Geschäft: Einführung einer Pflegeversicherung

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer41.15.01
TitelEinführung einer Pflegeversicherung
ArtKR Standesbegehren
ThemaGesundheitspflege, Sozialversicherung, Sozialhilfe
FederführungDepartement des Innern
Eröffnung23.2.2015
Abschluss14.9.2015
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
AllgemeinRückzug vom 14. September 2015
AntragAntrag der Regierung vom 5. Mai 2015
VorstossWortlaut vom 23. Februar 2015
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Statements
DatumTypWortlautSession
14.9.2015Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten auf das Standesbegehren.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015
14.9.2015Wortmeldung

(im Namen der FDP-Fraktion): zieht das Standesbegehren zurück.

Die Begründung der Regierung greift sehr kurz und weist verschiedene Fehlüberlegungen auf. Eine neue Versicherung sichert potenzielle Heimbewohnende vor einem Vermögensverzehr ab – nicht allerdings auf Kosten der öffentlichen Hand wie heute – und entlastet die Sozial- bzw. Pflegekosten der öffentlichen Hand. lm Kanton werden dadurch, das stellt die Regierung richtigerweise fest, die Gemeinden entlastet – dies nachdem im Rahmen von Sparpaketen die Pflegefinanzierung zu 100 Prozent den Gemeinden überbunden worden ist. Letzteres erklärt wohl auch das offensichtliche Desinteresse der Regierung, sich mit alternativen Modellen der Pflegefinanzierung auseinanderzusetzen.

Die heutige Finanzierungsregelung über das Steuersubstrat bedeutet, dass die arbeitende Bevölkerung für die immer höhere Anzahl an Pflegeleistungen beziehende Bevölkerung aufkommen muss. Dies stellt auch eine wesentliche Belastung und Umverteilung dar. Eine Versicherungslösung würde die Belastung durch die Pflegekosten nicht steigern, aber direkter und transparenter ausweisen, indem die Kosten als Versicherungsprämie geleistet würden und nicht als Steuerabgabe.

Die Umverteilung von Finanzmitteln würde – wie bei jeder Versicherungslösung – ex post, das heisst nach Eintreffen des «Schadensereignis» (also der Pflegebedürftigkeit) eintreten. Ex ante kann indes nicht von einer «Umverteilung der Risiken» gesprochen werden, da nicht nur Personen mit schlechtem Gesundheitszustand und/oder sogenanntem ungesunden Lebenswandel später pflegebedürftig werden können, sondern auch Personen, die diese Merkmale nicht aufweisen. Die diesbezügliche Argumentation der Regierung ist deshalb nicht stichhaltig.

Wie die Finanzierung der Versicherung genau aussehen würde, müsste natürlich genau geprüft werden. Dies wäre ja gerade Teil des im Rahmen des Standesbegehrens formulierten Auftrags an den Bund.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es aber nicht angebracht, bereits von höheren Lohnanteilen zu sprechen – die FDP-Fraktion wird sicher zuletzt grundlos in diese Richtung steuern. Mit wenig Phantasie sind aber andere Lösungen denkbar, so etwa die stärkere Einbindung der Mittel der beruflichen Vorsorge im Auszahlungszeitpunkt. Diese Mittel, die in der Ansparphase höchst reguliert aufgebaut wurden, werden mit der Pensionierung frei verfügbar. Es ist auch aus liberaler Sicht vertretbar, dass diese Mittel verstärkt für die Eigenvorsorge für den Fall der Pflege

und eines notwendig werdenden Heimaufenthalts eingesetzt werden, so dass die Öffentlichkeit nicht regelmässig und vermeidbar für Pflegekosten und Ersatzleistungen (EL) aufkommen muss. lm heutigen System kann durch den vorzeitigen Verbrauch des Vorsorgekapitals die eigene Beteiligung an den Pflegekosten vollständig umgangen werden. Dieser Systemfehler wurde dadurch «korrigiert», dass die Beteiligung an der Pflegefinanzierung für alle auf ein Minimum beschränkt und gleichzeitig der Bezug von EL grosszügig ausgestaltet wurde. Durch die begrenzte Kostenbeteiligung wird zugunsten der Erben Vermögen geschützt, welches für die Finanzierung von Pflegekosten und Heimaufenthalten verwendet werden könnte.

Klar ist auch, dass Lösungen gefunden werden müssen, wie Personen mit tiefem Einkommen bzw. tiefem Vorsorgekapital in die Versicherungslösung eingebunden werden können. Hier wären in klar begründeten Fällen, gezielte Massnahmen erforderlich. Trotzdem soll auch mit diesen Ergänzungen keineswegs eine Pflegeversicherungslösung angestrebt werden, die nur von den

begüterten Rentnern finanziert wird – eine Versicherungslösung, welche auf die Solidarität der betroffenen Rentnergeneration nicht basieren kann, nicht durchkommt, dann wird es in der Schweiz keine Versicherungslösung geben.

Mit dem Antrag wurde keinesfalls die Enwartung geweckt, dass der Kanton die Prämien von finanziell minderbemittelten Personen via Prämienverbilligung übernehmen muss. lm heutigen System müsste er wohl für Prämien für jene Fälle aufkommen, die EL beziehen, und dies auch über dieses lnstrument. Jedenfalls ist auch hier die in der Regierungsantwort aufgebaute Drohkulisse der höheren Prämienverbilligungskosten und damit höheren Belastung des Kantonsbudgets – ohne weitere Abklärungen – völlig fehl am Platz. Die Regierung blendet geflissentlich aus, dass der Kanton die Kosten von Pflege und Heimaufenthalt via EL bereits heute wesentlich mitträgt und die Aufgabenteilung doch nicht so klar ist, wie behauptet. Es kann aus heutiger Sicht nicht gesagt werden, wie die Kostenbeteiligung innerhalb einer Versicherungslösung aussehen würde.

Die Regierung macht eine weitere Fehlüberlegung, dass eine Pflegeversicherung nur den Gemeinden zu Gute komme. Selbstverständlich würden die Gemeinden in der stationären Pflege entlastet, jedoch in der ambulanten stärker belastet. Denn man könnte nicht einfach ins Pflegeheim eintreten, ohne den nötigen Pflegegrad aufzuweisen. Die EL des Kantons würde in den ersten Jahren möglicherweise mehr belastet, denn die EL-Rentner könnten die Versicherungsbeiträge nicht selber bezahlen. Die EL leistet aber auch namhafte Beiträge an die Pflegekosten und dort wäre die EL-Rechnung rasch durch die Versicherungslösung entlastet. Es gäbe noch viele andere Gründe aufzuzählen, um einer Pflegeversicherung zum Durchbruch zu verhelfen. Die FDP-Fraktion stellt aber fest, dass es wohl derzeit am fehlenden Willen der Regierung fehlt, aber vermutlich auch am fehlenden Willen in diesem Rat. Wir ziehen deshalb den Antrag zurück und warten auf bessere Zeiten. Aber ich kann Ihnen versichern, das Standesbegehren wird zu einem späteren Zeitpunkt sicher wieder einmal gestellt werden.

Session des Kantonsrates vom 14. bis 16. September 2015