Präsident Rechtspflegekommission: Zu den Bemerkung von Hoare-St.Gallen: Zuerst danke ich für die wohlwollende Aufnahme auch von Ihrer Seite unserer Berichterstattung.
Die Frage, was für eine Praxis die SVA verfolgt oder was sie nicht verfolgt, ist natürlich nicht eine Aufgabe, die die Rechtspflegekommission zu beurteilen hatte. Wir hatten wieder ein typisches Schnittstellenproblem. Bei uns beginnt die Beurteilung, wenn sie beim Versicherungsgericht landet, deshalb ist das ein Thema, mit dem sich die Staatswirtschaftliche Kommission einmal beschäftigen könnte.
Etwas muss ich aber korrigieren, es ist nicht so, dass wir eine erhebliche Anzahl von Beschwerden haben, die gutgeheissen wird. Das ging vielleicht etwas schnell in meinen Ausführungen, ich habe Sie etwas stark mit Zahlen bombardiert, ich bitte Sie, die S. 63 des Amtsberichtes der kantonalen Gerichte zur Hand zu nehmen. Dort sehen Sie, wenn Sie die IV-Fälle auf dieser Seite zusammenzählen, dass 61 Fälle im Jahre 2013 gutgeheissen worden. 61 Fälle von total 437 behandelten IV-Fällen, das sind 13 Prozent. Ich habe aber darauf hingewiesen, Sie können das gerne nachrechnen, dass es auch teilweise Gutheissungen gibt, und das sind 125 Fälle, das sind zusammengezählt dann 28 Prozent. Das zeigt schon, dass da zum Teil ein gewisser Abklärungsbedarf besteht. Ich habe in meinen Erwägungen darauf hingewiesen, wenn natürlich kein Einspracheverfahren besteht, sondern die Angelegenheit direkt ans Gericht geht, dann führt das unter Umständen zu zusätzlichen Abklärungen und zu Rückweisungen. Aber die reine Gutheissung, das sind 13 Prozent.
Session des Kantonsrates vom 2. bis 4. Juni 2014
2.6.2014
Wortmeldung
Präsident Rechtspflegekommission: Ich möchte zum Thema das wir auf S. 7 angeschnitten haben und dann auf S. 18 behandelt haben möchte ich ganz kurz Stellung nehmen. Die Rechtspflegekommission ist, das sehen Sie in Ziff. 13 auf S. 18, ebenfalls der Auffassung, dass man sicher die Entwicklung des Beratungsaufwandes der Schlichtungsstellen für Miet- und Pachtverhältnisse ansehen muss. Es gibt hier sehr grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Stellen. Das was Tinner-Wartau erwähnt ist richtig, es sind einzelne Schlichtungsstellen, die hier eine spezielle Kostenentwicklung erfahren haben. Wir möchten aber zunächst die Gründe wissen, um einen Quervergleich machen zu können, wie wir das auf S. 18 angedeutet haben. Das Kantonsgericht ist im Übrigen mit den Schlichtungsstellen in einem ständigen Dialog. Es ist dann Sache des Kantonsgerichtes hier die entsprechenden Beträge auszuhandeln. Aber wir müssen zuerst wissen, was Sache ist.
Session des Kantonsrates vom 2. bis 4. Juni 2014
2.6.2014
Wortmeldung
In den Ausführungen ist mir aufgefallen, dass auch unter anderem im Amtsbericht, wie auch im Bericht der Rechtspflegekommission der Hinweis platziert worden ist, dass die Meinung herrsche, dass die Entschädigung für die Sekretariate der Schlichtungsstelle für Miet- und Pachtverhältnisse nicht mehr den heutigen Grundsätzen entspricht, bzw. zu tief ausfällt. Kann man mir hier die Frage beantworten, nach welchen Kriterien die Entschädigung der Sekretariate vorgenommen wird, und was unternommen wird, um auch eine allfällige Unterdeckung bei den Gemeinden zu verhindern?
Session des Kantonsrates vom 2. bis 4. Juni 2014
2.6.2014
Wortmeldung
Präsident Rechtspflegekommission: Auf die Vorlage ist einzutreten.
Im Zusammenhang mit dem Amtsbericht der kantonalen Gerichte unterbreitet Ihnen die Rechtspflegekommission traditionsgemäss auch den Bericht über ihre Tätigkeit im abgelaufenen Jahr. Lassen sie mich dieses Jahr vier Aspekte herausgreifen:
Die Rechtspflegekommission nimmt für den Kantonsrat die Oberaufsicht über die Justizbehörden wahr, und der Grundsatz der Gewaltenteilung setzt der Kontrolle der Rechtspflegekommission aber enge Grenzen. Nicht in ihrem Kompetenzbereich liegt es, Urteile auf ihre Richtigkeit zu prüfen oder Gerichten Weisungen über die Aufhebung oder die Abänderung von Entscheiden zu erteilen oder gar in laufende Verfahren einzugreifen. In der Einleitung zum diesjährigen Bericht haben wir uns mit der Frage, wie weit die parlamentarische Oberaufsicht geht und zu gehen hat etwas einlässlicher befasst, und wir laden Sie ein, diese Überlegungen insbesondere dann wieder an die Hand zu nehmen, wenn die Wut des Bürgers oder der Medien über oft vermeintliche und in der Hast der Medienberichterstattung herbeigeschriebene Skandale in Forderungen nach politischer Intervention mündet. Die kollektive Empörungsbereitschaft, orchestriert von entsprechender Medien-Berichterstattung, bedarf gerade in diesen Fällen einer klaren Antwort, die sich an wohldurchdachten Strukturen und Prozessen und letztlich an rechtsstaatlichen Abläufen und Grundsätzen orientiert. Das Parlament und seine institutionellen Kontrollorgane dürfen nicht in die allgemeine Moralisierung und Trivialisierung einstimmen. Die Rechtspflegekommission nimmt hier eine ganz klare und geschlossene Haltung ein über alle Parteigrenzen hinweg. Das soll hier gesagt und auch in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung zur Kenntnis genommen werden.
Bezüglich der Feststellungen unserer Subkommissionen bei der Prüfung besonderer Bereich der Justiz verweise ich auf den schriftlichen, umfassenden Bericht.
Ein besonderes Augenmerk richtete die Subkommission 3, aber auch die Rechtspflegekommission als Gesamtes auf die Arbeit der Jugendanwaltschaft. Diese führte im Jahr 2013 Unterbringungen in rund 30 Einrichtungen aus. Die Jugendanwaltschaft führte im Herbst 2013 48 Unterbringungen durch. In 2 Fällen (4 Prozent) handelt es sich um weibliche Jugendliche, in 46 Fällen (96 Prozent) um männliche. 35 Jugendliche (73 Prozent) haben den Schweizer Pass, 13 (27 Prozent) sind anderer Nationalität. Die Kosten der Unterbringung belaufen sich in 15 Fällen auf 4'000 bis 9'000 Franken, in 20 Fällen auf bis 14'000 Franken, in 11 Fällen auf bis 20'000 Franken und in 2 Fällen auf bis 25'000 Franken pro Monat. Die Jugendanwaltschaft führt keine übertrieben kostenintensiven Sonder-Settings durch, die vergleichbar wären mit dem Fall mit grosser Medienwirksamkeit im Kanton Zürich. Die Rechtspflegekommission hat sich von der vielmehr von der Verhältnismässigkeit dieser Kosten im Einzelfall überzeugt und überzeugen lassen. Ein eindrücklicher Besuch im Jugendheim Platanenhof, welches die Unterbringungen für den Kanton St.Gallen, aber auch weiter Kantone ausführt, bestätigte der Kommission, wie aufwendig es ist, schwer erziehbare Jugendliche wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Den Behörden und Mitarbeitern, die dort grosse Arbeit für die Gesellschaft leisten sei gedankt.
Wer nichts zu verlieren hat, dem gelten Regeln wenig. Es braucht viel Arbeit, gerade diesen Jugendlichen wieder Regeln beizubringen und ihnen Perspektiven zu geben. Denn wer ohne Perspektiven und einen verlässlichen Rahmen lebt, der verletzt gesellschaftliche Regeln und Konventionen.
Einen weiteren Hinweis erlaube ich mir im Zusammenhang mit der Pendenzenlast beim Versicherungsgericht, die kürzlich auch medial Erwähnung fand. Die Rechtspflegekommission hat sich mit der Geschäftslast und den daraus resultierenden Verfahrensverzögerungen 2013 ebenfalls befasst, ohne dass das im Bericht speziell Eingang fand. Die Situation wurde mit dem Verwaltungsgericht besprochen und es wurde schon 2013 beschlossen, das Versicherungsgericht zum Gegenstand der Prüfungstätigkeit 2014 zu machen.
Nun aber konkret zur gestiegenen Last der Fälle und den getroffenen Massnahm:
Die Ursachen
Tatsächlich ist seit 2005, also nicht erst seit gestern, eine markante Zunahme der Fallzahlen beim Versicherungsgericht zu verzeichnen. Waren im Bereiche der IV 2005 noch 175 Neueingänge pro Jahr zu bearbeiten, so waren es 2006 bereits 301, 2009 487 und 2013 gar sehr hohe 643 IV-Neueingänge dies von total 992 Neueingängen beim Versicherungsgericht, also waren rund zwei Drittel aller Neueingänge IV-Fälle. Diese hohe Zunahme hält auch 2014 an. Im interkantonalen Vergleich ist sie weder besonders auffällig noch unterdurchschnittlich. Sie finden im Übrigen diese Zahlen auch in den früheren Amtsberichten der Gerichte, die diesem Rat jeweils vorgelegt werden. Der Pendenzenanstieg ist somit nichts Neues.
Der Hauptgrund für diesen Anstieg ist für die Zahlen bis 2012 sicher ist vor allem der Entscheid des Bundesgesetzgebers, das Einspracheverfahren im IV-Bereich per 1. Juli 2006 abzuschaffen, nachdem es erst 2003 eingeführt worden war. Die Eingänge im IV-Bereich bewegen sich seither auf einem mindestens doppelt so hohen Niveau wie vor 2003. Eine klare Antwort über die Gründe für die Zunahme der IV-Fälle vorab in den Jahren 2013 und 2014 ist dagegen nach Meinung des Versicherungsgerichts noch nicht möglich. Immerhin dürfte hier die Schlussbestimmung der letzten IV-Revision wesentlich beteiligt sein. In dieser Schlussbestimmung hat der Bundesgesetzgeber festgehalten, dass Renten, die wegen unklarer Beschwerdebilder gesprochen wurden (pathogenetisch-ätiologisch unklare syndromale Beschwerdebilder
ohne nachweisbare organische Grundlage), diese müssen innerhalb von 3 Jahren überprüft werden und die Renten entweder herabgesetzt oder aufgehoben werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Darüber hinaus ist die IV-Stelle in der Anwendung des Invalidenversicherungsgesetzes wohl auch unter dem politischen Spardruck - eher restriktiv geworden. Da es in diesem Bereich in aller Regel um existenzielle Fragen geht, schöpfen die davon Betroffenen Rechtsmittelmöglichkeiten aus.
Es kann auch nicht gesagt werden, dass die Erfolgsquote von Beschwerden überaus gross sei; sie betrug 2013 13 Prozent, Rückweisungen erfolgten 28 Prozent. Das ist nicht wenig, aber vor allem eine Folge des Umstandes, dass das Versicherungsgericht erstbeurteilende Instanz ist. Wir müssen hier als politische Behörde einfach zur Kenntnis, dass der Ruf nach härterem Vollzug einzelner Bestimmungen (gerade in der IV; Stichwort: Bekämpfung sogenannter «Scheininvalider») in einem Rechtsstaat nicht einfach von heute auch morgen umgesetzt werden kann. Komplexe Fragestellungen vertragen sich nicht immer mit einfachen Antworten.
Die Massnahmen
Nachdem der erneut hohe Anstieg der Pendenzen durch das Versicherungsgericht anfangs 2014 festgestellt und zusätzlich auch noch ein Personalausfall dazu kam (Mutterschaftsurlaub), stellte dieses in Absprache mit der Rechtspflegekommission und dem Verwaltungsgericht beim Sicherheits- und Justizdepartement die entsprechenden personellen Anträge. Diese Anträge (Erhöhung Aushilfskredit für Überbrückung Mutterschaftsurlaub und ausserordentliche Erhöhung des Aushilfskredites 2014-2018 zwecks Personalaufstockung zum Pendenzenabbau mit 20-prozentiger Pensum Erhöhung auf Stufe Richter, 20-prozentiger Pensum Erhöhung auf Stufe Sekretariat, und 200 Prozent zusätzlichen Gerichtsschreiberstellen) wurden durch die Regierung anfangs März beschlossen und sind nun in Umsetzung. Die erste neue vollamtliche Gerichtsschreiberin hat am 1. Mai 2014 ihre Stelle angetreten, der zweite vollamtliche Gerichtsschreiber arbeitet seit heute Morgen, 2. Juni am Versicherungsgericht und der ausserordentliche Ersatzrichter mit einem Pensum von 40 Prozent wird am 1. Juli 2014 seine Stelle antreten.
Dieser zeitliche Ablauf zeigt mit aller wünschbaren Klarheit, dass seit dem Hilferuf des Versicherungsgerichtes alle Beteiligten einschliesslich das Versicherungsgericht selbst zielstrebig dafür besorgt waren, dass die erforderlichen Anträge zeitgerecht gestellt, ungeschmälert genehmigt und mit grosser Vordringlichkeit umgesetzt wurden. Mit den somit 2014 eingeleiteten und für 2015 beantragten Massnahmen (Erhöhung Aushilfskredit) sollte sich die Situation aus heutiger Beurteilung mit der Zeit ab 2015/2016 entspannen. Für 2014 ist noch keine wesentliche Änderung zu erwarten, da die Einarbeitung von neuem Personal im Sozialversicherungsrecht höchst anspruchsvoll ist. Es darf auch nicht vergessen werden, dass seit 2006 eine Zunahme der IV-Fälle besteht. Die «IV-Pendenzenberge» können auch nicht einfach «speditiv» abgetragen werden: Die Fälle sind leider in aller Regel sehr komplex, oft müssen über Jahre zurück medizinische Gutachten überprüft und womöglich noch Gerichtsgutachten eingeholt werden.
Eines jedenfalls können wir aber so oder so festhalten: Der Präsident des Verwaltungsgerichtes hat sehr rasch und kompetent reagiert und das Sicherheits- und Justizdepartement und sein Vorsteher haben ebenfalls rasch und effizient der Regierung die erforderlichen Anträge gestellt. Das zusätzlich benötigte Personal ist angestellt. Die Justizverwaltung funktioniert auch in diesem Bereich sehr gut und die Rechtspflegekommission dankt für dieses entschlossene Vorgehen. Im Rahmen der kommenden Prüfungstätigkeit 2014 werden wir wie erwähnt nachprüfen, inwieweit die getroffenen Massnahmen auch tatsächlich greifen. Das etwas ausführlicher zur Angelegenheit des Versicherungsgericht.
Im laufenden Jahr beschreitet die Rechtspflegekommission zusammen mit der Staatswirtschaftlichen Kommission Neuland: Erstmals wird in einer gemischten Subkommission und damit kommissionsübergreifend die Aufbau- und Ablauforganisation derverwaltungsinternen Rechtspflegeüberprüft werden. Wir erhoffen uns nicht zuletzt auch wertvolle Erkenntnisse aus dieser Prüfungstätigkeit für die Justizreform, die diesem Rat Ende 2014 zugeleitet werden soll.
Falls sie Fragen haben, stellen Sie sie bitte jetzt
Session des Kantonsrates vom 2. bis 4. Juni 2014
2.6.2014
Wortmeldung
Ratspräsident: stellt Eintreten auf die Vorlage fest.
Session des Kantonsrates vom 2. bis 4. Juni 2014
2.6.2014
Wortmeldung
Ratspräsident: stellt Kenntnisnahme vom Bericht fest.
Session des Kantonsrates vom 2. bis 4. Juni 2014
2.6.2014
Wortmeldung
Entschuldigen Sie mich, ich war der Meinung, dass das Versicherungsgericht einzel aufgerufen wird. Darf ich um Rückkommen bitten?
Ich habe im Vorfeld dieses Tages einige Fragen zum Bericht des Versicherungsgerichtes gestellt. Ich muss sagen, das meiste wurde jetzt vom Präsidenten der Rechtpflegekommission schon vorweg genommen und beantwortet. Herzlichen Dank. Offenbar war das in der Zeitung, bevor ich das überhaupt bemerkt hatte. Ich habe mich nur auf den Bericht konzentriert. Ganz besonders freut es mich, dass offenbar Massnahmen zu Gunsten des Gerichtes getroffen wurden, weil dieses tönte zum zweiten Mal ausserordentlich alarmierend. Wie Sie sich vorstellen können, gehen Entscheide zu Fällen der Invalidenversicherung ans Lebendige. Von diesen Entscheiden hängt das Leben, das Finanzieren von Menschen, von Familien ab. Wenn das zu lange dauert, wir es zu einer riesigen Belastung und kann zu weiteren Kosten führen. Nicht nur beim Gericht, sondern vielleicht bei den Gemeinden, bei Heimen. Die Invalidenversicherung ist dann fein raus. Allerdings hat mir das Schicksal noch einen Bericht der «Sonntagszeitung» in die Hände gespielt. Der Haupttitel lautet: «Die Invalidenversicherung treibt durch Sparen die Kosten in die Höhe». Sie alle wissen selbst, was Sie abgestimmt haben bei der letzten Änderung der Invalidenversicherung. Es war nur die Rede von Scheininvaliden. In diesem Bericht sehen Sie einmal die andere Seite. Die IV spart auf Kosten schwerbehinderter Kinder, und ganz besonders erwähnt ist die Ostschweizer Invalidenstelle, die bei der Sozialsversicherungsanstalt der Kantons St.Gallen (SVA) angegliedert ist. Ich habe mir deshalb erlaubt, meine Frage auch der Vertretung des Kantons in der Verwaltungskommission der SVA zu schicken, weil ich denke, ohne Rauch ist da kein Feuer. Diese Leute könnten besser bereits von der SVA betreut und begleitet werden. Nicht allzu viele dieser Fälle müssten dann schlussendlich im Versicherungsgericht landen und sie werden mehrheitlich positiv entschieden. Das ist meine Meinung aus der Statistik. Das deutet darauf hin, dass diese Klagen dann gut begleitet und begründet sind. Bitte lesen Sie doch in der «Sonntagszeitung» nach.