Geschäft: Inkasso der Vorschüsse für unentgeltliche Rechtspflege

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.13.02
TitelInkasso der Vorschüsse für unentgeltliche Rechtspflege
ArtKR Motion
ThemaZivilrecht, Strafrecht, Rechtspflege
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung25.2.2013
Abschluss5.6.2013
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
AntragAntrag der Regierung vom 23. April 2013
VorstossWortlaut vom 25. Februar 2013
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
5.6.2013Eintreten31Zustimmung62Ablehnung27
Statements
DatumTypWortlautSession
5.6.2013Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten.

In der Begründung ihres Antrags vom 23. April 2013 zur Motion beschönigt die Regierung die Probleme rund um das heute im Kanton St.Gallen unbefriedigende Inkasso bei den Vorschüssen für die unentgeltliche Rechtspflege. Hätte sich das Inkasso durch die Gerichte selber bewährt und als sehr effizient erwiesen, wie die Regierung schreibt, müssten wohl nicht Jahr für Jahr Kosten von fast 4 Mio. Franken für amtliche Verteidigung und unentgeltliche Prozessführung vom Steuerzahler übernommen werden. Entgegen den Schilderungen wird das Inkasso heute von den Gerichten wenigstens teilweise unprofessionell und nach dem Zufallsprinzip betrieben. Bei der grossen und ständig steigenden Belastung der Gerichte ist es ihnen mit den bestehenden Kapazitäten nämlich schlicht nicht möglich, die Rückforderungen der Vorschüsse mit der notwendigen Akribie zu bearbeiten und bei Steuerämtern und anderen Amtsstellen die nötigen Abklärungen vorzunehmen. Wohl genau darum haben in den letzten Jahren verschiedene Kantone der Schweiz ein zentrales oder wenigstens dezentrales Inkasso eingeführt. Sie haben damit durchwegs gute Erfahrungen gemacht. So hat der Kanton Aargau mit einer ursprünglichen 100-Prozent-Stelle die Einnahmen beim Inkasso verzehnfacht. Wenn nun diese Stelle noch ausgebaut wird, dann wohl im Wissen, dass es beim Inkasso noch grösseres Potenzial gibt. Auch unser Nachbarkanton Thurgau ist daran, eine zentrale Inkassostelle einzurichten.

Wenn es darum geht, zusätzliche Einnahmen zu generieren, wird in allen Bereichen der Verwaltung gerne und immer wieder mit dem Verursacherprinzip argumentiert. Ausgerechnet in einem Bereich wo der Steuerzahler jährlich mit einem Millionenbetrag belastet wird, weil kaum ein Viertel der bevorschussten Gelder rückerstattet wird, will die Regierung jedoch vom Verursacherprinzip nichts wissen. Stattdessen stellt sie die Steuerzahlenden unter Generalverdacht und will mit zusätzlichen Kommissären die Steuereinnahmen erhöhen oder mit fünf neuen Polizeibeamten und ebenso vielen neuen Radargeräten die Busseneinnahme um 7 Mio. Franken erhöhen. Setzen wir stattdessen ein Zeichen und zeigen, dass unser Kanton grosszügig ist bei der Gewährung von amtlicher Verteidigung und unentgeltlicher Prozessführung, dafür aber die bevorschussten Gelder im Interesse der Steuerzahlenden mit einem professionellen Inkasso verwaltet und überall dort zurückholt, wo dies möglich ist.

Session des Kantonsrates vom 3. bis 5. Juni 2013
5.6.2013Wortmeldung

(im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Ich bin zunächst der SVP-Fraktion dankbar, dass sie den Scheinwerfer etwas auf diese Problematik wirft, der Prozentsatz der tatsächlich zurückgeflossenen Gelder ist in der Tat nicht sehr hoch. Wir sind aber trotzdem der Auffassung, dass man auf die Motion nicht eintreten sollte, und zwar aus folgendem kurzen Grund: Im Bereich der Strafrechtspflege haben wir ein zentrales Inkasso, das ist von der Regierung dargelegt. Im Bereich der Zivilrechtspflege will man nun eine zentrale Inkassostelle schaffen. Wir sind einfach der Auffassung, dass das zu einer Aufblähung der Bürokratie und zu zusätzlichen Stellen führen und das wollen wir nicht. Wir sind der Meinung, dass die einzelnen Gerichte sehr wohl in der Lage sind – so es sie tatsächlich systematisch machen – zu überwachen, welche Säumigen allenfalls in der Lage wären, zurück zu zahlen.

Ich erlaube mir jetzt auch noch als Präsident der Rechtspflegekommission etwas zu diesem Vorstoss zu sagen. Ich hab mit vereinzelten Mitgliedern der Kommission heute und gestern gesprochen. Wir sind bereit, diese Angelegenheit einer näheren Überprüfung zu unterziehen. Wir wollen das Thema einmal systematisch anschauen und die Gerichte auch anhalten, ihm vermehrt Beachtung zu schenken. Selbstverständlich ist die Gesamtkommission zuständig, über das entsprechende Prüfungsthema Beschluss zu fassen. Aber auf den Radar der Rechtspflegekommission haben wir das genommen.

Session des Kantonsrates vom 3. bis 5. Juni 2013
5.6.2013Wortmeldung

(im Namen der SP-GRÜ-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Es liegt wohl in der Natur der Sache, dass die Quote der Rückzahlungen für unentgeltliche Rechtsverbeiständung und für amtliche Verteidigung nicht besonders hoch ist. Denn bewilligt werden diese nur, wenn jemand finanziell bedürftig ist und damit am oder unter dem Existenzminimum lebt. Wenn also die Rückzahlungen nicht höher sind, als dies von der Regierung ausgewiesen wird, dann nicht deshalb, weil das Inkasso schlecht funktioniert, sondern schlicht darum, weil die unterstützten Personen nicht in der Lage sind, die Rückzahlungen zu leisten. Dieser Vorstoss weist deshalb auf eine Realität hin, die sich nicht ändern lässt, ohne unseren Rechtsstaat und daraus abgeleitet, das Recht auf Verteidigung und anwaltliche Vertretung in komplexen Angelegenheit grundsätzlich in Frage zu stellen. Eine Änderung des Inkassos bringt also in unseren Augen gar nichts.

Session des Kantonsrates vom 3. bis 5. Juni 2013
5.6.2013Wortmeldung

Regierungsrat: Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Das Wesentliche ist bereits gesagt, natürlich ist es ein Ärgernis, wenn auf diesem Wege dem Kanton endgültig Gelder verloren gehen, die er eigentlich nur bevorschusst hat. Wenn man den Überlegungen aber zu Grunde legt, dass es in diesem Staat unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung und amtliche oder notwendige Verteidigung gibt, relativiert sich die dieses Ärgernis. Alle Personen, die von amtlicher Verteidigung oder unentgeltlicher Prozessführung im Zivilprozess profitieren, haben im Zeitpunkt, in dem sie das Gesuch stellen, zu wenig Geld, um den Prozess zu finanzieren zu können. In Strafverfahren haben sie anschliessend häufig längere Freiheitsstrafen zu verbüssen und verdienen in dieser Zeit nichts. Dass diese Rücklaufquoten nicht sehr hoch sein können, liegt auf der Hand. Mich haben diese 32 Prozent im Bereich der amtlichen Verteidigung eher von der Höhe her überrascht.

Bei den Zivilprozessen ist es sicher richtig, wenn das Inkasso vor Ort gemacht wird. Bei den unentgeltlichen Prozessführungen wird es einen hohen Anteil an Scheidungen haben, in denen die Anwalts- und Gerichtskosten über dieses Instrument finanziert werden. Wenn Sie da ein Inkasso mit Aussicht auf Erfolg betreiben wollen, ist es notwendig, dass Sie die gesamte familiäre Situation kennen. Wenn Sie wissen, dass eine Frau fünf Kinder hat und von ihrem Mann für die nächsten fünf Jahre jeden Monat Fr. 2'500.– Franken erhält, macht es keinen Sinn, Arbeitszeit für ein Inkasso einzusetzen. Aus diesem Grunde, weil eben für ein vernünftiges und sorgfältiges Inkasso Dossierkenntnisse notwendig sind, haben wir bislang im Bereich der unentgeltlichen Prozessführung auf diese Zentralisierung verzichtet. Bei der amtlichen Verteidigung hingegen erledigt das die Staatsanwaltschaft bereits heute zentral. Dort haben wir aber eine völlig andere Ausgangslage.

Sollte nun aber die Behauptung von Huser-Altstätten zutreffen, dass in einem Kreisgericht der Rücklauf auf Dauer 85 Prozent beträgt, dann müssen wir das tatsächlich überprüfen. Ich bin der Rechtspflegekommission dankbar dafür, dass sie bereit ist, da einmal einen Prüfungsschwerpunkt zu setzen. Ich bin überzeugt, dass das dezentrale Inkasso ohnehin Bestand haben wird. Ich sehe diesen Abklärungen mit Interesse entgegen.

Session des Kantonsrates vom 3. bis 5. Juni 2013
5.6.2013Wortmeldung

(im Namen der CVP-EVP-Fraktion): Auf die Motion ist nicht einzutreten.

Das Inkasso ist bereits Aufgabe der Justiz. Die entsprechenden Anstrengungen der Gerichte sind in gleicher oder höherer Intensität fortzuführen. Einer Zentralisierung stehen wir ohnehin skeptisch gegenüber. Aber das Ganze bietet kein Substrat für eine Gesetzesänderung. Deshalb, wenn keine Gesetzesvorlage geschaffen werden kann, empfehlen wir Nichteintreten.

Session des Kantonsrates vom 3. bis 5. Juni 2013
5.6.2013Wortmeldung

Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass die Rechtspflegekommission sich unabhängig von unserer Motion dem Thema annehmen wird. Ich möchte jedoch noch präzisieren: Wir haben keine zentrale Stelle für das Inkasso gefordert. Wir wissen, dass das Inkasso heute in Fällen des Strafrechts über die Staatsanwaltschaft läuft. Wir wissen aber auch um die grossen Unterschiede, die es im Bereich der Kreisgerichte im Sektor der Zivilverfahren gibt. Wir kennen Quoten von 85 Prozent Erfolg bei einzelnen Kreisgerichten und müssen uns darum die Frage stellen, wie stiefmütterlich das Thema bei anderen Kreisgerichten offenbar gehandhabt wird, weil die Erfolgsquote über den ganzen Kanton gesehen bei etwa 25 Prozent liegt. Sie können sich die Rechnung selber machen. Wir sind darum überzeugt, dass in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht, es muss nicht ein zentrales Inkasso sein, aber es muss ein verbessertes System sein, um diese rund 4 Mio. Franken – 3,8 Mio. Franken sind es im Moment – besser und effizienter im Sinn der Steuerzahlenden zu verwalten.

Session des Kantonsrates vom 3. bis 5. Juni 2013
5.6.2013Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten.

Session des Kantonsrates vom 3. bis 5. Juni 2013