Geschäft: Amtsberichte der kantonalen Gerichte über das Jahr 2011

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer32.12.02
TitelAmtsberichte der kantonalen Gerichte über das Jahr 2011
ArtKR Verwaltungsgeschäft
ThemaZivilrecht, Strafrecht, Rechtspflege
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung8.3.2012
Abschluss23.4.2012
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
BotschaftBericht 2012 der Rechtspflegekommission vom 7. März 2012
AllgemeinBeratungsschema
BotschaftAmtsberichte der kantonalen Gerichte über das Jahr 2011
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium24.6.2024
Statements
DatumTypWortlautSession
23.4.2012Wortmeldung

Ratpräsident: Zu Bürgi-St.Gallen: Die Rechtspflegekommission hat wie von Ihnen erwähnt den Auftrag der Oberaufsicht über die Gerichte. Die Rechtspflegekommission hat aber nicht die Oberaufsicht über das Parlament und zu werten, ob gewisse Wahlen im Sinne von Ihnen oder anderen Personen getätigt wurden. Das ist nun die Sache jedes einzelnen Mitgliedes in diesem Rat.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2012
23.4.2012Wortmeldung

Präsident der Rechtspflegekommission: Auf die Vorlage ist einzutreten.

Im Zusammenhang mit dem Amtsbericht der kantonalen Gerichte unterbreitet Ihnen die Rechtspflegekommission traditionsgemäss auch den Bericht über ihre Tätigkeit im abgelaufenen Jahr. Die Rechtspflegekommission nimmt bekanntlich für den Kantonsrat die Oberaufsicht über die Justizbehörden wahr, der Grundsatz der Gewaltenteilung setzt der Kontrolle der Rechtspflegekommission aber enge Grenzen. Nicht in ihrem Kompetenzbereich liegt es, Urteile auf ihre Richtigkeit zu prüfen oder Gerichten Weisungen über die Aufhebung oder die Abänderung von Entscheiden zu erteilen oder gar in laufende Verfahren einzugreifen. Die Rechtspflegekommission führte im Jahr 2011 im Rahmen ihrer ordentlichen Prüfungstätigkeit Visitationen beim Kreisgericht Toggenburg, der Jugendstaatsanwaltschaft sowie beim Konkursamt durch. Sie nahm ferner Kenntnis vom Bericht der kantonalen Gerichte über das Jahr 2011. Ich orientiere Sie über einige Schwerpunkte unserer Prüfungstätigkeit. Bei dieser wurde die Rechtspflegekommission wiederum in grösserem Umfang durch den parlamentarischen Kommissionsdienst unterstützt. Dessen Unterstützung ist wertvoll und hat die Kommissionsmitglieder bei ihrer Arbeit wirksam entlastet.

Die Subkommission 1 der Rechtspflegekommission visitierte am 20. Dezember 2011 das Kreisgericht Toggenburg mit Sitz in Lichtensteig. Dieses Gericht wurde im ordentlichen Turnus innerhalb der Prüfungstätigkeit ausgewählt, aber auch im Hinblick auf die besondere personelle Situation nach Umsetzung der Justizreform und Vollzugsbeginn der schweizerischen Zivil- und Strafprozessgesetzgebung. Zudem wurde die Tätigkeit des Kreisgerichts Toggenburg als kantonales Zwangsmassnahmengericht geprüft. Das Kreisgericht Toggenburg ist das kleinste Kreisgericht im Kanton. Es umfasst rund 800 Stellenprozente, aufgeteilt auf zehn Personen. Bei den Richterstellen besteht eine Reserve von 20 Stellenprozenten gegenüber dem Stellenplan. Der Zuständigkeitsbereich des früheren Kreisgerichtes Obertoggenburg/Neutoggenburg wurde mit der Justizreform erweitert, was einwohnermässig fast eine Verdoppelung bedeutete. Trotzdem zeigte sich schon bald nach Vollzugsbeginn der Justizreform am 1. Juni 2009, dass die vom Kantonsgericht aufgrund von Berechnungen über die zu erwartenden Fallzahlen veranlasste Personalzuteilung im Fall des Kreisgerichtes Toggenburg grosszügig war. Dem wurde mit verschiedenen Massnahmen begegnet: Aktuell sind 40 Stellenprozente bei der Kanzlei definitiv und die nicht beanspruchten 20 Stellenprozente bei den Richtern provisorisch vom Kreisgericht Toggenburg auf das Kreisgericht Wil übertragen worden. Zudem übernahm das Kreisgericht Toggenburg am 1. Januar 2011 die Funktion des kantonalen Zwangsmassnahmengerichts vom Präsidenten der Anklagekammer. Eine eigentliche Spezialisierung der Richter ist aufgrund der beschränkten Grösse des Gerichts kaum möglich. Eine gewisse Spezialisierung drängt sich aus Sicht des Gerichts mittelfristig aber auf, nur schon wegen der neuen und zunehmenden Vertiefung der bisherigen Rechtsgebiete. Die Mehrbelastung aufgrund der beiden neuen schweizerischen Prozessordnungen ist auch beim Kreisgericht Toggenburg beachtlich. Sie gründet in der aufwendigeren Vorbereitung und Durchführung der Verhandlungen und ergibt sich auf allen Stufen, d.h. auf Richter- und Gerichtsschreiberebene sowie in der Kanzlei. Die Subkommission gewann an ihrer Visitation einen guten Eindruck vom kleinsten Kreisgericht im Kanton. Das Arbeitsklima im Toggenburger Gericht ist ausgezeichnet. Das motivierte Team hat die Veränderungen der letzten Jahre gut bewältigt. In baulicher Hinsicht fielen der Subkommission zwei Schwachstellen auf: Der Tatsache, dass die historischen Räume sehr schalldurchlässig sind, trägt das Kreisgericht mit organisatorischen Massnahmen Rechnung. Im Eingangsbereich sollte aus Sicherheitsgründen zusätzlich zur Gegensprechanlage eine Überwachungskamera installiert werden. Diese Beurteilung hat die Gesamtkommission als Empfehlung übernommen und an das Kantonsgericht weitergeleitet.

Die Subkommission 2 der Rechtspflegekommission visitierte am 13. Dezember 2011 die Jugendstaatsanwaltschaft. Diese wurde im ordentlichen Turnus innerhalb der Prüfungstätigkeit ausgewählt, aber auch im Hinblick auf die mit der Einführung der Schweizerischen (Jugend-)Strafprozessordnung bei der Jugendanwaltschaft erfolgte Reorganisation sowie die Themen Öffentlichkeitsprinzip und Medienpräsenz der Staatsanwaltschaft allgemein. Die Jugendanwaltschaft des Kantons St.Gallen gliedert sich in vier regionale Jugendanwaltschaften in St.Gallen, Altstätten, Uznach und Wil. Diese führen die Strafverfahren gegen Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren, die in ihrer Region wohnhaft sind. Sie sind für die Strafuntersuchung zuständig, fällen mit wenigen Ausnahmen alle Sanktionen in Form von Strafbefehlen und vollziehen die angeordneten Strafen und Massnahmen. Die Jugendanwaltschaft ist für die Behandlung aller strafbaren Handlungen von Jugendlichen zuständig, von typischen Bagatelldelikten bis hin zu schwerwiegenden Straftaten. Die Jugendanwaltschaft umfasst aktuell rund 2300 Stelleprozente, aufgeteilt auf 29 Personen. Die Funktionen der heutigen Jugendanwaltschaft wurden bis 31. Dezember 2010 in den Untersuchungsämtern wahrgenommen. Mit Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung auf 1. Januar 2011 wurden die vier regionalen Jugendanwaltschaften des Kantons organisatorisch zusammengefasst und einem neuen Leitenden Jugendanwalt unterstellt, den die Regierung im August 2010 wählte. Aus Sicht der Jugendanwaltschaft hat sich die Reorganisation bewährt. Sie trug zusammen mit anderen Faktoren dazu bei, die teilweise grossen Pendenzenberge abzutragen, die Qualität der Dienstleistung weiter zu verbessern und die Abläufe noch effizienter zu gestalten. Der Jugendanwaltschaft obliegt nicht nur die Strafuntersuchung, wie dies beim Erwachsenenstrafrecht der Staatsanwaltschaft der Fall ist, sondern auch der Vollzug. Die Jugendanwaltschaft ist für den Vollzug aller Urteile zuständig. Im Jahr 2011 wurden durch die Jugendanwaltschaft 2'252 Abschlussverfügungen erlassen. Sie erfüllte die Vorgaben des Ersten Staatsanwaltes, 75 Prozent der Fälle in drei Monaten zu erledigen und höchstens ein Prozent überjähriger Fälle zu haben, im Jahr 2011 problemlos. Aus Sicht der Jugendanwaltschaft ist die seit 1. Mai 2010 für die Arbeitszeit-, Absenzen-, Spesen- und Leistungserfassung (abgekürzt Azalee) eingesetzte Software im Vergleich zum früheren System für den durchschnittlichen Benutzer ein klarer Rückschritt. Die Jugendanwaltschaft beurteilt die neue Software für ihre Bedürfnisse als wenig tauglich. Sie bezweifelt, ob das Kosten-Nutzen-Verhältnis insbesondere in der mehrfach verzögerten Einführung, aber auch im Betrieb angemessen war bzw. ist. Die Subkommission gewann an ihrer Visitation einen positiven Eindruck einer effizient geführten Jugendanwaltschaft. Der Leitende Jugendanwalt überzeugte durch seine Fachlichkeit und Führungskompetenz. Sowohl der Amtsleiter als auch die befragten Mitarbeitenden bezeichnen das Arbeitsklima als gut, die Arbeitszufriedenheit als hoch und die Tätigkeit als interessant. Verbesserungen sollten, auch aus Sicht der Gesamtkommission, vorgenommen werden bei der für die Arbeitszeiterfassung eingesetzten Software. Hier besteht, wie Sie vielleicht bereits festgestellt haben, eine Differenz zur Beurteilung durch die Staatswirtschaftliche Kommission, die es noch auszudiskutieren gilt.

Die Subkommission 3 der Rechtspflegekommission visitierte am 14. Dezember 2011 das Konkursamt. Dieses wurde im ordentlichen Turnus innerhalb der Prüfungstätigkeit nach dem Departementswechsel und im Hinblick auf die Aufgabe der Liquidation von Gesellschaften aufgrund von Mängeln in der Organisation ausgewählt. Das Konkursamt führt im Rahmen der Gesetzgebung über Schuldbetreibung und Konkurs die Konkursverfahren sowie die Betreibungsverfahren gegen den Kanton, Gemeinden sowie andere Körperschaften und selbständige Anstalten des kantonalen öffentlichen Rechts durch. Das Amt umfasst rund 2100 Stellenprozente, aufgeteilt auf 23 Personen. Die Konkursverfahren werden vom Hauptsitz den verschiedenen Amtsstellen zur Bearbeitung zugewiesen. In der Regel erfolgt die Fallzuteilung anhand der geografischen Zuständigkeit der Konkurskreise. Je nach der Komplexität des Falls und dem voraussichtlichen Aufwand des Verfahrens werden die Fälle in vier Kategorien eingeordnet. Im Jahr 2010 ergab sich eine Rekordzahl an Konkurseröffnungen. Der Anstieg ist in erster Linie auf eine starke Zunahme der Konkurse aufgrund von Mängeln in der Organisation von Gesellschaften zurückzuführen. Die Spitze ergab sich aus der systematischen Kontrolle aller Gesellschaften mit beschränkter Haftung durch das Handelsregisteramt. Die Subkommission gewann an ihrer Visitation einen positiven Eindruck eines effizient geführten Amtes mit qualitativ hohen Leistungen. Die Führung durch den Amtsleiter wird als fördernd und fordernd empfunden. Sie trägt der mitunter belastenden Arbeit der Konkursbeamtinnen und Konkursbeamten Rechnung und bildet die Grundlage für ein insgesamt gutes Betriebsklima. Die organisatorisch und personell schwierigen Zeiten in den Jahren 2006 bis 2009 scheinen nun überwunden zu sein.

Auch in diesem Berichtsjahr fand eine Aussprache der Subkommission Richterwahlen der Rechtspflegekommission mit den kantonalen Gerichtspräsidenten statt. Diskutiert wurden insbesondere verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Justizreform und den Gesamterneuerungswahlen der kantonalen Gerichte für die Amtsdauer 2011/2017. Diese Wahlen beschäftigten die Rechtspflegekommission auch im Jahr 2011, wenn auch weniger als im Vorjahr. Die Wahlen fanden in der Februarsession 2011 statt. Nicht gewählt wurden zwei bisherige und vier neue Fachrichterinnen bzw. Fachrichter der Verwaltungsrekurskommission, weil sie das absolute Mehr nicht erreicht hatten. Aufgrund des teilweise zufällig anmutenden Ergebnisses dieser Nichtwahl diskutierte die Rechtspflegekommission auch die Frage, ob alle Mitglieder des Kantonsrates ihre Stimme mit der nötigen Ernsthaftigkeit abgegeben hatten, und lud ihre Mitglieder ein, in ihren Fraktionen an die Verantwortung des Kantonsrates als Wahlorgan zu erinnern. Dies geschah nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass das Wahlverhalten wenigstens von Teilen des Kantonsrates offenbar eine «Retourkutsche» für die in der persönlichen Wahrnehmung unbefriedigend verlaufenen Kantonsrichterwahlen darstellte. Solche Aktionen empfehlen den Kantonsrat aus Sicht des Sprechenden nicht unbedingt als Wahlkörper für weitere Richterstellen oder andere Organe der Justiz.

Ich möchte auch noch einen weiteren Prüfungspunkt des abgelaufenen Berichtsjahres erwähnen, der nicht Eingang in den schriftlichen Bericht gefunden hat: Die Rechtspflegekommission hat im Herbst 2011 aufgrund wiederholter Berichterstattung in einer in Zürich erscheinenden Wochenzeitung die Frage geprüft, ob die Vorsteherin des Sicherheits- und Justizdepartementes allenfalls in unzulässiger Weise in ein asylrechtliches Verfahren eingegriffen habe und der in den Raum gestellte Vorwurf des Amtsmissbrauchs gerechtfertigt sein könnte. Die Abklärungen der Rechtspflegekommission ergaben, dass die Vorsteherin des Sicherheits- und Justizdepartementes lediglich von jenen Befugnissen Gebrauch gemacht hatte, die das Bundesrecht – konkret das eidgenössische Ausländergesetz – den Kantonen ausdrücklich einräumt. Den Entscheid über den Antrag des Kantons St.Gallen traf letztlich das Bundesamt für Migration in eigener Zuständigkeit und Verantwortung. Die Rechtspflegekommission des Kantonsrates stellte deshalb einstimmig fest, dass das Vorgehen des Sicherheits- und Justizdepartements rechtmässig war.

Der Kantonsrat nimmt von den Berichten von Reglementes wegen Kenntnis. Eines besonderen Antrags der Rechtspflegekommission, von den Berichten Kenntnis zu nehmen, bedarf es deshalb nicht.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle eine Schlussbemerkung: Nachdem wir bei der letzten Session dieser Amtsperiode angelangt sind, möchte ich die Gelegenheit benutzen, um meinen Kolleginnen und Kollegen in der Rechtspflegekommission und dem Geschäftsführer der Kommission für die gute Zusammenarbeit und das angenehme Verhältnis in der Kommission zu danken. Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, möchte ich ebenfalls danken – vielleicht nicht für die vollendete Konzentration, mit der sie jeweils meinen Ausführungen gelauscht, aber zumindest für die Geduld, die sie ihnen entgegengebracht haben.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2012
23.4.2012Wortmeldung

Ratspräsident: stellt Eintreten auf die Vorlage fest.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2012
23.4.2012Wortmeldung

Ratsvizepräsident: stellt Kenntnisnahme vom Bericht fest.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2012