeführt hat, zeigt eindrücklich auf, dass der EU-Marktzugang von grösster Bedeutung ist. Haben nämlich alle Unternehmen geantwortet, dass es wichtig sei, und drei Viertel der grösseren Unternehmen hat dies sogar als sehr wichtig eingestuft.

An die Adresse all jener, die für die Zuwanderungsbeschränkung gestimmt haben, möchte ich hier auch die Augen öffnen, dass die internationale Zuwanderung den eben vorhandenen negativen Wanderungssaldo aus den anderen Teilen der Schweiz mehr als kompensiert. Mit Blick auf den demographischen Wandel und die damit verbundene Reduktion des Arbeitskräftemangels, ich erinnere, in 10 bis 15 Jahren werden die geburtenstarken Jahrgänge pensioniert sein, ist dieser Kontext für die St.Galler Volkswirtschaft von erheblicher Bedeutung.

Positiv zu würdigen ist ist auch, dass die Regierung in der Vernehmlassung zu den Änderungen im Ausländergesetz mit Rücksicht auf die geografische Lage unseres Kantons vom Bund bezüglich der bestehenden Grenzgänger eine Regelung fordert, wonach sich diese nicht neuer zusätzlicher Bürokratismen unterziehen müssen. Ebenso ist zu begrüssen, die Notwendigkeit im Hintergrund unserer rund 8'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, dass für diese eine separate Höchstzahlkontingentierung verlangt wird, weil ja Grenzgänger nicht Zuwanderer sind, die kommen am Morgen und gehen am Abend.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

Zu Surber-St.Gallen: Ich bin erstaunt über Ihr Kurzzeitgedächtnis. Wir haben gestern über den Architekturlehrgang an der FH St.Gallen diskutiert. Meine Fraktion war dafür, Ihre glaube ich dagegen. Das gleiche gilt, wenn wir zu den Ärzten kommen. Unser Regierungsrat Kölliker prüft einen Masterlehrgang im Kanton St.Gallen. Ich glaube, das zeigt, unsere Partei liefert und lafert nicht nur.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

Regierungspräsident: Ich möchte nur kurz auf die einzelnen Fraktionsvoten eingehen.

Ich beginne bei der FDP-Fraktion, nicht bei der CVP-EVP-Fraktion. Volle Übereinstimmung, ich kann das unterschreiben, was Sie sagen. Ich möchte da nicht weiter ausführen.

Zur SP-GRÜ-Fraktion möchte zu Hartmann-Flawil erwähnen, das war wirklich ein reiner Zufall, dass Herr Darbellay sich an diesem Tag offenbar auch zu den bilateralen Verträgen geäussert hat. Sie können versichert sein, dass ich meinen Terminkalender nicht mit Herrn Darbellay abstimme, wahrscheinlich ist Hartmann-Flawil näher bei Herr Levrat, als ich bei Herrn Darbellay. Machen Sie sich diesbezüglich wirklich keine Sorgen.

Bezüglich der inhaltlichen Frage zu den flankierenden Massnahmen: Ich kann das einmal mehr hier bekräftigen. Die Regierung ist klar der Meinung, dass wir einen wirksamen Vollzug der flankierenden Massnahmen brauchen und wollen. Wir sind da aber in gewissen Fragen offensichtlich nicht ganz gleicher Meinung. Ich muss Ihnen auch sagen, und da habe ich einen grundsätzlichen Dissens, ich war immer der Meinung, dass dieser Vollzugsdualismus, den wir in der Schweiz haben und den Sie immer konsequent ausblenden, nämlich, dass der Staat für die nicht GAV-Branchen zuständig ist, die Tripartite Kommission nicht der Staat genau genommen, und dass die Paritätischen Kommissionen zusammengesetzt aus den Sozialpartnern zuständig sind für die GAV-Branchen im Vollzug der flankierenden Massnahmen. Das blenden Sie konsequent aus. Ich habe einmal auf schweizerischer Ebene vorgeschlagen, wir sollten uns grundsätzlich dieses Vollzugssystem überlegen. Dieser Vollzugsdualismus ist sehr komplex, sehr schwerfällig und ist eigentlich nicht das optimale nach meiner persönlichen Meinung. Österreich wird auch viel zitiert von linker Seite, Österreich hat das konsequent staatlich organisiert, das wäre meines Erachtens nicht das Dümmste, aber das wollen die Gewerkschaften nicht. Das möchte ich hier einfach einmal sagen. Man kann beim Thema «Flankierende Massnahmen» permanent das Fasching auf die Regierung und das Ava (??09.45.24) machen. Ich kann das ertragen, aber dann sagen Sie doch bitte auch, wie die ganze Sachlage wirklich aussieht. Das Volk draussen hat immer das Gefühl, meine Leute kontrollieren alle, dabei gibt es eine geteilte Verantwortung, das sollten Sie einfach auch einmal zur Kenntnis nehmen.

Bezüglich der SVP-Fraktion bin ich froh, dass Sie ausführen, dass man jetzt verhandeln soll, dass man nicht kündigen will. Das hat die SVP-Fraktion auch im Rahmen des Abstimmungsbüchlein so festgehalten auf der Seite der Initianten. Ich muss Ihnen sagen, dieser Prozess läuft, aber läuft formell nicht als Verhandlung, nach wie vor nicht, weil die EU gar kein Verhandlungsmandat erlassen hat, sondern er läuft im Prozess der Konsultation zwischen der EU und der Schweiz. Wir werden voraussichtlich Ende Jahr sehen, ob wir aus diesem Konsultationsprozess eine Lösung herausbekommen, um letztlich diesen gordischen Knoten zu lösen, seien es Schutzklauseln, seien es andere Themen, gibt es überhaupt diesen Spielraum? Frau Merkel hat ja explizit darauf hingewiesen, das musste man doch zur Kenntnis nehmen, dass dieser Konsultationsprozess wichtig ist. Das ist nicht ganz unwesentlich, weil verschiedene Kreise in der EU wollten nicht einmal die Konsultation. Also die schweizerische Seite, auch da finde ich das Bundesrats-Pasching bring gar nichts. In dieser Situation, in der die Schweiz sich befindet, sollte man den Bundesrat stärken in seiner Absicht eine Lösung dieses schwierigen Problems zu suchen und zu finden. Es gibt eigentlich zwei Eckpunkte: Wir haben einen innenpolitischen Umsetzungsauftrag von 121 A und wir haben einen aussenpolitischen Verhandlungsauftrag, keine Kündigungsauftrag, wie Sie richtig sagen. Aber verhandeln bedeutet schlussendlich, wie im wirklichen Leben, es braucht zwei, die überhaupt eintreten auf Verhandlungen und dann auch bereit sind, gewisse Anpassungen zu machen. Man kann heute noch nicht sagen, wie die Situation dann sich genau präsentiert.

Hinsichtlich der Arbeitskräftemobilisierung im Inland teile ich Ihre Auffassung Egger-Berneck. Natürlich ist das wichtig. Wir werden im Rahmen des Berichts «Fachkräfte», der noch in dieser Legislatur unterbreitet, das Bildungsdepartement und das Volkswirtschaftsdepartement sind hier an der Arbeit. Dieser Bericht wird Ihnen zugeleitet und dann werden Sie auch Gelegenheit haben, in diesem Rat zu diskutieren und zu entscheiden, in welche Richtung Sie gehen wollen, wie viele Mittel Sie bereit sind zu investieren in dieser Frage. Wir werden dann auch noch andere Themen diesbezüglich haben (Medical Master).

Vielleicht noch zur Frage der Form: Die Regierung legt bei ihren Sitzungen, wie das ein Gemeinderat wohl auch macht, wir haben am Schluss der Sitzung jeweils den Kommunikationsplan fest, wir überlegen uns, zu welchen Geschäften braucht es eine externe Kommunikation. Wir haben hier beschlossen, extern zu kommunizieren, und zwar einfach aus der Überlegung, wir haben eine überdurchschnittliche Betroffenheit in dieser Frage und es ist eine sehr zentrale Frage. Das ist nun aus dieser Diskussion hervorgekommen. Dann ist es nach unserem Regierungsverständnis auch eine Aufgabe der Regierung, aufzuzeigen, um was es geht. Man stellt in der Diskussion natürlich fest, das ist auch normal, das kritisiere ich nicht, dass man permanent über die Personenfreizügigkeit spricht, aber für die Wirtschaft, das hat auch unserer nicht repräsentative Umfrage ergeben, ist natürlich auch beispielsweise das Abkommen über technische Handelshemmnisse von enormer Bedeutung sowie das öffentliche Beschaffungswesen oder das Landwirtschaftsabkommen, welches jetzt in der Debatte noch nicht erwähnt. Das Landwirtschaftsabkommen hat eine erhebliche Bedeutung, gerade für den wirtschaftlich geprägten Kanton St.Gallen, weil wir einen liberalisierten Käsehandel haben seit etwa sieben Jahren. Diese Themen müssen transportiert werden, es muss aufgezeigt werden, wo der Kanton in diesen Fragen steht, wo liegt unsere besondere Betroffenheit. Das erachten wir als notwendig. Wir sind überdurchschnittlich Exportorientiert, wie bereits gesagt wurde, wir sind überdurchschnittlich hightech-orientiert, MEM-Industrie als klarer Cluster in diesem Kanton. Da sind wir wirklich im Moment stark gefordert. Nicht nur mit den bilateralen Verträgen und der Zukunft der bilateralen Verträge, sondern auch seit dem Frankenkurs-Schock anfangs Januar: Wie geht es weiter mit der Währung. Und es kommen weitere Unsicherheitsfaktoren dazu: Unternehmenssteuerreform III, viele Themen die in der Wirtschaft Unsicherheit schaffen. Das macht uns grosse Sorgen, weil Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft und für die wirtschaftliche Entwicklung und uns war es ein Anliegen als Regierung, zu sagen: Wir verstehen diese Probleme, wir setzen klare Positionen und versuchen uns im Rahmen unserer Möglichkeiten einzusetzen, damit die Rahmenbedingungen für die schweizerische Volkswirtschaft und die st.gallische Volkswirtschaft, für die Arbeitsplätze hier in diesem Kanton, weiterhin gut bleiben.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
16.9.2015Wortmeldung

Die EU ist unser wichtigster Handelspartner. Es ist klug, wenn man zu diesem Handelspartner – ob man ihn mag oder nicht – gute Beziehungen hat und im Handel Rechtssicherheit kennt. Primär geht es also bei den Bilateralen um den Marktzugang, damit unsere Exportindustrie von der Schweiz aus diesen Markt mit rund 500 Mio. Konsumentinnen und Konsumenten bedienen kann – und nicht dorthin Fabriken und Arbeitsplätze verlegen muss.

Da gemäss der Antwort der Regierung auf die Interpellation 64,5 Prozent aller Exporte aus dem Kanton St.Gallen in die EU gehen (Durchschnitt der Schweiz liegt bei 55 Prozent), ist unsere Abhängigkeit des Kantons St.Gallen von diesem Markt noch deutlich grösser ist, als beim Rest der Schweiz. Deshalb ist es auch für uns, den Kanton St.Gallen, sehr wichtig, dass wir die Bilateralen bzw. diesen Marktzugang haben.

Für die FDP-Fraktion sind deshalb die Bilateralen von existentieller Bedeutung, da sie für uns den Marktzugang sichern, ohne der EU beitreten zu müssen. Das ist doch eines der Ziele, bei dem sich die meisten bürgerlichen Parteien einig sind – wir wollen nicht in die EU, aber wir brauchen geregelte Verhältnisse.

Dass es auch Nachteile aus diesem Vertragswerk gibt, liegt in der Sache der Natur; denn diese Verträge sind nur zu Stande gekommen dank einer Handlungsrunde zwischen der Schweiz und der EU und bekanntlich ist es bei Verträgen so, dass sie nur zu Stande kommt wenn man gibt und dafür auch etwas bekommt. Also es braucht ein Geben und Nehmen.

Die hohe Zuwanderung aus der EU ist sicherlich einer dieser Nachteile für die Schweiz. Jedoch müssen wir auch anerkennen, dass zwei Drittel dieser Zuwanderung im Kanton St.Gallen von unserer Wirtschaft nachgefragt werden. Dies, weil unsere Unternehmen auf dem Weltmarkt erfolgreich agieren. Der Beweis, dass die Wirtschaft primär diese Leute nachfragt ist, dass die Arbeitslosigkeit weder in unserem Kanton noch in der Schweiz zugenommen hat.

lm Weiteren gilt es zu beachten, dass sich mit der Einführung der Personenfreizügigkeit die Art der Einwanderung stark verändert hat. Kamen in der Vergangenheit mit Kontingenten primär unqualifizierte Arbeitskräfte in die Schweiz, welche uns zum Teil noch heute oft Probleme bescheren, so sind es heute mehrheitlich gut ausgebildete Fachkräfte. Dies ist ein wesentlicher Vorteil und darf bei aller Polemik über die Zuwanderung nicht verkannt werden.

Gerade im Hinblick auf die Frankenstärke bzw. Schwäche des Euros, wäre es für unsere Wirtschaft fatal, wenn wir nun leichtsinnig auch die Bilateralen aufs Spiel zu setzen. Dies wäre nicht nur brandgefährlich sondern schlichtweg dumm.

Deshalb kämpft die FDP-Fraktion für die Bilateralen. Dies auch um den EU-Beitritt verhindern zu können. Gemäss verschiedenen Umfragen im Jahre 2015 entspricht diese Strategie – Erhalt der Bilateralen; kein EU-Beitritt – einer Mehrheit der Schweizer Bevölkerung.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015