Geschäft: Standesinitiative zur Anpassung des Raumplanungsrechts für Anlagen zur Energieherstellung und Energiespeicherung

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.11.34
TitelStandesinitiative zur Anpassung des Raumplanungsrechts für Anlagen zur Energieherstellung und Energiespeicherung
ArtKR Motion
ThemaLandwirtschaft, Tierhaltung, Waldwirtschaft, Umweltschutz
FederführungBau- und Umweltdepartement
Eröffnung29.11.2011
Abschluss23.4.2012
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 29. November 2011
AntragAntrag der Regierung vom 17. Januar 2012
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
21.8.2019Gremium19.1.2023
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
23.4.2012Eintreten45Zustimmung54Ablehnung21
Statements
DatumTypWortlautSession
23.4.2012Wortmeldung

im Namen der CVP-Fraktion: Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Der Kantonsrat hat bereits an der Novembersession 2011 die Motion 42.11.26 «Zeitgemässes Raumplanungsrecht für die Energieherstellung» mit 77:19 Stimmen klar gutgeheissen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Regierung Nichteintreten auf das Standesbegehren beantragt. Dieses zielt in die gleiche Richtung und will, dass auf Bundesebene einheitliche raumplanerische Instrumente geschaffen werden. Das bisherige Raumplanungsrecht wurde in einer Zeit geschaffen, in der die Produktion von erneuerbarer Energie allein mit Wasserkraft verbunden war. Wir leben jedoch in einem neuen Energiezeitalter. Die gesetzlichen Grundlagen für den Bau von Anlagen zur Energieherstellung und Energiespeicherung dürfen im Raumplanungsrecht künftig nicht allein von Interessenverbänden und Gerichtsentscheiden gestaltet werden. Das nationale und übergeordnete Interesse an der Erstellung von Anlagen ist stark gestiegen.

Die Regierung begründet die Ablehnung damit, dass verschiedene Vorstösse im Bundesparlament unser Anliegen bereits aufgenommen hätten. Bei diesen Vorstössen geht es jedoch vor allem um Anliegen in den Bewilligungsverfahren und der Koordination. Lediglich in der parlamentarischen Initiative 10.470 «Raumplanerische Rahmenbedingungen für die Lagerung einheimischer erneuerbarer Rohstoffe» wird ein raumplanerisches Anliegen behandelt. Die Regierung weist in ihrer Antwort im Weiteren auf die Energiestrategie 2050 des Bundes hin. Diese Energiestrategie wurde vom Bundesrat nun vor einigen Tagen verabschiedet und zeigt die Realität und den Weg in die Energiezukunft auf. Die Produktion von erneuerbarer Energie ist ein zentraler Punkt: Sie soll bis ins Jahr 2050 um 22,6 Terrawattstunden gesteigert werden. Die konkreten Fragen sind weder im geltenden Raumplanungsrecht noch in der Energiestrategie beantwortet: Können wir Photovoltaik- und Solaranlagen ausserhalb der Zonen im freien Gelände erstellen? Sind Windanlagen in Landschaftsschutzgebieten möglich? Können bestehende Gebäude in der Landwirtschaftszone zur gewerblichen Lagerung von Energieholz genutzt werden? Ist der Bau von neuen Wasserkraftwerken in Gebieten mit Naturparks möglich? Wo sollen Biomassekraftwerke gebaut werden? Oder noch etwas visionärer: Darf die gewonnene Energie aus Photovoltaikanlagen im Landwirtschaftsgebiet in andere Energieträger umgewandelt und dort gespeichert werden? Welche raumplanerischen Massnahmen sind relevant für den Bau von Energiespeichern im Boden? Man könnte die Liste der Fragen beliebig verlängern, wir brauchen dazu Antworten. Und dabei geht es im Kernpunkt darum, wie viel höher der Stellenwert der Energie gegenüber den bisherigen Grundlagen, gegenüber der Gesellschaft und gegenüber der Natur sein wird.

Die Erfahrungen in den vergangenen Jahren haben es gezeigt: Bei den Projekten für Wasser- und Windenergieanlagen konnte kaum ein Projekt beförderlich weitergebracht werden. Viele Projekte werden bereits im Anfangsstadium durch die Verwaltung abgewiesen. Die Begründungen stützten sich immer auf das übergeordnete Bundesrecht, seien es im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) enthaltene Gebiete, sei es das Umweltrecht, der Landschaftsschutz oder der Gewässerschutz. Es war kaum je davon die Rede, dass der Kanton Spielraum zur Entscheidung hätte. Es erstaunt deshalb, dass die Regierung in ihrer Antwort die Gefahr der Einschränkung des kantonalen Spielraums aufführt. Der Bund hat im Faktenblatt 1 «Erste Massnahmen Energiestrategie 2050» unter dem Titel «Erneuerbare Energien; Gebietsausscheidungen für Anlagen zur Produktion von Strom mit erneuerbaren Energien» folgende Massnahme festgehalten: «Bei der Raumplanung sollen geeignete Standorte für die Nutzung von erneuerbaren Energien ausgeschieden und bezeichnet werden. Der Bund übernimmt eine koordinative Rolle. Auf Bundesebene soll die Nutzung von erneuerbaren Energien als wichtiges nationales Interesse gesetzlich festgeschrieben werden.» Der Bund schlägt in seiner Strategie somit den Weg ein, welchen wir mit unserer Standesinitiative auch verfolgen. Es ist deshalb sehr wichtig, dass mit der Standesinitiative der Wille eines Kantons in Bern deponiert und damit Druck auf die Anpassung des Raumplanungsrechts gemacht wird.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2012
23.4.2012Wortmeldung

(im Namen der SP-Fraktion): Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

In der Kommission für Aussenbeziehungen haben uns Ständerätin Erika Forster und Ständerat Eugen David erklärt, wie das ist, wenn Standesinitiativen in die gleiche Kerbe hauen, während das Bundesparlament bereits an der Arbeit ist. Wir gehen davon aus, dass es das Raumplanungsrecht braucht. Unsere Schweizer Landschaft ist von verschiedensten Seiten unter Druck: Benötigt werden Wohnbauten, Infrastrukturbauten und Energieherstellungsanlagen. Es ist ein ganz zentrales Thema, wie wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit diesen Forderungen umgehen werden. Wir können die Schweiz nicht zweimal haben. Deshalb ist es wichtig, dass Raumplanung einen ganz hohen Stellenwert erhält und sie auch den Schutz der Landschaft miteinbezieht. Auf Bundesebene bearbeitet man derzeit dieses Problem, im Wissen darum, dass es jetzt verschiedene Anpassungen braucht. Diese müssen in einem Gesamtkonzept vorgenommen werden, weil erneuerbare Energie nicht ökologisch ist, wenn für deren Gewinnung natürliche Ressourcen zerstört werden.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2012
23.4.2012Wortmeldung

Auf das Standesbegehren ist einzutreten.

Wenn ich die Antwort der Regierung auf die Interpellation 51.11.63 «Grösste Solarstromanlage am Walensee» betrachte, dann erstaunt ihr Antrag auf Nichteintreten nicht. Die Reaktion der Regierung auf beide Vorstösse ist sehr zurückhaltend, man könnte auch sagen vorsichtig. Irgendwie bekommt man den Eindruck, dass die Regierung nicht hinter dem Beschluss des Bundesrates steht, aus der Kernenergie auszusteigen. Sie desavouiert damit den Bundesrat und nimmt eine halbherzige Stellung ein. Ich erachte dies als politisch völlig falsch. Wie soll das Volk den Entscheid des Bundesrates mittragen, wenn Kantonsregierungen derart halbherzig darauf reagieren? Wie sehr sich das Volk mit dem Thema befasst, zeigen zahlreiche Reaktionen – praktisch ausschliesslich positive – zur Presseberichterstattung zum Thema Solaranlage am Walensee. Da wird zum Beispiel gesagt, die Regierung zeige sich mit ihrem Verhalten arrogant: Solarmodule könnten wieder demontiert und entsorgt werden, wenn sie ausgedient hätten – was weitaus einfacher ist als die Entsorgung von Atommüll. In der Begründung ihres Antrages verspricht die Regierung, sich gegenüber den St.Galler Mitgliedern der Bundesversammlung mit Blick auf die Behandlung der Vorstösse zugunsten der Anliegen einzusetzen. Das ist schön und gut, und ich danke der Regierung im Voraus dafür. Es wäre indessen sicher nicht falsch, das Anliegen auch mit einer Standesinitiative zu unterstützen und ihr dadurch noch mehr Gewicht zu verleihen. Überhaupt vermisse ich bei den Äusserungen der Regierung zu diesem Thema einen Lösungsansatz. Eigentlich sollte dieses Thema nicht vom Parlament aufs Tapet gebracht werden müssen, sondern die Regierung müsste vorausgehen. Diese Grundhaltung fehlt mir bei der Regierung ganz allgemein zu diesem Thema. Ich bitte Sie dringend, dem Standesbegehren zuzustimmen und damit den Kanton St.Gallen als Kanton darzustellen, der zukunftsorientiert ist, der gewillt ist, Probleme anzupacken und zu lösen. Ein solches Image täte dem Kanton St.Gallen gut.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2012
23.4.2012Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2012
23.4.2012Wortmeldung

Regierungsrat: Auf das Standesbegehren ist nicht einzutreten.

Ich habe der Diskussion interessiert zugehört und habe volles Verständnis für die Anliegen. Wenn man Erfolg haben will, sollte man die richtigen Mittel wählen. Mir ist auch nicht ganz klar, was man will. Es sind verschiedene Aspekte. Der Bund ist bereits jetzt in vielen Bereichen zuständig, z.B. Raumplanung oder Umwelt. Dort beklagen Sie sich, dass der Kanton keine eigene Möglichkeiten hat. Hier sagen Sie jetzt, der Bund solle endlich schweizweit gültige Detailregeln erstellen und sagen, wie es gehe. Und wenn er es dann gemacht hat, sagen Sie wahrscheinlich, es sei zu konservativ. Wir müssen unterscheiden: In der Raumplanung schafft der Bund die Grundlagen, und wir sind letztendlich für die Planung verantwortlich. Alles, was bis heute bewilligt wurde, ist legal, und wir haben die Grundlagen dafür. Was neu ist: Wir wollen diese grossen Anlagen, und da braucht es die Planungsverfahren. Die Grundlagen bestehen, und es braucht eine sorgfältige Abwägung, wo wir welche Sachen bevorzugen. Mit den neuen Bedürfnissen für die Energieherstellung wird nicht gleichzeitig das geltende Bundesrecht ausser Kraft gesetzt, das kann selbst der Bund nicht mit der eigenen Gesetzgebung. Auch der Bund wird eine sorgfältige Abwägung machen müssen, in welchen Bereichen die Nutzung, die Erhaltung oder der Schutz zu bevorzugen ist. Bundesrätin Leuthard hat im Zusammenhang mit der Energiestrategie letzte Woche klar gesagt, dass der Bund darangehen wird, die Gebiete auszuscheiden: Wo sind welche alternativen Energien zu fördern, wo sind sie geeignet und wo nicht. Ein Beispiel: Für die Förderung der Windenergie ist es sinnvoll und vernünftig, zuerst Windmessungen zu machen, damit beurteilt werden kann, wo überhaupt eine vernünftige Menge an Energie mit vertretbarem finanziellem Aufwand gewonnen werden kann und mit welchen Einschränkungen auf unsere Landschaft. Deshalb ist es fraglich, was wir mit dieser Standesinitiative wollen. Wollen wir unsere Bundesparlamentarier, die in diesem Thema bereits sehr aktiv sind, zusätzlich unterstützen, oder wollen wir als Kanton St.Gallen unsere quantitative Spitzenposition bei den Standesinitiativen stärken? Das ist nicht dasselbe.

Zu Roth-Amden: Ich habe es gelesen und manchmal auch gehört, wie halbherzig man die Idee am Walensee unterstützt. Ich hoffe für Sie, dass der Gemeinderat Amden auch Zurückhaltung übt, wenn er eine Idee hört und weder ein Gesuch noch eine Grundlage zur Verfügung hat, um eine Antwort zu geben. Wir haben nichts, und ich behalte mir vor, Euphorie dann zu zeigen, wenn ich Fakten und Grundlagen habe, hinter denen ich auch stehen kann. In der Zwischenzeit sind die Gesuche eingegangen. Wir haben intensive Gespräche mit den Initianten geführt und aufgezeigt, welches der richtige Weg ist, um dann allenfalls zu einer Bewilligung zu kommen. Alles zu seiner Zeit: Alles andere ist nicht seriös, das würden Sie uns nicht abnehmen. Ich glaube, dass dies eine sehr gut gemeinte Aktion ist. Man kann eine Standesinitiative machen, man kann sie auf den Haufen legen in Bern. Es herrscht in der ganzen Schweiz auch nach den Erklärungen von letzter Woche eine grosse Verunsicherung, es ist noch nicht gefestigt. Wir bewilligen und fördern alles, was im Rahmen des geltenden Rechts irgendwie möglich ist. Die Grossprojekte müssen auf den Planungsweg und haben über das Richtplanverfahren zu erfolgen, grosse Energieanlagen genauso wie grosse Einkaufszentren usw. Diesen Weg wird der Bund nicht abkürzen, auch wenn Sie eine Standesinitiative machen. Mit dem schnellen Verfahren ist es immer dasselbe: Man kann an verschiedenen Orten tatsächlich schnell entscheiden, aber wenn schnell nicht auch fundiert ist, gibt es im Nachhinein lange Rechtsmittelverfahren, was dann niemandem dient. Saubere Grundlagen, saubere Verfahren und Engagement bringen uns weiter, alles andere dient der Sache nicht. Ich meine, dieses Standesbegehren ist nicht nötig. Wenn Sie diesem zustimmen, dann senden wir es nach Bern. Ich glaube aber kaum, dass Sie Ihre Ziele mit dieser Initiative beim Bund beschleunigen können.

Session des Kantonsrates vom 23. und 24. April 2012