Geschäft: Öffentliche Schule und Freiheitsrechte

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.13.13
TitelÖffentliche Schule und Freiheitsrechte
ArtKR Motion
ThemaErziehung, Bildung, Kultur
FederführungBildungsdepartement
Eröffnung16.9.2013
Abschluss11.6.2018
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
AntragAntrag der SVP-Fraktion vom 15. September 2014
AllgemeinInformation der Regierung vom 20. Mai 2014
VorstossWortlaut vom 16. September 2013
AntragAntrag der Regierung vom 28. Oktober 2014
AllgemeinInformation der Regierung vom 2. September 2014
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
25.11.2014Gutheissung85Zustimmung20Ablehnung15
25.11.2014Eintreten77Zustimmung21Ablehnung22
Statements
DatumTypWortlautSession
25.11.2014Wortmeldung

(im Namen der CVP-EVP-Fraktion): Die Motion ist gutzuheissen.

Ich danke der Regierung, dass die Gutheissung der Motion beantragt. Das ist auch richtig so, denn wenn man die Diskussionen in den letzten Wochen und Monaten verfolgt hat, wenn man gesehen hat wie das Thema von verschiedenen Kulturen und Religionen in den Schulen zu Diskussionen Anlass gegeben hat, wie darum gestritten wurde, wie auch das Verwaltungsgericht sich mit diesen Fragen beschäftigen musste. Da tut eine klare gesetzliche Regelung mit klaren Rahmenbedingungen Not. Es soll nicht so sein, dass im gesamten Kanton Diskussionen geführt werden müssen, sondern es soll so sein, dass man ganz genau weiss, was gilt.

Session des Kantonsrates vom 24. bis 26. November 2014
25.11.2014Wortmeldung

zu Ritter-Sonderegger-Altstätten: Einerseits hat er diese mangelnde gesetzliche Grundlage angesprochen, die zum Teil zur Aufhebung von Entscheiden durch das Bundesgericht geführt hat. Nun gerade in diesem Kopftuchfall war es etwa nicht die mangelnde gesetzliche Grundlage, das war ein formell abgesegnetes Gesetz, es war eine Schulordnung, welche dem Referendum unterstanden hat. Das war eben hier nicht das Problem. Das war auch genügend bestimmt, jedoch wurde nun entschieden, dass ein Kopftuchverbot zur Zeit nicht verhältnismässig ist in einem Einzelfall. Ich sehe hier nicht, weshalb es ein formelles Gesetz auf Kantonsebene braucht. Es sind die Gemeinden in der Lage, eine solche Schulordnung zu erlassen. Wenn ich jetzt Ritter-Sonderegger-Altstätten richtig verstehe, dann will er tatsächlich, dass wir in diesem Rat darüber sprechen, mit welcher Rocklänge oder -kürze die Schülerinnen und Schüler noch zur Schule gehen dürfen. Er will offensichtlich, dass wir in einem kantonalen Gesetz festschreiben, welches Fleisch in einem Skilager gegessen wird und welches nicht. Also das finde ich dann eine relativ absurde Regelungsinstanz, wenn wir das hier auf Kantonsebene festsetzen möchten. Die Regierung sagt ja auch ganz klar in der Beantwortung auf diese Motion oder bzw. in ihrem Antrag auf Gutheissung, dass sie ein Rahmengesetz möchte. Wir können dann also nicht ein solch dichtes Gesetz erlassen. Das wäre ja auch ein wenig absurd oder vielleicht wäre es auch lustig, ich weiss es nicht. Wir können das ja dann alle miteinander diskutieren. Ich sehen den Senn, wie gesagt, nicht.

Session des Kantonsrates vom 24. bis 26. November 2014
25.11.2014Wortmeldung

Wenn mich Ritter-Sonderegger-Altstätten schon persönlich anspricht, dann will ich vielleicht doch noch ein paar Dinge dazu sagen: Ritter-Sonderegger-Altstätten, ich muss nicht mehr ins Skilager und über Halal Fleisch entscheiden, da ich pensioniert bin. Aber auch wenn ich noch ins Skilager gehen würde, Ritter-Sonderegger-Altstätten, würde ich das im Skilager mit der betreffenden Klasse vor Ort ganz einfach im Gespräch lösen. Ich brauche dazu kein Gesetz, das mir vorschreibt, was ich dann durchsetzen will. Deshalb, Ritter-Sonderegger-Altstätten, überlassen wir das doch den Lehrerinnen und Lehrern sowie den Schülern. Wenn Sie nämlich Auseinandersetzungen mit dem islamischen Zentralrat wollen, dann müssen Sie genau ein solche Gesetz erlassen, dann haben Sie sehr viele Konflikte immer und immer wieder. In diesem Sinne ist eigentlich ein solches Gesetz absolut überflüssig.

Session des Kantonsrates vom 24. bis 26. November 2014
25.11.2014Wortmeldung

(im Namen der CVP-Fraktion): Die Motion ist gutzuheissen.

Surber-St.Gallen hat Verschiedenes ausgeführt, was schlicht und einfach nicht mit dem Text unserer Motion übereinstimmt. Zum Einen heisst es, wir hätten Fragen gestellt. Der dritte Absatz lautet: «Die Regierung wird daher beauftragt, dem Kantonsrat Botschaft und Entwurf für eine gesetzliche Grundlage zu unterbreiten, welche insbesondere folgende Fragen regelt:..». Also wir wollen eine gesetzliche Regelung, und wir wollen nicht Antworten auf Fragen. Wir wollen insofern Antworten auf Fragen, als das Gesetz Dinge regeln soll, die heute viel diskutiert und in hohem Masse umstritten sind. Dann die Umschreibung des besonderen Gewaltverhältnisses durch Surber-St.Gallen ist mindestens seit Zaccaria Giacometti, der irgendwann in den 50er oder 60er Jahren gestorben ist, überholt. Es gibt eine sehr lesenswerte St.Galler Doktorarbeit über genügend bestimmte Normen zur Beschränkung von Freiheitsrechten und dort steht geschrieben, dass solche gesetzlichen Bestimmungen klar, eindeutig und in der Praxis anwendbar formuliert werden müssen. Genau das wollen wir. Wir wollen nicht ein Rahmengesetz, und wir wollen nicht Dutzende von Schulordnungen im Kanton St.Gallen, sondern wir wollen eine Gesetzliche Grundlage, die den Anforderungen des Bundesgerichtes genügt. Wenn Surber-St.Gallen die entsprechenden Bundesgerichtsurteile studiert, dann wird sie feststellen, dass das Bundesgericht unter anderem in vielen Fällen, das Fehlen einer formell gesetzlichen Grundlage bemängelt. Es kann nicht sein, dass jetzt über diese Kopf- und anderen Tücher nochmals viele Jahre lang diskutiert wird im Kanton St.Gallen, diese Fragen müssen jetzt in einem vernünftigen Gesetz nach demokratischen Grundsätzen geregelt werden. Es muss auch geregelt werden, wie zum Beispiel die religiösen Speisevorschriften eingefordert werden können. Wenn ich bei Lemmermeier-St.Gallen ins Skilager gehe, habe ich dann als Muslime Anspruch auf Halal Fleisch oder nur auf Nicht-Schweinefleisch? Das sind in der Praxis durchaus entscheidende Fragen, die geklärt werden müssen in einer vernünftigen und in eines demokratischen Rechtsstaats würdigen Art und Weise. Wir möchten, dass die Regierung genau das tut, weil wir uns mit diesen Fragen nicht länger beschäftigen möchten. Wir möchten auch, dass sich das Verwaltungsgericht nicht länger damit beschäftigen muss. Wenn Sie dem islamischen Zentralrat und anderen Organisationen Gelegenheit geben wollen, sich politisch zu profilieren in einer unangenehmen Art und Weise, dann müssen Sie nur keine Regelung machen. Aber ich meine, Spielregeln müssen gelten, und die sollen im ganzen Kanton gelten, und die sollen für alle gelten. Spielregeln heisst nicht übermässige Einschränkung, sondern unsere Schule hat schon seit sie als Staatsschule besteht Einschränkungen verlangt, und diese Einschränkungen wurden geregelt und durchgesetzt. Das wollen wir in einer Art und Weise, wie sie in einem demokratischen Rechtsstaat üblich und geboten ist, und nichts anderes wollen wir.

Session des Kantonsrates vom 24. bis 26. November 2014
25.11.2014Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Gutheissung.

Session des Kantonsrates vom 24. bis 26. November 2014
25.11.2014Wortmeldung

(im Namen der SP-GRÜ-Fraktion): Die Motion ist nicht gutzuheissen.

Unsere Fraktion lehnt diese Motion grossmehrheitlich ab. Dies einerseits weil wir der Meinung sind, dass diese Fragenauflistung eigentlich gar keine Motion darstellt. Eine Motion sollte etwas fordern und keine Fragen stellen. Ich möchte hier auch noch auf die gestrige Diskussion verweisen, die wir führten im Rahmen der Frage der Familienergänzenden Betreuung. Da wurde uns ja vorgeworfen, dies sei gar keine Motion, man müsse jetzt erst eine Auslegeordnung machen. Mir erscheint eigentlich, dass hier die CVP-Fraktion auch nichts anderes als eine Auslegeordnung fordert. Deshalb wäre allenfalls eine Interpellation bzw. dann ein Postulat angebracht gewesen. Ich komme darauf nochmals zu sprechen. Ich stelle mir auch die Frage, wie sich die Reaktionäre denn ein solches Gesetz vorstellen. Betrachtet man zum Beispiel die erste Frage: «Wie weit darf die öffentliche Schule Grundrechte und der Schülerinnen und Schülern und ihrer Eltern einschränken?», so könnte es doch in einem solchen Gesetz einzig ungefähr heissen: «Die Schulgemeinde kann Grundrechte von Schülerinnen und Schülern einschränken, sofern diese Einschränkung im öffentlichen Interesse und verhältnismässig ist.» Dafür braucht es aber kein Gesetz. Dieser Grundsatz ergibt sich aus der Verfassung selbst. Es ist daher nicht erkennbar, welchen Mehrwert ein solches Grundlagengrundrechtseingriffsgesetz bringen sollte. Das Selbe gilt für die weiteren Fragen. Geht es etwa um die Frage der Kleidervorschriften, so könnte es im Gesetz heissen, dass Kleidervorschriften getroffen werden können, dass dabei aber die Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schülern Rechnung zutragen ist. Es wird nicht geschehen und es kann nicht sein, dass der Kantonsrat die an der Schule erlaubte Rocklänge bzw. die Rockkürze definieren wird, oder dass er bestimmt, dass im Schulunterricht das Tragen einer Dächlikappe verboten ist.

Die Regierung schreibt selbst, es sei für entsprechende Vorschriften der Charakter des Volksschulgesetzes als Rahmengesetz zu wahren, weshalb der Kanton keine detaillierten Regelungen treffen wird. Es sind letztlich die Schulgemeinden und Einheitsgemeinden, die Schulordnungen erlassen. Wir sind der Meinung, dass sie in der Lage sein sollten, dies auch ohne zusätzliche Vorschriften in einem Rahmengesetz zu bewältigen. Es kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass es Anwendungsfälle geben wird, in welchen der Rechtsweg beschritten wird. Daran würde aber auch ein kantonales Rahmengesetz nichts ändern, solange sich die Menschen als Individuen sehen, solange wird es Menschen geben die Eingriffe des Staates in ihre Freiheitsrechte hinterfragen. Am Ende kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es zur Klärung der Zulässigkeit eines Grundrechtseingriffs im Einzelfall auch ein Urteil durch ein Gericht braucht. Dies war bis anhin der Fall und wird auch in Zukunft der Fall sein.

Die meisten von den Motionären aufgeworfenen Fragen sind daher durch Entscheidungen des Bundesgerichts bereits beantwortet. So gibt es etwa kein Recht auf eine Dispensation vom Schwimmunterricht aus religiösen Gründen. Wenn es der Wunsch der Motionäre ist, hier eine Zusammenfassung und eine Haltung der Regierung zu erhalten, so würde unserer Meinung nach dafür ein Postulatsbericht genügen. Eine neue gesetzliche Grundlage braucht es deshalb aber nicht. Letztlich wird es immer auch eine Frage von Einzelfallanwendungen sein. Wir sind der Überzeugung, dass die Schulen grundsätzlich in der Lage sind, durch den Dialog mit den Betroffenen gute und tragfähige Lösungen zu finden. Ich denke aber, sollte dieser Motion doch eine Mehrheit finden, im Rat wird das für uns auch nicht so schwierig sein, dann werden wir diese Vorlage schon gerne beraten.

Session des Kantonsrates vom 24. bis 26. November 2014