Geschäft: Wohin mit den Vorsorgeaufträgen?

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.13.01
TitelWohin mit den Vorsorgeaufträgen?
ArtKR Motion
ThemaZivilrecht, Strafrecht, Rechtspflege
FederführungDepartement des Innern
Eröffnung25.2.2013
Abschluss2.6.2014
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
AntragAntrag Tinner-Wartau vom 25. Februar 2013
AntragAntrag der Regierung vom 26. Februar 2013
VorstossWortlaut vom 25. Februar 2013
AllgemeinGeänderter Wortlaut vom 27. Februar 2013
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Person27.6.2024
1.8.2019Person21.11.2024
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
27.2.2013Gutheissung96Zustimmung2Ablehnung22
27.2.2013Antrag Tinner-Wartau auf Gutheissung mit geändertem Wortlaut72Zustimmung26Ablehnung22
26.2.2013Antrag auf Dringlicherklärung89Zustimmung15Ablehnung16
Statements
DatumTypWortlautSession
27.2.2013Wortmeldung

Wir haben in Zusammenhang mit der Umsetzung des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts zwei Probleme: Das eine Problem ist das, was Schöbi-Altstätten und Kühne-Flawil angesprochen haben, nämlich mit der Hinterlegung der Vorsorgeaufträge. Das andere ist das Problem von Tinner-Wartau mit den Handlungsfähigkeitszeugnissen. Das ist ein echtes Problem. Ich habe das gerade am Montag wieder erfahren, da ging es um die Einholung einer Bewilligung für die Eintragung in das st.gallische Anwaltsregister. Da ist nach unserer Gesetzgebung ein Handlungsfähigkeitszeugnis erforderlich. Nun hat die Anwaltskammer geschrieben, da keine solchen Handlungsfähigkeitszeugnisse mehr ausgestellt werden können, müsse man einen Nachweis oder eine Bestätigung der KES-Behörde beibringen, zusätzlich müsse man eine Wohnsitzbescheinigung des Einwohneramtes beibringen, und wenn man dann zu wenig lange am neuen Wohnsitz gelebt habe, dann müsse die Anwaltskammer am Wohnsitz, wo man vorher wohnhaft gewesen sei, nachfragen, ob dort irgendeine Beschränkung der Handlungsfähigkeit verfügt worden sei, von der man keine Kenntnis habe. Solche Handlungsfähigkeitszeugnisse sind in verschiedenen Zusammenhängen beizubringen.

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie wir das Problem anpacken können: Wir können das so machen, wie es Tinner-Wartau vorschlägt sowie Schöbi-Altstätten und Kühne-Flawil vorschlagen, und sagen: Du, Regierung, löse uns dieses Problem auf eine einfache, pragmatische Weise, welche möglichst wenig Bürokratie verursacht. Oder wir können es so machen, wie es Regierungsrat Klöti möchte, nämlich umständlich, kompliziert, langwierig und am Schluss wahrscheinlich und hoffentlich dann irgendwann auch mit dem Effekt, dass es eine Lösung ergibt.

Ich persönlich habe meine Kollegen aus diesem Rat als lösungsorientiert erfahren, zumindest in der Mehrheit, und bitte Sie deshalb, dem Zusatzantrag von Tinner-Wartau im Interesse einer pragmatischen Lösung zuzustimmen. Regierungsrat Klöti soll, wenn er zwei Gesetze ändern will, zwei Vorlagen bringen und zwei Botschaften schreiben, dann hat er der reinen Lehre Genüge getan. Und will er es einfach machen, dann macht er eine Vorlage und ändert in erster Linie das Einführungsgesetz zum ZGB, und weil man bei einer Gesetzesänderung auch noch andere Gesetze ändern kann, kann er das als Zusatz aufnehmen.

Sie haben sich jetzt zwischen «tinnerischer» Einfachheit und «klötischer» Komplexität zu entscheiden. Ich weiss, wie ich zu stimmen habe.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013
27.2.2013Wortmeldung

(im Namen der SP-GRÜ-Fraktion): Wir unterstützen die Motion Schöbi-Altstätten und Kühne-Flawil, weil sie aus Gründen der Rechtssicherheit Sinn macht.

Auch wenn der Bundesgesetzgeber es offen gelassen hat, wo eine Person, die einen Vorsorgeauftrag errichtet hat, diesen deponieren soll, steht es dem Kanton St.Gallen gut an, die Möglichkeit zu einer Hinterlegung einer amtlichen Stelle zu übergeben. Damit wird nicht zuletzt verhindert, dass ein Vorsorgeauftrag möglicherweise untergeht oder im schlechtesten Fall zum Verschwinden gebracht wird. Ganz abgesehen davon profitiert der Kanton auch von Gebühreneinnahmen bei einer Hinterlegung. Mit der von der Regierung angeführten Ergänzung des Einführungsgesetzes zum ZGB würde eine Lücke geschlossen, die seit dem 1. Januar 2013 besteht, wie von den Motionären angeführt. Es würde damit einer wachsenden Gruppe von Menschen noch ein wenig mehr erleichtert, auf privater Basis Vorsorge zu treffen, für den Fall, dass sie ihre Angelegenheiten nicht selber besorgen können. Dieses Instrument wird letztlich auch die bisherigen Amtsvormundschaften entlasten können.

Den Antrag Tinner-Wartau hingegen lehnen wir ab. Dies, weil dieser Antrag in diesem Zusammenhang sachfremd ist. Es werden zwei Themen vermischt, die nichts miteinander zu tun haben. Die Hinterlegung von Urkunden, beispielsweise beim Amtsnotariat, haben mit der Ausstellung von Handlungsfähigkeitszeugnissen durch die Gemeinden nichts zu tun. Letzteres betrifft den Informationsaustausch zwischen den Behörden und wäre wenn schon separat zu diskutieren.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013
27.2.2013Wortmeldung

Ratspräsident: Die Regierung beantragt Gutheissung.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013
27.2.2013Wortmeldung

beantragt Gutheissung mit folgendem Wortlaut: «Die Regierung wird eingeladen, dem Kantonsrat eine Gesetzesvorlage zu unterbreiten, wonach:

a) Vorsorgeaufträge bei einer Amtsstelle hinterlegt werden können;

b) den Einwohnerämtern Einschränkungen der Handlungsfähigkeit gemeldet werden und diese wiederum Handlungsfähigkeits­zeug­nisse ausstellen können.»

Der Vollzug des Kindes- und Erwachsenenschutzrechtes fördert doch in der Praxis die eine oder andere Hürde zutage. So auch das Thema der Handlungsfähigkeitszeugnisse, die neuerdings bei den KES-Behörden regional bestellt werden müssen. Ich denke, es sollte, wenn es keinen pragmatischen Weg gibt, zumindest im Rahmen von gesetzlichen Arbeiten zu überprüfen, ob dieser Zustand, wie er im Übrigen im Kanton Thurgau sowie Kanton Zürich bereits umgesetzt ist, dass weiterhin die Einwohnerämter für die Ausstellung der Handlungsfähigkeitszeugnisse zuständig sind, auch im Kanton St.Gallen möglich sein.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013
26.2.2013Wortmeldung

Dem Antrag auf Dringlicherklärung ist zuzustimmen.

Kurz zur Dringlichkeit: Wir Motionäre halten die Dringlichkeit für gegeben. Es ist nur eine kleine Änderung nötig, wenn die Leute nämlich krank und schwach sind, dann haben sie ein grosses Bedürfnis zu wissen, wo sie ihren Vorsorgeauftrag gut deponieren können. Gerade in Zeiten, wo man nicht mehr alle Sinne beieinander und Angst hat, dass etwas wegkommen könnte, ist es doch wichtig, dass eine staatliche Stelle da ist, wo man den Vorsorgeauftrag in treuen Händen geben kann. Denken Sie an die Situationen, wo es einem wirklich schlecht geht. Die Leute werden Ihnen dankbar sein, wenn sie möglichst schnell eine Lösung haben.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013
26.2.2013Wortmeldung

Regierungsrat: Die Regierung bestreitet die Dringlichkeit.

Die Regierung beantragt Ihnen, die Motion als nicht dringlich zu erklären. Ich begründe Ihnen das: Im Unterschied zur letztwilligen Verfügung, das heisst dem Erbvertrag oder dem Testament, hat der Bundesgesetzgeber die amtliche Aufbewahrung beim Vorsorgeauftrag nicht vorgesehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber im Rahmen der Privatautonomie keine bestimmte Aufbewahrung vorschreiben wollte. Im Kanton St.Gallen stehen aktuell bundesrechtskonform verschiedene Varianten offen. Bevorzugt werden dürfte die Hinterlegung bei der vorsorgebeauftragten Person, während die Patientenverfügung vorzugsweise von Ärztinnen und Ärzten aufbewahrt werden. Das ein Bedürfnis nach sicherer Aufbewahrung besteht, ist unbestritten. Dringender Handlungsbedarf besteht indes nicht, da der Vorsorgeauftrag wirksam errichtet und dessen Hinterlegungsort registriert werden kann. Mit den neuen Rechtsinstituten des Kindes- und Erwachsenenschutzes, namentlich dem Vorsorgeauftrag und der Patientenverfügung, ist aber nicht auszuschliessen, dass im Rahmen der konkreten Umsetzung weitere Regelungsbedürfnisse entstehen. Wir möchten also daher bitten, dies erst dann fertig zu regeln, wenn wir genau sehen, was noch zu machen ist. Ich beachte dies als eine der Vielleicht-Kinderkrankheiten, die wir noch regeln müssen. Daher beantragt Ihnen die Regierung, diese Motion als nicht dringlich zu erklären.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013
27.2.2013Wortmeldung

Regierungsrat: beantragt Gutheissung der Motion.

Zu Tinner-Wartau: Er hat zu den Handlungsfähigkeitszeugnissen eine einfache Anfrage gestellt, diese ist in Arbeit. Es sind zwei verschiedene Gesetze, die beiden Themen «Vorsorgeaufträge» und «Handlungsfähigkeitszeugnisse» haben so miteinander nichts zu tun. Die eine Frage wird das Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch betreffen, bei den Handlungsfähigkeitszeugnissen sind Fragen zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht zu beantworten. Hierzu ist diese Einfache Anfrage hängig. Es steht Tinner-Wartau natürlich frei, eine Motion in dieser neuen Frage einzubringen, mit der einerseits die Regierung einen Auftrag erwarten könnte, die andererseits auch hier im Kantonsrat zu beraten wäre. Es ist jetzt aber nicht die Frage einer dringlichen Umsetzung bei den Handlungsfähigkeitszeugnissen an diese Frage mit den Vorsorgeaufträgen zu hängen.

Ich bitte Sie daher, diese Trennung zu akzeptieren und nun diesem Antrag zuzustimmen und nicht einen zusätzlichen Antrag anzuhängen, der uns ganz sicher nicht sinnvoll vorkommt.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013
27.2.2013Wortmeldung

Die Motionäre danken der Regierung für ihr Gutheissen und damit für ihre Bürgerfreundlichkeit. Die Motionäre begrüssen ebenfalls die Ergänzung der dringlichen Motion durch den Zusatz von Tinner-Wartau. Er geht in die gleiche Richtung wie die Hinterlegung bei einer Amtsstelle. Die Bevölkerung erwartet eine praxisnahe Umsetzung des Erwachsenenschutzrechtes des Bundes. Das Leben muss im Alltag funktionieren, Gesetze sind einfach zu handhaben. Dazu gehören ein amtliches Depot und einfache Behördengänge gleichermassen.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013
26.2.2013Wortmeldung

Dem Antrag auf Dringlicherklärung ist zuzustimmen.

Ich kann die dringliche Motion und vor allem den Dringlichkeitsantrag von Schöbi-Altstätten unterstützen. Falls dann die Dringlichkeit erklärt würde, würde ich mir dann auch noch erlauben, für das Thema der Handlungsfähigkeitszeugnisse und des Datenaustausches ebenfalls einen Antrag zu stellen. Deshalb bitte ich Sie, die Dringlichkeit zu unterstützen.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013
27.2.2013Wortmeldung

Dem Antrag Tinner-Wartau ist zuzustimmen.

Anwälte und Anwältinnen müssen im Kanton St.Gallen Gott sei Dank keine Arbeit suchen, weil wir sieben Departemente haben, die es immer wieder schaffen, uns genügend Arbeit zu machen. Wenn das Baugewerbe oder die Industrie eine so effiziente Arbeitsbeschaffungsmaschinerie hätten wie die Anwälte mit unserer geliebten Regierung und Verwaltung, dann würde die Wirtschaft im Kanton St.Gallen in einem Mass boomen, wie Sie es sich nicht vorstellen können. Stimmen Sie deshalb nochmals, ich bitte Sie darum, für die Vernunft.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013
27.2.2013Wortmeldung

Ich bitte Sie, den Antrag Tinner-Wartau zu unterstützen, da er einfache Lösungen bringt.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013
27.2.2013Wortmeldung

Ratspräsident: stellt Eintreten fest.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013
27.2.2013Wortmeldung

Regierungsrat: Auf dieses Votum war nur zu warten wie auf das Amen in der Kirche. Anwälte suchen Arbeit. Es ist rechtlich nicht stichhaltig, wenn man das zusammenhängt. Bitte schön, wir haben zwei Gesetze, das eine ist so neu, die KES, seit wenigen Wochen in Kraft. Andere Kantone in der Schweiz sind genauso weit unterwegs, dass sie noch «Kinderkrankheiten» zu bereinigen haben. Wir werden das dort lösen und das andere mit den Vorsorgeaufträgen, wie wir es in der Motion beantwortet haben. Es ist nicht komplizierter, es sind nur zwei unterschiedliche Dinge. Wenn man natürlich dann eine über das Knie gebrochene Lösung etabliert, dann warten wir einmal auf Einsprachen. Natürlich haben Sie dann Arbeit.

Session des Kantonsrates vom 25. bis 27. Februar 2013